Das Oberlandesgericht Graz hat als Berufungsgericht durch die Richterinnen Dr. in Angerer (Vorsitz) und Mag. a Zeiler-Wlasich sowie den Richter Mag. Obmann, LL.M. in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. A* , Facharzt, **, vertreten durch Konrad Rechtsanwälte KG in Graz, gegen die beklagte Partei B* GmbH , **, Deutschland, vertreten durch Dr. Michael Wukoschitz, Rechtsanwalt in Wien, wegen EUR 21.821,82 samt Anhang, über die Berufung der klagenden Partei (Berufungsinteresse EUR 21.821,82), gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 31. Juli 2025, **-33, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 2.461,93 (darin EUR 393,08 an 19 %-iger Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Berufungsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
Thema des Verfahrensist die Berechtigung eines Reiseveranstalters zum Rücktritt vom Pauschalreisevertrag vor Beginn der Pauschalreise während der COVID-Pandemie nach § 10 Abs 3 Z 2 PRG, BGBl I 2017/50, in Verbindung mit Art 12 Abs 3 lit b Richtlinie (EU) 2015/2302 über Pauschalreisen und verbundene Reiseleistungen (idF: Pauschalreise-RL). Dem liegt folgender - insoweit unstrittiger - Sachverhalt zugrunde:
Der Kläger, ein niedergelassener Röntgenfacharzt, und seine Ehefrau buchten am 13. Mai 2020 eine von der in Deutschland ansässigen Beklagten veranstaltete (All-inclusive-)Pauschalreise mit dem Ziel Malediven für den Zeitraum vom 26. Dezember 2020 bis 2. Jänner 2021 zu einem Gesamtpreis von EUR 8.620,00. Die Reise beinhaltete den Flug ** – ** – **, das Hotel und den Transfer vom Flughafen zum Hotel [und zurück] mit einem Boot.
Spätestens ab Dezember 2020 bestand für die Malediven aufgrund der COVID-19-Pandemie eine Reisewarnung des österreichischen Außenministeriums (BMEIA) der höchsten Stufe 6 („Es wird vor allen touristischen und nicht notwendigen Reisen, einschließlich Urlaubs- und Familienbesuchsreisen, in dieses Land gewarnt“). Die Beklagte sagte die gebuchte Reise am 3. Dezember 2020 aufgrund der Reisewarnung ab. Zu diesem Zeitpunkt war die 7-Tages-Inzidenz auf den Malediven mit 34,7 geringer als in Österreich mit 220. Die Begründung für die Absage (Reisewarnung) wurde dem Kläger bzw seiner Ehefrau spätestens am 9. Dezember 2020 mitgeteilt. Alternative Reiseangebote entsprachen nicht deren Vorstellungen. Die Beklagte überwies die Anzahlung von EUR 1.015,60 zurück.
Der ursprünglich für den 26. Dezember 2020 gebuchte Flug von ** über ** nach ** mit der Fluglinie C* fand statt. Das gebuchte Hotel D* war im geplanten Reisezeitraum geöffnet (Vorbringen Kläger ON 28 von der Beklagten zugestanden ON 31.4, 3).
Die Ehefrau trat dem Kläger sämtliche Ansprüche gegen die Beklagte aus der Stornierung dieser Reise zur gerichtlichen Geltendmachung ab und der Kläger nahm diese Abtretung an.
Mit der am 18. Februar 2021 eingebrachten Klage begehrt der Klägervon der Beklagten Schadenersatz von EUR 21.821,82 samt 4 % Zinsen seit 15. Dezember 2020. Die Beklagte habe die Reise ohne ausreichenden Grund storniert; eine Reisewarnung des Außenministeriums sei für einen Rücktritt des Reiseveranstalters nicht ausreichend. Unvermeidbare und außergewöhnliche Umstände im Sinne des § 10 Abs 3 PRG, die die Beklagte an der Erfüllung des Reisevertrags gehindert hätten, lägen nicht vor: Die 7-Tages-Inzidenz auf den Malediven sei damals deutlich geringer gewesen als in Österreich; es gäbe dort eine ausreichende ärztliche Versorgung; der Kläger und seine Ehefrau hätten darüber hinaus auch eine Reisekrankenversicherung abgeschlossen. Der Kläger habe im Hinblick auf die Reise seine Arztpraxis am 23. Dezember 2020 sowie am 4. und 5. Jänner 2021 geschlossen. Er habe einen kausalen Verdienstentgang von EUR 18.171,82 erlitten (67 Patienten x 3 Tage x Vergütung von EUR 90,33). Eine kurzfristige (Wieder)Eröffnung der Praxis nach der Reiseabsage wäre nicht möglich gewesen. Aus dem Titel entgangene Urlaubsfreude begehrt der Kläger für sich und seine Ehefrau jeweils EUR 1.750,00 und für pauschale Unkosten den Ersatz von jeweils EUR 75,00. Die letzten beiden Anspruchspositionen seien ihm von seiner Ehefrau rechtswirksam abgetreten worden.
Die Beklagteerachtet ihren Rücktritt vom Pauschalreisevertrag im Sinne des § 10 Abs 3 PRG infolge der Reisewarnung für gerechtfertigt. Die Durchführung der Reise sei ihr nicht zumutbar gewesen. Hätte sie sich über die Reisewarnung hinweggesetzt, hätte sie nicht absehbare Haftungsfolgen in Kauf nehmen müssen. Im Übrigen hätte der Kläger die Reise aufgrund der ab 26. Dezember 2020 in Österreich geltenden Ausgangsbeschränkungen gar nicht antreten können. Es bestehe daher kein Anspruch auf Ersatz der entgangenen Urlaubsfreude und pauschaler Unkosten. Die Absage der Reise sei für den Verdienstentgang des Klägers nicht kausal, weil er bei deren Stattfinden ebenfalls keine Einnahmen an den genannten Tagen aus dem Ordinationsbetrieb erzielt hätte. Die Tage seien überdies nicht im geplanten Reisezeitraum gelegen und daher nicht vom Schutzzweck des Vertrags erfasst. Der Kläger habe nicht einmal versucht, die Ordination (zumindest teilweise) wieder zu öffnen und damit gegen seine Schadensminderungspflicht nach § 1304 ABGB verstoßen. Der Schaden sei auch nicht adäquat verursacht. Die begehrten Ersatzbeträge seien zudem wesentlich überhöht. Die Abtretung der Ansprüche der Ehefrau an den Kläger sei nicht wirksam erfolgt.
