5Ob101/25a – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Mag. Wurzer als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Mag. Painsi, Dr. WeixelbraunMohr, Dr. Steger und Dr. Pfurtscheller als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache der Antragsteller 1. Verlassenschaft nach der am * verstorbenen R*, 2. R*, ebenda, beide vertreten durch Binder Grösswang Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen den Antragsgegner Mag. P*, vertreten durch Vavrovsky Heine Marth Rechsanwälte GmbH in Wien, wegen § 37 Abs 1 Z 8 iVm § 46 MRG, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Antragsgegners gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 14. Mai 2025, GZ 38 R 9/25t 31, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 37 Abs 3 Z 16 MRG iVm § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.
Text
Begründung:
[1]Gegenstand des Revisionsrekursverfahrens ist die Überprüfung der vom Antragsgegner als Vermieter der Wohnung Top 11 unter Berufung auf die Mietzinsanhebungsmöglichkeit nach § 46 Abs 2 MRG vorgeschriebenen Hauptmietzinse.
[2] Das Erstgericht gab – soweit im Revisionsrekursverfahren noch wesentlich – dem Sachantrag statt, stellte den zulässigen Hauptmietzins für die Wohnung zum 1. 7. 2017 mit 185,78 EUR und zu weiteren Stichtagen bis zuletzt 1. 6. 2023 mit jeweils 195,56 EUR sowie die Vorschreibung eines diese Mietzinse jeweils übersteigenden Mietzinses als unwirksam fest, sprach für diese Zeiträume eine Überschreitung der zulässigen Hauptmietzinse im Gesamtausmaß von 14.721,34 EUR aus und schuf einen Rückzahlungstitel.
[3] Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung, bewertete den Entscheidungsgegenstand mit 10.000 EUR übersteigend und ließ den Revisionsrekurs nicht zu.
Rechtliche Beurteilung
[4] Der außerordentliche Revisionsrekurs des Antragsgegners zeigt keine erhebliche Rechtsfrage auf.
1. Zum konkludenten Verzicht auf das Mitmietrecht:
[5] 1.1. Der Antragsgegner erkennt selbst, dass das Ausscheiden eines Mitmieters aus dem Mietverhältnis einer – zumindest konkludenten – Drei ParteienEinigung zwischen den Mitmietern einerseits und dem Vermieter andererseits bedarf (RS0013181; RS0014439 [T3]). Eine bloße Untätigkeit eines berechtigten Mitmieters lässt nur in Ausnahmefällen auf einen Verzichtswillen schließen, wäre doch die Unterstellung eines schlüssigen Mietrechtsverzichts nur aufgrund besonderer Umstände dieses Einzelfalls, die keine andere Deutung zuließen, gerechtfertigt (1 Ob 114 /00x). Diesebesonderen Umstände müssten eine andere Deutung des Verhaltens des Mieters (und aller anderen Beteiligten) vernünftigerweise ausschließen (6 Ob 68/05a; 3 Ob 12/99g). Ob ein Mitmieter konkludent auf sein Mietrecht verzichtet hat, wirft im Regelfall aufgrund der Einzelfallbezogenheit keine erhebliche Rechtsfrage auf (6 Ob 68/05a). Eine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung zeigt der Antragsgegner nicht auf.
[6] 1.2. Nach den Feststellungen kam „die Erstantragstellerin“ (diese Bezeichnung der verstorbenen Mitmietern wird zur besseren Lesbarkeit beibehalten) zwar nach dem Tod ihres Mannes durchschnittlich nur mehr einige Male monatlich tagsüber in die aufgekündigte Wohnung und übernachtete dort lediglich drei bis vier Mal im Jahr. Der Zweitantragsteller bewohnte die Wohnung nach dem Ableben seines Vaters alleine. Allerdings bezahlte die Erstantragstellerin auch nach dem Tod ihres Mannes die Mietzinse an die Hausverwaltung und entsprach den Erhöhungsbegehren 2014 und 2018. Der Antragsgegner bzw dessen Rechtsvorgänger hatte keine Kenntnis von den genauen Wohnverhältnissen der Antragsteller, sodass er im Juli 2018 ein Kündigungsverfahren gegen beide als beklagte Parteien einleitete. Wenn das Rekursgericht auf Basis dieses Sachverhalts im rein faktischen Verlassen der Wohnung durch die Erstantrags teller in schon keinen Verzicht auf ihre Mitmietrechte erkennen konnte und schon gar nicht eine Annahmeerklärung des Antragsgegners, dem dies ja nicht zur Kenntnis gelangte, ist dies weder eine Abweichung von höchstgerichtlicher Rechtsprechung noch eine im Einzelfall aufzugreifende Fehlbeurteilung.
2. Zur Vorschreibung einer Erhöhung der Hauptmietzinse nach § 46 Abs 2 MRG:
[7]2.1. § 46 MRG gewährt unter bestimmten Voraussetzungen dem Vermieter einer Wohnung ein – näher geregeltes – Recht zur Anhebung des (vor dem 1. 3.1994 vereinbarten) Hauptmietzinses beim Eintritt bestimmter berechtigter Personen. Beim Eintritt der in § 46 Abs 1 MRG genannten, besonders privilegierten naher Angehörigen des bisherigen Hauptmieters soll der Mietzins unverändert bleiben. Treten in den Mietvertrag hingegen nur Angehörige ein, die nicht zum engsten Familienkern iSd § 46 Abs 1 MRG zählen, oder wenn zwar ursprünglich Angehörige iSd § 46 Abs 1 MRG gemeinsam mit anderen Angehörigen in die Mietverträge eingetreten, später aber durch Verlassen der Wohnung oder durch Erreichen der Volljährigkeit weggefallen sind, kann der Vermieter nach § 46 Abs 2 MRG eine Anhebung des Hauptmietzinses verlangen (5 Ob 8/24y).
