JudikaturOLG Graz

9Bs16/25h – OLG Graz Entscheidung

Entscheidung
Strafrecht
10. März 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Graz hat durch die Senatspräsidentin Mag a . Kohlroser als Vorsitzende, die Richterin Mag a . Berzkovics sowie den Richter Mag. Obmann, LL.M. in der Strafsache gegen A*wegen Verbrechen der Erpressung nach §§ 15, 144 Abs 1 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über dessen Beschwerde gegen den Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 22. November 2024, GZ **-212, in nichtöffentlicher Sitzung den

BESCHLUSS

gefasst:

Spruch

Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.

A* haftet für die durch sein erfolgloses Begehren auf Wiederaufnahme des Verfahrens verursachten Kosten.

Gegen diese Entscheidung steht ein weiterer Rechtszug nicht zu (§ 89 Abs 6 StPO).

Text

BEGRÜNDUNG:

Der am ** geborene deutsche Staatsangehörige A* wurde mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 25. Februar 2020, GZ **-49, in Verbindung mit dem Beschluss des Obersten Gerichtshofs vom 29. September 2020, AZ 14 Os 49/20t-12 (ON 108), und dem Urteil des Oberlandesgerichts Graz vom 2. Dezember 2020, AZ 8 Bs 355/20x (ON 136), zweier Verbrechen der Erpressung nach §§ 15, 144 Abs 1 StGB (I.) und eines Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach §§ 15, 12 zweiter Fall, 302 Abs 1 StGB (II.) schuldig erkannt und hiefür unter Bedachtnahme auf § 28 Abs 1 StGB nach § 302 Abs 1 StGB zur Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, gemäß § 389 Abs 1 StPO zum Kostenersatz verpflichtet und gemäß§ 21 Abs 2 StGB in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen.

Dem Schuldspruch zufolge hat A* in **

I. mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Genötigten unrechtmäßig zu bereichern,

durch gefährliche Drohung mit einer Verletzung am Körper in nachgenannten, an das Bezirksgericht Deutschlandsberg zum AZ ** gerichteten, per Fax übermittelten Schreiben mit nachfolgenden Inhalten, die (US 4) zuständige Rechtspflegerin zu einer Handlung, nämlich zur „EO-widrigen Beendigung bzw Rückabwicklung“ der von der Republik Österreich gegen ihn zum angeführten Aktenzeichen betriebenen Forderungs- und Fahrnisexekution, zu nötigen versucht, welche die Republik Österreich mit EUR 256,36 am Vermögen schädigen sollte, und zwar

A. am 25. August 2019 durch das als „Einspruch gegen AZ: C*-2“ bezeichnete Schreiben, in dem er unter anderem ausführte: „Ich erbitte daher aufgrund meines begründeten Einspruchs bis Ende August eine Bestätigung per email, dass dieser Einspruch zur Kenntnis genommen wurde und auch keine Pfändung stattfindet! Wenn dies nicht beachtet wird und trotzdem Geld gepfändet wird, sehe ich mich zum Schritt der Selbstjustiz gezwungen!“,

B. am 14. November 2019 durch das als „Beschwerde gegen Beschluss C*“ bezeichnete Schreiben mit dem sinngemäßen Inhalt, dass ein Beschluss im genannten Verfahren nicht rechtmäßig sei, weil er nicht an die bekannt gegebene E-Mail-Adresse, sondern per Post übermittelt wurde, verbunden mit der Forderung: „Daher ist mir nun das gepfändete Geld [gemeint, das im genannten Exekutionsverfahren per Gehaltsexekution exequierte Geld] bis spätestens 01. 12. 19 zurückzuzahlen, ansonsten werde ich zur Selbstjustiz schreiten, da ich mich in einer Demokratie befinde und nicht in einem Nazistaat! […] ENTWEDER IST BIS 01. 12. 19 DAS GELD ZURÜCKBEZAHLT ODER ICH GEHE DAGEGEN VOR, DA ICH MIR DIESES NAZI- UND SS-TUN NICHT MEHR GEFALLEN LASSE!“;

II. durch die zu I. beschriebenen Handlungen mit dem Vorsatz, die Republik Österreich „in ihrem Recht auf Eigentum und auf gerichtliche Durchsetzung und Einbringlichmachung ihrer Forderungen“ (ersichtlich gemeint [US 4]: an ihrem Vermögen) zu schädigen, eine Beamtin, nämlich (US 4f) die für dieses Exekutionsverfahren des Bezirksgerichts Deutschlandsberg zuständige Rechtspflegerin, (US 4f) wissentlich zu bestimmen versucht, ihre Befugnis, im Namen des Bundes als dessen Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, zu missbrauchen.

