JudikaturOLG Graz

10Bs47/25z – OLG Graz Entscheidung

Entscheidung
Schadenersatzrecht
30. Juli 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Graz hat durch die Richter Dr. Sutter (Vorsitz), Mag. Wieland und Mag a . Tröster in der Strafsache gegen A* wegen Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB nach öffentlicher Verhandlung am 30. Juli 2025 in Anwesenheit des Oberstaatsanwalts Dr. Kirschenhofer, des Angeklagten und seiner Verteidigerin Dr in . Lanschützer über die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Leoben vom 10. Jänner 2025, GZ **-24 zu Recht erkannt :

Spruch

Der Berufung wird dahin Folge gegeben, dass über A* die Geldstrafe von 180 Tagessätzen zu je EUR 15,00, im Uneinbringlichkeitsfall 90 Tage Ersatzfreiheitsstrafe, verhängt und der Privatbeteiligtenzuspruch aufgehoben und B* mit ihren privatrechtlichen Ansprüchen auf den Zivilrechtsweg verwiesen wird.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

GRÜNDe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen rechtskräftigen Freispruch enthält, wurde der am ** geborene deutsche Staatsangehörige A* der Vergehen der Körperverletzung zu a) nach § 83 Abs 1 StGB und zu b) nach §§ 15, 83 Abs 1 StGB schuldig erkannt und (zu ergänzen:) unter Bedachtnahme auf § 28 Abs 1 StGB nach § 83 Abs 1 StGB zur gemäß § 43 Abs 1 StGB für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von vier Monaten verurteilt sowie gemäß § 389 Abs 1 StPO zum Verfahrenskostenersatz verpflichtet. Ferner wurde der Angeklagte gemäß § 369 Abs 1 StPO schuldig erkannt, der Privatbeteiligten B* einen Teilschmerzengeldbetrag von EUR 100,00 zu bezahlen.

Demnach hat er am 5. September 2024 in ** B*

a) an der Gesundheit geschädigt, indem er sie am Hals packte, zudrückte, sie nach hinten schob und ihr mit der Faust auf die linke Kopfseite schlug (Schmerzen im Kopfbereich),

b) am Körper zu verletzen versucht, indem er einen Plastikstuhl und einen Wäscheständer nach ihr warf, wobei es mangels Verletzungseintritts beim Versuch blieb.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Angeklagten wegen vorliegender Nichtigkeitsgründe (§§ 489 Abs 1 StPO, 281 Abs 1 Z 5 zweiter Fall StPO), wegen der Aussprüche über die Schuld, die Strafe und die privatrechtlichen Ansprüche. Er strebt seinen Freispruch, in eventu die Zurückverweisung der Strafsache an das Erstgericht zu neuer Verhandlung und Entscheidung, zumindest jedoch die Herabsetzung der Strafe sowie die Verweisung der Privatbeteiligten mit ihren Ansprüchen auf den Zivilrechtsweg an (ON 26.2).

Die Oberstaatsanwaltschaft trat der Berufung entgegen.

Rechtliche Beurteilung

Das Rechtsmittel hat im spruchgemäßen Umfang Erfolg.

Die Mängelrüge versagt.

Unvollständigkeit im Sinne des § 281 Abs 1 Z 5 zweiter Fall StPO (iVm § 489 Abs 1 StPO) liegt nur vor, wenn das Gericht bei der für die Feststellung entscheidender Tatsachen angestellten Beweiswürdigung erhebliche (vgl dazu RIS-Justiz RS0116877), in der Hauptverhandlung vorgekommene (§ 258 Abs 1 StPO) Verfahrensergebnisse unberücksichtigt gelassen hat (RIS-Justiz RS0118416, RS0098646).

Die Beurteilung der Überzeugungskraft von Aussagen kann unter dem Gesichtspunkt einer Unvollständigkeit mangelhaft erscheinen, wenn sich das Gericht mit gegen die Glaubwürdigkeit sprechenden Beweisergebnissen nicht auseinandergesetzt hat. Der Bezugspunkt besteht dabei nicht in der Sachverhaltsannahme der Glaubwürdigkeit oder Unglaubwürdigkeit, sondern ausschließlich in den Feststellungen zu den entscheidenden Tatsachen (RIS-Justiz RS0119422 [T 2 und T 4], RS0106588 [T 15]).

