12Os101/25g – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 14. Oktober 2025 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger als Vorsitzende sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Oshidari, Dr. SetzHummel LL.M., Dr. Haslwanter LL.M. und Dr. Sadoghi PMM in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Hinteregger in der Strafsache gegen * J* und andere Angeklagte wegen des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach §§ 15, 87 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Genannten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Jugendschöffengericht vom 10. April 2025, GZ 14 Hv 59/24w209, sowie über dessen Beschwerde gegen den zugleich gefassten Beschluss nach § 494 Abs 1 StPO nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde werden das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im * J* betreffenden Schuldspruch II./, demzufolge auch im jeweils diesen Angeklagten betreffenden Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung), im Adhäsions- und Konfiskationserkenntnis sowie der Beschluss auf Anordnung der Bewährungshilfe und Erteilung einer Weisung aufgehoben, in diesem Umfang eine neue Hauptverhandlung angeordnet und die Sache an das Landesgericht für Strafsachen Graz verwiesen.
Mit seiner Berufung und seiner Beschwerde wird der Angeklagte J* ebenso wie die Staatsanwaltschaft mit ihrer Berufung in Ansehung dieses Angeklagten darauf verwiesen.
Die Entscheidung über die Berufung der Staatsanwaltschaft in Ansehung der Angeklagten * K* und * M* kommt dem Oberlandesgericht Graz zu.
Text
Gründe:
[1]Mit dem angefochtenen Urteil wurde – soweit hier von Bedeutung – * J* des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach §§ 15, 87 Abs 1 StGB (II./) schuldig erkannt.
[2] Danach hat er am 24. Juli 2024 in U* „im bewussten und gewollten Zusammenwirken“ mit * K* und * M* * H* absichtlich schwer am Körper zu verletzen versucht, indem er ihn zu einem Treffpunkt lockte und K* und M* Schläge und Tritte gegen Kopf und Körper des H* versetzten.
Rechtliche Beurteilung
[3]Dagegen wendet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5, 5a, „9a“ und 10 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des J*. Dieser kommt Berechtigung zu.
[4]Zutreffend reklamiert die Mängelrüge zu II./ eine offenbar unzureichende Begründung (Z 5 vierter Fall) der Feststellungen zur Absicht (§ 5 Abs 2 StGB) des Nichtigkeitswerbers, das Opfer schwer (§ 84 Abs 1 StGB) am Körper zu verletzen (US 9).
[5] Nach den Urteilsfeststellungen erstellten die Angeklagten mittels des konfiszierten Mobiltelefons Iphone14 des J* auf einer Internetplattform ein falsches Profil und fassten den gemeinsamen Entschluss, mit einem der Männer, die darüber Kontakt aufnahmen, ein Treffen zu vereinbaren, um ihn gemeinsam – allenfalls auch schwer – am Körper zu verletzen. In Umsetzung dieses Tatplans vereinbarten sie ein Treffen mit H*, wobei J* den Lockvogel spielte und am Treffpunkt wartete sowie sich mit dem Opfer bis zum Eintreffen der Mitangeklagten unterhielt, K* und M* hingegen auf dieses einschlugen und eintraten, während J* das Geschehen wohlwollend beobachtete (US 8 f, US 13).
[6] In subjektiver Hinsicht konstatierten die Tatrichter, dass es sämtlichen Angeklagten, als sie das Opfer zum Treffpunkt lockten und gemeinsam schlugen und traten, darauf ankam, es dadurch schwer zu verletzen (US 9).
[7] In der Begründung führte das Erstgericht aus, die Feststellungen zur subjektiven Tatseite ließen sich zwanglos aus dem objektiven Tatgeschehen ableiten. Mit Blick auf die Mehrzahl der Angreifer und die Vielzahl der heftigen Faustschläge und wuchtigen Fußtritte gegen den Kopf und den Körper des Opfers in Verbindung mit homophoben Beleidigungen sei nach der allgemeinen Lebenserfahrung auf eine die Zufügung einer schweren Körperverletzung gerichteten Absicht der Angeklagten zu schließen (US 15).
[8] Aus diesen Erwägungen ist die konstatierte Absichtdes Beschwerdeführers, der durch das Locken des Opfers zum Tatort (bloß) einen Beitrag zur strafbaren Handlung iSd § 12 dritter Fall StGB leistete (RISJustiz RS0090516, RS0090508; Fabrizy in WK 2StGB § 12 Rz 81 ff; zur Abgrenzung zur unmittelbaren Mittäterschaft siehe hingegen RISJustiz RS0117320, RS0089835 [T5]; Michel Kwapinski/Oshidari, StGB 15 § 12 Rz 6) nicht abzuleiten.
[9] Denn weil die Angeklagten nach dem Urteilssachverhalt bei der Tatplanung zunächst (bloß) den Entschluss fassten, ein noch zu konkretisierendes Opfer – allenfalls schwer – am Körper zu verletzen, kann eine auf die Zufügung einer schweren Körperverletzung gerichtete Absicht des J* im Zeitpunkt seines Einsatzes als Lockvogel und damit seiner Beitragshandlung logisch nicht aus der Vielzahl und der Wucht der erst in der Folge von den Mitangeklagten ausgeführten Schläge und Tritte geschlossen werden.
[10] Solcherart liegen für den Ausspruch über entscheidende Tatsachen nur solche Gründe vor, aus denen sich nach den Gesetzen folgerichtigen Denkens und der allgemeinen Lebenserfahrung ein Schluss auf die hier in Rede stehende Feststellung nicht ziehen lässt bzw der logische Zusammenhang nicht erkennbar ist (vgl RISJustiz RS0108609, RS0116732, RS0098671 [T9]).
[11] Weil bereits dieses Begründungsdefizit die Aufhebung des J* betreffenden Schuldspruchs erfordert, erübrigt sich ein Eingehen auf seine weitere Beschwerdeargumentation.
[12]Urteils- und Beschlussaufhebung wie im Spruch ersichtlich ist – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – die Folge (§ 285e StPO). Eben dies trifft – wegen Aufhebung des Schuldspruchs (RIS-Justiz RS0101281) – auf das J* betreffende Adhäsionserkenntnis zu.
[13] Mit seiner Berufung und seiner impliziten Beschwerde waren er und die Staatsanwaltschaft in Ansehung dieses Angeklagten darauf zu verweisen.
[14]Die Entscheidung über die Berufung der Staatsanwaltschaft in Ansehung der weiteren Angeklagten kommt dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).