[8] 2.2. DieEntscheidung 5 Ob 8/24y stellte auch klar, dass ein überlebender Mitmieter der Mietzinsanhebung jedenfalls entgegensteht. Grund dafür ist, dass eine Person, die bereits Mieter war, durch das Hinzutreten eines weiteren Mieters nicht schlechter gestellt werden kann.
[9] 2.3. Nach ständiger Rechtsprechung ist im Fall, dass ein Objekt an mehrere Personen als Mitmieter in Bestand gegeben wurde, ein solches Mitmietverhältnis ein einheitliches, ungeteiltes Mietverhältnis und besteht nicht etwaaus mehreren konkurrierenden Mietverhältnissen (RS0101118 [T2, T3, T8]). Die Unteilbarkeit eines solchen Schuldverhältnisses gilt auch für Gestaltungsrechte, die daher nur für oder gegen alle oder für oder gegen keinen von ihnen wirken (RS0013931 [T4]; 3 Ob 227/19g; Kodek in Kletečka/Schauer ABGB ON 1.04 § 889 Rz 10). Für eine Gestaltungserklärung gegenüber einer Personenmehrheit bedarf es daher d eren Zu gangs an alle Beteiligten ( Perner in Fenyves/Kerschner/Vonkilch Klang 3§ 888 ABGB Rz 27; vgl auch RS0025098 [ zu Auflösungserklärungen ]). Die Geltendmachung eines Mietzinserhöhungsrechts ist als Ausübung eines Gestaltungsrecht zu werten ( Lovrek/Stabentheinerin GeKo Wohnrecht I § 16 MRG Rz 98; Hausmann/Reithofer in Hausmann/Vonkilch Österreichisches Wohnrecht 4§ 16 MRG Rz 2, 79).
[10] 2.4. D ie Auffassung des Rekursgerichts, eine wirksame Vorschreibung vonnach § 46 Abs 2 MRG erhöh ten Hauptmietzinsen sei hiernicht erfolgt, weil Vorschreibungen bis 2018 nur an die Erstantragstellerin und im Jahr 2020 nur an den Zweitantragsteller gegangen seien, entspricht diesen Grundsätzen. Dem hält der Antragsgegner lediglich entgegen, die Ansicht, das Schreiben vom 28. 7. 2020 hätte zwingend an alle Mitmieter adressiert werden müssen, sei rechtlich verfehlt, wozu er nur auf den – unter Punkt 1 bereits erörterten – Verzicht der Erstantragstellerin auf ihr Mitmietrecht verweist, der nach der nicht korrekturbedürftigen Auffassung des Rekursgerichts aber nicht vorlag. Damit setzt sich der Antragsgegner mit dieser Hauptbegründung des Rekursgerichts nicht auseinander, sodass seine Rechtsrüge insoweit nicht gesetzmäßig ausgeführt ist (RS0043605).
3. Zur behaupteten Abweichung von den Entscheidungen 4 Ob 204/11w und 5 Ob 8/24y:
[11]3.1. Der Entscheidung 5 Ob 8/24y lag zugrunde, dass der Vater der dortigen Erstantragstellerin und dessen Ehefrau (die Zweitantragstellerin) 1972 eine Wohnung von der Antragsgegnerin anmieteten und gemeinsam mit ihrer Tochter, der Erstantragstellerin in dieser Wohnung wohnten. Nach dem Tod des Ehemanns der Zweitantragstellerin und Vater der Erstantragstellerin im Jänner 2022 forderte die Antragsgegnerin beide Antragstellerinnen schriftlich auf, einen erhöhten Mietzins zu zahlen. Deren Sachantrag auf Feststellung, dass die von der Antragsgegnerin geforderte Mietzinsanhebung unzulässig sei, gaben die Vorinstanzen Folge. D er Oberste Gerichtshof wies den außerordentlichen Revisionsrekurs zurück. Weshalb das Rekursgericht von dieser Entscheidung abgewichen sein soll, wird aus den Revisionsrekursausführungen nicht klar.
[12] 3.2. Die vom Rekursgericht erörterte Frage, ob das dauerhafte Verlassen der Wohnung durch eine Mitmieterin unter Beibehaltung der Mitmietereigenschaft tatsächlichausreichen kann, um den in § 46 Abs 2 zweiter Fall MRG vorgesehenen Anhebungstatbestand auszulösen, bedarf hier keiner abschließenden Klärung, sodass ein – allfälliges – Abweich endes Rekursgerichts von der Entscheidung 4 Ob 204/11w nicht relevant wäre . D essen Hauptbegründung lag nämlich darin, dass – selbst wenn man von einem Anhebungstatbestand ausgehen wollte – das Erhöhungsschreiben nicht beiden Mitmietern zugestellt worden war. Diese hat der Antragsgegner – wie bereits erörtert – nicht gesetzesgemäß bekämpft.
[13] 4.Damit war der Revisionsrekurs zurückzuweisen, ohne dass dies einer weiteren Begründung bedürfte (§ 71 Abs 3 AußStrG).