Indem die Mängelrüge lediglich behauptet, das Erstgericht habe den Schuldspruch ausschließlich auf die Angaben der Zeugin B* gestützt, der es „volle Glaubwürdigkeit“ zuerkannte und dabei ungewürdigt übergangen, dass der als Auskunftsperson (informativ befragte) C* zwar heftige verbale Streitigkeiten, hauptsächlich ausgehend von einem Mann (ON 2.2,4), jedoch keine von B* in ihren Vernehmungen beschriebene Hilferufe gehört (richtig: erwähnt) habe, macht sie nicht klar, warum der Umstand, ob Hilferufe des Opfers gehört wurden, (wozu C* in der von ermittelnden Beamten niedergeschriebenen Zusammenfassung gar nicht Stellung nahm), der tatrichterlichen Beurteilungen der Glaubhaftigkeit der Aussage der Zeugin in Bezug auf eine entscheidende Tatsache erörterungsbedürftig entgegenstehen soll (RIS-Justiz RS0106588 [T 15]; RS0119422 [T 2 und T 4]).

Wenn der Berufungswerber die fehlende Auseinandersetzung mit den Aussagen der Zeugin vor der Kriminalpolizei (ON 2.6) und vor dem Amtsgericht Kelheim (ON 8.3) als formal mangelhaft kritisiert, übersieht er, dass sich das Erstgericht auf Urteilsseite 5 mit der Aussagegenese der Zeugin sowohl zum Versetzen eines Schlags mit der Bierflasche, als auch zum Erfassen am Hals beziehungsweise Nacken auseinandersetzte und dabei ihre Mitwirkung an der wahrheitsgemäßen Aufklärung des Vorfalls mit der Bierflasche, die zum Teilfreispruch des Angeklagten führte, hervorhob.

Auch die Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld hat keinen Erfolg.

Gegen die auf einer lebensnahen Beweiswürdigung beruhenden Feststellungen zur objektiven und subjektiven Tatseite bestehen keine Bedenken (zum Prüfungsumfang des Berufungsgerichts RIS-Justiz RS0132299). Das Erstgericht hat alle relevanten Beweismittel vollständig ausgeschöpft und eine an allgemeinen Erfahrungssätzen und den Denkgesetzen der Logik orientierte Beweiswürdigung (US 5 ff) vorgenommen.

Objektiviert sind zunächst ein Polizeieinsatz am 5. September 2024 um 10.40 Uhr in der Ferienunterkunft der Zeugin B* und des Angeklagten (ON 2.1, 2) infolge telefonischen Notrufs einer Mitarbeiterin der Ferienanlage und dass das Opfer B* bereits dort sehr detailliert über einen seit den Abendstunden des 4. September 2024 anhaltenden Streit mit ihrem damaligen Lebensgefährten A* berichtete und ihn wiederholter Körperverletzungen bezichtigte (ON 2.6). In der Folge beantragte die Zeugin nach ihrer Rückkehr nach Deutschland am 6. September 2024 wegen der vom Angeklagten ihr gegenüber gesetzten körperlichen Übergriffe eine einstweilige Anordnung gegen ihn vor dem Amtsgericht Kelheim (ON 8.3). Von den vom Opfer erlittenen Rötungen im Halsbereich und an den Armen fertigten die einschreitenden Polizeibeamten Lichtbilder an (ON 2.7). In seiner schriftlichen Stellungnahme – zu einer Beschuldigteneinvernahme war der Angeklagte, der sich bereits aus der Unterkunft entfernt hatte, am Tattag nicht bereit (ON 2.5) – bestätigte der Angeklagte lediglich einen (verbalen) Streit mit B*, stellte jedoch Tätlichkeiten gegen sie in Abrede (ON 8.6).

Vor diesem Hintergrund ist gesichert davon auszugehen, dass es am 5. September 2024 zwischen dem Angeklagten und dem Opfer zu einem heftigen Streit kam. In Zusammenschau mit den nicht konsistenten Angaben des Angeklagten, der anfänglich nicht zu den Vorwürfen aussagte (ON 2.5), sodann in seiner schriftlichen Stellungnahme die gegen ihn erhobenen Vorwürfe pauschal als unrichtig kritisierte und die Rötungen als von B* selbst herbeigeführt beschrieb (ON 8.6), in der Hauptverhandlung einen Streit und eine „aufgeheizte“ Stimmung am Tattag einräumte (ON 23.2, 4f) und bezüglich der dokumentierten Rötungen aussagte, B* nicht „ aktiv “ gewürgt zu haben, sie aber vielleicht „i m Eifer des Gefechts von hinten mit der Hand am Genick gepackt und dabei die Rötungen verursacht habe“ (ON 23.2, 6), stützte das Erstgericht die jeweiligen Sachverhaltsannahmen gut nachvollziehbar auf die unter zulässiger Verwertung des persönlichen Eindrucks als glaubhaft erachteten, detaillierten und – soweit für den Schuldspruch relevant – widerspruchsfreien Angaben des Opfers B*. Dabei setzte es sich auch mit den lediglich zum Vorfall mit der Bierflasche, von dem der Angeklagte freigesprochen wurde, abweichenden Angaben der Zeugin vor der Kriminalpolizei, dem Amtsgericht Kelheim und in der Hauptverhandlung plausibel auseinander.

