13Ns44/25m – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 24. September 2025 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Lässig als Vorsitzenden sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Michel, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Brenner und Dr. SetzHummel LL.M. in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Hinteregger als Schriftführerin in der Strafsache gegen * A* wegen des Vergehens des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 StGB, AZ 56 Hv 115/23z des Landesgerichts für Strafsachen Wien, über den Antrag des Verurteilten auf Beigebung eines Verfahrenshilfeverteidigers nach Einsichtnahme der Generalprokuratur in die Akten in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Antrag wird, soweit er die Beigebung eines Verfahrenshilfeverteidigers zur Einbringung eines Antrags auf Erneuerung des Strafverfahrens anstrebt, zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über den Antrag im Übrigen werden die Akten dem Landesgericht für Strafsachen Wien zugeleitet.
Gründe:
Rechtliche Beurteilung
[1] Mit Urteil des Einzelrichters des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 22. November 2023 (ON 32.2) wurde * A*des Vergehens des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 StGB schuldig erkannt. Einer dagegen erhobenen Berufung des Genannten wegen vorliegender Nichtigkeitsgründe sowie wegen der Aussprüche über die Schuld, die Strafe und die privatrechtlichen Ansprüche gab das Oberlandesgericht Wien mit Urteil vom 2. April 2024, AZ 31 Bs 23/24w, nicht Folge.
[2]Mit Beschluss vom 11. September 2024, AZ 13 Os 60/24h, 61/24f, 62/24b, 63/24z, wies der Oberste Gerichtshof einen ohne vorherige Anrufung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) gestellten Antrag des Verurteilten auf Erneuerung des Strafverfahrens zurück (§ 363b Abs 1 und 2 StPO).
[3]Ein mit Bezug darauf gestellter Antrag des Verurteilten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 364 StPO) wurde mit Beschluss des Obersten Gerichtshofs vom 13. November 2024, AZ 13 Os 92/24i, zurückgewiesen.
[4]In einer neuerlichen Eingabe vom 9. Juni 2025 begehrt er nunmehr die Beigebung eines Verfahrenshilfeverteidigers (§ 61 Abs 2 StPO) zur Einbringung eines „Antrag[s] auf Wiederaufnahme des Verfahrens“ „beim Obersten Gerichtshof“.
[5] Dazu legt er (unter anderem) eine Ausfertigung einer Entscheidung des EGMR vom 15. Mai 2025 vor, mit der seine in dieser Angelegenheit erhobene Individualbeschwerde (Application no 3359/25) mangels Erfüllung der Voraussetzungen des Art 35 Abs 1 MRK für unzulässig erklärt (Art 27 Abs 1 MRK) worden ist.
[6]Soweit der Antrag – seinem Inhalt nach und infolge seiner Bezugnahme (auch) auf § 363a StPO – die Beigebung eines Verfahrenshilfeverteidigers zur Ausführung eines Antrags auf Erneuerung des Strafverfahrens beim Obersten Gerichtshof (vgl § 61 Abs 1 Z 7 StPO; Hinterhofer/Oshidari , Strafverfahren Rz 6.89) anstrebt, sei daran erinnert, dass Verfahrenshilfe hiefür nicht zu gewähren ist, wenn ein Erneuerungsantrag – schon aus formalen Gründen – von vornherein aussichtslos wäre (RISJustiz RS0127077).
[7]Die Zulässigkeit eines Erneuerungsantrags gemäß § 363a StPO gegen eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs würde voraussetzen, dass in einem Urteil des EGMR eine Verletzung der MRK oder eines ihrer Zusatzprotokolle durch eine Entscheidung oder Verfügung eines Strafgerichts festgestellt worden ist (RISJustiz RS0108845 sowie Rebisant , WKStPO §§ 363a–363c Rz 145 und 147), was hier gerade nicht der Fall ist.
[8]Ohnedies unzulässig wäre ein gegen eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs (hier in Betracht kommend: die Beschlüsse vom 11. September 2024, AZ 13 Os 60/24h, 61/24f, 62/24b, 63/24z, und vom 13. November 2024, AZ 13 Os 92/24i) eingebrachter Erneuerungsantrag, der sich – wie demnach hier – nicht auf eine Entscheidung des EGMR (mit der eine Konventionsverletzung im dargestellten Sinn festgestellt worden ist) berufen kann (RISJustiz RS0130261 und RS0122737 [insbesondere T23] sowie Rebisant , WKStPO §§ 363a–363c Rz 35).
[9] Die Einbringung eines meritorischer Prüfung zugänglichen Erneuerungsantrags in Bezug auf das erwähnte Urteil des Oberlandesgerichts Wien, mit dem über die Stichhaltigkeit der strafrechtlichen Anklage (Art 6 Abs 1 MRK) im Verfahren AZ 56 Hv 115/23z des Landesgerichts für Strafsachen Wien letztinstanzlich entschieden worden ist, wiederum wäre ohne vorherige Anrufung des EGMR (RISJustiz RS0122228) nur unter Einhaltung einer Frist von vier Monaten nach jener Entscheidung statthaft gewesen (RISJustiz RS0122736 [T13], jüngst 13 Os 92/24i [Rz 2 f] in Bezug auf ebendieses Verfahren). Vorliegend müsste sie zudem schon daran scheitern, dass sowohl der Oberste Gerichtshof als auch der EGMR bereits angerufen worden sind, aber keiner von beiden Gerichtshöfen eine Verletzung der MRK (oder eines ihrer Zusatzprotokolle) festgestellt hat (vgl § 363b Abs 2 Z 2 StPO).
[10]Der – für den Fall, dass der Oberste Gerichtshof dem Verurteilten keinen Verfahrenshilfeverteidiger beigibt, gestellte – Antrag auf Einholung einer Vorabentscheidung nach Art 267 AEUV ist unbeachtlich, weil eine Partei nicht befugt ist, einen derartigen Antrag zu stellen (RISJustiz RS0058452 [insbesondere T16]).
[11]Soweit dieser Antrag als Anregung an den Obersten Gerichtshof zu verstehen ist, den Europäischen Gerichtshof im Wege einer Vorabentscheidung gemäß Art 267 AEUV „zur Klärung der Doktrin des Artikels 47 [GRC]“ zu befassen, besteht dazu schon deshalb kein Anlass, weil ein unionsrechtlicher Anknüpfungspunkt, der den – auf die Durchführung des Rechts der Union beschränkten (Art 51 Abs 1 GRC, dazu Holoubek/Oswald in Holoubek/Lienbacher , GRC Kommentar 2 Art 51 Rz 16 ff) – Anwendungsbereich der GRC (überhaupt erst) eröffnen würde, fallkonkret nicht ersichtlich ist.
[12]Der Antrag nimmt (neben § 363a StPO auch) ausdrücklich auf § 353 StPO Bezug, der die Wiederaufnahme des Strafverfahrens regelt. Soweit er die Beigebung eines Verfahrenshilfeverteidigers zur Ausführung eines darauf gerichteten Antrags anstrebt, kommt die Entscheidung hierüber dem Landesgericht für Strafsachen Wien zu (§ 357 Abs 1 StPO iVm § 61 Abs 2 StPO).
