9Bs208/25v – OLG Graz Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Graz hat durch die Senatspräsidentin Mag. a Kohlroser als Vorsitzende, die Richterin Mag. a Berzkovics und den Richter Mag. Scherr, LL.M., BA in der Strafsache gegen A* B*und eine weitere Person wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter Fall SMG und weiterer strafbarer Handlungen über die Berufung der Haftungsbeteiligten C* GmbH gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt vom 3. April 2025, GZ **-150, in nichtöffentlicher Sitzung den
BESCHLUSS
gefasst:
Spruch
Die Berufung wird zurückgewiesen .
Text
BEGRÜNDUNG:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde – soweit für das Rechtsmittelverfahren von Relevanz – der am ** geborene slowenische Staatsangehörige D* B* des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter Fall SMG, teils als Bestimmungstäter nach § 12 zweiter Fall StGB (A.1.1.), des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall SMG (A.II.1.) und der Vergehen der Nötigung nach §§ 15 Abs 1, 105 Abs 1 StGB (B.) schuldig erkannt und unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB nach § 28a Abs 1 SMG zur Freiheitsstrafe von 15 Monaten, wobei der Teil von zehn Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde, verurteilt sowie gemäß § 389 Abs 1 StPO zum Ersatz der Kosten des Strafverfahrens verpflichtet.
Gemäß (richtig:) § 19a Abs 1 StPO wurde – unter anderem – der zur Einfuhr des Kokains von D* B* verwendete PKW der Marke ** mit dem amtlichen Kennzeichen ** konfisziert.
Unmittelbar nach Urteilsverkündung am 3. April 2025 verzichteten sowohl die Staatsanwaltschaft als auch dier Angeklagten auf Rechtsmittel (ON 149, S 10).
Mit Mitteilung vom 7. Juni 2025 (ON 176.1) setzte die Kriminalpolizei das Erstgericht davon in Kenntnis, dass die C* GmbH Eigentum am konfiszierten PKW behaupte und auch entsprechende Nachweise erbracht habe. Am 7. Juli 2025 (ON 181) veranlasste das Erstgericht die Übermittlung des gekürzten Urteils samt Hauptverhandlungsprotokoll an die C* GmbH mit der Note, dass „binnen 14 Tagen (einlangend) beim Landesgericht Klagenfurt eine gegen die Konfiskation des PKW gerichtete BESCHWERDE an das OBERLANDESGERICHT GRAZ“ erhoben werden könne.
Entsprechend dieser Note langte am 18. Juli 2025 ein als Beschwerde bezeichneter Schriftsatz der C* GmbH beim Erstgericht ein (ON 182). In der – tatsächlich als Berufung wegen Nichtigkeit (§ 281 Abs 1 Z 11 erster Fall StPO iVm § 489 Abs 1 StPO) und wegen des Ausspruchs über die Strafe (vgl Fuchs/Tipold in Fuchs/Ratz, WK StPO § 443, Rz 69 und 71) zu wertenden – Rechtsmittelschrift wurde ausgeführt, im bekämpften Urteil seien Beweisaufnahmen zu den Eigentumsverhältnissen unterlassen worden. Das Erstgericht habe erst nach dem Urteil erfahren, dass die C* GmbH Eigentümerin des konfiszierten PKW sei, weshalb es rechtsirrig im Urteil D* B* als Eigentümer festgestellt habe. Den Ausführungen legte die Rechtsmittelwerberin Unterlagen vor, woraus sich ihr Eigentum am konfiszierten PKW ergeben soll.
Gemäß § 443 Abs 1 StPO ist über den Verfall, den erweiterten Verfall, die Einziehung und andere vermögensrechtliche Anordnungen (Haftung für Geldstrafen, Verfalls- und Wertersatz) im Strafurteil zu entscheiden, soweit im Gesetz nichts anderes bestimmt ist. Nicht zu den vermögensrechtlichen Anordnungen im engeren Sinn gehört die Konfiskation, die eine Nebenstrafe ist und offenbar darum in der Aufzählung des § 443 Abs 1 StPO fehlt. Die Verfahrensregeln der §§ 443 ff StPO sind jedoch in Strafverfahren, in denen eine Konfiskation in Betracht kommt, entsprechend anzuwenden, soweit das Gesetz nichts anderes vorsieht oder sich aus der Natur der Sache anderes ergibt. Dies gilt insbesondere für die Rechte Dritter und für ihre Beteiligung im Verfahren: Wer ein Recht an dem zu konfiszierenden Gegenstand oder Ersatzwert (§ 19a Abs 2 StGB) hat oder aber ein solches Recht geltend macht, ist in entsprechender Anwendung der §§ 64 und 444 StPO Haftungsbeteiligter und kann sein Recht im (Straf-)Verfahren verteidigen oder (nach Rechtskraft) seine Ansprüche im Zivilrechtsweg geltend machen ( Fuchs/Tipold aaO, Vor §§ 443-446 Rz 12).
Fallkonkret handelt es sich bei der C* GmbH um eine Haftungsbeteiligte, weil sie ein Eigentumsrecht am mit dem Ersturteil konfiszierten PKW geltend macht. Ihr steht somit grundsätzlich auch ein Rechtsmittel gegen das Ersturteil gemäß § 443 Abs 3 StPO (zur Zulässigkeit einer über die Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe hinausgehenden Berufung wegen Nichtigkeit vgl Fuchs/Tipold aaO, § 443 Rz 60) zu.
Rechtliche Beurteilung
Die Berufung ist jedoch verspätet.
Für Haftungsbeteiligte beginnt die Frist zur Anmeldung der Berufung mit der Urteilsverkündung, und zwar unabhängig davon, ob sie zur Hauptverhandlung (ordnungsgemäß) geladen wurden oder nicht (RIS-Justiz RS0115900, RS0101904; 14 Os 111/20k, EvBl 2021/100; Ratz in Fuchs/Ratz, WK StPO § 284 Rz 3; ausweitend Fuchs/Tipold in Fuchs/Ratz, WK StPO § 444 Rz 50, wonach im Rechtsmittelverfahren neu auftretende Haftungsbeteiligte in analoger Anwendung der §§ 46 Abs 2, 65 AußerstreitG noch bis zu jenem Zeitpunkt ein Rechtsmittel anmelden dürfen sollten, bis zu dem eine aktenkundige Partei ein Rechtsmittel erheben kann).
Für die C* GmbH als Haftungsbeteiligte begann die Frist zur Anmeldung der Berufung somit mit Urteilsverkündung am 3. April 2025 zu laufen. Die mit Schriftsatz vom 18. Juli 2025 erhobene Berufung ist somit verspätet und ist daher gemäß § 470 Z 1 StPO iVm § 489 Abs 1 StPO zurückzuweisen.
Für die Haftungsbeteiligte, die hier aufgrund der Rechtskraft der Konfiskation ihre mutmaßlichen dinglichen Rechte verloren hat (vgl RIS-Justiz RS0099598), bleibt allerdings die Möglichkeit gewahrt, ihre Ansprüche gemäß § 444 Abs 2 StPO (vgl RIS-Justiz RS0049890) oder allenfalls zusätzlich nach dem AHG ( Fuchs/TipoldaaO, § 444 Rz 88) gegen den Bund geltend zu machen (12 Os 85/24b).