Lebensnah erfolgte fallbezogen auch die erstgerichtliche Ableitung der jeweiligen subjektiven Tatseite aus dem äußeren Tatgeschehen in Verbindung mit dem aggressiven Auftreten des Angeklagten.

Daran Bedenken zu wecken gelingt dem Berufungswerber nicht, der durch Aufzeigen isolierter Textpassagen aus den Aussagen der Zeugin versucht, diese unglaubwürdig erscheinen zu lassen. Soweit hier noch relevant - vom Vorfall am 4. September 2024 wurde der Angeklagte rechtskräftig freigesprochen -, weist er darauf hin, die Zeugin habe in der Hauptverhandlung vom 10. Jänner 2025 ausgesagt, „ noch jetzt Schmerzen am Hals zu habe “ (ON 23.2, 12), übergeht aber, dass sie erklärend dazu ausführte, sie habe (immer noch psychisch) „ ein schlechtes Gefühl am Hals“ , weil „ das “ passiert sei, was nachvollziehbar ist. Warum die im Rechtsmittel beantragte Beweisaufnahme zum Thema, ob Hilferufe der Zeugin von in einem benachbarten Ferienhaus untergebrachten Personen gehört wurden, mit Rücksicht auf vorliegende Beweisergebnisse geeignet sein soll, die durch die Gesamtheit der Verfahrensergebnisse vermittelte Sach- und Beweislage zu Gunsten des Angeklagten maßgeblich zu beeinflussen, erklärt die Berufung nicht nachvollziehbar, weshalb das Berufungsgericht auch keine Veranlassung sah, dem Beweisantrag auf Einvernahme dieser Personen nachzukommen. Hinsichtlich des Werfens mit Gegenständen nach der Zeugin mit Verletzungsvorsatz wurde Versuch verurteilt, sodass die vom Rechtsmittelwerber vermissten Konstatierungen auf sich beruhen können.

Demnach ist auf Basis der unbedenklichen Konstatierungen des Erstgerichts die Subsumtion als die Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB und §§ 15, 83 Abs 1 StGB rechtskonform.

Erfolg hat die Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe.

Strafbestimmend ist in Anwendung des § 28 Abs 1 StGB § 83 Abs 1 StGB mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe bis zu 720 Tagessätzen.

Erschwerend ist, dass der Angeklagte mehrere strafbare Handlungen derselben Art begangen hat (§ 33 Abs 1 Z 1 StGB; hier: Zusammentreffen von zwei Vergehen), eine einschlägige Vorstrafe aufweist (ON 5.2; § 33 Abs 1 Z 2 StGB) und die Tat zum Nachteil der Lebensgefährtin begangen hat (§ 33 Abs 2 Z  2 StGB).

Mildernd hingegen ist, dass es teilweise beim Versuch blieb (§ 34 Abs 1 Z 13 StGB).

Unter dem Schuldaspekt wirkt der am 27. Juli 2025 erfolgte Schadensausgleich durch Bezahlung von EUR 500,00 an B* zu Gunsten des Angeklagten.

Ausgehend von diesen Strafzumessungsgründen (§ 32 Abs 2 erster Satz StGB) erweist sich mit Blick auf die bei der Bemessung der Strafe zu beachtenden Zwecke der Spezial- und Generalprävention ( Tipold in Leukauf/Steininger, StGB 4 § 32 Rz 9ff) und auf die in der Berufungsverhandlung ausdrücklich erklärte Zustimmung des Angeklagten (§ 295 Abs 2 StPO) die Verhängung einer Geldstrafe von 180 Tagessätzen als tat- und schuldangemessen.

Die Höhe des einzelnen Tagessatzes von EUR 15,00 entspricht den in der Berufungsverhandlung aktualisierten persönlichen Verhältnisse und der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Angeklagten (monatliches Nettoeinkommen von EUR 2.000,00, 12 mal jährlich; Schulden von rund EUR 10.000,00 und Sorgepflicht für ein einjähriges Kind; § 19 Abs 2 StGB). Die für den Fall der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe festgesetzte Ersatzfreiheitsstrafe von 90 Tagen ergibt sich aus § 19 Abs 3 StGB.

Berechtigt ist auch die inhaltlich nicht weiter begründete Berufung des Angeklagten wegen des Ausspruchs über die privatrechtlichen Ansprüche.

Durch die mittlerweile erfolgte Zahlung von EUR 500,00 wurden die privatrechtlichen Ansprüche der Privatbeteiligten über den Umfang des positiven Adhäsionserkenntnisses hinausgehend befriedigt. Konsequenz dessen ist die Aufhebung des Privatbeteiligtenzuspruchs und die Verweisung der Privatbeteiligten auf den Zivilrechtsweg (RIS-Justiz RS0100319 [T6]).

Der Kostenausspruch ist eine Folge der Sachentscheidung und gründet auf § 390a Abs 1 StPO.