Mit Beschluss vom 31. März 2022, GZ **-171, wies das Landesgericht für Strafsachen Graz als Senat von drei Richtern (§ 31 Abs 6 Z 2 StPO) einen Antrag des Verurteilten auf Wiederaufnahme des rechtskräftig beendeten Verfahrens ab.

Der dagegen vom Verurteilten erhobenen Beschwerde gab das Oberlandesgericht Graz mit Beschluss vom 15. September 2022, AZ 9 Bs 175/22m (ON 177), nicht Folge.

Mit Beschluss vom 5. Oktober 2023, GZ **-194, wies das Landesgericht für Strafsachen Graz als Senat von drei Richtern (§ 31 Abs 6 Z 2 StPO) einen weiteren Antrag des Verurteilten auf Wiederaufnahme des rechtskräftig beendeten Verfahrens ab.

Der dagegen vom Verurteilten erhobenen Beschwerde gab das Oberlandesgericht Graz mit Beschluss vom 13. Mai 2024, AZ 9 Bs 382/23d (ON 200), nicht Folge.

Mit Eingabe vom 10. Juni 2024 (ON 201) beantragte der Verurteilte (erkennbar gestützt auf § 353 Z 1 und Z 2 StPO) abermals die Wiederaufnahme des Verfahrens.

Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Landesgericht für Strafsachen Graz als Senat von drei Richtern (§ 31 Abs 6 Z 2 StPO) konform der ablehnenden Stellungnahme der Staatsanwaltschaft Graz (ON 204) den Antrag des Verurteilten auf Wiederaufnahme des rechtskräftig beendeten Verfahrens mangels Vorliegens von tauglichen Wiederaufnahmegründen ab und verpflichtete ihn zur Haftung für die von ihm verursachten Kosten.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die Beschwerde des Verurteilten (ON 215), der keine Berechtigung zukommt.

Der Wiederaufnahmeantrag sowie das Beschwerdevorbringen bringen aus nachstehenden Erwägungen keinen tauglichen Wiederaufnahmegrund zur Darstellung.

Voranzustellen ist, dass gemäß § 434f Abs 2 StPO die Regeln für die Wiederaufnahme für die Anordnung einer Anstaltsunterbringung nach § 21 Abs 2 StGB unmittelbar gelten. Bezugspunkt der Wiederaufnahme im Maßnahmenrecht sind dabei die tatsächlichen Grundlagen der (Anlass-)Tat. Dies ist die Verwirklichung einer Tat, die mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedroht ist, im Zustand der (hier) Zurechnungsfähigkeit. Die Tatsachengrundlagen der sonstigen Einweisungsvoraussetzungen, darunter die Fragen des Vorliegens einer schwerwiegenden und nachhaltigen Störung und deren maßgeblichen Einflusses auf die Anlasstat wie auch der Gefährlichkeitsprognose, sind einer Wiederaufnahme nicht zugänglich. Die sonstigen Einweisungsvoraussetzungen sind nämlich nicht Teil der vom Urteil erfassten „strafbaren Handlung“. Die Anordnung der Maßnahme erfolgt nicht im Schuldspruch (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO), sondern im Rahmen des Ausspruchs gemäß § 260 Abs 1 Z 3 StPO ( Lewisch inWK StPO Vor §§ 352 bis 363 Rz 82, 84f; Murschetzin WK StPO § 433 Rz 32f; Haslwanterin WK² StGB Vor §§ 21–25 StGB Rz 12ff).

Gemäß § 353 StPO kann der rechtskräftig Verurteilte, neben hier nicht relevanten Fällen, die Wiederaufnahme des Strafverfahrens selbst nach vollzogener Strafe verlangen, wenn dargetan wird, dass seine Verurteilung durch Urkundenfälschung oder durch falsche Beweisaussage, Bestechung oder eine sonstige Straftat einer dritten Person veranlasst worden ist (Z 1) oder wenn er neue Tatsachen oder Beweismittel beibringt, die allein oder in Verbindung mit früher erhobenen Beweisen geeignet erscheinen, seine Freisprechung oder die Verurteilung wegen einer unter ein milderes Strafgesetz fallenden Handlung zu begründen (Z 2).