Im ersten Rechtsgangwies das Erstgericht das Klagebegehren ab (** vom 13. Juli 2021). Das Berufungsgerichts bestätigte diese Entscheidung (4 R 194/21p vom 27. Jänner 2022). Der Oberste Gerichtshof setzte das Verfahren aus Anlass der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision aus und leitete ein Vorabentscheidungsverfahren ein (8 Ob 46/22f vom 29. Juni 2022). Nach Vorliegen des Urteils des Europäischen Gerichtshofs (C-546/22 vom 4. Oktober 2024) setzte der Oberste Gerichtshof das Revisionsverfahren fort, hob die Urteile der Vorinstanzen auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück (8 Ob 127/24w vom 5. Dezember 2024). Er trug dem Erstgericht in den Punkten 4.2. bis 4.4. seiner Entscheidung Folgendes auf (Hervorhebungen in Fett- und Kursiv druck durch das Berufungsgericht):
4.2. Einerseits sind Feststellungen zu treffen, aus denen die Frage beantwortet werden kann, ob im Zeitpunkt des Reiserücktritts (und nicht des Reiseantritts) am Zielort eine objektive Situation bestand, die als „unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände“ qualifiziert werden kann. Dabei kann zwar grundsätzlich auf die BMEIA-Reisewarnung abgestellt werden, jedoch ist dem Kläger Gelegenheit zu geben, Vorbringen und Beweisanbot zu erstatten , welche die Annahme einer solchen Situation widerlegen und die Annahme rechtfertigen könnten, dass im Zeitpunkt der Vertragsbeendigung entgegen den BMEIA-Empfehlungen deren Voraussetzungen nicht oder nicht mehr vorlagen. Unter Berücksichtigung solcher vom Kläger vorzubringenden und zu beweisenden Umständewird sodann erst zu beurteilen sein, ob die Beklagte zum Zeitpunkt der Beendigung des Pauschalreisevertrags unter Berücksichtigung insbesondere der Veröffentlichung der BMEIA-Reisewarnung der höchsten Stufe, die wegen der durch die COVID-19-Pandemie verursachten Gesundheitsrisiken erfolgte, vom Vorliegen „unvermeidbarer, außergewöhnlicher Umstände“ nach § 10 Abs 3 Z 2 PRG in Verbindung mit Art 12 Abs 3 lit b Pauschalreise-RL ausgehen durfte.
4.3. Wenn demnach vom Vorliegen solcher Umstände auszugehen ist, ist auch zu prüfen, ob dadurch die Beklagte im Zeitpunkt des Rücktritts vom Reisevertrag (und nicht dem seiner geplanten Erfüllung) im Sinne einer Prognoseentscheidung vernünftigerweise annehmen konnte, im Sinne von § 10 Abs 3 Z 2 PRG in Verbindung mit Art 12 Abs 3 lit b Pauschalreise-RL „ an der Erfüllung des Vertrages gehindert “ zu sein. Hierbei ist grundsätzlich davon auszugehen, dass eine Gesundheitskrise wie die Ausbreitung von COVID-19 als ein diese Prognose rechtfertigendes Ereignis angesehen werden konnte. Mit dem Kläger ist allerdings noch zu erörtern, dass seine bloße Erklärung, die Reise trotz der festgestellten Risiken antreten zu wollen, nicht maßgebend ist, sondern es an ihm läge, objektive Umstände aufzuzeigen und unter Beweis zu stellen, dass die Beklagte Maßnahmen ergreifen gekonnt hätte , mit denen gegenüber den von der Pandemie wesentlich berührten Bedingungen der Reisedurchführung mit verhältnismäßigen Kosten Abhilfe zu schaffen gewesen wäre.
4.4. Falls im dargelegten Sinne die Beklagte als nicht im Sinne von § 10 Abs 3 Z 2 PRG in Verbindung mit Art 12 Abs 3 lit b Pauschalreise-RL zum Rücktritt berechtigt angesehen werden könnte, wären auch Feststellungen zur Höhe des Klagebegehrens und zur Kausalität des unberechtigten Rücktritts für die vom Kläger geltend gemachten Ansprüche zu treffen.
Über Auftrag des Erstgerichts bringt der Kläger im zweiten Rechtsgang ergänzend unter Hinweis auf die Punkte 4.2. und 4.3. der Entscheidung des Obersten Gerichthofs vor (ON 28), dass der gebuchte Flug stattgefunden habe und das gebuchte Hotel im geplanten Reisezeitraum voll in Betrieb gewesen sei, dass der größte Reiseveranstalter E* bestätigt habe, dass im gesamten „F* Konzern“ eine Maledivenreise angeboten und auch durchgeführt worden sei, dass das gesamte Leistungsspektrum des Reisevertrags auch zum Zeitpunkt des Rücktritts der Beklagten uneingeschränkt zur Verfügung gestanden sei, dass die Inzidenz auf den Malediven um ein Vielfaches geringer als in Österreich gewesen sei, dass es einen „regelrechten Nachfrageboom nach Maledivenreisen“ gegeben habe. Der Kläger „vermutet“, dass die Beklagte aus rein wirtschaftlichen Gründen zurückgetreten sei, „zumal aufgrund des Nachfragebooms die durch den Rücktritt freigewordenen Plätze zu einem höheren Preis verkauft werden konnten“. Die Beklagte hätte keinerlei zusätzliche Maßnahmen zu setzen gehabt, um den Reisevertrag zuzuhalten. Eine Reisewarnung sei nur eine Empfehlung des BMEIA, eine behördliche Information mit beratender Funktion ohne Gesetzescharakter. Sie sei ein Instrument, um den Kunden als Konsumenten die Möglichkeit zu geben, abgeschlossene Reiseverträge kostenlos zu stornieren. Im konkreten Fall habe es keine Grundlage dafür gegeben; der Kläger habe auch eindeutig sein Interesse am Festhalten des Reisevertrags dokumentiert. Die Beklagte wäre verpflichtet gewesen, den Reisevertrag zuzuhalten.
