JudikaturOGH

9ObA18/25z – OGH Entscheidung

Entscheidung
Arbeitsrecht
17. Juli 2025

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Mag. Ziegelbauer als Vorsitzenden, die Hofräte Dr. Hargassner und Dr. Stiefsohn sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Lena Steiger (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Mag. Maria Buhr (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei B*, vertreten durch Dr. Michael Leitner, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei S* GmbH, *, vertreten durch Dr. Stephan Rainer und Dr. Michael Rück, Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen zuletzt 9.053,78 EUR brutto sA und Feststellung (Gesamtstreitwert: 95.473,55 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen vom 25. Februar 2025, GZ 7 Ra 7/25p 28, mit dem das Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Arbeits und Sozialgericht vom 7. November 2024, GZ 27 Cga 41/24f 22, abgeändert wurde den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

[1] Die Beklagte vertreibt Tablets samt Software für die Gästekommunikation an die Hotellerie. Die Klägerin war bei ihr von 24. 10. 2016 bis 30. 4. 2024 beschäftigt, zuletzt als „Director Key Account Sales“ (Vertriebsmitarbeiterin) mit einem Monatsgehalt von 7.428 EUR brutto (14 mal jährlich), einem Quartalsbonus von 2.500 EUR brutto und einer erfolgsabhängigen Provision. Auf das Arbeits verhältnis kam der Kollektivvertrag für Arbeitnehmer von Unternehmen im Bereich Dienstleistungen in der automatischen Datenverarbeitung und Informationstechnik (IT KV) zur Anwendung, der keine Provisionsregelungen enthält. Das Arbeits verhältnis endete durch Arbeit geberkündigung. Danach zahlte die Beklagte der Klägerin keine Provision mehr aus.

[2] Die zwischen den Parteien geschlossene schriftliche Provisionsvereinbarung lautete auszugsweise:

§ 1 Begriff

Der Mitarbeiter erhält zusätzlich zu seinem Grundgehalt eine erfolgsabhängige Provision. […]

Diese Gesamtprovision teilt sich jeweils zur Hälfte in eine Abschluss und in eine Bestandskundenpflege-Provision auf. Die Abschlussprovision stellt die monetäre Belohnung des Vertriebsmitarbeiters für seine erfolgreiche Kundenakquise dar. Die Bestandskundenpflege dient der permanenten Sicherstellung der Zufriedenheit des gewonnenen Kunden. Solange sich der Vertriebsmitarbeiter während der vereinbarten ersten Vertragslaufzeit aktiv dieser Bestandskundenpflege widmet, hat er Anspruch auf Zahlung der Bestandskundenpflege Provision. Verlässt der Mitarbeiter das Unternehmen vor Ablauf dieser Vertragslaufzeit oder kommt er der Bestandskundenpflege nicht in ausreichendem Maße nach (Kontaktaufnahme per Telefon alle sechs Monate) erlischt der auf die Bestandskundenpflege gerichtete Provisionsanspruch.

§ 2 Provisionshöhe […]

Zur Ermittlung der Gesamtprovision wird der Vertragswert mit dem Prozentsatz multipliziert. 50 Prozent der Gesamtprovision wird als Abschlussprovision, 50 Prozent als Bestandskundenpflege-Provision ausgezahlt. […]

§ 3 Auszahlung

Der Auszahlungsanspruch entsteht nach Installation der Tablets sobald der Kunde seiner ersten Zahlungspflicht nachkommt.

Die Abschlussprovision wird als Einmalzahlung geleistet, sobald der Auszahlungsanspruch entstanden ist. Die Bestandskundenpflege Provision wird anteilig in monatlichen Raten über die mit dem Kunden vereinbarte Vertragslaufzeit ausgezahlt. Bei Trial Verträgen (wo der Kunde ein vorzeitiges Sonderkündigungsrecht hat) werden Abschluss- und Bestandskundenpflege Provision jeweils rückwirkend nach Ablauf der Testphase gezahlt.

