10Bs269/25x – OLG Graz Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Graz hat durch die Richter Dr. Suttter (Vorsitz), Mag. aHaas und Mag. Wieland in der Strafvollzugssache des A* wegen vorläufigen Absehens vom Strafvollzug wegen Einreiseverbots oder Aufenthaltsverbots nach § 133a StVG über die Beschwerde des Strafgefangenen gegen den Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Vollzugsgericht vom 11. September 2025, GZ **-9, in nichtöffentlicher Sitzung den
BESCHLUSS
gefasst:
Spruch
Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.
Gegen diese Entscheidung steht ein weiterer Rechtszug nicht zu.
Text
BEGRÜNDUNG:
Der am ** geborene kroatische Staatsangehörige A* verbüßt derzeit in der Justizanstalt Graz-Karlau die über ihn im Verfahren des Landesgerichts Leoben, AZ **, unter Anwendung des § 39 Abs 1 StGB wegen des Verbrechens des schweren und gewerbsmäßigen Diebstahles durch Einbruch nach den §§ 127, 128 Abs 1 Z 5, 129 Abs 1 Z 2, 130 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB iVm § 15 Abs 1 StGB verhängte Freiheitsstrafe von drei Jahren.
Zu dem der Verurteilung zugrundeliegenden Sachverhalt wird auf die im Akt erliegende Urteilsausfertigung (Ordner „Beilagen“) und die aktenkonforme Darstellung im angefochtenem Beschluss (BS 2) verwiesen (zur Zulässigkeit vgl. RIS-Justiz RS0119090 [T3]).
Das errechnete Strafende ist der 25. April 2027. Die Hälfte der Freiheitsstrafe (§ 46 Abs 1 StGB iVm § 152 Abs 1 Z 1 StVG) wird am 25. Oktober 2025 vollzogen sein. Die bedingte Entlassung zu diesem Stichtag wurde mit Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen als Vollzugsgericht vom 5. August 2025, AZ **, rechtskräftig abgelehnt (siehe Ordner „Beilagen“).
Gegen den Strafgefangenen besteht ein rechtskräftiges für die Dauer von zehn Jahren befristetes Aufenthaltsverbot (ON 8.3,1ff und ON 8.4). Er verfügt über ein gültiges Ausreisedokument (ON 8.5) und erklärte sich bereit, seiner Ausreiseverpflichtung nach Kroatien nachzukommen (ON 2), wobei die Heimreisekosten der Strafgefangene selbst tragen würde (ON 8.1). Das Bundesamt für Fremdenwesen- und Asyl (ON 2.3) erklärte in seiner Stellungnahme, dass eine freiwillige Ausreise nicht befürwortet werde (ON 8.3).
Mit dem angefochtenen Beschluss wies das zuständige Vollzugsgericht, entsprechend der negativen Stellungnahme der Staatsanwaltschaft (ON 1.2), den Antrag des Strafgefangenen auf vorläufiges Absehen vom Strafvollzug wegen Einreiseverbots oder Aufenthaltsverbots nach dem Vollzug der Hälfte der verhängten Freiheitsstrafe aus generalpräventiven Überlegungen ab und führte inhaltlich zudem aus, es sei nicht anzunehmen, dass der Strafgefangene sich an das erteilte Aufenthaltsverbot halten werde (ON 9).
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich die Beschwerde des Strafgefangenen.
Die Oberstaatsanwaltschaft äußerte sich inhaltlich nicht.
Im bekämpften Beschluss stellte das Erstgericht die Anlassverurteilung des Beschwerdeführers (ON 5), die Stellungnahmen des Strafgefangenen (ON 2), der Anklagebehörde (ON 1.2), des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (ON 8.3) und des Leiters der Justizanstalt (ON 8.1) sowie die für das vorläufige Absehen vom Strafvollzug wegen Einreise- oder Aufenthaltsverbots maßgebliche Norm (§ 133a StVG), somit die Sach- und Rechtslage, zutreffend fest, weshalb darauf zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird (zur Zulässigkeit: RIS-Justiz RS0115236 [T1], RS0119090 [T4]).
Zutreffend führte das Erstgericht zunächst unter Zitierung der entsprechenden Judikaturstellen aus, dass dem Zweck des § 133a StVG entsprechend anzunehmen sein muss, dass der Strafgefangene sich auch künftig an das bestehende Einreise- oder Aufenthaltsverbot halten werde. Im vorliegenden Fall wurde am 7. Februar 2013 mit Bescheid der Landespolizeidirektion ** zu GZ: ** ein 5-jähriges Aufenthaltsverbot gegen den Strafgefangenen erlassen. Dieses war bis 27. Februar 2018 gültig (ON 8.4,2). Aus der Verfahrensautomation Justiz (VJ [zur Einstufung als leicht zugängliche Informationsquelle vgl RIS-Justiz RS0132755 [T1]) ergibt sich aus dem Verfahren des Landesgerichts Linz, AZ **, dass der Strafgefangene am 11. April 2018 in den Strafvollzug übernommen wurde. Dies deckt sich mit seinen Angaben (ON 10.1,4), wonach er am 7. April 2018 von ** über Österreich nach ** gereist und er am 11. April 2018 bei der Rückfahrt in Österreich verhaftet worden sei. Da das (damalige) Aufenthaltsverbot zum Zeitpunkt seiner Einreise bereits abgelaufen war – die Verhaftung erfolgte auf Grund der Ausschreibung zur Festnahme zum Strafantritt im Verfahren des Landesgerichts Linz, AZ ** – ist der erstgerichtlichen Argumentation, wonach er „unter Missachtung eines über ihn verhängten Aufenthaltsverbots zurückgekehrt“ sei, der Boden entzogen, sodass die Ablehnung des Antrags darauf nicht gestützt werden kann.