Die Beklagte repliziert (ON 29), dass die retrospektiv nicht vorgelegene objektive Unmöglichkeit der Reisedurchführung - weil der (Hin-)Flug tatsächlich stattgefunden und das Hotel geöffnet gehabt habe - nach der Entscheidung des EuGH ebenso irrelevant sei wie der Umstand, dass möglicherweise andere Veranstalter Maledivenreisen durchgeführt haben. Die Beklagte sei weder mit der (mittlerweile insolventen) E* GmbH noch mit der F* GmbH gesellschaftsrechtlich verflochten. Bei der im Zeitpunkt des Reiseabsage vorgelegenen Reisewarnung der höchsten Stufe 6 habe die Beklagte zwangsläufig davon ausgehen müssen, dass die Reise nicht durchgeführt werden könne, ohne dass die Bedingungen der Durchführung wesentlich berührt wären. Die Malediven bestünden aus rund 1.200 Inseln in einer Nord-Süd-Ausrichtung über etwa 870 km. Lediglich in der Hauptstadt ** gebe es ein großes staatliches und ein privates Krankenhaus, während die Arztpraxen nicht dem europäischen Standard entsprächen. Die medizinische Versorgung auf den kleineren Inseln sei unzureichend; in den touristischen Resorts gebe es bestenfalls kleine Erstversorgungs-Ambulanzen, die nicht für die Behandlung pandemischer Infektionen gerüstet seien. Der Beklagten sei es - angesichts der erhöhten sozialen Kontakte und der damit einhergehenden Infektionsgefahr in einem Ferienresort - aufgrund ihrer Schutz- und Sorgfaltspflichten gegenüber den Reisenden und den örtlichen Leistungsträgern und Mitarbeitern nicht zumutbar gewesen, die Reise entgegen der ausdrücklichen Warnung des BMEIA durchzuführen. Diesfalls hätte sie mit hoher Wahrscheinlichkeit mit einer Haftung rechnen müssen, was allein zur Unzumutbarkeit der Vertragserfüllung führe. Auch wäre sie möglicherweise Beistandspflichten nach § 14 PRG in nicht vorhersehbarem Ausmaß ausgesetzt gewesen. Die Maßstäbe für einen Reiserücktritt seien entsprechend der Entscheidung des EuGH für den Reisenden wie für den Reiseveranstalter die gleichen. Dass der Kläger erklärtermaßen an der Reise habe festhalten wollen, sei rechtlich nicht von Bedeutung. Schließlich fehle es - wie bereits im ersten Rechtsgang dargestellt - an der Kausalität der Reiseabsage für den geltend gemachten Verdienstentgang und auch am Rechtswidrigkeitszusammenhang.
In der Tagsatzung vom 1. Juli 2025 (ON 31.4) erörterte das Erstgericht mit dem Kläger neben den sich aus den Entscheidungen des EuGH und OGH ergebenden Grundsätzen, dass bislang „keine objektiven Umstände aufgezeigt wurden, die darauf schließen lassen würden, dass trotz Vorliegens einer BMEIA-Reisewarnung zum Zeitpunkt des Vertragsrücktritts der Beklagten unvermeidbare und außergewöhnliche Umstände nicht bzw nicht mehr vorlagen, und/oder dass die Beklagte diesen Umständen durch Maßnahmen zu verhältnismäßigen Kosten Abhilfe hätte schaffen können.“ Das Erstgericht wies auch darauf hin, dass ihm die in den Schriftsätzen der Parteien (ON 28 und 29) beantragten Personalbeweise mangels Relevanz nicht notwendig erschienen.
Der Kläger verwies insbesondere auf den Umstand, dass der Flug stattgefunden habe und das Hotel im entsprechenden Zeitraum offen gewesen sei - was die Beklagte nicht bestritt -, sodass das volle Leistungsspektrum zur Verfügung gestanden sei (ON 31.4, 3).
Mit dem angefochtenen Urteil weist das Erstgericht auch im zweiten Rechtsgang das Klagebegehren ab . Über den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt hinaus trifft es noch weitere Feststellungen (die vom Kläger bekämpften sind kursiv gekennzeichnet):
Üblicherweise schließt der Kläger seine Ordination in der letzten Woche im alten Jahr und sperrt mit dem ersten Arbeitstag im neuen Jahr wieder auf, sodass sie üblicherweise am letzten Arbeitstag vor Weihnachten und ab dem ersten Arbeitstag im neuen Jahr geöffnet ist. Aufgrund der geplanten Reise entschlossen sich der Kläger und seine Ehefrau im Mai 2020 dazu, die Ordination auch am 23. Dezember 2020 (Montag vor Weihnachten) sowie am 4. und 5. Jänner 2021 zu schließen und sie erst nach dem 6. Jänner 2021 wieder zu öffnen. Damit wollten sie einen „Puffer“ für eine mögliche verspätete Rückreise oder eine notwendige Quarantäne einplanen.
Es kann nicht festgestellt werden, dass im Zeitpunkt des Reiserücktritts der Beklagten Anfang Dezember 2020 auf den Malediven trotz BMEIA-Reisewarnung keine Situation vorlag, die eine Reisewarnung der Stufe 6 rechtfertigen würde, oder dass Reisen auf die Malediven trotz der weltweiten COVID-19-Pandemie und entgegen der BMEIA-Reisewarnung dennoch zumutbar waren [a] .
Es kann weiters nicht festgestellt werden, dass die Beklagte Maßnahmen hätte ergreifen können, mit denen gegenüber den von der Pandemie wesentlich berührten Bedingungen der Reisedurchführung mit verhältnismäßigen Kosten Abhilfe zu schaffen gewesen wäre [a] .
Im Falle des Reiseantritts hätte der Kläger seine Ordination am 23. Dezember 2020 sowie am 4. und 5. Jänner 2021 geschlossen gehalten. Die Ordination des Klägers blieb auch trotz der Stornierung geschlossen. Der Kläger und seine Frau bemühten sich nicht darum, diese am 23. Dezember 2020 bzw am 4. und 5. Jänner 2021 doch offen zu halten [b] .
