1Bs113/25i – OLG Graz Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Graz hat durch den Richter Mag. Redtenbacher (Vorsitz), die Richterin Mag a . Schwingenschuh und den Richter Mag. Wieland in der Strafsache gegen A*wegen des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs 3 zweiter Fall, Abs 4 zweiter Fall StGB nach öffentlicher Verhandlung am 12. September 2025 in Anwesenheit der Oberstaatsanwältin Mag. a Dexer und des Angeklagten über seine Berufung gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt vom 11. Juni 2025, GZ **- 10, zu Recht erkannt:
Spruch
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
GRÜNDE:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am ** in ** geborene, österreichische Staatsbürger, A* des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach „§ 88 Abs 1 und 4 zweiter Satz erster Fall StGB“ schuldig erkannt und hierfür nach dem zweiten Strafsatz des § 88 Abs 4 StGB zur Freiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt, wovon in Anwendung des § 43a Abs 3 StGB der Teil von sechs Monaten für die Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde. Gemäß § 389 Abs 1 StPO wurde der Angeklagte zum Ersatz der Kosten des Verfahrens verpflichtet.
Dem Schuldspruch zufolge hat der Angeklagte am 12. Februar 2025 in ** als Lenker des PKW mit dem behördlichen Kennzeichen ** dadurch, dass er mit überhöhter Geschwindigkeit fuhr und in einer leichten Linkskurve auf die Gegenfahrbahn geriet und mit dem Fahrzeug des B* mit dem behördlichen Kennzeichen ** frontal kollidierte, dem B* fahrlässig eine an sich schwere Körperverletzung, nämlich einen Bruch der volaren Kante des mittleren Zeigefingerglieds, sowie Schürfwunden am rechten Unterschenkel, zugefügt, nachdem er sich vor der Tat, wenn auch nur fahrlässig, durch den Genuss von Alkohol in einen die Zurechnungsfähigkeit nicht ausschließenden Rauschzustand (1,24 Promille) versetzt hatte, obwohl er vorhergesehen hat, dass ihm die Lenkung eines Kraftfahrzeuges, somit eine Tätigkeit bevorsteht, deren Vornahme in diesem Zustand eine Gefahr für das Leben, die Gesundheit oder die körperliche Sicherheit eines anderen herbeizuführen oder zu vergrößern geeignet war.
Auf die vom Erstgericht getroffenen Konstatierungen, dessen Beweiswürdigung und rechtliche Beurteilung (Urteilsseiten 2 bis 6) wird zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen (RIS-Justiz RS0124017 [T3]).
Gegen dieses Urteil richtet sich die rechtzeitig angemeldete (ON 8.1 [„volle“]), in weiterer Folge unausgeführt gebliebene (ON 1.19), Berufung des Angeklagten, die in der Berufungsverhandlung auf die Anfechtung des Strafausspruch eingeschränkt wurde.
Die Oberstaatsanwaltschaft Graz vermeinte in ihrer Stellungnahme vom 12. August 2025, dass der Berufung durch eine maßvolle Herabsetzung der Strafe Berechtigung zuerkannt werden könne.
Rechtliche Beurteilung
Die Berufung ist nicht berechtigt.
Von Amts wegen wahrzunehmende materielle Nichtigkeitsgründe haften dem Urteil nicht an. Klarzustellen ist allerdings, dass die dem Schuldspruch zugrundeliegende Tat richtigerweise dem Vergehen der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs 3 zweiter Fall, Abs 4 zweiter Fall StGB zu unterstellen gewesen wäre (siehe auch OLG Graz, AZ 8 Bs 64/25k). Die beiden Qualifikationsfälle in § 88 Abs 3 StGB sind nach hM als selbstständige Qualifikationen aufzufassen, die ihrerseits das Grunddelikt für die beiden unselbstständigen Qualifikationen des § 88 Abs 4 zweiter und dritter Fall StGB bilden ( Burgstaller/Schütz in WK 2StGB § 88 Rz 5; OLG Graz, AZ 10 Bs 339/23p). Dieser Subsumtionsfehler (§ 281 Abs 1 Z 10 StPO) wirkt sich allerdings nicht auf den Strafrahmen aus ( Fabrizy/Kirchbacher, StPO 14§ 290 Rz 6/1) und bleibt im konkreten Fall bei der Strafbemessung ohne nachteilige Wirkung für den Angeklagten. Damit ist eine konkrete Benachteiligung des Angeklagten über die unrichtige Lösung der Rechtsfrage hinaus nicht gegeben (15 Os 139/10w; RIS-Justiz RS0113957; RS0090885; Ratzin WK StPO § 290 Rz 23 ff).
Strafbestimmend ist der zweite Strafsatz des § 88 Abs 4 StGB mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren.
