8Bs354/24f – OLG Graz Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Graz hat durch die Richterin Mag a . Berzkovics als Vorsitzende, die Richterin Mag a . Haas und den Richter Mag. Petzner, Bakk. in der Strafsache gegen A*wegen des Verbrechens des sexuellen Missbrauchs einer wehrlosen oder psychisch beeinträchtigten Person nach § 205 Abs 2 StGB über die Berufungen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Leoben als Schöffengericht vom 6. März 2024, GZ **-27, nach der am 26. Februar 2025 in Gegenwart des Oberstaatsanwalts Mag. Liensberger, LL.M., des Angeklagten, seines Verteidigers Rechtsanwalt Mag. Angerer und der Privatbeteiligtenvertreterin Rechtsanwältin Mag. a Weidinger durchgeführten öffentlichen Verhandlung zu Recht erkannt:
Spruch
Den Berufungen wird nicht Folge gegeben.
Dem Angeklagten fallen auch die durch seine Berufung verursachten Kosten des Berufungsverfahrens zur Last.
Text
gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am ** geborene A* des Verbrechens des sexuellen Missbrauchs einer wehrlosen oder psychisch beeinträchtigten Person nach § 205 Abs 2 StGB schuldig erkannt.
Danach hat er am 14. Jänner 2021 in ** eine wehrlose Person unter Ausnützung dieses Zustands dadurch missbraucht, dass er an ihr eine geschlechtliche Handlung vornahm, indem er während des alkoholbedingten tiefen Schlafes der B* ihre unbekleideten Brüste umfasste und drückte und ihre unbekleidete Vulva intensiv berührte und streichelte.
Der Schuldspruch erwuchs zufolge Zurückweisung der Nichtigkeitsbeschwerde durch den Obersten Gerichtshof in Rechtskraft (11 Os 112/24w [ON 37.3]).
Hiefür wurde A* nach § 205 Abs 2 StGB in Anwendung des § 43a Abs 2 StGB zur Geldstrafe von 240 Tagessätzen zu je EUR 24,00, im Uneinbringlichkeitsfall 120 Tage Ersatzfreiheitsstrafe, und zur für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt sowie gemäß § 389 Abs 1 StPO zum Ersatz der Kosten des Strafverfahrens verpflichtet. Außerdem enthält das Urteil einen Privatbeteiligtenzuspruch an B*.
Gegen den Strafausspruch richtet sich die Berufung des Angeklagten, mit der er die Herabsetzung des Strafmaßes anstrebt (ON 33.2), sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft, die auf die Verhängung einer höheren, „zumindest“ teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe gemäß § 43a Abs 3 StGB, in eventu auf eine „höhere (Freiheits-)Strafe unter Anwendung des § 43a Abs 2 StGB“ abzielt (ON 32.4). Die vom Angeklagten angemeldete Berufung gegen den Ausspruch über die privatrechtlichen Ansprüche (ON 30.2) wurde in der Berufungsverhandlung zurückgezogen.
Rechtliche Beurteilung
Die Berufungen bleiben erfolglos.
Bei der innerhalb der Strafbefugnis des § 205 Abs 2 StGB (Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren) vorzunehmenden Strafbemessung fällt im Rahmen allgemeiner Strafbemessungserwägungen (§ 32 Abs 2 StGB) zum Nachteil des Angeklagten die Ausnützung des (über Jahre aufgebauten besonderen) Vertrauensverhältnisses zum Tatopfer ins Gewicht, welches überhaupt erst dazu führte, dass sich die zum Tatzeitpunkt alkoholisierte B* damit einverstanden erklärte, beim Angeklagten zu übernachten (US 5). Die von der Staatsanwaltschaft ins Treffen geführte, allerdings nicht von einem Arzt diagnostizierte „posttraumatische Belastungsstörung“beim Tatopfer (vgl ON 25.3) ist hingegen nicht als erschwerend zu werten, weil die Feststellungen nicht eindeutig erkennen lassen, ob diese einerseits unmittelbare Folge der Tat war, andererseits Krankheitswert hat(te) (vgl aber RIS-Justiz RS0092798 [T3]; Leukauf/Steininger/Nimmervoll, StGB 4 § 84 Rz 10).