Der Kläger betreut in seiner Ordination als Radiologe keine akut erkrankten Patienten, vielmehr werden ihm Patienten von anderen Ärzten überwiesen. Diese Ärzte waren von seiner urlaubsbedingten Abwesenheit bereits verständigt worden. Seine Mitarbeiterinnen konsumierten in diesen Tagen vereinbarungsgemäß Urlaub. Von zumindest zwei Mitarbeiterinnen wusste die Ehefrau des Klägers, dass sie vorhatten, in den „Weihnachtsferien“ Bekannte zu besuchen und daher ortsabwesend sein würden. Es ist für eine Öffnung der Ordination nicht notwendig, dass alle Mitarbeiter:innen anwesend sind. Dass es dem Kläger nicht möglich war, die Ordination am 23. Dezember 2020 bzw 4. und 5. Jänner 2021 nach der Stornierung der Reise doch zu öffnen, kann nicht festgestellt werden [b] .
Rechtlicherachtet das Erstgericht den Rücktritt der Beklagten von der Reise im Sinne des § 10 Abs 3 Z 2 PRG iVm Art 12 Abs 3 Pauschalreise-RL wiederum für berechtigt. Über die bereits im ersten Rechtsgang dargelegten und im nun angefochtenen Urteil wiederholten Argumente hinaus nimmt es auf die Erwägungen des Europäischen Gerichtshofs und des Obersten Gerichtshofs Bezug und gelangt zu dem Schluss, dass der insoweit behauptungs- und beweispflichtige Kläger objektive Umstände, die gegen eine der Reisewarnung entsprechende objektive Situation auf den Malediven sprächen, ebensowenig aufgezeigt habe wie mögliche und verhältnismäßige Abhilfemaßnahmen, die die Beklagte zur Durchführung der Reise hätte ergreifen können.
Zudem sei die Absage der Reise nicht kausal für den geltend gemachten Verdienstentgang, weil die Ordination auch bei Durchführung der Reise geschlossen gewesen wäre. Da die Schließtage, für die Verdienstentgang geltend gemacht werde, außerhalb des Reisezeitraums liegen, fehle es am Rechtswidrigkeitszusammenhang mit dem Pauschalreisevertrag. Auch habe der Kläger nicht nachweisen können, dass ihm das Öffnen der Ordination nach der Reiseabsage tatsächlich nicht möglich gewesen wäre. Schließlich fehle es an schlüssigem Vorbringen, weshalb die Stornierung durch die Beklagte schuldhaft verspätet erfolgt sein soll.
Gegen die Klageabweisung auch im zweiten Rechtsgang erhebt der Kläger neuerlich Berufung wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens, unrichtiger Tatsachenfeststellungen aufgrund unrichtiger Beweiswürdigung und unrichtiger rechtlicher Beurteilung. Er beantragt die Abänderung des Ersturteils in gänzliche Klagestattgebung; hilfsweise dessen Aufhebung und die Zurückverweisung der Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht.
Die Beklagte erstattet eine Berufungsbeantwortung .
Die Berufung, über die gemäß § 480 Abs 1 ZPO in nichtöffentlicher Sitzung entschieden werden konnte, ist nicht berechtigt .
I. Zu den Mängelrügen
1. Der Berufungswerber fühlt sich beschwert durch die unterlassene Einvernahme der Geschäftsführer der Beklagten, G* und H* I*, und die unterlassene Beiziehung eines Sachverständigen „aus der Reisebranche“. Das Erstgericht habe diese Beweisanträge unter vorgreifender Beweiswürdigung abgelehnt; sein Verfahren leide daher gemäß § 496 Abs 1 Z 2 ZPO unter einem wesentlichen Mangel. Im Falle dieser Beweisaufnahmen wären die Negativfeststellungen [a] nicht getroffen worden; vielmehr hätte er beweisen können, dass trotz der Reisewarnung „objektive Umstände im Dezember 2020 nicht vorgelegen“ seien und die Beklagte im Rücktrittszeitpunkt im Sinne einer Prognoseentscheidung daher nicht vernünftigerweise habe annehmen können, an der Vertragserfüllung gehindert zu sein. Mit der Einvernahme der Geschäftsführer der Beklagten hätte er zudem beweisen können, dass der Rücktritt der Beklagten nicht aus einer ex ante berechtigten Sorge um die Vertragserfüllung erfolgt sei, sondern im Gegenteil, um im Hinblick auf den Reiseboom auf die Malediven Reiseplätze für aus Sicht der Reiseveranstalter lukrativere „Spätbucher“ freizumachen.
2. Die Mängelrüge ist nicht berechtigt:
2.1. Die Beklagte bestreitet (ausdrücklich) nicht, dass der (Hin-)Flug von ** nach ** am 26. Dezember 2020 tatsächlich stattfand und dass das vom Kläger gebuchte Hotel von 26. Dezember 2020 bis 2. Jänner 2021 geöffnet war (ON 31.4, 3). Diese daher als zugestanden (§§ 266, 267 ZPO) geltenden Tatsachen bedurften keines Beweises, sodass die unterlassenen Beweisaufnahmen insoweit auch keinen Verfahrensmangel begründen können. Vor allem aber sind diese Tatsachen rechtlich nicht relevant, weil es - wie EuGH und OGH in ihren Entscheidungen mehrfach betonen - zur Beurteilung der Berechtigung des Reiserücktritts der Beklagten nicht auf den ursprünglich geplanten Erfüllungszeitraum (26. Dezember 2020 bis 2. Jänner 2021), sondern auf den Zeitpunkt der Vertragsbeendigung (3. Dezember 2020) ankommt.
2.2. Ein von einer Partei gestellter Beweisantrag hat die Tatsache, die bewiesen werden soll, also das Beweisthema, im Einzelnen genau zu bezeichnen (RIS-Justiz RS0039882). Es ist ausgeschlossen, Beweisaufnahmen zu beantragen, um erst aufgrund der dadurch erzielten Ergebnisse rechtlich erhebliche Tatsachen vorbringen zu können (RS0039881). Es liegt nämlich ein unzulässiger Erkundungsbeweis vor, wenn der Beweisantrag auf die Aufklärung eines rechtserzeugenden oder rechtsvernichtenden Sachverhalts gerichtet ist, dessen Tatbestandselemente der Partei selbst nicht klar waren und die von ihr weder vorgetragen noch konkretisiert wurden (RS0039973 [T1]).
