9Ob63/25t – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsrekursgericht durch den Senatspräsidenten Mag. Ziegelbauer als Vorsitzenden und die Hofrätin und Hofräte Dr. Hargassner, Mag. Korn, Dr. Stiefsohn und Mag. Böhm in der Pflegschaftssache des Minderjährigen D*, geboren am * 2007, *, vertreten durch die Mutter J*, diese vertreten durch Mag. Anton Spielmann, Notar in Tirol, wegen pflegschaftsgerichtlicher Genehmigung, über den Revisionsrekurs des Minderjährigen gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom 14. März 2025, GZ 52 R 78/24p, 52 R 79/24k 17, mit dem den Rekursen des Minderjährigen gegen die Beschlüsse des Bezirksgerichts Reutte vom 13. November 2024, GZ 2 Pg 91/24v-8, -9, nicht Folge gegeben wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.
Text
Begründung:
[1] Der Vater des Minderjährigen ist Eigentümer von Miteigentumsanteilen an einer Liegenschaft, mit denen Wohnungseigentum an einer Wohnung samt Abstellplatz untrennbar verbunden ist sowie einer weiteren Liegenschaft. Am 20. 8. 2024 schlossen er und der Minderjährige einen Schenkungsvertrag über diese Objekte ab. Die Wohnung und der Abstellplatz sind seit über 20 Jahren (befristet) vermietet. Der monatliche Mietzins beträgt 379,55 EUR.
[2] Der Vater verpflichtete sich im Schenkungsvertrag, sämtliche Kosten und Aufwendungen bis zur Volljährigkeit des Minderjährigen zu übernehmen sowie sämtliche mit der Errichtung, Genehmigung und grundbücherlichen Durchführung des Schenkungsvertrags verbundenen Kosten und Gebühren zu tragen.
[3] Der Minderjährige beantragt die pflegschaftsgerichtliche Genehmigung der beiden Schenkungsverträge.
[4] Das Erstgericht wies die Anträge ab. Die Schenkung und Übergabe der Objekte sei grundsätzlich von Vorteil für den Minderjährigen. Allerdings habe sich der Vater lediglich verpflichtet, die mit der Liegenschaft verbundenen Kosten bis zur Volljährigkeit des Antragstellers zu tragen. Dies genüge nicht, weil das Kind ab Erreichen seiner Volljährigkeit die im Zusammenhang mit der Liegenschaft vorgeschriebenen Gebühren und Abgaben tragen müsse, ohne gesichert über die dafür notwendigen Mittel zu verfügen.
[5] Das Rekursgericht gab den Rekursen des Minderjährigen gegen diese Entscheidungen nicht Folge. Zwar würde der Minderjährige Mieteinnahmen aus der Eigentumswohnung erhalten, hätte dafür aber ab der Volljährigkeit sämtliche Belastungen zu tragen. Ein Sanierungsbedarf der Wohnung oder der Wohnungseigentumsanlage könne nicht ausgeschlossen werden. Ob dafür entsprechende Mittel vorhanden seien, sei unbekannt. Eine Verwertung wäre angesichts der angespannten Lage am Immobilienmarkt bei bestehender Vermietung erschwert. Eine pfandrechtliche Belastung setze die Einräumung eines Darlehens voraus, was angesichts des fehlenden Einkommens des Minderjährigen schwerlich zu erreichen sein werde. Die Rechtsauffassung, dass die Schenkung schon infolge der Befristung der Schad- und Klagloshaltung mit dem Erreichen der Volljährigkeit nicht dem Kindeswohl entspreche, sei nicht zu beanstanden. Auch wirke die Verpflichtungserklärung nur im Innenverhältnis und schließe die Inanspruchnahme des Minderjährigen nicht aus.
[6]Das Rekursgericht bewertete den Entscheidungsgegenstand jeweils mit 30.000 EUR übersteigend und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs zu, da die Rechtsprechung, wonach die Haftungserklärung des Geschenkgebers sich auch auf den Zeitraum nach Eintritt der Eigenberechtigung erstrecken müsse, in einem gewissen Spannungsfeld mit den §§ 220, 223 ABGB stehe.
[7] Gegen den Beschluss des Rekursgerichts wendet sich der Revisionsrekurs des Minderjährigen mit dem Antrag, die Entscheidungen der Vorinstanzen dahingehend abzuändern, dass den Anträgen stattgegeben wird.
