JudikaturOGH

14Os56/25d – OGH Entscheidung

Entscheidung
24. Juli 2025

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 24. Juli 2025 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger als Vorsitzende, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Nordmeyer, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter LL.M. und Dr. Farkas in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Eißler in der Strafsache gegen *P* wegen Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Schöffengericht vom 10. Jänner 2025, GZ 79 Hv 95/24p 29, weiters die Beschwerde des Angeklagten gegen den Beschluss des Vorsitzenden des Schöffengerichts vom 27. März 2025, GZ 79 Hv 95/24p 32, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Die Entscheidung über die Berufung kommt dem Oberlandesgericht Graz zu.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

[1] M it dem angefochtenen Urteil wurde *P* – soweit hier wesentlich – jeweils eines Vergehens der sexuellen Belästigung nach § 218 Abs 1 Z 1 StGB (I./A./) und der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (I./B./) sowie jeweils mehrerer Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB (II./A./) und des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB (II./B./) schuldig erkannt.

[2] Danach hat er in V*

I./ S* M* am 11. Juli 2017

A./ durch eine geschlechtliche Handlung an ihr belästigt, indem er zielgerichtet und intensiv mit einer Hand auf ihre bekleidete Brust griff;

B./ am Körper verletzt, indem er sie am Hals packte, sodass sie auf ein Bett fiel, und mit seiner Hand fest ihren Hals zudrückte, wodurch sie eine Schürfwunde am Ellenbogen sowie eine länger sichtbare Rötung im Hals und Kieferbereich erlitt;

II./ an der am * 2006 geborenen M* M*

A./ ab einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt im Jahr 2013 bis zu einem ebensolchen im Jahr 2014 wiederholt geschlechtliche Handlungen vorgenommen, indem er sie mit seiner Hand intensiv in ihrem nackten Intimbereich und an ihrer Vulva berührte;

B./ dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlungen vorgenommen, indem er

1./ ab einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt im Jahr 2014 bis April 2020 wiederholt mit seiner Hand intensiv ihren nackten Intimbereich betastete und mit einem oder zwei Fingern in ihre Vagina eindrang und teilweise auch einen eingeschaltenen Vibrator an ihre Klitoris hielt;

2./ zu einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt zwischen Herbst 2016 und 2019 ihren nackten Intimbereich betastete, mit einem oder zwei Fingern in ihre Vagina eindrang, sodann mit seinem Mund und seiner Zunge ihren Intimbereich berührte und versuchte, mit seiner Zunge in ihre Vagina einzudringen.

Rechtliche Beurteilung

[3] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5 und 5a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, die ihr Ziel verfehlt.

[4] Bezugspunkt der Mängelrüge ist (nur) der Ausspruch des Schöffengerichts über entscheidende Tatsachen, also solche, die entweder auf die Unterstellung der Tat unter ein bestimmtes Strafgesetz oder auf die Wahl des anzuwendenden Strafsatzes Einfluss haben (RISJustiz RS0106268, RS0117499).

[5] Indem die Mängelrüge (nominell Z 5 fünfter Fall) unter Bezugnahme auf eine Aussagepassage in der polizeilichen Vernehmung der Zeugin M* M* (ON 9.8, 4) behauptet, die Genannte habe den Feststellungen (US 4) zuwider am Abend nicht ihre Mutter, sondern den Angeklagten zu sich in das Zimmer gerufen, spricht sie schon keine Konstatierung zu entscheidenden Tatsachen an.

[6] Gleiches gilt für das den konstatierten Beginn der Vorfälle zu II./B./1./ relativierende Vorbringen sowie die Behauptung, entgegen den Feststellungen zu I./B./ (US 8) habe S* M*„Fotos von ihren Verletzungen“ angefertigt, es habe vielmehr „lediglich eine Verletzung gegeben“.

[7]Im Übrigen läge Aktenwidrigkeit iSd Z 5 fünfter Fall nur vor, wenn das Urteil den eine entscheidende Tatsache betreffenden Inhalt einer Aussage oder Urkunde in seinen wesentlichen Teilen unrichtig oder unvollständig wiedergibt (RIS-Justiz RS0099431).

[8]Soweit die Beschwerde vermeint, in der Hauptverhandlung vorgekommene Briefe von M* M* (vgl dazu US 18) würden ein positives und inniges Verhältnis der Genannten zum Angeklagten belegen, was in Zusammenschau mit ihren Angaben vor der Polizei als Indiz zu werten sei, „dass die Missbrauchshandlungen in der Form nicht stattgefunden haben“, bekämpft sie die im Rahmen des § 258 Abs 2 StPO vorgenommene tatrichterliche Bewertung der Beweisergebnisse nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen (vgl § 283 Abs 1 StPO) Schuldberufung.

[9] Wesen und Ziel der Tatsachenrüge (Z 5a) ist es, erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen (vgl dazu RISJustiz RS0117264) an Hand aktenkundiger Umstände unter Beachtung sämtlicher Verfahrensergebnisse aufzuzeigen, während bloß aus Erwägungen der Tatrichter abgeleitete Einwände ebenso wenig zur prozessordnungsgemäßen Darstellung der Rüge geeignet sind wie Eindrücke, Hypothesen oder Spekulationen des Rechtsmittelwerbers (RISJustiz RS0117961 [T5, T8], RS0119424).

[10] Gegenständlich thematisiert die (nur) einzelne Urteilspassagen in den Blick nehmende Tatsachenrüge den Zeitpunkt und die Motive der Anzeigeerstattung, die Kenntnis des leiblichen Vaters von den tatgegenständlichen Vorwürfen seiner Töchter sowie sein damit im Zusammenhang stehendes Verhalten und die Wohnsitznahme von M* M* bei ihrer Mutter und dem Angeklagten ab Dezember 2022 (vgl dazu US 19).

[11] Damit nimmt sie weder auf Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen noch auf in der Hauptverhandlung vorgekommenes Beweismaterial Bezug.

[12]Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

[13] Die Beschwerde des Angeklagten (ON 34) gegen den Beschluss des Vorsitzenden des Schöffengerichts vom 27. März 2025, GZ 79 Hv 95/24p 32, mit welchem sein Antrag auf Berichtigung des Protokolls über die Hauptverhandlung abgewiesen wurde, ist damit – ohne dass es einer inhaltlichen Erwiderung bedarf – erledigt. Denn die Nichtigkeitsbeschwerde wäre auch im Fall der beantragten Berichtigung, welche lediglich darauf abzielte, Protokollierungsfehler in nicht entscheidende Tatsachen betreffenden Aussagepassagen aufzuzeigen, erfolglos geblieben (RISJustiz RS0126057 [T2, T5], RS0120683).

[14]Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.