Im erstinstanzlichen Verfahren stellte der Kläger bloße Mutmaßungen über die „wahren“ Beweggründe der Beklagten für ihren Rücktritt an, er behauptete jedoch keine konkreten objektiven Umstände im Sinn der Vorgaben des Obersten Gerichtshofs [dort ErwGr 4.2. und 4.3.]. Mangels schlüssiger Tatsachenbehauptungen des Klägers, die es erlauben könnten davon auszugehen, im Vertragsbeendigungszeitpunkt sei auf den Malediven entgegen der BMEIA-Empfehlungen in Wahrheit gar keine mit der Reisewarnung korrespondierende Situation vorgelegen, bedurfte es auch keiner (Erkundungs-)Beweisaufnahmen durch die Einvernahme der Geschäftsführer der Beklagten und durch die Einholung eines Sachverständigengutachtens.
II. Zu den Beweisrügen
1.1. Den bekämpften Negativfeststellungen [a] setzt der Berufungswerber - aus den Beilagen i, J und K - folgende Ersatzfeststellungen entgegen:
Im Zeitpunkt des Reiserücktritts der Beklagten Anfang Dezember 2020 lag auf den Malediven trotz BMEIA-Reisewarnung keine Situation vor, die eine Reisewarnung der Stufe 6 rechtfertigen würde, zumal der Flug stattfand und das Hotel auch tatsächlich geöffnet war. Insbesondere da im verfahrensgegenständlichen Zeitpunkt ein regelrechter Reiseboom auf die Malediven stattfand, waren Reisen auf die Malediven trotz der weltweiten COVID-19-Pandemie und entgegen der BMEIA-Reisewarnung offensichtlich zumutbar.
Die Beklagte hätte keinerlei zusätzliche Maßnahmen ergreifen brauchen, mit denen gegenüber den von der Pandemie wesentlich berührten Bedingungen der Reisedurchführung mit verhältnismäßigen Kosten Abhilfe zu schaffen gewesen wäre, da ohnehin das gesamte Leistungsspektrum offen stand.
Mit diesen Ersatzfeststellungen wäre dem Kläger nach seinem Dafürhalten der Nachweis gelungen, dass die Beklagte unberechtigt vom Pauschalreisevertrag zurückgetreten sei.
1.2. Hier genügt zunächst der Hinweis auf Punkt I.2.2. der Berufungsentscheidung. Der Kläger ist bereits seiner Behauptungs last für das Vorliegen einer der Reisewarnung im Rücktrittszeitpunkt objektiv entgegenstehenden Situation auf den Malediven nicht nachgekommen. Ebensowenig zeigte er objektive Umstände auf, dass die Beklagte Maßnahmen hätte ergreifen können, mit denen gegenüber den von der Pandemie wesentlich berührten Bedingungen der Reisedurchführung mit verhältnismäßigen Kosten Abhilfe zu schaffen gewesen wäre. Fehlende Behauptungen können naturgemäß nicht unter Beweis gestellt werden. Konsequenterweise gibt es kein Tatsachensubstrat für die angestrebten Ersatzfeststellungen.
2.1. Statt der bekämpften Feststellungen [b] strebt der Kläger aus seiner Aussage und der seiner Ehefrau folgende Ersatzfeststellungen an:
Die Ordination des Klägers blieb auch trotz der Stornierung geschlossen, da aufgrund der kurzfristigen Stornierung der Pauschalreise im Hinblick auf die bereits geplanten Urlaube der Mitarbeiter des Klägers ein kurzfristiges Öffnen der Ordination wirtschaftlich nicht sinnvoll bzw zumutbar war.
Auch wenn für die Öffnung der Ordination die Anwesenheit sämtlicher Mitarbeiter nicht notwendig ist, erfordert eine Öffnung der Ordination eine entsprechende Anlaufzeit.
Daher war es dem Kläger infolge der kurzfristigen Stornierung im Dezember 2020 nicht mehr möglich und zumutbar, die Ordination am 23. Dezember 2020 bzw am 4. und 5. Jänner 2021 doch zu öffnen.
Rechtlich beruhe der Verdienstentgang an jenen drei Tagen auf dem unberechtigten Rücktritt der Beklagten vom Pauschalreisevertrag.
2.2. Abgesehen davon, dass es auf die gerügten Feststellungen [b] rechtlich gar nicht ankommt (Näheres dazu bei der Behandlung der Rechtsrüge), sind sie in Anbetracht der gebotenen Würdigung der Ergebnisse der gesamten Verhandlung („Verhandlungswürdigung“: Rechberger in Fasching/Konecny 3III/1 § 272 ZPO Rz 6) auch nicht zu beanstanden: Der Kläger brachte selbst vor, es brauche etwa drei bis vier Wochen Vorlaufzeit zur Wiedereröffnung der Ordination (ON 10.3, 4 erster Absatz). Das wäre sich zeitlich für den 23. Dezember 2020 zwar nur sehr knapp, jedenfalls aber für den 4. und 5. Jänner 2021 ausgegangen. Dass die Eheleute keine Maßnahmen ergriffen haben, um nach der Stornierung die Ordination doch wieder zu öffnen, ergibt sich aus der Zeugenaussage der Ehefrau des Klägers, der der Gedanke, an den drei genannten Tagen die Ordination doch zu öffnen, gar nicht gekommen sei (ON 10.3, 8). Dass für drei Arbeitstage nicht alle Mitarbeiterinnen benötigt werden, gesteht der Berufungswerber ohnedies zu. Mit den weiteren Argumenten des Erstgerichts in seiner Beweiswürdigung setzt er sich nicht auseinander und führt somit insoweit die Beweisrüge auch nicht gesetzmäßig aus.
