Das Oberlandesgericht Graz hat als Rekursgericht durch die Richterinnen Mag. a Gassner (Vorsitz) und Mag a . Schiller sowie den Richter Mag. Scheuerer in der Rechtssache der klagenden Partei A* B* , geboren am **, **, vertreten durch Mag. Peter Freiberger, Rechtsanwalt in Mürzzuschlag, gegen die beklagte Partei C* , geboren am **, **, vertreten durch Dr. Michael Augustin, Mag. Peter Haslinger, Mag. Thomas Böchzelt, Rechtsanwälte in Leoben, wegen Aufhebung eines Übergabsvertrags und Einwilligung in die Einverleibung des Eigentumsrechts (Streitwert: EUR 32.397,33), über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichtes Leoben vom 3. Juli 2025, **-15, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit Euro 2.041,44 (darin enthalten EUR 340,24 USt) bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzten.
Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig .
BEGRÜNDUNG:
Im Verfahren ficht die Klägerin den Übergabsvertrag vom 20.2.2024 an, mit dem sie ihre bäuerliche Liegenschaft an den Beklagten übergeben hat. Unter anderem stützt sie ihr auf Vertragsaufhebung und Einwilligung in die Eigentumsübertragung gerichtetes Begehren darauf, dass sie zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses geschäftsunfähig gewesen sei, wobei sie konkret vorbrachte, dass ein „demenzieller Prozess oder eine kognitive Wahrnehmungsstörung“ und auch derzeit keine Geschäftsfähigkeit bestehe .
Über Aufforderung durch das Erstgericht brachte sie in ihrer Äußerung vom 2.7.2025 vor, sie habe in der Kanzlei des Klagevertreters am 14.3.2025 eine Vorsorgevollmacht zugunsten
ihrer Enkelin D* B* errichtet, wofür sie die erforderliche (verminderte) Geschäftsfähigkeit noch besessen habe. Es sei daher keine Zuständigkeit des Pflegschaftsgerichts gegeben, auch nicht zur Genehmigung der Klagsführung, weshalb das Verfahren nicht zu unterbrechen sei.
Für das Erstgericht ergaben sich daraus Anzeichen für das Fehlen der Prozessfähigkeit der Klägerin. Davon verständigte es in der Folge gemäß § 6a ZPO das Bezirksgericht Judenburg als zuständiges Pflegschaftsgericht und regte die Prüfung der Notwendigkeit der Bestellung eines Erwachsenenvertreters für die Klägerin an.
Mit dem angefochtenen Beschluss unterbrach das Erstgerichtdas Verfahren in sinngemäßer Anwendung des § 190 Abs 1 ZPO bis zur Entscheidung des Pflegschaftsgerichts und begründete darin sein Vorgehen nach § 6a ZPO insbesondere mit den von der Klägerin selbst aufgestellten Behauptungen zu ihrer Geschäftsunfähigkeit. Wenn die Klägerin selbst von einer fehlenden Geschäftsfähigkeit bereits seit 2024 ausgehe, sohin sogar zu einem Zeitpunkt vor Errichtung der Vorsorgevollmacht, wobei diese mangels Eintragung des Vorsorgefalls im Österreichischen Zentralen Vertretungsverzeichnis (ÖZVV) ohnehin nicht wirksam sei, bestehe für das Erstgericht in Bezug auf die Verständigung des Pflegschaftsgerichts nach § 6a ZPO kein Ermessensspielraum. Ungeachtet dessen bestehe für die vermeintlich bevollmächtigte Enkelin der Klägerin eine Interessenkollision. Das Verfahren werde daher im Hinblick auf die bestehenden Zweifel an der Prozessfähigkeit der Klägerin ausgesetzt.
Gegen diese Entscheidung richtet sich der eine Rechtsrüge ausführende Rekurs der Klägerin mit dem Antrag, den Beschluss ersatzlos zu beheben. Hilfsweise stellt sie einen Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag.
Der Beklagte beantragt in seiner Rekursbeantwortung, dem Rekurs nicht Folge zu geben.
Der Rekurs ist nicht berechtigt.
1. Die Rekurswerberin räumt zwar ein, dass die Vorsorgevollmacht nicht wirksam sei, da der Vorsorgefall derzeit nicht im ÖZVV eingetragen sei. Jedoch vertritt sie den Standpunkt, dass die Urkunde nach deren Punkt 9. für den Fall, dass die Vorsorgevollmacht nicht mehr habe errichtet werden können, als Erwachsenenvertreterverfügung zu verstehen sei. Die vom Erstgericht relevierte Interessenkollision läge nicht vor, da die „gewählte Erwachsenenvertreterin bzw die Vorsorgebevollmächtigte“ in das Verfahren nicht eingebunden sei. Eine „Kompetenz“ des Pflegschaftsgerichtes sei damit nicht gegeben. Zumal das Gutachten im Pflegschaftsverfahren auch keine Bindungswirkung im Zivilprozess für das vorliegende Verfahren entfalte, werde nur wertvolle Zeit vergeudet, in welcher geprüft werden möge, ob zum Zeitpunkt der Errichtung des Vertrages die Geschäftsfähigkeit in ausreichender Weise gegeben war oder nicht.