Erschwerend ist die verstärkte Tatbestandsmäßigkeit (RIS-Justiz RS0126145, RS0118774) durch Erfüllung der drei Alternativen des § 84 Abs 1 StGB (an sich schwere Körperverletzungen sowie länger als 24 Tage dauernde Gesundheitsschädigung und Berufsunfähigkeit) zu berücksichtigen. Weiters ist die erhebliche Alkoholisierung (1,24 Promille Blutalkoholgehalt) des Angeklagten (ohne Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot - vgl Burgstaller/Schütz in WK 2StGB § 81 Rz 104) erschwerend zu berücksichtigen.
Als mildernd ist zu werten, dass der Angeklagte ein reumütiges Geständnis (§ 34 Abs 1 Z 17 StGB) abgelegt hat. Die aus der ON 2.6 noch ersichtliche Verurteilung durch das Landesgericht Klagenfurt, AZ **, ist mittlerweile getilgt (§ 3 Abs 1 Z 2 TilgG). Der Annahme des Milderungsgrundes des § 34 Abs 1 Z 2 StGB stehen jedoch die zahlreichen einschlägigen verwaltungsbehördlichen Vorstrafen, teils wegen überhöhter Fahrgeschwindigkeit, teils wegen Lenkens eines Fahrzeugs trotz Fehlens der körperlichen und geistigen Voraussetzungen, teils wegen Missachtung der Fahregeln (siehe den vom Berufungsgericht eingeholten Verwaltungsstrafauszug) entgegen, wobei in diesem Zusammenhang anzumerken ist, dass die auf dem gegenständlichen Sachverhalt beruhende Verwaltungsstrafe der BH **, AZ **, noch nicht rechtskräftig ist (siehe in diesem Zusammenhang auch 15 Os 144/14m). Für diesen Milderungsgrund genügt keineswegs die gerichtliche Unbescholtenheit für sich allein, vielmehr ist zudem neben einer rechtschaffenen Lebensführung erforderlich, dass die Tat – was hier gerade nicht der Fall ist – mit dem sonstigen Verhalten des Täters in auffallendem Widerspruch steht (RIS-Justiz RS0091459, RS0091436 [insbesondere T4], RS0091448 [insbesondere T4], RS0091711).
Die Leistung der Haftpflichtversicherung an das Tatopfer - die im Übrigen nur den Sachschaden umfasste (ON 9,4) - ist hingegen nicht mildernd (siehe auch Riffel in WK 2StGB § 32 Rz 40 und § 34 Rz 33). Der Milderungsgrund nach § 34 Abs 1 Z 14 StGB ist auf Straftaten gegen das fremde Vermögen zugeschnitten (RIS-Justiz RS0091323). Im Übrigen ist nicht von einer Schadensgutmachung von Dritten für den Täter auszugehen, war der Zulassungsbesitzer des Unfallfahrzeugs doch der Arbeitgeber des Angeklagten (ON 2.2,3), sodass ausgeschlossen werden kann, dass die Haftpflichtversicherung die Zahlungen für den Angeklagten geleistet hat (OLG Graz, AZ 9 Bs 23/24m).
Unter Berücksichtigung dieser Strafzumessungsgründe (§ 32 Abs 2 StGB) ist auf Basis der Schuld des Angeklagten (§ 32 Abs 1 StGB) die verhängte Freiheitsstrafe von neun Monaten tat- und schuldangemessen und somit nicht zu beanstanden. Bei Versetzen in einen die Fahrtüchtigkeit massiv beeinträchtigenden Rauschzustand, der den in § 5 Abs 1 StVO festgelegten Grenzwert von 0,8 Promille Blutalkoholgehalt, bei dem Fahruntüchtigkeit unwiderlegbar vermutet wird, deutlich (fallkonkret 1,24 Promille) überschreitet, bedarf es jedoch – auch angesichts der zahlreichen nicht legalbewährend wirkenden Verwaltungsstrafen – der teilweisen Invollzugsetzung der Freiheitsstrafe, zumal in Teilen der Bevölkerung gerade die in den Aussagen des Angeklagten („ Ich hab mir damals nichts dabei gedacht “ [ON 9,3] bzw. „ Ich habe mir damals zumindest eingebildet, dass ich noch Auto fahren kann “ [ON 9,3]) sich widerspiegelnde Einstellung noch immer stark verhaftet ist, was auch 28.867 Anzeigen wegen Alkohol am Steuer im Jahr 2024 (siehe Verkehrsüberwachungsbilanz 2024) dokumentieren. Hier gilt es unter dem Aspekt der Generalprävention der Allgemeinheit ein klares Zeichen zu setzen, dass derartige Verhaltensweisen, die allzu oft ganze Familien auseinandergerissen haben, in keinster Weise toleriert werden.
Die Kostenentscheidung gründet auf § 390a Abs 1 StPO.