Schließlich überzeugt auch seine Auffassung nicht, dass das Erstgericht Feststellungen zur wirtschaftlichen Sinnhaftigkeit und zur „Zumutbarkeit der Wiedereröffnung der Ordination gegenüber den Mitarbeitern“ erst nach „Einholung eines Sachverständigengutachtens“ hätte treffen dürfen: Die Beiziehung eines Sachverständigen aus dem Fachgebiet des Steuer- und Rechnungswesens hatte der Kläger ausschließlich zur Höhe seines geltend gemachten Verdienstentgangs beantragt (ON 1, 6; ON 6, 6), die nicht aber Gegenstand der Beweisrüge ist.
III. Zur Rechtsrüge:
1. Der Berufungswerber macht sekundäre Feststellungsmängel geltend, die allerdings nicht vorliegen. Die vermissten Feststellungen sind nämlich
a. ohnedies getroffen (US 2: Zum Zeitpunkt der Absage der Reise durch die Beklagte war die 7-Tages-Inzidenz auf den Malediven mit 34,7 geringer als in Österreich mit 220) und unstrittig. Von dieser Tatsache ging auch der Oberste Gerichtshof in seinem aufhebenden Beschluss aus (8 Ob 127/24w [Rz 3]);
b. als unstrittig (ON 28 iVm ON 31.4, 3: der gebuchte Flug fand statt; das Hotel war geöffnet) der rechtlichen Beurteilung zugrunde zu legen; in concreto allerdings rechtlich nicht relevant (EuGH C-546 Rn 55; OGH 8 Ob 127/24w Rz 32);
c. mangels entsprechender Beweisergebnisse nicht zu treffen (dass die Beklagte im Dezember 2020 Pauschalreise n auf die Malediven veranstaltet hätte, ergibt sich nicht aus der zum Beweis dafür vom Kläger vorgelegten Beilage K; laut dieser Urkunde hat die E * vom 31. Dezember 2020 bis 11. Jänner 2021 eine Pauschalreise mit einer anderen Fluglinie als die ursprünglich vom Kläger gebuchte veranstaltet).
2. Der Berufungswerber wirft dem Erstgericht eine fehlerhafte Verkehrung der Behauptungs- und Beweislast vor. Nach allgemeinen Grundsätzen habe der beklagte Veranstalter die Voraussetzungen seines Sonderrücktrittsrechts zu beweisen. Es könne nicht seine Aufgabe als Kläger sein, „objektive Umstände gegen die Reisewarnung“ und „mögliche Maßnahmen des Veranstalters“ aufzuzeigen. Das Erstgericht verkenne den Unterschied zwischen Art 12 Abs 2 (Rücktritt des Reisenden) und Abs 3 (Rücktritt des Reiseveranstalters) der Pauschalreise-RL. Eine Reisewarnung sei kein Freibeweis. Er habe den prima facie-Beweis erbracht, dass die 7-Tages-Inzidenz auf den Malediven niedriger als jene in Österreich gewesen sei, der Beklagten das gesamte Leistungsspektrum zur Verfügung gestanden sei und tatsächlich Pauschalreisen auf die Malediven durchgeführt worden seien. Die Beklagte hätte diesen Anscheinsbeweis entkräften müssen. Die getroffenen Negativfeststellungen [a] gingen daher zu deren Lasten.
Diese Berufungsausführungen lassen auf ein grundlegendes Missverständnis der Entscheidungen C-546 des EuGH und 8 Ob 127/24w des OGH (die im Folgenden angeführten Randnummern [EuGH Rn] und Randziffern [OGH Rz] beziehen sich auf diese beiden Entscheidungen) und damit auch des Urteils des Erstgerichts durch den Berufungswerber schließen. Es sei daher die Antwort des EuGH (Rn 57) auf das Vorabentscheidungsersuchen des OGH nochmals im Wortlaut festgehalten:
Der Reiseveranstalter kann sich für den Nachweis, dass er aufgrund unvermeidbarer, außergewöhnlicher Umstände iSd Art 12 Abs 3 lit b der Pauschalreise-RL an der Erfüllung eines Pauschalreisevertrags gehindert ist, auf die Veröffentlichung einer offiziellen Empfehlung durch die zuständigen Behörden berufen, die Reisenden davon abrät, sich in das betroffene Gebiet zu begeben, auch wenn der Reisende erklärt hat, an der Reise dennoch festhalten zu wollen, und es für den Reiseveranstalter nicht objektiv unmöglich gewesen wäre, diesen Reisevertrag durchzuführen. Eine solche Empfehlung kann jedoch insoweit keinen unwiderlegbaren Beweis darstellen.
Für den konkreten Fall bedeutet das Folgendes:
3. Für einen berechtigten Vertragsrücktritt des Reiseveranstalters müssen objektive Umstände aufgetreten sein, die die Durchführung der Pauschalreise beeinflussen können. Dabei muss es sich - zum Zeitpunkt des Vertragsrücktritts - um unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände handeln. Ein Beispiel für solche außerhalb der Kontrolle des Reiseveranstalters gelegene (also für ihn unvermeidbare) und zweifellos außergewöhnliche Umstände sind erhebliche Risiken für die menschliche Gesundheit durch den Ausbruch einer schweren Krankheit - wie die COVID-19 Pandemie - am Reiseziel.
3.1. Die Beklagte berief sich zur Rechtfertigung ihres Rücktritts vom 3. Dezember 2020 auf die COVID-19 Pandemie und zum tatsächlichen Vorliegen der dadurch bedingten unvermeidbaren, außergewöhnlichen Umstände (auch) am Reiseziel Malediven auf die Reisewarnung der höchsten Stufe 6 des BMEIA. Diese offizielle Empfehlung der zuständigen österreichischen Behörde, alle touristischen Reisen in dieses Land zu unterlassen, hat zwar keinen rechtsverbindlichen Charakter. Sie kann aber einen erheblichen Beweiswert (EuGH Rn 39; OGH Rz 26) für das objektive Vorliegen unvermeidbarer, außergewöhnlicher Umstände haben, die die Durchführung der Pauschalreise beeinflussen können.
