JudikaturOGH

11Os96/25i – OGH Entscheidung

Entscheidung
Strafrecht
07. Oktober 2025

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 7. Oktober 2025 durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek als Vorsitzende sowie die Hofrätinnen und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Mag. Fürnkranz, Dr. Oberressl, Dr. Brenner und Mag. Riffel in Gegenwart der Kontr. Tastekin als Schriftführerin in der Strafsache gegen * Y* wegen Verbrechen der Schlepperei nach §§ 114 Abs 1, Abs 3 Z 1 und Z 2, Abs 4 erster Fall FPG und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Eisenstadt als Schöffengericht vom 14. April 2025, GZ 25 Hv 8/25p 42, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das sonst unberührt bleibt, in der rechtlichen Unterstellung der im Schuldspruch zu II/2/ angeführten Tat (auch) unter die Qualifikation nach § 126 Abs 1 Z 5 StGB, demzufolge überdies im Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung) aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Eisenstadt verwiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf die aufhebende Entscheidung verwiesen.

Ihm fallen die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * Y* de r Verbrechen der Schlepperei nach § 114 Abs 1 und Abs 4 F P G (I/A/ und I/B/) und nach § 114 Abs 1, Abs 3 Z 1 und Z 2, Abs 4 erster Fall F PG (I/C/1/ und I/C/2/), des Vergehens des Widerstands gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs 1 (erster Halbsatz) StGB (II/1/) sowie jeweils eines Vergehens der schweren Sachbeschädigung nach §§ 125, 126 Abs 1 Z 5 und Z 7 StGB (II/2/), der Gefährdung der körperlichen Sicherheit nach § 89 StGB (II/3/), der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs 3 StGB (II/4/) und der Annahme, Weitergabe oder des Besitzes falscher oder verfälschter besonders geschützter Urkunden nach § 224a StGB (II/5/) schuldig erkannt.

[2] Danach hat er – soweit für die Erledigung der Nichtigkeitsbeschwerde von Bedeutung –

II/ am 22. Jänner 2025 in S*

1/ versucht, die (Polizei-)Beamten * K* und * P* mit Gewalt an einer Amtshandlung (§ 269 Abs 3 StGB), nämlich seiner Anhaltung, zu hindern, indem er mit dem von ihm gelenkten PKW rückwärts auf ein Dienstauto der Kriminalpolizei zufuhr und dieses rammte;

2/ durch die zuII/1/ beschriebene Handlung eine fremde bewegliche Sache, nämlich den Dienstwagen der Kriminalpolizei, sohin einen wesentlichen Bestandteil der kritischen Infrastruktur (§ 74 Abs 1 Z 11 StGB) beschädigt, wobei ein Schaden von über 5.000 Euro entstand.

Rechtliche Beurteilung

[3] Ausschließlich gegen die rechtliche Qualifikation der zu II/2/angeführten Sachbeschädigung (auch) nach § 126 Abs 1 Z 5 StGB(Sachbeschädigung an einem wesentlichen Bestandteil der kritischen Infrastruktur iSd § 74 Abs 1 Z 11 StGB)richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 10 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

[4] Den Urteilsfeststellungen zu II/2/ (US 8) zufolge legte der Angeklagte den Retourgang ein, schob mit seinem Fahrzeug zweimal zügig zurück und „touchierte“ dadurch das Einsatzfahrzeug sowohl „rechts vorne als auch rechts hinten“, wodurch an diesem ein Schaden von 6.400 Euro entstand. Das Einsatzfahrzeug war „neben einem Zivilauto das einzige Blaulichtauto“ der Polizeiinspektion N* und konnte „auf Grund der notwendigen Reparaturarbeiten“ für zwei bis drei Wochen „nicht benutzt“ werden, weshalb die Bereitstellung eines (nicht näher spezifizierten) „Ersatzfahrzeugs“ erforderlich war.

[5] Der Angeklagte wusste, dass es sich bei dem Polizeifahrzeug um eine fremde Sache handelte und wollte dieses beschädigen, indem er mehrmals den Retourgang einlegte, rückwärts auf das Dienstfahrzeug zufuhr und es „rammte“. Er hielt es ernstlich für möglich und fand sich damit ab, dass er dadurch einen 5.000 Euro übersteigenden Schaden am Polizeiwagen herbeiführen könnte. Ebenso hielt er es ernstlich für möglich und fand sich damit ab, dass es sich bei dem beschädigten Wagen um einen Dienstwagen der Polizei, sohin einen Bestandteil der kritischen Infrastruktur, handelt.

[6] Die Subsumtionsrüge (Z 10) führt dazu zutreffend aus, dass das Zerstören, Beschädigen, Verunstalten oder Unbrauchbarmachen eines Einsatzfahrzeugs der Polizei (Funkstreifenwagen, „Blauchlichtfahrzeug“) nur dann der in Rede stehenden Qualifikation zu subsumieren ist, wenn die Beeinträchtigung ein für die Funktionsfähigkeit der Sache – und damit die Betriebssicherheit der betroffenen Einrichtung – bedeutsames Ausmaß erreicht und zumindest abstrakt geeignet ist, die Betriebssicherheit als solche zu beeinträchtigen und dadurch eine Gefährdung des besonderen Zwecks hervorzurufen, weil die konkrete Funktion der kritischen Infrastruktur (hier: Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit) mit ihren verbleibenden Bestandteilen nicht gleichermaßen erfüllt werden kann (RISJustiz RS0093455, RS0093439, RS0093476; 14 Os 19/23k [Rz 13 ff mwN]).

[7] Soweit die Beschwerde damit (auch) vorbringt, dass der Urteilssachverhalt eine solche Beurteilung nicht zulässt, ist sie daher im Recht. Denn die Feststellungen lassen nicht erkennen, welche Beeinträchtigung für die Funktionsfähigkeit und Betriebssicherheit des Polizeiwagens eingetreten ist (vgl dazu näher 12 Os 121/78) und inwiefern diese geeignet war, den besonderen Zweck des konkreten Polizeiwagens für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit zu gefährden. Abgesehen davon lassen die Konstatierungen offen, ob sich der Vorsatz des Angeklagten auch auf eine solche Art der Beeinträchtigung erstreckte (RISJustiz RS0093502; Rebisant in WK 2StGB § 126 Rz 39 und 64).

[8] In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde war das angefochtene Urteil somitin dem aus dem Spruch ersichtlichen Umfang bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort aufzuheben (§ 285e StPO).

[9] Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf die aufhebende Entscheidung zu verweisen.

[10]Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.