8Bs323/24x – OLG Graz Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Graz hat durch die Richterin Mag a . Berzkovics (Vorsitz) sowie die Richter Mag. Petzner, Bakk. und Mag. Obmann, LL.M. in der Strafsache gegen A*wegen des Vergehens der Untreue nach § 153 Abs 1 und Abs 3 erster Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 29. Februar 2024, GZ **-546, nach der am 30. April 2025 in Gegenwart des Oberstaatsanwalts Dr. Kirschenhofer und des Verteidigers Rechtsanwalt Mag. Wurnig, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten durchgeführten Berufungsverhandlung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Berufungsverfahrens zur Last.
Text
gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil – das auch einen in Rechtskraft erwachsenen Freispruch von einem weiteren Anklagepunkt (C./), die Zurückweisung eines Privatbeteiligtenanschlusses und die Abweisung eines Antrags auf Verfall enthält – wurde der am ** geborene A* im dritten Rechtsgang des Vergehens der grob fahrlässigen Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen nach § 159 Abs 1 und Abs 5 Z 4 in Verbindung mit § 161 Abs 1 StGB schuldig erkannt und hierfür unter Einbeziehung des seit 27. Juli 2022 in Rechtskraft erwachsenen Schuldspruchs wegen des Vergehens der Begünstigung eines Gläubigers nach § 158 Abs 1 iVm § 161 Abs 1 StGB aus dem Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 14. Jänner 2022, GZ **-481, in Anwendung des § 28 Abs 1 StGB unter Bedachtnahme gemäß § 31 Abs 1 StGB auf das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 13. Dezember 2017, GZ **-140 (ON 403), in Verbindung mit dem Urteil des Oberlandesgerichts Graz vom 12. Oktober 2018, AZ 1 Bs 117/18t, nach § 158 Abs 1 StGB zur für eine dreijährige Probezeit bedingt nachgesehenen Zusatzfreiheitsstrafe von zwei Monaten verurteilt und gemäß § 389 Abs 1 StPO zum Ersatz der Kosten des Strafverfahrens verpflichtet.
Gemäß § 38 Abs 1 StGB wurde die vom Angeklagten erlittene Vorhaft (von 15. September 2021, 10.45 Uhr bis 2. November 2021, 15.18 Uhr) angerechnet.
Dem nach Zurückweisung der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten mit Beschluss des Obersten Gerichtshofs vom 9. Oktober 2024, GZ 15 Os 64/24m-5, rechtskräftigen Schuldspruch zufolge hat A* von Jahresanfang 2011 bis 30. Juni 2013 in ** und andernorts als Geschäftsführer der B* GmbH (§ 161 Abs 1 StGB) grob fahrlässig die Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft dadurch herbeigeführt, dass er kridaträchtig handelte, indem er entgegen Grundsätzen ordentlichen Wirtschaftens Geschäftsbücher oder geschäftliche Aufzeichnungen so führte, dass ein zeitnaher Überblick über die wahre Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der GmbH erheblich erschwert wurde, „wobei die angeführten kridaträchtigen Handlungen des Angeklagten auch tatsächlich den Eintritt der Zahlungsunfähigkeit der GmbH und einen damit einhergehenden erheblichen Befriedigungsausfall ihrer Gläubiger mitverursachten“.
Dem einbezogenen Schuldspruch aus dem Urteil vom 14. Jänner 2022 zufolge hat er in ** und andernorts als Geschäftsführer der B* GmbH (§ 161 Abs 1 StGB) nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit der B* GmbH am 30. Juni 2013 (US 8) die nachfolgenden Gläubiger begünstigt und dadurch die anderen Gläubiger benachteiligt, indem er Forderungen der Gläubiger C* GmbH, der D* d.o.o., der E* GmbH, des F*, der G*, der H* AG, der I* und sich selbst in Höhe von insgesamt EUR 768.000,00 beglich.
Rechtliche Beurteilung
Der Berufung des Angeklagten gegen den Ausspruch über die Strafe (ON 549) kommt keine Berechtigung zu.
