2Ob101/25d – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Musger als Vorsitzenden sowie die Hofräte MMag. Sloboda, Dr. Thunhart und Dr. Kikinger und die Hofrätin Mag. Fitz als weitere Richterin und weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A*, vertreten durch Mag. Peter Skolek, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei M*, vertreten durch Mag. Michael Stanzl, Rechtsanwalt in Wien, wegen Übertragung eines Liegenschaftsanteils, im Verfahren über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Berufungsgericht vom 20. März 2025, GZ 18 R 231/24k 30, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Akten werden dem Erstgericht zurückgestellt.
Text
Begründung:
[1] Die Entscheidung des Berufungsgerichts wurde dem Beklagtenvertreter am 27. 3. 2025 zugestellt. Die außerordentliche Revision der Beklagten ist mit 24. 4. 2024 datiert. Im Gegensatz zu den vorherigen Schriftsätzen wurde die außerordentliche Revision der Beklagten nicht im ERV eingebracht. Am Eingangsstempel des Erstgerichts ist der Eingang mit 2. 5. 2025 vermerkt. Das der außerordentlichen Revision beigefügte Kuvert ist mit einem Klebeetikett frankiert, das von einem Selbstbedienungsterminal stammt und mit 24. 4. 2025 datiert ist. Darüber hinaus findet sich am Kuvert ein Aufkleber mit einer Sendungsnummer, die aber kein Datum enthält. Dem online abrufbaren Sendungsverlauf ist nicht zu entnehmen, wann die Sendung vom Postamt zur Bearbeitung übernommen wurde.
Rechtliche Beurteilung
[2] Die Akten sind an das Erstgericht zurückzustellen.
[3]1. Nachdem die Entscheidung des Berufungsgerichts der Beklagten am 27. 3. 2025 zugestellt wurde, endete die vierwöchige Rechtsmittelfrist des § 505 Abs 2 ZPO mit Ablauf des 24. 4. 2025 und war daher im Zeitpunkt des Einlangens der außerordentlichen Revision beim Erstgericht bereits abgelaufen. Nach § 89 GOG werden aber bei gesetzlichen Fristen, die in bürgerlichen Rechtssachen einer Partei zur Überreichung von Schriftsätzen offen stehen, die Tage des Postlaufs in die Frist nicht eingerechnet.
[4]2. Der Postlauf beginnt erst mit Übernahme der Sendung durch die Post, weshalb Schriftsätze nur dann als rechtzeitig überreicht anzusehen sind, wenn sie am letzten Tag der Frist zu einer Zeit der Post übergeben beziehungsweise in einen Postkasten geworfen wurden, zu welcher sie nach den Einrichtungen des betreffenden Postamts noch mit dem postamtlichen Aufgabevermerk dieses Tages versehen werden konnten. Der Absender muss also den Brief entweder am Schalter des Postamts während der Dienststunden abgegeben oder die Sendung so rechtzeitig in den Postkasten eingeworfen haben, dass die planmäßige Aushebung des Kastens noch innerhalb der Frist erfolgt (RS0059660; Fellner/Nogratnig, RStDG, GOG und StAG II 5.02§ 89 GOG Rz 17).
[5]3. Diese Regeln gelten auch für die Verwendung einer Versandstation in der Selbstbedienungszone eines Postamts (VwGH Ro 2017/17/0008; Ra 2017/11/0237; Ra 2017/02/0155; Ro 2017/17/0014). Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass der Erhalt des Klebeetiketts nicht voraussetzt, dass die Sendung tatsächlich in die Versandstation eingeworfen wurde (VwGH Ro 2017/17/0008; Ro 2017/17/0014). Im Übrigen ist eine Versandstation einem Briefkasten gleichzuhalten. Daher wird eine Frist durch den Einwurf einer Sendung in eine Versandstation am letzten Tag der Frist nur dann gewahrt, wenn auf der Versandstation der Vermerk angebracht ist, dass diese noch am selben Tag ausgehoben werden wird (VwGH Ro 2017/17/0008).
[6] 4. Aus dem am Kuvert ersichtlichen Klebeetikett kann lediglich geschlossen werden, dass die Sendung nicht vor dem 24. 4. 2025 in die Versandstation eingeworfen wurde, sodass die Rechtzeitigkeit der außerordentlichen Revision derzeit nicht beurteilen lässt. Das Erstgericht wird daher geeignete Erhebungen durchzuführen haben. Dabei wird das Erstgericht nicht nur den Beklagtenvertreter einvernehmen, sondern auch beim Postamt ermitteln müssen, ob aufgrund der Sendungsnummer festgestellt werden kann, wann die Sendung in die Versandstation eingeworfen wurde und ob der Beklagtenvertreter davon ausgehen durfte, dass diese noch am selben Tag ausgehoben werden wird.
[7]5. Im Übrigen ist zu beachten, dass Rechtsanwälte gemäß § 89c Abs 5 Z 1 GOG nach Maßgabe der technischen Möglichkeiten zur Teilnahme am elektronischen Rechtsverkehr verpflichtet sind. Der Beklagtenvertreter hat auch nicht bescheinigt, dass die Übermittlung der außerordentlichen Revision auf elektronischem Weg nach § 1 Abs 3 ERV 2021 aus technischen Gründen ausnahmsweise nicht möglich gewesen sei. Nach § 89c Abs 6 GOG ist ein Verstoß gegen § 89c Abs 5 Z 1 GOG wie ein Formmangel zu behandeln, der zu verbessern ist. Sollte eine Verspätung des Rechtsmittels nicht erweislich sein, wird das Erstgericht demnach ein Verbesserungsverfahren durchzuführen haben.