2.Mit dieser Argumentation übersieht die Klägerin, dass auch die gewählte Erwachsenenvertretung gemäß § 245 Abs 2 ABGB erst mit ihrer Eintragung im ÖZVV wirksam entsteht. Eine solche wird weder behauptet, noch kann dem als Beilage ./D vorgelegten Auszug aus dem ÖZVV Entsprechendes entnommen werden. Insoweit gehen die Rekursausführungen ins Leere.
3.Dem Erstgericht ist beizupflichten, dass sich die Notwendigkeit des Vorgehens nach § 6a ZPO aus dem eigenen Vorbringen der Klägerin ergibt, wenn sie – wenn auch im Lichte der Vertragsanfechtung – ihre Geschäftsfähigkeit aufgrund einer psychiatrischen Erkrankung selbst bestreitet, knüpft die Prozessfähigkeit doch an die Regelungen des materiellen Privatrechts über die Geschäftsfähigkeit an ( Domej in Kodek/Oberhammer, ZPO-ON § 1 ZPO Rz 1 [Stand 9.10.2023, rdb.at]).
Dass sie anwaltlich vertreten ist, steht der Verfahrensunterbrechung nach der Rechtsprechung nicht entgegen. Zum einen ist das Abwarten des Verfahrens über eine Erwachsenenvertreterbestellung hier aufgrund der zeitlichen Zusammenhänge insbesondere der Klärung der Frage, ob die Klägerin überhaupt eine gültige Prozessvollmacht erteilen konnte, zweckmäßig (RS0037720 [T8]). Zum anderen erscheint auch zweifelhaft, dass die nach eigenem Standpunkt geschäftsunfähige Klägerin die Erfolgsaussichten sowie Konsequenzen und Tragweite des Prozessführungsauftrags, somit des (weiteren) Verfahrens abschätzen kann (vgl RS0124292).
Im Übrigen behauptet die Klägerin gar nicht, den Klagevertreter trotz gegebener Geschäftsunfähigkeit wirksam bevollmächtigt und mit der Klagsführung beauftragt zu haben. Sie will im Rekurs lediglich darauf hinaus, ihre Enkelin wirksam zur Erwachsenenvertreterin bestimmt zu haben. Wenn sie im Rekurs aber gleichzeitig im Zusammenhang mit einer allfälligen Interessenkollision behauptet, ihre Enkelin sei überhaupt nicht am Verfahren beteiligt, stellt sich die Frage, weshalb sie dann deren Bevollmächtigung überhaupt ins Zentrum ihrer Argumentation stellt, müsste ihre Enkelin doch als ihre gewählte Erwachsenenvertreterin das vorliegende Verfahren in ihrem Namen führen. Insoweit sind die Rekursausführungen nicht schlüssig.
4.Da das Erstgericht das Pflegschaftsgericht, an dessen Entscheidung über pflegschaftsgerichtliche Maßnahmen es gebunden sein wird, verständigt hat – insoweit liegt Präjudizialität im Sinne des § 190 Abs 1 ZPO vor –, hat es zu Recht das Verfahren gemäß § 190 Abs 1 ZPO unterbrochen (RS0037720, RS0035234). Nach Vorliegen der rechtskräftigen Entscheidung des Pflegschaftsgerichts wird der Zivilprozess von Amts wegen fortzusetzen sein. Dem Rekurs der Klägerin bleibt daher ein Erfolg versagt.
5.Die Entscheidung über die Kosten des Rekursverfahrens – es handelt sich um einen zweitinstanzlichen (also „unechten“) Zwischenstreit über die Verfahrensunterbrechung (RS0035908; Obermaier , Kostenhandbuch 4Rz 1.322) – beruht auf den §§ 41, 50, 52 Abs 1 Satz 3 ZPO. Zur Bemessungsgrundlage der verzeichneten Kosten für die Erstattung der Rekursbeantwortung bleibt festzuhalten, dass sich die Parteien gemäß § 7 Abs 2 RATG auf einen Streitwert von EUR 32.397,33 einigten (vgl Klagebeantwortung ON 3, Seite 3 und Schriftsatz ON 11, Seite 2) und dieser daher maßgeblich ist.
Da das Rekursgericht den angefochtenen Beschluss zur Gänze bestätigt hat und ein Unterbrechungsbeschluss gemäß § 6a ZPO der Zurückweisung einer Klage ohne Sachentscheidung aus formellen Gründen nicht gleichzuhalten ist (RS0037059 [T2]), ist der Revisionsrekurs gemäß § 528 Abs 2 Z 2 ZPO jedenfalls unzulässig.
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