Der Angeklagte wurde mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 13. Dezember 2017, GZ **-140, des Verbrechens der Untreue nach § 153 Abs 1 und Abs 3 zweiter Fall StGB schuldig erkannt und hiefür nach dem zweiten Strafsatz des § 153 Abs 3 StGB zur Freiheitsstrafe von vierundzwanzig Monaten verurteilt, von der gemäß § 43a Abs 3 StGB der Teil von sechzehn Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde. Bei der Strafbemessung ging das Berufungsgericht im Urteil vom 12. Oktober 2018 zu AZ 1 Bs 117/18t davon aus, dass eine Freiheitsstrafe von sechsundzwanzig Monaten schuld- und tatangemessen sei und zog davon aufgrund einer Verletzung des Beschleunigungsgebots nach § 34 Abs 2 StGB zwei Monate von der Freiheitsstrafe ab (S 4 vorletzter und letzter Absatz im zitierten Urteil des Oberlandesgerichts Graz). Die vom Schuldspruch umfassten Taten hätten nach der Zeit ihrer Begehung bereits in jenem Verfahren abgeurteilt werden können. Auf diesen Umstand ist gemäß § 31 Abs 1 erster und zweiter Satz StGB dadurch Bedacht zu nehmen, dass zu der im Vorverfahren verhängten Sanktion eine Zusatzstrafe zu verhängen ist, deren Höchstmaß jene Strafe nicht übersteigen darf, die für die nun abzuurteilenden Taten angedroht ist (Freiheitsstrafe von zwei Jahren [§ 158 Abs 1 StGB]) und deren Summe nach § 31 Abs 1 dritter Satz StGB die Strafe nicht übersteigen darf, die nach den Regeln über die Strafbemessung beim Zutreffen strafbarer Handlungen und über die Zusammenrechnung der Werte und Schadensbeträge zulässig wäre. Demgemäß ist bei der Bemessung der Zusatzstrafe zu prüfen, welche Strafe bei gemeinsamer Aburteilung der Taten verhängt worden wäre und ist von dieser die bereits im vorangegangenen Urteil ausgesprochene Strafe abzuziehen.
Unter Einbeziehung der Strafzumessungsgründe des Vor-Urteils (RIS-Justiz RS0091425) ist als erschwerend zu werten, dass der Angeklagte mehrere strafbare Handlungen verschiedener Art (hier: ein Verbrechen und zwei Vergehen) über einen längeren Zeitraum begangen hat (§ 33 Abs 1 Z 1 StGB). Aggravierend (§ 32 Abs 2 und Abs 3 StGB) ist, dass der durch die im Vor-Urteil abgeurteilten Taten verursachte Schaden beinahe an das doppelte der Wertqualifikation des § 153 Abs 3 zweiter Fall StGB heranreicht, was jedoch dadurch beträchtlich gemindert wird, dass der Schaden bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise letztlich auf den Angeklagten selbst gefallen ist und das Ausmaß der Benachteiligung anderer Gläubiger im Betrag von EUR 768.000.
Mildernd ist, dass der Angeklagte bisher einen ordentlichen Lebenswandel geführt hat und die Taten mit seinem sonstigen Verhalten in auffallendem Widerspruch stehen (§ 34 Abs 1 Z 2 StGB) und dass er die Taten schon vor längerer Zeit begangen und sich seither wohlverhalten hat (§ 34 Abs 1 Z 18 StGB).
Mit Blick auf die Tatmehrheit, den langen Tatzeitraum, den hohen Schaden und das Ausmaß der Gläubigerbenachteiligung ist der in der Rechtsmittelschaft relevierte „äußerst geringe“ Handlungsunwert des Angeklagten nicht ernsthaft zu argumentieren.
Ausgehend von diesen Strafzumessungsgründen (§ 32 Abs 2 erster Satz StGB) wäre auf Grundlage der Schuld des Angeklagten (§ 32 Abs 1 StGB) bei gemeinsamer Aburteilung aller Taten die Verhängung einer Freiheitsstrafe von neunundzwanzig Monaten jedenfalls nicht überhöht. Nach Abzug der Freiheitsstrafe von sechsundzwanzig Monaten (noch ohne der dort durch Reduktion der Freiheitsstrafe um zwei Monate berücksichtigten langen Verfahrensdauer) aus dem Vor-Urteil verbliebe eine Zusatzfreiheitsstrafe von drei Monaten (RIS-Justiz RS0090661, insb [T1]).
Allerdings ist der (bereits im Vor-Urteil angenommene) Milderungsgrund des § 34 Abs 2 StGB (neuerlich) anzuwenden, weil (auch) das nunmehrige Verfahren aus einem nicht vom Angeklagten oder seinem Vertreter zu vertretenen Grund, nämlich der Notwendigkeit mehrerer jeweils durch Rechtsfehler der Erstgerichte verursachter Rechtsgänge, unverhältnismäßig lange gedauert hat (zu den Kriterien der Angemessenheit der Verfahrensdauer, nämlich der Bedeutung der Sache für den Angeklagten, der Komplexität des Falls, dem Verhalten des Angeklagten und dem Verhalten der Behörden vgl Riffelin WK² StGB § 34 Rz 43 ff). Die durch die unangemessen lange Verfahrensdauer bedingte Grundrechtsverletzung ist durch explizite (RIS-Justiz RS0114926 [T3]), bereits vom Erstgericht unter Hinweis auf die Ausführungen des im zweiten Rechtsgang erkennenden Gerichts (US 17 dritter Absatz in ON 514) erkennbar vorgenommene Reduktion der Freiheitsstrafe um einen Monat auszugleichen. Solcherart ist die vom Erstgericht verhängte Zusatzstrafe schuld- und tatangemessen und einer weiteren Reduktion nicht zugänglich.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.