JudikaturOGH

1Ob110/25w – OGH Entscheidung

Entscheidung
Zivilrecht
31. Juli 2025

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Mag. Dr. Wurdinger als Vorsitzenden sowie die Hofrätin und die Hofräte Dr. Steger, Mag. Wessely Kristöfel, Dr. Parzmayr und Dr. Vollmaier als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A*, vertreten durch Dr. Bernhard Kettl, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen die beklagte Partei A*, vertreten durch Dr. Michael Ebner, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen 70.000 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 18. Juni 2025, GZ 6 R 80/25i 36, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

[1] Der Kläger wollte in * ein Diamantengeschäft abwickeln, händigte dazu dem Käufer, zu dem die Beklagte den Kontakt hergestellt hatte, die Diamanten aus, erhielt aber im Gegenzug anstatt der vereinbarten 140.000 EUR bloß Falschgeld.

[2] In der Folge unterzeichnete die Beklagte eine von ihr handschriftlich verfasste Bestätigung gegenüber dem Kläger, in der sie festhielt, dass sie „mit ihm gemeinsam mit dem Betrag von 70.000 EUR pro Person“ hafte, „bis er sein Geld wieder im Original bekommt“, und andernfalls innerhalb dreier Monate ihren Anteil an ihn zahlen werde.

[3] Das Erstgericht gab der auf diese Verpflichtungserklärung gestützten Klage auf Zahlung von 70.000 EUR sA statt.

[4] Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten Folge und wies das Klagebegehren ab. Ein (abstraktes) Schuldanerkenntnis, das nicht der Streitbereinigung diene, entfalte keine rechtliche Wirkung.

[5] Die Revision ließ das Berufungsgericht im Hinblick auf die Einzelfallbezogenheit der zu beurteilenden Rechtsfragen nicht zu.

[6] Die dagegen gerichtete außerordentliche Revision des Klägerszeigt keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO auf.

Rechtliche Beurteilung

[7] Die Revision steht zusammengefasst auf dem Standpunkt, dass ein konstitutives Anerkenntnis und damit ein rechtlich wirksames Schuldbekenntnis der Beklagten vorliege.

[8] 1. Das konstitutive Anerkenntnis ist nach ständigerRechtsprechung ein Feststellungsvertrag, mit dem der Schuldner die aufgrund einer ernstlichen Rechtsbehauptung des Gläubigers entstandene Unsicherheit durch die Erklärung beseitigt, die Verpflichtung auch für den Fall zu begründen, dass sie bisher nicht bestanden haben sollte (1 Ob 27/01d ua; RS0032516). Rechtsgrund des konstitutiven Anerkenntnisses – alsselbständigem Verpflichtungsgrund (unabhängig von der Existenz des zweifelhaften Schuldgrundes; RS0032541) – ist die Streitbereinigung selbst (1 Ob 27/01d; 3 Ob 119/23f Rz 5; vgl auch RS0032792 [T3]). Ein solches Anerkenntnis ist folglichnur zur Bereinigung eines ernsthaft entstandenen konkreten Streits oder Zweifels über den Bestand einer Forderung möglich (RS0032896 [T4]). Liegen keine Zweifel des Schuldners am Bestand der Forderung vor, so ist das Vorliegen eines konstitutiven Anerkenntnisses zu verneinen (RS0032516 [T2]; RS0110121 [T2]). Es kannnicht dazu verwendet werden, durch die Schaffung einer abstrakten Verbindlichkeit Zweifel und Streit präventiv auszuschließen (1 Ob 27/01d; 7 Ob 105/01v; 8 ObA 122/20d Rz 1; RS0032516 [T3]). Abstrakte Schuldversprechen sind dem österreichischen Recht grundsätzlich – mangels gesetzlicher Sonderregelung – fremd. Ein reines Schuldbekenntnis, bei dem kein Rechtsgrund vorliegt, bleibt daher ohne rechtliche Wirkung (vgl RS0014027; RS0114623).

[9]2. Ob ein konstitutives Anerkenntnis vorliegt, ist durch Auslegung des Parteiwillens im Einzelfall zu ermitteln. Dabei sind vor allem die mit dem Anerkenntnis verfolgten Zwecke, die beiderseitige Interessenlage und die allgemeine Verkehrsauffassung über die Bedeutung eines solchen Anerkenntnisses maßgebend (RS0017965; RS0032666 [T13]).

[10] Der Frage, ob ein Vertrag im Einzelfall richtig ausgelegt wurde, kommt nur dann erhebliche Bedeutung zu , wenn infolge einer wesentlichen Verkennung der Rechtslage ein unvertretbares Auslegungsergebnis erzielt wurde. Ob allenfallsauch eine andere Auslegung vertretbar wäre, ist keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO (RS0042936 [T2, T3]; RS0042776 [T2, T4]).

[11] Die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts, das – ausgehend von den zuvor dargelegten Leitlinien – zur Auffassung gelangte, mangels Streits zwischen den Parteien über das Bestehen der Zahlungsverpflichtung liege kein konstitutives Anerkenntnis, sondern ein abstraktes Schuldversprechen vor, hält sich im Rahmen des Ermessensspielraums und ist nicht zu beanstanden.

[12] 3. Die Revision zeigt keine korrekt u rbedürftige Fehlbeurteilung auf: D er Kläger räumt ein, dass der Verpflichtungserklärung der Beklagten nie ein Streit über die Schadenstragung vorausgegangen sei. Vielmehr habe sich die Beklagte sich schon unmittelbar nach Aufdeckung des Falschgeldbetrugs mündlich bereit erklärt, für die Hälfte des durch das deliktische Handeln des Dritten verursachten Schadens einzustehen; dies basierend auf der übereinstimmenden Einschätzung der Parteien, beide seien zumindest faktisch für den Schaden mitverantwortlich.

[13] Allein darin liegt jedoch entgegen der erkennbaren Rechtsposition des Klägers noch kein kausales Verpflichtungsgeschäft. Ein Handeln der Beklagten aus Freigiebigkeit stellt der Kläger selbst in Abrede. Einen anderen Rechtsgrund, der dem Schuldversprechen der Beklagten zugrunde liegen könnte, legt er nicht dar.