Verlässt der Mitarbeiter das Unternehmen vor Entstehen des Auszahlungsanspruchs, wird die Provision nicht ausgezahlt. […]

§ 4 Schlussbestimmungen

Änderung und/oder Ergänzungen der Provisions- und Bonusvereinbarung bedürfen zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform sowie der Unterschrift beider Parteien. Die wiederholte Gewährung von Leistungen begründet keinen Anspruch auf Gewährung von Dauer. Ausgeschlossen sind damit insbesondere Ansprüche aus betrieblicher Übung.

[3] Die Klägerin begehrte, gestützt auf die schriftliche Provisionsvereinbarung, die Zahlung von 9.053,78 EUR brutto sA „Bestandskundenpflege Provision“ von 1. 5. 2024 (erster Tag nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses) bis 31. 10. 2024 (letzter Monatsletzter vor dem Schluss der Verhandlung) und die Feststellung, dass sie auch nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses den vollen Provisionsanspruch habe. Die Beschränkung des Anspruchs auf Auszahlung der „Bestandskundenpflege-Provision“ auf die Dauer des Arbeitsverhältnisses sei sittenwidrig. Hilfsweise stützte die Klägerin das Klagebegehren auf das Vorbringen, die Parteien hätten – kraft Betriebsübung, also kraft regelmäßiger vorbehaltloser Gewährung an die Klägerin und die anderen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der Beklagten – eine von der schriftlichen Provisionsvereinbarung abweichende konkludente Vereinbarung geschlossen. Nach dieser stehe ihr auch der in der schriftlichen Provisionsvereinbarung als „Bestandskundenpflege-Provision“ bezeichnete Teil der „Gesamtprovision“ allein aufgrund des durch ihre Tätigkeit zustande gekommenen Vertragsabschlusses mit neuen Kunden oder Ausbaus der Vertragsbeziehungen mit bestehenden Kunden zu, also unabhängig von einer „Bestandskundenpflege“.

[4] Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und entgegnete, nach der schriftlichen Provisions vereinbarung ende der Provisionsanspruch mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses. Diese Vereinbarung sei nicht sittenwidrig. Eine abweichende konkludente Vereinbarung (kraft Betriebsübung) habe es nicht gegeben. Eine solche wäre nach dem Schriftformgebot des § 4 der schriftlichen Provisionsvereinbarung auch unwirksam gewesen.

[5] Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Die „Bestandskundenpflege Provision“ sei einer in der Versicherungsbranche üblichen Folgeprovision gleichzuhalten. Die Vereinbarung, dass sie nicht mehr ausgezahlt werde, wenn der Mitarbeiter das Unternehmen vor dem Entstehen des Auszahlungsanspruchs verlasse (§§ 1, 3 der Provisionsvereinbarung), sei im hier zu beurteilenden Fall einer Arbeitgeberkündigung sittenwidrig (§ 879 Abs 1 ABGB).

[6] Das Berufungsgericht änderte das Ersturteil ab, wies das Klagebegehren ab und sprach aus, dass die Revision nicht zulässig sei. Ein vertraglicher Provisionsanspruch könne auf die Dauer des Arbeits verhältnisses beschränkt werden, soweit – wie hier – der Kollektivvertrag nichts anderes vorsehe. Anders als eine in der Versicherungsbranche übliche Folgeprovision enthalte die hier zu beurteilende „Bestandskundenpflege Provision“ keinen „Vermittlungsanteil“, sondern stehe dem Arbeit nehmer nur zu, solange er sich aktiv der „Bestandskundenpflege“ widme. Diese Voraussetzung sei nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses nicht mehr erfüllt. Die Arbeitgeberkündigung habe keinen Anspruch der Klägerin auf ein bereits verdientes Entgelt vernichtet. Es sei auch nicht sittenwidrig, den Anspruch auf die vertragliche „Bestandskundenpflege Provision“ auf die Dauer des Arbeitsverhältnisses zu beschränken.

[7] Gegen das Berufungsurteil richtet sich die außerordentliche Revision der Klägerin mit dem Abänderungsantrag , das Ersturteil wiederherzustellen, und hilfsweise mit einem Aufhebungsantrag.

