9Bs216/25w – OLG Graz Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Graz hat durch die Senatspräsidentin Mag a . Kohlroser (Vorsitz), die Richterin Mag a . Berzkovics und den Richter Mag. Obmann, LL.M. in der Strafvollzugssache des A*wegen bedingter Entlassung aus der Freiheitsstrafe nach § 46 StGB über dessen Beschwerde gegen die Beschlüsse des Landesgerichts Leoben als Vollzugsgericht vom 18. August 2025, GZ B*-3 und GZ C*-6, in nichtöffentlicher Sitzung den
BESCHLUSS
gefasst:
Spruch
Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.
Gegen diese Entscheidung steht ein weiterer Rechtszug nicht zu (§ 17 Abs 1 Z 3 StVG iVm § 89 Abs 6 StPO).
Text
begründung:
Der am ** geborene rumänische Staatsangehörige A* verbüßt in der Justizanstalt Leoben aufgrund des Urteils des Landesgerichts Leoben als Schöffengericht vom 10. Juni 2025, AZ **, wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Diebstahls durch Einbruch im Rahmen einer kriminellen Vereinigung nach § 127, 128 Abs 1 Z 5, 129 Abs 1 Z 1, 130 Abs 1 erster und zweiter Fall und Abs 2 erster und zweiter Fall StGB, teils in Verbindung mit § 15 StGB, eine Freiheitsstrafe in der Dauer von vierzehn Monaten (ON 2.7 der Akten AZ B* [des Landesgerichts Leoben]).
Die Hälfte der Freiheitsstrafe wird am 23. Oktober 2025 verbüßt sein. Strafende ist der 22. Mai 2026 (ON 2.4 der Akten AZ B*).
Mit den angefochtenen (gemeinsam schriftlich ausgefertigten) Beschlüssen lehnte das Landesgericht Leoben als Vollzugsgericht – ohne Anhörung des Strafgefangenen (RIS-Justiz RS0131225) – die bedingte Entlassung aus generalpräventiven Gründen ab (GZ B*-3) und wies die Anträge des Strafgefangenen auf vorläufiges Absehen vom Strafvollzug wegen eines Einreise- oder Aufenthaltsverbots nach § 133a StVG ab (GZ C*-6).
Die Beschwerde des Strafgefangenen richtet sich gegen beide Beschlüsse (ON 6 der Akten AZ B*).
Rechtliche Beurteilung
Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg.
Das Erstgericht stellt in der Beschlussausfertigung die Anlassverurteilung, die Anträge des Strafgefangenen (ON 2 und ON 5.3 der Akten AZ C* [des Landesgerichts Leoben]; ON 2.3 der Akten AZ B*), die Stellungnahmen des Anstaltsleiters (ON 5.2 der Akten AZ C* und ON 2.2 der Akten AZ B*) und der Staatsanwaltschaft (ON 1.4 der Akten AZ C* und ON 1.2 der Akten AZ B*) sowie die anzuwendenden Normen, somit die Sach- und Rechtslage zutreffend dar, weshalb darauf verwiesen wird (RIS-Justiz RS0115236 [T 1]).
1. Zur bedingten Entlassung zum Hälftestichtag:
Unter Anlegung der gesetzlichen Maßstäbe ist die erstgerichtliche Prognose, dass eine bedingte Entlassung – sei sie auch mit begleitenden Maßnahmen nach §§ 50 bis 52 StGB verbunden – den Strafgefangenen in Zukunft weniger wirksam von der Begehung strafbarer Handlungen abhalten würde als die weitere Strafverbüßung, nicht zu beanstanden.
Wenngleich die österreichische Strafregisterauskunft des sich im Erstvollzug befindlichen Strafgefangenen außer der Anlassverurteilung keine weiteren Verurteilungen ausweist (ON 2.5 der Akten AZ B*) weist die rumänische Auskunft aus dem ECRIS (ON 2.6 der Akten AZ B*) eine als einschlägig zu wertende Verurteilung aus. Mit rechtskräftigem Urteil des Amtsgerichts Bad Urach vom 18. Juni 2021, AZ 1 **, wurde der Strafgefangene wegen Diebstahls im besonders schweren Fall in zwei Fällen zur Geldstrafe von 180 Tagessätzen zu je EUR 15,00 verurteilt. Ungeachtet dessen beging der Strafgefangene die in der Anlassverurteilung abgeurteilten Taten mit einem enormen Schaden von rund EUR 125.000,00 als Mitglied einer kriminellen Vereinigung. Hinzu kommt, dass die maßgeblichen Verhältnisse, unter denen er die in der Anlassverurteilung abgeurteilten Taten begangen hat, keine wesentliche Veränderung erfahren haben. Der Strafgefangene verfügt in Österreich über keinen Wohnsitz, kein geregeltes Einkommen und keine nachhaltigen sozialen Bindungen (ON 2.3 der Akten AZ B*). Diese Negativfaktoren kann auch durch das ihm vom Leiter der Justizanstalt bescheinigte positive Vollzugsverhalten nicht aufgewogen werden, sodass zum frühestmöglichen Zeitpunkt auch unter Berücksichtigung flankierender Maßnahmen nach § 50 bis 52 StGB nicht angenommen werden kann, dass eine bedingte Entlassung gleichermaßen tatabhaltende Wirkung entfalten würde wie der weitere Vollzug. Dem vermag die Beschwerde keine stichhältigen Argumente entgegenzusetzen. Da sohin schon spezialpräventive Erwägungen einer bedingten Entlassung zum Hälftestichtag entgegenstehen, erübrigt sich ein Eingehen auf generalpräventive Aspekte in Bezug auf die bedingte Entlassung.