3.2. Unbeschadet ihres hohen Beweiswerts ist eine solche Reisewarnung - weil sie die Situation vor Ort nicht notwendigerweise wirklichkeitstreu widerspiegelt - aber kein unwiderlegbarer Beweis dafür, dass die beschriebenen unvermeidbaren, außergewöhnlichen Umstände am Reiseziel tatsächlich aufgetreten sind. Vielmehr kann sich der Reisende auf Umstände berufen , die den Beweiswert der Reisewarnung entkräften können (EuGH Rn 36-44; OGH Rz 25f). Der Kläger hat daher Umstände vorzubringen und zu beweisen , aus denen zu erschließen ist, dass am 3. Dezember 2020 entgegen der offiziellen Reisewarnung auf den Malediven keine erheblichen durch die COVID-19 Pandemie verursachten Gesundheitsrisiken (mehr) bestanden (vgl OGH Rz 35). Die Ansicht des Berufungswerbers zur Beweislastverteilung widerspricht daher den in seinem konkreten Fall erarbeiteten Leitlinien des EuGH und des OGH.
3.3. Solche Umstände brachte der Kläger nicht vor. Dass die 7-Tages-Inzidenz damals auf den Malediven niedriger war als in Österreich, legten bereits der EuGH (Rn 12) und der OGH (Rz 3) ihren Erwägungen zugrunde, ohne dass sie diesen Umstand für ausreichend zur - dem Kläger obliegenden - Widerlegung der Richtigkeit der Reisewarnung hielten. Dass die Situation die Erfüllung des Reisevertrags letztlich erlaubt hätte - der (Hin-)Flug fand statt, das Hotel hatte geöffnet -, ist eine retrospektive Betrachtung, die nach den klaren Worten des EuGH (Rn 55) und des OGH (Rz 32) für das tatsächliche Vorliegen der unvermeidbaren, außergewöhnlichen Umstände nicht von Bedeutung ist.
4. Liegen - wie hier - unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände iSd Art 12 Abs 3 lit b Pauschalreise-RL am Zielort vor, muss weiters ermittelt werden, ob der beklagte Veranstalter deshalb an der Erfüllung des Pauschalreisevertrags gehindert war.
4.1. Nach der Richtlinien-Auslegung des EuGH (Rn 46-50) und nachfolgend des OGH (Rz 28-30) muss die Durchführung der Reise nicht objektiv unmöglich sein. Für die Hinderung an der Erfüllung des Pauschalreisevertrags genügt es nämlich, dass die geltend gemachten Umstände die Bedingungen der Durchführung der Pauschalreise wesentlich berühren. Die Ansicht des Berufungswerbers, das Erstgericht habe den Unterschied zwischen Art 12 Abs 2 (Rücktritt des Reisenden) und Abs 3 (Rücktritt des Reiseveranstalters) der Pauschalreise-RL verkannt, übersieht die Begründung des EuGH, wonach zwar textlich („erheblich beeinträchtigt“ versus „gehindert“: Rn 47), nicht aber in der Zielverfolgung der beiden Bestimmungen ein Unterschied bestehe (Rn 48). Insoweit gelten dieselben Maßstäbe für das Rücktrittsrechts des Reisenden und des Reiseveranstalters (Rn 48f).
4.2. Zu berücksichtigen sind angemessene Maßnahmen , die der Reiseveranstalter oder der Reisende selbst ergriffen hat oder gegebenenfalls ergreifen könnte, damit die Reise trotz der gesundheitlichen Risiken durchgeführt werden kann. Unverhältnismäßig hohe Kosten hat der Reiseveranstalter jedenfalls nicht zu tragen (EuGH Rn 51; OGH Rz 31). Es liegt am Kläger , objektive Umstände aufzuzeigen und unter Beweis zu stellen , dass die Beklagte Maßnahmen hätte ergreifen können, mit denen gegenüber den von der Pandemie wesentlich berührten Bedingungen der Reisedurchführung mit verhältnismäßigen Kosten Abhilfe zu schaffen gewesen wäre (OGH Rz 36).
Solche objektiven Umstände zeigt der Kläger trotz Erörterung im erstinstanzlichen Verfahren nicht auf . Er weist stets nur darauf hin, dass der (Hin-)Flug stattgefunden habe und das Hotel am Zielort im geplanten Aufenthaltszeitraum geöffnet gehabt habe. Darauf kommt es aber - wie bereits an anderer Stelle betont - nicht an (EuGH Rn 55; OGH Rz 32).
4.3. Die Beurteilung hinsichtlich der Wahrscheinlichkeit, dass die unvermeidbaren, außergewöhnlichen Umstände die Bedingungen der Durchführung der Pauschalreise wesentlich berühren, ist zwangsläufig vorausschauend und muss sich auf eine Prognose stützen (EuGH Rn 53-55; OGH Rz 32). Eine Gesundheitskrise wie die Ausbreitung von COVID-19 kann in Anbetracht des erheblichen Risikos, das sie für die menschliche Gesundheit darstellt, als ein Ereignis angesehen werden, das - im Zeitpunkt des Vertragsrücktritts - die Prognose rechtfertigt, dass der beklagte Reiseveranstalter an der Vertragserfüllung gehindert ist (EuGH Rn 50 iVm 54; OGH Rz 30 iVm 32).
5. Entsprechend diesen von EuGH und OGH vorgegebenen Leitlinien ist die rechtliche Beurteilung des Erstgerichts nicht zu korrigieren:
Die Beklagte konnte im Zeitpunkt ihres Vertragsrücktritts am 3. Dezember 2020 angesichts der offiziellen Reisewarnung der höchsten Stufe vom tatsächlichen Vorliegen unvermeidbarer, außergewöhnlicher Umstände am Zielort ausgehen und vernünftigerweise annehmen, dass sie aufgrund der durch die COVID-19 Pandemie verursachten Gesundheitsrisiken wahrscheinlich daran gehindert sein würde, den Reisevertrag mit dem Kläger im Zeitraum 26. Dezember 2020 bis 2. Jänner 2021 zu erfüllen.
Dem insoweit behauptungs- und beweisbelasteten Kläger gelang es nicht, Umstände vorzutragen, wonach die pandemiebedingte Reisewarnung des BMEIA die tatsächliche Situation auf den Malediven zum Zeitpunkt des Reiserücktritts nicht wirklichkeitsgetreu wiedergegeben hätte. Ebensowenig gelang es ihm, angemessene Abhilfemaßnahmen aufzuzeigen, die die Beklagte hätte ergreifen können, um die Pauschalreise trotz der gesundheitlichen Risiken durchzuführen.