[8] Die Beklagte beantragt in ihrer – vom Obersten Gerichtshof freigestellten – Revisionsbeantwortung, die Revision der Klägerin zurückzuweisen und hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[9] Die Revision ist zulässig und im Sinn des hilfsweise gestellten Aufhebungsantrags berechtigt.

[10] 1. Auf die schriftliche Provisionsvereinbarung kann die Klägerin ihr Begehren nicht stützen :

[11] 1.1. Die – nach den Grundsätzen des § 914 ABGB auszulegende ( vgl dazu RS0017915; RS0044358) – vertragliche Regelung ( insbesondere § 1 zweiter Absatz der Provisionsvereinbarung; vgl auch § 3 der Provisionsvereinbarung) unterscheidet klar zwischen der „Abschlussprovision“ und der „Bestandskundenpflege-Provision“ als gleich hohe Bestandteile der „Gesamtprovision“. Die „Abschlussprovision“ belohnt den Arbeitnehmer „f ür seine erfolgreiche Kundenakquise“. Die „Bestandskundenpflege Pr ovision“ dagegen honoriert „die permanente Sicherstellung der Zufriedenheit des gewonnenen Kunden“. Sie soll dem Arbeitnehmer nur zustehen, solange er sich aktiv der „Bestandskundenpflege“ widmet. Der Anspruch auf „Bestandskundenpflege-Provision“ erlischt daher, sobald der Arbeitnehmer das Unternehmen der Beklagten verlässt oder der „Bestandskundenpflege“ nicht in ausreichendem Maße nachkommt. Die arbeitsvertragliche Provisionsregelung definiert somit die „Abschlussprovision“ als jenen Anteil an der „Gesamtprovision“, der dem Arbeitnehmer die Tatsache des (aufgrund seiner Tätigkeit) zustande gekommenen Geschäftsabschlusses vergütet. Die „Bestandskundenpflege-Provision“ dagegen honoriert nicht den Geschäftsabschluss, sondern „die permanente Sicherstellung der Zufriedenheit des gewonnenen Kunden“ – zumindest durch telefonische Kontaktaufnahme alle sechs Monate im Rahmen eines aufrechten Arbeitsverhältnisses. Der Anspruch auf „Bestandskundenpflege-Provision“ erlischt daher (auch) mit dem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis.

[12] 1.2. Diese Provisionsvereinbarung widerspricht weder zwingenden Bestimmungen des AngG – § 10 Abs 3 und Abs 4 AngG über den Provisionserwerb und die Provisionsfälligkeit sind dispositiv – noch dem IT KV, der weder e ine Provision vorsieht noch Vorgaben für arbeitsvertragliche Provisionsregelungen enthält. Damit bleibt nur mehr die von der Klägerin behauptete Sittenwidrigkeit (§ 879 ABGB) des (teilweisen) Erlöschens des bereits entstandenen Anspruchs auf „Bestandskundenpflege-Provision“ mit dem Ende des Arbeits verhältnisses, soweit er bis dahin noch nicht zur Auszahlung fällig war, zu prüfen.

