17Ob9/25k – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Präsidenten Univ. Prof. Dr. Kodek als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Stefula und MMag. Sloboda, die Hofrätin Mag. Waldstätten und den Hofrat Dr. Stiefsohn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei D* Gesellschaft m.b.H, *, vertreten durch die Rechtsanwälte Dr. Amhof Dr. Damian GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei Dr. Christof Stapf, *, als Masseverwalter im Konkursverfahren über das Vermögen der J* GmbH *, vertreten durch die Stapf Neuhauser Rechtsanwälte GmbH in Wien, sowie die Nebenintervenientin auf Seiten der beklagten Partei Z* Aktiengesellschaft, *, vertreten durch Dr. Herbert Salficky, Rechtsanwalt in Wien, wegen 560.951,32 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei (Revisionsinteresse: 560.361,32 EUR) gegen das Teilurteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 28. März 2025, GZ 3 R 195/24d-62, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Text
Begründung:
[1] Die Klägerin zog als Generalunternehmerin bei einem großen Bauvorhaben die nunmehrige Schuldnerin als Subauftragnehmerin für das Gewerk „Elektro“ bei.
[2]Gegenstand des Verfahrens ist ein Absonderungsanspruch gemäß § 157 VersVG bei sonstiger Exekution in den Deckungsanspruch gegen die Nebenintervenientin als Haftpflichtversicherer.
[3] Das Berufungsgericht wies mit Teilurteil fast das gesamte (Haupt )Klagebegehren ab.
Rechtliche Beurteilung
[4] Die gegen dieses Teilurteil gerichtete außerordentliche Revision der Klägerinist mangels Aufzeigens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig und daher zurückzuweisen .
[5] 1. In der Betriebshaftpflichtversicherung ist grundsätzlich nicht die Ausführung der bedungenen Leistung und auch nicht das Unternehmerrisiko versichert (vgl RS0081685 , RS0081518 ). Der Versicherungsschutz umfasst bei der Berufshaftpflichtversicherung nur jenen Schaden, der über das Erfüllungsinteresse des Dritten an der Leistung des Versicherungsnehmers hinausgeht ( RS0081898 ).
[6] Die Betriebshaftpflichtversicherung erstreckt sich daher auch nicht auf sogenannte Erfüllungssurrogate (vgl 7 Ob 31/16h Pkt 2.). Entscheidend ist dabei nicht die rechtliche Grundlage, aus der der Anspruch hergeleitet wird, sondern vielmehr, ob die Kosten durch den Versicherungsnehmer oder Dritte aufgewendet werden müssen, um den Dritten in den Genuss der vertragsgerechten Leistung des Versicherungsnehmers zu bringen und/oder ob sie das Zurückbleiben der tatsächlichen Leistung hinter dem Versprochenen kompensieren sollen (vgl 7 Ob 18/24h Rz 19). Kosten für die von einem Dritten vorgenommene Verbesserung der mangelhaften Leistung des Versicherten fallen nicht unter die Betriebshaftpflichtversicherung (vgl RS0081685 ), was ebenso für Kosten für vorbereitende Maßnahmen gilt, die zur Mängelbehebung erforderlich sind (vgl RS0021974 ).
[7] Zu den gedeckten Schäden gehören aber grundsätzlich Mängelfolgeschäden sowie Begleitschäden, also Schäden, die sich nicht unmittelbar auf die Erstellung des Werkes beziehen, sondern daraus resultieren, dass die mangelhafte Leistung an anderen Vermögenswerten Schäden hervorruft (vgl RS0114204 ; jüngst 7 Ob 18/24h). Hat die mangelhafte Werkleistung des Versicherungsnehmers bereits Folgeschäden an anderen Sachen angerichtet, dann sind diese Schäden gedeckt und nur jene Kosten ausgeschlossen, die für die Beseitigung des Mangels selbst aufgewendet werden (vgl RS0131237).
[8] Auch bei einem Risikoeinschluss für reine Vermögensschäden sind Erfüllungssurrogate grundsätzlich nicht zu ersetzen, Mangelfolgeschäden aus Schlecht- oder Nichterfüllung hingegen gedeckt (vglRS0122647; s auch 7 Ob 23/25w ).
[9] 2. Nach dem vereinbarten Risikoeinschluss hat die Nebenintervenientin grundsätzlich auch für solche Mangelfolgeschäden Versicherungsdeckung zu gewähren, die als reine Vermögensschäden zu qualifizieren sind, wie insbesondere entgangene Mieteinnahmen. Die Deckung besteht aber gemäß den weiteren Risikoausschlüssen ausdrücklich nicht für „ Vermögensschäden “ bzw „ Schadenersatzverpflichtungen “ aus (ua) „ Erklärungen über die Dauer der Bauzeit oder über Lieferfristen “; „ Nichteinhaltung von Fristen oder Terminen “ sowie „ Nichterfüllung oder nicht rechtzeitiger Erfüllung von Verträgen “.
[10] 2.1. Dies unterscheidet den vorliegenden Fall maßgeblich von den in 7 Ob 147/07d zugrunde liegenden Bedingungen, war dort doch nur der Risikoausschluss „ Nichterfüllung, Schlechterfüllung oder nicht rechtzeitige Erfüllung von Verträgen “ zu beurteilen. Der Oberste Gerichtshof hielt damals lediglich fest, dieser Bestimmung könne nicht entnommen werden, dass für Mangelfolgeschäden generell nicht gehaftet werde, weil ansonsten kaum ein Anwendungsbereich für den Risikoeinschluss von reinen Vermögensschäden verbleibe.