6. Der Berufungswerber rügt ferner einen Verstoß der Beklagten gegen das „Unverzüglichkeitsgebot“ nach § 10 Abs 3 Z 2 PRG. Danach besteht keine Entschädigungspflicht des Reiseveranstalters, wenn dessen (berechtigte) Rücktrittserklärung dem Reisenden unverzüglich, spätestens jedoch vor Beginn der Pauschalreise zugeht.
Im erstinstanzlichen Verfahren brachte der Kläger vor, die Stornierung der Reise sei auch in zeitlicher Hinsicht verspätet erfolgt, weil die Beklagte mit Schreiben vom 15. Dezember 2020 die Stornierung „nochmals bestätigt“ habe (ON 1, 5). Die Beklagte hätte ihn „von der Absage viel viel früher informieren“ müssen. Spätestens Ende August [gemeint: 2020] hätte eine Absage erfolgen müssen, damit seine Urlaubsplanung so hätte gestaltet werden können, dass die Ordination offen geblieben wäre (ON 10.3, 3).
Außer Streit steht, dass es spätestens ab Dezember 2020 aufgrund der COVID-19 Pandemie eine Reisewarnung der Stufe 6 des BMEIA für die Malediven gab. Davon ausgehend kann der Vertragsrücktritt der Beklagten am 3. Dezember 2020 nicht verspätet sein. Der Kläger stützte seinen Verspätungsvorwurf in erster Instanz auf eine „nochmalige Bestätigung der Stornierung“ am 15. Dezember 2020. Darin kann schon von vornherein kein Fehlverhalten der Beklagten erblickt werden, weil es nur auf den ersten Zugang der Rücktrittserklärung an den Kläger am 3. Dezember 2020 ankommt. Das erstinstanzliche Vorbringen des Klägers, die Reise hätte spätestens Ende August 2020 abgesagt werden müssen, bezieht sich nicht auf den Zeitpunkt des Vorliegens unvermeidbarer, außergewöhnlicher Umstände auf den Malediven zu diesem Zeitpunkt, sondern auf subjektive Umstände in der Sphäre des Klägers wie Urlaubsplanung und Ordinationsöffnung, und ist somit irrelevant. Der Berufungsvortrag, bereits bei Abschluss des Pauschalreisevertrags im Mai 2020 hätte die Beklagte ihn darüber informieren müssen, dass sie die Reise aufgrund der Pandemie stornieren werde, ist zum einen nicht recht verständlich und zum anderen - als dem Neuerungsverbot im Berufungsverfahren widerstreitend - auch unbeachtlich. Dass eine Reisewarnung für die Malediven bereits im Mai 2020 bestanden habe, brachte der Kläger in erster Instanz nicht vor.
7. Schließlich rügt der Berufungswerber - unter Hinweis auf „Dispositionserwartungen des Reisenden“ - die (Hilfs-)Begründung des Erstgerichts für die Verweigerung des geltend gemachten Verdienstentgangs (Fehlen der Kausalität und des Rechtswidrigkeitszusammenhangs zwischen Reiserücktritt und Verdienstentgang). Auch damit ist er nicht im Recht:
Abgesehen davon, dass der Reiserücktritt der Beklagten aus den oben dargelegten Gründen ohnedies berechtigt war und damit nicht entschädigungspflichtig ist, fallen jene Tage, für die der Kläger Verdienstentgang begehrt, nicht in den Reisezeitraum. Hätte die Reise stattgefunden, wäre die Ordination des Klägers an jenen Tagen ebenso geschlossen gewesen und der Kläger hätte keinen Verdienst lukriert. Der Reiserücktritt der Beklagten war daher nicht kausal für den behaupteten Verdienstentgang. Ebenso fehlt es am Rechtswidrigkeitszusammenhang, weil der Schutzzweck des Pauschalreisevertrages keineswegs die finanziellen Interessen des Klägers aus der Führung seiner Arztpraxis vor und nach den Reisetagen umfasst (vgl RS0017850). Der Berufungswerber behauptete in erster Instanz auch gar nicht, dass der Beklagten bekannt (oder auch nur erkennbar) gewesen wäre, dass er am 23. Dezember 2020 und am 4. und 5. Jänner 2021 seine Ordination bloß im Hinblick auf die Durchführung der Reise geschlossen hatte. Schließlich konnte nicht festgestellt werden, dass die Öffnung der Ordination an den genannten Tagen dem Kläger nach dem Reiserücktritt der Beklagten nicht doch möglich gewesen wäre. Soweit der Berufungswerber diese Feststellung negiert, führt er sein Rechtsmittel nicht gesetzmäßig aus.
IV. Ergebnis, Kosten, Zulassung:
1. Die Berufung des Klägers muss daher scheitern; das Ersturteil ist zu bestätigen. Die Kostenentscheidung im Berufungsverfahren ist eine Folge dieser Sachentscheidung und gründet auf §§ 41, 50 ZPO. Der Kläger hat der Beklagten die Kosten von deren Berufungsbeantwortung zu ersetzen. Das Kostenverzeichnis der Beklagten ist allerdings insofern zu korrigieren, als die Leistungen eines österreichischen Rechtsanwalts für einen ausländischen Klienten der ausländischen Umsatzsteuerregelung unterliegen (RS0114955 [T4]). Da die Beklagte ihren Sitz in Deutschland hat, ist lediglich die dort (bekanntermaßen) zu entrichtende Umsatzsteuer von 19 % zuzusprechen (RS0114955 [T18 = 6 Ob 5/25s]).
2. Die ordentliche Revision nach § 502 Abs 1 ZPO ist nicht zuzulassen, weil die Grundsätze für einen (berechtigten) Rücktritt des Reiseveranstalters nach Art 12 Abs Abs 3 lit B Pauschalreise-RL und § 10 Abs 3 Z 2 PRG durch die im hier zu beurteilenden Fall eingeholte Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs C-546/22 und die darauf basierende Entscheidung des Obersten Gerichtshofs 8 Ob 127/24w im ersten Rechtsgang geklärt wurden.
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