[13] 1.3. Die Klägerin begründet die Sittenwidrigkeit des Entfalls der weiteren „Bestandskundenpflege Provision“ bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Wesentlichen mit der Rechtsprechung zu den in der Versicherungsbranche üblichen Folgeprovisionen. Diese knüpfen ihrem Entlohnungszweck nach an die Dauer des (Versicherungs )Vertragsverhältnisses an und (mangels besonderer Vereinbarung) nicht an den aufrechten Bestand des Arbeitsverhältnisses. Sie stehen dem provisionsberechtigten Angestellten daher grundsätzlich auch noch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu, solange das vermittelte Vertragsverhältnis weiterhin aufrecht bleibt. Dementsprechend wird – bezogen auf das schon beendete Arbeitsverhältnis – auch vom Anspruch auf eine „Nachprovision“ gesprochen ( 9 ObA 76/23a , Rz 20). Der Oberste Gerichtshof hat jüngst ausführlich die bisherige Rechtsprechung zur Frage der Sittenwidrigkeit von vertraglichen Vereinbarungen, die einen Entfall von Nachprovisionen vorsehen, aufgearbeitet ( 9 ObA 76/23a , Rz 27–34). Zusammengefasst hat die Rechtsprechung einen Vorausverzicht auf sämtliche Nachprovisionen insbesondere dann als sittenwidrig erachtet, wenn dadurch die Kündigungsmöglichkeit des Arbeitnehmers unverhältnismäßig beschränkt oder dem Arbeitgeber die Möglichkeit gegeben wurde, bei einseitiger grundloser Beendigung des Vertragsverhältnisses deren Entfall herbeizuführen. Dabei hat sie herausgestrichen, dass es sich um schon verdiente Provisionen handelt und durch einen Entfall des Provisionsanspruchs der Arbeitgeber den Vorteil aus den abgeschlossenen Geschäften erhält, ohne dafür eine Vergütung leisten zu müssen ( 9 ObA 76/23a , Rz 34).

[14] 1.4. Die vorliegende Provisionsvereinbarung verknüpft den Anspruch auf „Bestandskundenpflege-Provision“, der ohne diese Vereinbarung überhaupt nicht zustehen würde und nur die Hälfte der vertraglichen „Gesamtprovision“ ausmacht, mit der tatsächlichen „Bestandskundenpflege“ im vertraglich vereinbarten Umfang. Die „Bestandskundenpflege Provision“ hat keine „Abschlusskomponente“ – dafür gibt es die „Abschlussprovision“ –, sondern dient allein „der permanenten Sicherstellung der Zufriedenheit des gewonnenen Kunden“ (mit dem feststehenden Ziel, das Vertragsverhältnis mit dem Kunden durch Ausstattung weiterer Hotels mit den Tablets samt Software für die Gästekommunikation auszubauen). Die Klägerin sollte bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses regelmäßig auch für den Vorteil entlohnt werden, den sie der Beklagten durch die weitere „Bestandskundenpflege“ verschafft. Ab dem Ende des Arbeitsverhältnisses sollte die weitere „Bestandskundenpflege Provision“ wegfallen. Das ist auch sachlich gerechtfertigt: Mit der Auszahlung der in der Provisionsvereinbarung geregelten „Abschlusskomponente“ der „Gesamtprovision“ – der „Abschlussprovision“ – hat die Beklagte die vereinbarte Vergütung für den Vorteil aus dem abgeschlossenen Geschäft geleistet. Solange die Klägerin die „Bestandskundenpflege“ leistete, hat die Beklagte diese auch zu entlohnen. Mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses bleiben weitere Vorteile aus einer „Bestandskundenpflege“ durch die Klägerin aus; somit muss die Beklagte auch keine weitere Provision mehr auszahlen. Ein Fall, in dem der Arbeitgeber nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses noch den Vorteil aus dem abgeschlossenen Geschäft hat, ohne dafür eine Vergütung leisten zu müssen, liegt daher nicht vor. Auch eine unverhältnismäßige Beschränkung des Kündigungsrechts der Klägerin ist vor diesem Hintergrund zu verneinen.

[15] 1.5. Diese Beurteilung steht im Einklang mit der Entscheidung 9 ObA 179/89 , in der die Sittenwidrigkeit der Beschränkung eines Provisionsanspruchs auf die Dauer des Arbeitsverhältnisses aufgrund seiner Aufteilung auf Teilansprüche, die bestimmten Phasen der Abwicklung des abgeschlossenen Geschäfts entsprachen, verneint wurde (vgl auch 9 ObA 76/23a , Rz 28).

[16] 1.6. Die von der Klägerin behauptete Umgehung des § 16 AngG durch die Provisionsvereinbarung ist schon deshalb zu verneinen, weil sie die „Bestandskundenpflege-Provision“ bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses zur Beklagten (und damit anteilig) erhalten hat.