Nur neue, dh in der Hauptverhandlung nicht vorgekommene (§§ 12 Abs 2, 258 Abs 1 StPO) Tatsachen oder Beweismittel können Anlass zur Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 353 Z 2 StPO geben. Als neue Beweismittel kommen etwa nicht gehörte Zeugen, die sinnliche Wahrnehmungen zu erheblichen Umständen gemacht haben könnten (§ 154 Abs 1 StPO), oder nicht verlesene Beweisurkunden in Betracht ( Lewisch, aaO § 353 Rz 34 ff, 47 f). Allerdings sind Wertungen, Spekulationen, Plausibilitäten, Meinungen und Mutmaßungen von Zeugen keine Tatsachen oder Beweismittel im Sinn des § 353 Rz 2 StPO (RIS-Justiz RS0097545, RS0097540; Lewisch , aaO § 353 Rz 50).

Rechtskräftige Entscheidungen (auch) in Wiederaufnahmesachen entfalten Einmaligkeitswirkung. Ein Argument, dem die Fähigkeit, Wiederaufnahme zu begründen, bereits rechtskräftig abgesprochen wurde, kann für sich allein ohne Neuerungen im Tatsachen- oder Beweismittelbereich nicht noch einmal zum Gegenstand eines Wiederaufnahmeantrags gemacht werden (statt aller OLG Graz 9 Bs 244/22h, 8 Bs 324/22s, 8 Bs 82/23d, 10 Bs 138/23d uva).

Ausgehend von diesen Ausführungen stellt der vom Verurteilten als Zeuge namhaft gemachte Mag. B*, bei dem es sich nach dem Vorbringen des Verurteilten um dessen Therapeuten handelt, kein „neues Beweismittel“ im Sinne der Z 2 des § 353 StPO dar. Denn mit den Ausführungen, sein Therapeut verstehe absolut nicht, wie so ein Fehlurteil gefällt habe werde können, bringt der Verurteilte (nur) zum Ausdruck, dass Mag. B* allein subjektive Eindrücke wiedergeben soll, die jedoch nicht Gegenstand eines gerichtlichen Zeugnisses sind.

Soweit er sich auf (im Übrigen unbelegte) Ausführungen der Mag a . C* im Verfahren des Landesgerichts für Strafsachen Graz zu AZ ** bezieht, wonach sie nicht verstehe, warum bestimmte Tests anlässlich der Gutachtenserstellung im Verfahren zur Unterbringung des Verurteilten nicht vorgenommen worden seien, und deren Einvernahme dazu beantragt, verfehlt er den Bezugspunkt der Wiederaufnahme, sodass darauf nicht weiter einzugehen ist.

Soweit der Verurteilte im Wiederaufnahmeantrag und mit dem Beschwerdevorbringen (bloß neuerlich) den Befund und das Gutachten des Sachverständigen Univ. Prof. Dr. D* kritisiert, die generelle Unzulässigkeit der Zustellung von behördlichen Schreiben im Zusammenhang mit seiner Ortsabwesenheit releviert, durch die isolierte Verwendung des Begriffs „Selbstjustiz“ das äußere Tatbild des Verbrechens der Erpressung nach § 144 Abs 1 StGB als nicht erfüllt erachtet, den zur Verwirklichung dieses Tatbestands erforderlichen Vorsatz in Abrede stellt und sich auf den Beschluss des Landesgerichts Korneuburg als Arbeits- und Sozialgericht vom 14. Februar 2023, AZ ** sowie die Verfügung des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 29. Dezember 2022 und dessen Beschluss vom 16. Februar 2023, je AZ Ausl AR 77/22 bezieht, erschöpft er sich in der Wiederholung von Argumenten, die er im Kern bereits anlässlich seiner den Entscheidungen des Oberlandesgerichts Graz zu AZ 9 Bs 175/22m und AZ 9 Bs 382/23d zu Grunde liegenden Eingaben vorgetragen hat. Wegen bereits entschiedener Sache (res iudicata) verbietet sich ein Eingehen auf diese Argumente und wäre der Antrag in diesem Umfang vom Erstgericht richtigerweise zurückzuweisen gewesen. Die haltlosen Anwürfe gegen verschiedene Organe der Justiz sind einer Erwiderung ohnehin nicht zugänglich.

Die Verpflichtung zum Kostenersatz gründet sich auf § 390a Abs 2 StPO.