Mildernd wirken demgegenüber der bisher ordentliche Lebenswandel des Angeklagten, mit dem die Tat in auffallendem Widerspruch steht (§ 34 Abs 1 Z 2 StGB) sowie die Enthemmung durch Alkohol (US 5; § 35 StGB). Die Zahlung von (nunmehr) insgesamt EUR 2.200,00 an die Privatbeteiligte B* stellt zwar keine Schadensgutmachung im Sinn des – ausschließlich auf Vermögensdelikte zugeschnittenen – § 34 Abs 1 Z 14 zweiter Fall StGB dar ( Fabrizy/Michel-Kwapinski/Oshidari, StGB 14 § 34 Rz 13), ist jedoch als Tatfolgenausgleich zu Gunsten des Angeklagten zu berücksichtigen ( Riffel, WK² StGB § 32 Rz 40). Der besondere Milderungsgrund des § 34 Abs 1 Z 18 StGB würde eine Tatbegehung schon vor längerer Zeit voraussetzen, worunter eine Zeitspanne zu verstehen ist, die sich an der fünfjährigen Rückfallsverjährungsfrist des § 39 Abs 2 StGB orientiert (RIS-Justiz RS0108563), was hier mit Blick auf die Begehung der abgeurteilten Tat am 14. Jänner 2021 (noch) nicht der Fall ist. Auch die ohne nähere Begründung behauptete unverhältnismäßig lange Verfahrensdauer im Sinn des § 34 Abs 2 StGB liegt ungeachtet der Überschreitung der Ausfertigungsfrist des § 270 Abs 1 StPO (vgl Fabrizy/Michel-Kwapinski/Oshidari, aaO § 34 Rz 17) um rund dreieinhalb Monate nicht vor (vgl Riffel, WK² StGB § 34 Rz 60; anders etwa bei sachlich nicht gerechtfertigter Überschreitung von rund sechs Monaten: RIS-Justiz RS0120138).
Maß nehmend am Gewicht der Tat, an den besonderen Strafbemessungsgründen und an der persönlichen Schuld des Angeklagten (§ 32 Abs 1 StGB) ist die (bereits vom Erstgericht hypothetisch [vgl Jerabek/Ropper, WK² StGB § 43a Rz 9; 14 Os 29/19z] ausgemessene) Freiheitsstrafe von zwölf Monaten tat- und schuldangemessen sowie der Täterpersönlichkeit entsprechend. Wenngleich im Einklang mit dem Erstgericht eine bedingte Nachsicht der ganzen Strafe nicht geeignet wäre, die generalpräventiven Sanktionserfordernisse zu erfüllen, ist mit Blick auf die bisherige Unbescholtenheit des Angeklagten und das – wenn auch nicht den besonderen Milderungsgrund des § 34 Abs 1 Z 18 StGB erfüllende – längere Zurückliegen der Tat die ausgemessene Strafenkombination nach § 43a Abs 2 StGB ausreichend, um ihn und andere eventuell tatbereite Personen von (weiteren) strafbaren Handlungen abzuhalten. Die vom Erstgericht festgesetzte Tagessatzhöhe von EUR 24,00 entspricht den festgestellten persönlichen Verhältnissen des Angeklagten und seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit (US 2; § 19 Abs 2 StGB). Die für den Fall der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe vom Erstgericht festgesetzte Ersatzfreiheitsstrafe ergibt sich zwingend aus § 19 Abs 3 StGB.
Folge dieser Sachentscheidung ist die auf § 390a Abs 1 StPO gegründete Verpflichtung des Angeklagten zum Ersatz der durch seine Berufung verursachten Kosten des Berufungsverfahrens ( Lendl, WK-StPO § 390a Rz 8).