[17] 1.7. Auch der Ansicht der Klägerin, das Erstgericht habe in der rechtlichen Beurteilung – disloziert – festgestellt, dass die „Bestandskundenpflege Provision“ eine weitere „Vermittlungsprovision“ gewesen sei, ist nicht beizutreten. Das Erstgericht hat lediglich die – vom Obersten Gerichtshof nicht geteilte – Rechtsansicht vertreten, dass die „Bestandskundenpflege Provision“ einer in der Versicherungsbranche üblichen Folgeprovision gleichzuhalten sei und daher eine Abschlusskomponente enthalte.

[18] 1.8. Die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts, dass die Klägerin ihr Begehren nicht erfolgreich auf die schriftliche Provisionsvereinbarung stützen könne, ist somit zutreffend.

[19] 2. Dennoch bedarf das Verfahren einer Ergänzung:

[20] 2.1. Eine Partei, die in der ersten Instanz obsiegte, ist nicht verpflichtet, in der Berufungsbeantwortung das Fehlen von für die rechtliche Beurteilung erforderlichen Feststellungen („Feststellungsmängel“) zu rügen (4 Ob 544/94 ua; RS0042740 [T37]). Ändert das Berufungsgericht das Ersturteil ab, kann die in der zweiten Instanz unterlegene Partei Feststellungsmängel in der Revision rügen (1 Ob 124/01v ua; RS0042740 [T47]).

[21] 2.2. Die Klägerin rügt in der Revision zutreffend das Fehlen von Feststellungen zu ihrem hilfsweise erstatteten und von der Beklagten bestrittenen Vorbringen, dass ihr (und anderen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern der Beklagten) der von der Vertragslaufzeit mit dem Kunden abhängige Teil der „Gesamtprovision“ – die so bezeichnete „Bestandskundenpflege-Provision“ – regelmäßig und vorbehaltlos als von einer tatsächlichen „Bestandskundenpflege“ unabhängige weitere „Abschlussprovision“ ausgezahlt worden sei , wodurch es zu einer konkludenten Änderung der schriftlichen Provisionsvereinbarung gekommen sei.

[22] 2.3. Feststellungen zu diesem Vorbringen sind für die abschließende rechtliche Beurteilung unentbehrlich: Die regelmäßige vorbehaltlose Gewährung bestimmter Leistungen durch den Arbeitgeber an den Arbeitnehmer kann nach der Rechtsprechung zu einer konkludenten Änderung des Arbeitsvertrags führen (vgl RS0014539 ; RS0014543 ). Zwar regelt § 4 der schriftlichen Provisionsvereinbarung sowohl ein Schriftformgebot für Vertragsänderungen als auch einen Ausschluss von Ansprüchen aus betrieblicher Übung. Von diesem Formvorbehalt können die Parteien aber einverständlich (auch konkludent) abgehen (vgl RS0038673 ). Wäre die Provisionsvereinbarung tatsächlich wie von der Klägerin vorgebracht geändert worden, wäre auch der ursprünglich „Bestandskundenpflege-Provision“ genannte Provisionsteil inhaltlich eine „Abschlussprovision“; er wäre nicht an die – ohnehin niederschwellige – weitere Voraussetzung der zumindest einmaligen telefonischen Kontaktaufnahme mit dem Kunden alle sechs Monate gebunden. Die Vereinbarung, dass eine „Abschlussprovision“ mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses (anteilig) entfallen solle, wäre nach den oben dargelegten Grundsätzen sittenwidrig (§ 879 ABGB), weil die Klägerin ohne sachliche Rechtfertigung aufgrund des Vertragsabschlusses mit dem Kunden verdientes Entgelt verlöre.

[23] 2.4. Die Entscheidungen der Vorinstanzen sind daher aufzuheben. Das Erstgericht hat die fehlenden Feststellungen zur behaupteten konkludenten Änderung der Provisionsvereinbarung nachzutragen und auf dieser Grundlage die Berechtigung des Klagebegehrens zu beurteilen.

[24] 3. Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf § 52 Abs 3 ZPO.