[11] Die hier vorliegende punktuelle Begrenzung des versicherten Risikos durch einen Ausschluss für reine Vermögensschäden, die aus einer Nichteinhaltung vereinbarter Termine resultieren, dient aber erkennbar (gerade in der Baubranche) dem Zweck, ein nicht überschaubares und nicht kalkulierbares Teilrisiko auszunehmen. Die Rechtsansicht der Vorinstanzen, dass sämtliche der geltend gemachten (reinen) Vermögensschäden, die aus einem Verzug der Schuldnerin resultieren, nicht von deren Haftpflichtversicherung gedeckt seien, bewegt sich innerhalb des ihnen bei der Auslegung vertraglicher Bestimmungen im Einzelfall notwendiger Weise zukommenden Auslegungsspielraums.
[12] 2.2.Dass Personalaufwand und Mängelerhebungskosten nach der Entscheidung 7 Ob 190/16s jedenfalls als gedeckte Mangelfolgeschäden anzusehen wären, trifft in dieser Allgemeinheit nicht zu. Vielmehr hielt der versicherungsrechtliche Fachsenat in der Entscheidung 7 Ob 190/16s daran fest, dass die Kosten der Mängelbehebung unter die nicht gedeckten Erfüllungssurrogate fallen; darüber hinausgehende Schäden würden dann dazu gehören, wenn sie zwangsläufig mit der Verbesserung verbunden seien („Mängelnebenkosten“). (Nur) Bei Maßnahmen, die zugleich der Beseitigung des Mangels des vom Versicherungsnehmer geschuldeten Werkes und der Behebung eines Folgeschadens dienen, sei zu differenzieren: Insoweit seien die Schadenbeseitigungskosten gedeckt und nur jene Kosten ausgeschlossen, die für die Beseitigung des Mangels selbst aufgewendet werden.
[13] Aus der pauschalen Revisionsbehauptung, sämtliche Verbesserungskosten seien im Zweifel als Mangelfolgeschäden gedeckt, ist keine Unvertretbarkeit der Rechtsansicht der Vorinstanzen abzuleiten, die die konkret geltend gemachten Forderungen als Mangelbehebungs und nebenkosten im Sinn von nicht versicherten Erfüllungssurrogaten qualifizierten.
[14] 3. Auch wenn eine Überprüfung der Elektroanlage nicht vom ursprünglichen Auftrag zwischen der Klägerin und der Schuldnerin umfasst gewesen sein sollte, wie die Revision nunmehr argumentiert, wäre es keinesfalls unvertretbar, diese Kosten unter den haftpflichtversicherungsrechtlichen Begriff der (nicht gedeckten) Erfüllungssurrogate zu subsumieren, waren sie doch sogar nach dem Revisionsvorbringen für die Herstellung eines übergabereifen Werkes erforderlich.
[15] Die in der Revision insoweit behaupteten sekundären Feststellungsmängel beziehen sich nur auf die Schwere der angeblichen Mängel und gerade nicht auf eine Abgrenzung zwischen Mängeln und Folgeschäden.
[16] 4. Wenn das Berufungsgericht die die Durchführung von Regieleistungen betreffende Beweisrüge der Klägerin als nicht gesetzmäßig ausgeführt ansah, liegt darin keine aufzugreifende Fehlbeurteilung (vgl RS0041835 [T10]). Dass das Berufungsgericht die im Rahmen der Beweisrüge begehrten pauschalen Ersatzfeststellungen als in rechtlicher Hinsicht nicht ausreichend für eine die Deckungspflicht der Nebenintervenientin bejahende Entscheidung ansah, ist ebenso nicht korrekturbedürftig. Nach der Rechtsprechung stellen nämlich aus unterschiedlichen Mängeln abgeleitete Gewährleistungs oder Schadenersatzforderungen keine einheitliche Gesamtforderung dar, sodass grundsätzlich eine Aufschlüsselung erforderlich ist (vgl RS0031014 [T22, T25]; 1 Ob 77/23i mwN).
[17] 5. Wenn die Vorinstanzen davon ausgegangen sind, dass das Vorbringen der Klägerin zum von ihr getragenen Aufwand für Gehälter von eigenem und überlassenem Personal – trotz entsprechenden Hinweises des Beklagten und der Nebenintervenientin – unschlüssig geblieben sei, ist dies ebenfalls nicht korrekturbedürftig.
[18]Ob eine Klage schlüssig ist, sich also der Anspruch aus dem behaupteten Sachverhalt ergibt, kann nur anhand der konkreten Behauptungen im Einzelfall geprüft werden und begründet daher regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO (vgl RS0037780, RS0116144). Dasselbe gilt für die Beurteilung, ob eine nähere Aufgliederung des geltend gemachten Schadens notwendig und zumutbar ist (vgl RS0031014 [T37], RS0037907 [T16]).
[19] Die Annahme des Berufungsgerichts, dass die Klägerin bei den Personalkosten zwischen einem (nicht versicherten) Mängelbehebungsaufwand und (versicherten) Mangelfolgeschäden (insb Nachbesserungsbegleitschäden) differenzieren hätte müssen, hält sich unter Beachtung der in Punkt 4. dargestellten Rechtsprechung im Rahmen des Beurteilungsspielraums.