Das vorläufige Absehen vom Strafvollzug wegen Aufenthaltsverbots scheitert im Sinne des zutreffenden Kalküls des Erstgerichts und in Erwartung des Beschwerdeführers (ON 10.3,7) fallbezogen jedoch an generalpräventiven – in der Schwere der Anlasstat gelegenen – Gründen (§ 133a Abs 2 StVG). Die „Schwere der Tat“ im Sinne des § 133a Abs 2 StVG stellt auf den sozialen Störwert (die kriminelle Bedeutung) einer Tat ab (RIS-Justiz RS0091863), der durch den Handlungs- und Erfolgsunwert determiniert wird. Für die Annahme einer Tatschwere nach § 133a Abs 2 StVG müssen – als Ausnahmesatz – gewichtige Gründe vorliegen, die sich aus Sicht der Allgemeinheit von den regelmäßig auftretenden Begleiterscheinungen strafbaren Verhaltens auffallend abheben (vgl Pieberin WK² StVG § 133a Rz 18, Jerabek/Ropperin WK² StGB § 46 Rz 16), wobei nicht nur der Abschreckungseffekt bei potentiellen Tätern, sondern vor allem auch das Interesse an der Festigung genereller Normentreue in der Bevölkerung zu beachten ist (vgl Jerabek/Ropperin WK2 StGB § 43 Rz 18).
Die im Strafrahmen des § 130 Abs 2 StGB von sechs Monaten bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe zum Ausdruck kommende gesetzliche Vorbewertung bringt bereits einen höheren sozialen Störwert zum Ausdruck, wobei fallkonkret mehrere Einbruchshandlungen gesetzt wurden. Konkret reiste der Strafgefangene nicht einmal zwei Wochen nach seiner Haftentlassung aus Deutschland (US 11) am 24. März 2024 erstmals nach Österreich um hier einen Einbruchsdiebstahl zu begehen. In weiterer Folge reiste der Strafgefangene, der extra für die Tatausführung ein Auto anmietete, wiederholt in das Bundesgebiet ein und delinquierte hier insgesamt achtzehnmal. Die vollzugsgegenständlichen Taten begründen daher einen Fall des Kriminaltourismus (RIS-Justiz RS0120234 [T2]), der mit Blick auf die professionelle Begehungsweise (siehe zu den konfiszierten Gegenständen die US 3) einen erheblichen Gesinnungs-, Handlungs- und Erfolgsunwert (dreifache Überschreitung der Qualifikationsgrenze des § 128 Abs 1 Z 5 StGB) begründet und sich solcherart von den regelmäßig auftretenden Begleiterscheinungen strafbaren Verhaltens deutlich abhebt. Art und Schwere der vom Verurteilten gesetzten Tat erfordert daher aus generalpräventiven Erwägungen den weiteren Vollzug der Freiheitsstrafe, um potentielle international agierende (siehe auch die einschlägigen Vorstrafen in Deutschland und Kroatien [ON 6 und ON 7]), von einer deliktischen Strategie geleitete (vgl RIS-Justiz RS0120234 [T1 und T2]) Täter abzuschrecken (negative Generalprävention) und das Vertrauen der Bevölkerung in die Durchsetzung des Rechts zu stärken (positive Generalprävention; Jerabek/Ropperin WK² StGB § 46 Rz 16; Pieberin WK² StVG § 133a Rz 18). Würde trotz der konkreten aus der Anlassverurteilung ableitbaren Deliktsschwere bereits zum frühestmöglichen Zeitpunkt vorläufig vom Strafvollzug abgesehen, wäre dies fallbezogen geeignet, die Zielsetzungen der positiven und negativen Generalprävention zu verfehlen (OLG Graz, 10 Bs 377/23a; 10 Bs 360/23a; 10 Bs 165/24a und jüngst 9 Bs 216/25w). Es bedarf daher ausnahmsweise des weiteren Vollzugs, sodass der Beschwerde der Erfolg zu versagen war.
Der Rechtsmittelausschluss gründet auf § 17 Abs 1 Z 3 StVG iVm § 89 Abs 6 StPO.