21Ds3/25s – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof als Disziplinargericht für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter hat am 5. August 2025 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger als Vorsitzende, durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Musger als weiteren Richter sowie durch den Rechtsanwalt Univ.Prof. Dr. Harrer und die Rechtsanwältin Dr. Hausmann als Anwaltsrichter in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Artner, in der Disziplinarsache gegen *, Rechtsanwalt in *, wegen der Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung und der Beeinträchtigung von Ehre oder Ansehen des Standes nach § 1 Abs 1 erster und zweiter Fall DSt über die Berufung des Disziplinarbeschuldigten gegen das Erkenntnis des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer * vom 25. März 2025, GZ D 238/21 37, nach mündlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Mag. Janda, des Kammeranwalts Mag. Jakauby und des Disziplinarbeschuldigten zu Recht erkannt:
Spruch
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Dem Beschuldigten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen, auch einen unbekämpft in Rechtskraft erwachsenen Freispruch des Disziplinarbeschuldigten enthaltenden Erkenntnis wurde *, Rechtsanwalt in *, der Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung und der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes schuldig erkannt.
[2] Danach hater am 17. März 2022 als Vertreter der * S* leichtfertig (ES 7) bei der Staatsanwaltschaft * eine Strafanzeige gegen drei bis zu diesem Zeitpunkt mit der Pflegschaftssache AZ * des Bezirksgerichts * befasste Richter dieses Gerichts und zwei in diesem Verfahren bestellte Erwachsenenverteter der * I* wegen §§ 2, 83 und 92 StGB erstattet.
[3] Über den Disziplinarbeschuldigten wurde (unter Bedachtnahme auf das Erkenntnis des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer * vom 8. Mai 2023, AZ D 91/22) die Disziplinarstrafe der (Zusatz )Geldbuße in der Höhe von 2.000 Euro verhängt.
Rechtliche Beurteilung
[4] Gegen dieses Erkenntnis richtet sich – ersichtlich wegen Nichtigkeit und Schuld (zwischen diesen Kategorien jedoch der Prozessordnung zuwider in keiner Weise unterscheidend) sowie Strafe erhoben – die Berufung des Disziplinarbeschuldigten.
[5]Der Vorwurf der fehlenden Würdigung (§ 281 Abs 1 Z 5 zweiter Fall StPO) der (durch Verlesung in der Verhandlung vorgekommenen [ES 3 iVm ON 36 {nicht jounalisierte} vorletzte Seite]) „nervenärztlichen Stellungnahmen“ von * Dr. P* orientiert sich nicht am Inhalt der angefochtenen Entscheidung (ES 3 und 5).
[6]Die Behauptung, die Anzeigenerstattung an die Staatsanwaltschaft wäre „als ultima ratio“ erfolgt (dSn § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO), übergeht die Bezug habenden Konstatierungen des Disziplinarrats (ES 4 f und 7) und verfehlt damit den gesetzlichen Bezugspunkt materieller Nichtigkeit (RISJustiz RS0099810; Ratz , WKStPO § 285d StPO Rz 10).
[7] E in Rechtsanwalt ist befugt, alles, was er nach dem Gesetz zur Vertretung seiner Partei (vgl ES 4 zur fraglichen Vertretung der Betroffenen) für dienlich erachtet, unumwunden vorzubringen und Angriffsund Verteidigungsmittel in jeder Weise zu gebrauchen, welche seinem Auftrag, seinem Gewissen und den Gesetzen nicht widerstreiten (§ 9 Abs 1 zweiter Satz RAO). Sachlich nicht gerechtfertigte Druckmittel darf er dabei jedoch weder ankündigen noch anwenden (§ 17 RL BA 2015; RIS Justiz , RS0056073, ).
[8] Eine Strafanzeige darf erst nach gewissenhafter Prüfung der Sachund Rechtslage und somit (nur) dann erfolgen, wenn der Rechtsanwalt nach sorgfältiger und kritischer Prüfung zur Überzeugung gelangt, dass ein sachlicher Zusammenhang mit dem von ihm durchzusetzenden Anspruch besteht und das Verhalten (hier:) der Angezeigten strafgesetzwidrig ist. Dieses Erfordernis bezieht sich insbesondere auch auf den Aspekt der subjektiven Tatseite (vgl dazu zuletzt 27 Ds 1/21k [mwN]; Engelhart/Hoffmann/Lehner/Rohregger/Vitek, RAO 11§ 1 DSt Rz 51 sowie § 17 RL BA 2015 Rz 18).
[9] Dass der Disziplinarbeschuldigte eine solche sorgfältige, auch den subjektiven Tatbereich der Angezeigten umfassende Prüfung vorgenommen hätte, lässt sich dem angefochtenen Erkenntnis nicht entnehmen. Derartige Feststellungen wären im Übrigen – schon mit Blick auf das Vorliegen unbedenklicher ärztlicher Empfehlungen und Verordnungen zu der vom Disziplinarbeschuldigten (demgegenüber) als gesundheitsgefährdend erachteten Medikamentengabe (vgl zusammenfassend ES 7) – auch nicht indiziert.
[10]Die Forderung nach einer Abwägung der Schädigung des Ansehens des Standes (§ 1 Abs 1 zweiter Fall DSt) mit Schutzinteressen der betroffenen Person (§ 281 Abs 1 Z 10 StPO) entbehrt methodengerechter Ableitung aus dem Gesetz (RISJustiz RS0116565; vgl § 10 Abs 2 RAO; § 1 Abs 2 RL BA 2015; vgl Engelhart/Hoffmann/Lehner/Rohregger/Vitek, RAO 11§ 1 DSt Rz 10 f).
[11] In Ansehung der Berufung wegen Schuld bestehen keine Bedenken gegen die dem vorliegenden Erkenntnis zu Grunde liegenden Sachverhaltsannahmen.
[12] In Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur, jedoch entgegen der hiezu erstatteten Äußerung des Disziplinarbeschuldigten, war demgemäß der Berufung wegen vorliegender Nichtigkeitsgründe und wegen Schuld nicht Folge zu geben.
[13] Zur Strafbemessung sind im anwaltlichen Disziplinarverfahren die entsprechenden Bestimmungen de r§§ 32 ff StGB sinngemäß heranzuziehen (RISJustiz RS0054839).
[14] Der Beschuldigte wendet sich in seiner Berufung nicht gegen eine unrichtige Würdigung von Erschwerungs- oder Milderungsgründen. Er meint vielmehr bloß, dass seine „Motivation und die objektiven Bedenken hinsichtlich der Medikamentenvergabe“ eine mildere Sanktion erfordern würden.
[15] Diese m sehr allgemein gehaltenen Vorbringen vermag sich der erkennende Senatnicht anzuschließen. Die verhängte Geldbuße erscheint erforderlich, um den Beschuldigten die Bedeutung seines Fehlverhaltens vor Augen zu führen. Mit Blick auf die vorerwähnten allgemeinen Grundsätze der Strafbemessung (§ 32 StGB) ist die ausgesprochene Sanktion schuldangemessen.
[16]Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 54 Abs 5 DSt.