Rechtliche Beurteilung
[8]Der Revisionsrekurs ist mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 71 Abs 1 AußStrG) – Ausspruch des Rekursgerichts nicht zulässig. Die Zurückweisung wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 71 Abs 3 AußStrG):
[9]1. Nach § 167 Abs 3 ABGB bedürfen Vertretungshandlungen und Einwilligungen eines Elternteils in Vermögensangelegenheiten zu ihrer Rechtswirksamkeit neben der Zustimmung des anderen obsorgebetrauten Elternteils der Genehmigung des Gerichts, sofern die Vermögensangelegenheit nicht zum ordentlichen Wirtschaftsbetrieb gehört. Unter dieser Voraussetzung gehört zu diesen Geschäften unter anderem die Annahme einer mit Belastungen verbundenen Schenkung.
[10]2. Nach ständiger Rechtsprechung darf ein Rechtsgeschäft durch das Pflegschaftsgericht nur genehmigt werden, wenn der Abschluss im Interesse des Pflegebefohlenen liegt und somit dem Wohl des Pflegebefohlenen entspricht. Dies ist der Fall, wenn das Vermögen des Pflegebefohlenen vermehrt wird (vgl § 164 Abs 1 ABGB), etwa weil der Wert der geschenkten Sache die Belastungen eindeutig übersteigt (vgl RS0048140 [T1]). Diese Voraussetzung ist aber nicht erfüllt, wenn eine Verminderung des Vermögens des Pflegebefohlenen nicht ausgeschlossen werden kann ( RS0048176 ).
[11] 3. Bei der Prüfung der Frage, ob ein Rechtsgeschäft dem Wohl des Pflegebefohlenen entspricht, kann nicht bloß die Zeit der fehlenden Eigenberechtigung berücksichtigt werden. Es darf daher ein Rechtsgeschäft auch dann nicht genehmigt werden, wenn Nachteile für den Pflegebefohlenen für die Folgezeit seiner Eigenberechtigung nicht auszuschließen sind. Eine Haftungserklärung des Geschenkgebers muss sich daher auch auf diesen Zeitraum erstrecken ( RS0048155 ).
[12] 4. Eine vom Geschenkgeber übernommene Verpflichtung zur Schad- und Klagloshaltung des Beschenkten reicht dann nicht aus, wenn nicht dargetan wird, dass dieser Anspruch gegebenenfalls auch mit Erfolg durchgesetzt werden könnte ( RS0048140 [T4]).
[13] 5. Ob die Voraussetzungen einer pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung vorliegen, ist eine nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffende Entscheidung im Einzelfall, der keine darüber hinausgehende Bedeutung zukommt ( RS0048176 [T2, T5, T6]; RS0097948); sie ist für den Obersten Gerichtshof nur dann überprüfbar, wenn im Interesse der Rechtssicherheit ein grober Fehler bei der Auslegung der anzuwendenden Rechtsnorm korrigiert werden müsste (vgl RS0044088).
[14] 6. Die Vorinstanzen sind davon ausgegangen, dass hinsichtlich der Eigentumswohnung die Voraussetzungen für eine pflegschaftsgerichtliche Genehmigung deshalb nicht vorliegen, weil aufgrund der bereits lang dauernden Vermietung und des Alters der Wohnung und der Wohnhausanlage nicht ausgeschlossen werden kann, dass der kurz vor der Volljährigkeit stehende Antragsteller mit Sanierungskosten belastet wird, die dann nicht mehr von der Schad- und Klagloserklärung des Vaters gedeckt sind. Auch eine Durchsetzbarkeit dieser Haftung sei nicht dargetan worden.
[15] Diese Rechtsauffassung hält sich im Rahmen der zuvor dargestellten Rechtsprechung.
[16] 7. Der Revisionsrekurs verweist dazu letztlich nur darauf, dass im vorliegenden Fall gegebenenfalls eine Veräußerung oder Belastung der Liegenschaft möglich wäre, lässt allerdings offen, aufgrund welcher Umstände davon auszugehen ist, dass dem Minderjährigen ein Kredit gewährt werden würde und inwieweit bei einer vermieteten Wohnung in einem vernünftigen Zeitrahmen mit einem adäquaten Erlös gerechnet werden kann. Diese Erwägungen treffen letztlich auch auf die zweite Liegenschaft zu, auch wenn hier mit geringeren Belastungen zu rechnen sein mag.
[17]8. Der vom Rekursgericht in seiner Zulassungsbegründung angesprochene Widerspruch zu §§ 220, 223 ABGB liegt tatsächlich nicht vor. Inwieweit Mündelgeld in Liegenschaften angelegt werden kann, lässt sich nur nach den Umständen des Einzelfalls beurteilen. Das gleiche gilt für die allfällige Nachteiligkeit eines Erbantritts. Entgegen der Revision ist die Schenkung von Liegenschaften an einen Minderjährigen auch nicht generell nachteilig und ausgeschlossen.
[18]9. Mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 62 Abs 1 AußStrG ist der Revisionsrekurs des Minderjährigen zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf diese Entscheidung nicht.