2. Zum vorläufigen Absehen vom Strafvollzug wegen Einreiseverbots oder Aufenthaltsverbots nach § 133a StVG:
Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl erließ gegen den Strafgefangenen mit (rechtskräftigem) Bescheid vom 9. Juli 2025, GZ ** (ON 5.6 der Akten AZ C*), ein für die Dauer von fünf Jahren befristetes Aufenthaltsverbot.
Der Strafgefangene beantragte (ON 2 und ON 5.3 der Akten AZ C*), dass gemäß § 133a StVG wegen dieses Aufenthaltsverbots vorläufig vom weiteren Strafvollzug angesehen werde und erklärte, nach der Entlassung unverzüglich nach Rumänien auszureisen. Die Kosten der Ausreise sind vollständig gedeckt, der Strafgefangene verfügt über ein gültiges Reisedokument (ON 5.2 der Akten C*). Die zeitlichen Voraussetzungen nach § 133a Abs 1 StVG werden mit 23. Oktober 2025 erfüllt sein.
Das vorläufige Absehen vom Strafvollzug wegen Aufenthaltsverbots scheitert jedoch im Sinne des zutreffenden Kalküls des Erstgerichts fallbezogen an generalpräventiven – in der Schwere der Anlasstat gelegenen – Gründen (§ 133a Abs 2 StVG). Die „Schwere der Tat“ im Sinne des § 133a Abs 2 StVG stellt auf den sozialen Störwert (die kriminelle Bedeutung) einer Tat ab (RIS-Justiz RS0091863), der durch den Handlungs- und Erfolgsunwert determiniert wird. Für die Annahme einer Tatschwere nach § 133a Abs 2 StVG müssen – als Ausnahmesatz – gewichtige Gründe vorliegen, die sich aus Sicht der Allgemeinheit von den regelmäßig auftretenden Begleiterscheinungen strafbaren Verhaltens auffallend abheben (vgl Pieberin WK² StVG § 133a Rz 18, Jerabek/Ropperin WK² StGB § 46 Rz 16), wobei nicht nur der Abschreckungseffekt bei potentiellen Tätern, sondern vor allem auch das Interesse an der Festigung genereller Normentreue in der Bevölkerung zu beachten ist (vgl Jerabek/Ropper in WK 2StGB § 43 Rz 18).
Die im Strafrahmen des § 130 Abs 2 StGB von sechs Monaten bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe zum Ausdruck kommende gesetzliche Vorbewertung bringt bereits einen höheren sozialen Störwert zum Ausdruck, wobei fallbezogen die Qualifikation nach § 130 Abs 2 StGB in beiden Alternativen erfüllt war und mehrere Einbruchshandlungen gesetzt wurden. Die vollzugsgegenständlichen Taten begründen einen Fall von im Rahmen einer kriminellen Vereinigung begangenem Kriminaltourismus (RIS-Justiz RS0120234 [T2]), der mit Blick auf die arbeitsteilige professionelle Begehungsweise einen erheblichen Gesinnungs-, Handlungs- und Erfolgsunwert begründet und sich solcherart von den regelmäßig auftretenden Begleiterscheinungen strafbaren Verhaltens deutlich abhebt. Art und Schwere der vom Verurteilten gesetzten Tat erfordert daher aus generalpräventiven Erwägungen den weiteren Vollzug der Freiheitsstrafe, um potentielle international agierende, von einer deliktischen Strategie geleitete (vgl RIS-Justiz RS0120234 [T1 und T2]) Täter abzuschrecken (negative Generalprävention) und das Vertrauen der Bevölkerung in die Durchsetzung des Rechts zu stärken (positive Generalprävention; Jerabek/Ropper aaO § 46 Rz 16; Pieber aaO § 133a Rz 18). Würde trotz der konkreten aus der Anlassverurteilung ableitbaren Deliktsschwere bereits zum frühestmöglichen Zeitpunkt vorläufig vom Strafvollzug abgesehen, wäre dies fallbezogen geeignet, die Zielsetzungen der positiven und negativen Generalprävention zu verfehlen. Es bedarf daher ausnahmsweise des weiteren Vollzugs.
Der Beschwerde muss daher der Erfolg versagt bleiben.