JudikaturOGH

3Ob69/25f – OGH Entscheidung

Entscheidung
Zivilrecht
24. Juni 2025

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Brenn als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun Mohr und Dr. Kodek und die Hofräte Dr. Stefula und Mag. Schober als weitere Richter in der Erwachsenenschutzsache der M*, vertreten durch Mag. Mahmut Sahinol, Rechtsanwalt in Wien, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Betroffenen gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 12. November 2024, GZ 48 R 303/24z 55, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Text

Begründung:

[1] Das Rekursgericht bestätigte die vom Erstgericht vorgenommene Bestellung einer Rechtsanwältin zur einstweiligen Erwachsenenvertreterin zur Besorgung bestimmter dringender Angelegenheiten.

[2] In ihrem außerordentlichen Revisionsrekurs beantragt die Betroffene, anstatt der vom Erstgericht bestellten Rechtsanwältin ihren gewählten anwaltlichen Vertreter zum einstweiligen Erwachsenenvertreter zu bestellen. Sie meint, di e Bevollmächtigung eines Rechtsanwalts als Rechtsbeistand iSd § 119 AußStrG bewirke die widerlegbare Vermutung, dass die betroffene Person im Fall der Notwendigkeit der Bestellung eines Rechtsanwalts zum einstweiligen Erwachsenenvertreter den gewählten einem „fremden“ Rechtsanwalt vorziehe.

Rechtliche Beurteilung

[3] Damit zeigt die Betroffene keine Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG auf.

[4] 1. Vorauszuschicken ist, dass sich die betroffene Person bei Erhebung eines Rechtsmittels von einem gewählten Rechtsanwalt vertreten lassen kann, sofern nach der Aktenlag e nicht offenkundig ist, dass ihr bei Vollmachtserteilung die Vernunft völlig gefehlt hätte und sie nicht fähig gewesen wäre , den Zweck der Vollmachtserteilung zu erkennen (RS0008539 [insb T11]). Nur bei offenkundig gänzlich fehlender Fähigkeit zu einer solchen Einsicht wäre die Bevollmächtigung eines gewählten Vertreters unwirksam (stRsp: 1 Ob 143/23w Rz 7; 10 Ob 32/23p Rz 8 ua). Davon kann hier nicht ausgegangen werden. Zwar hat der vom Geri cht bestellte psychiatrische Sachverständige die allgemeine Vollmachtsfähigkeit der Betroffenen mittlerweile verneint. Das ändert aber nichts daran, dass nach der bisherigen Aktenlage keine ausreichenden Anzeichen dafür vorliegen, dass die Betroffene des Gebrauchs der Vernunft gänzlich beraubt und daher offensichtlich nicht in der Lage wäre, den Zweck und das Wesen der für das Erwachsenenschutzverfahren erteilten V ollmacht zumindest in Grundzügen zu erfassen (RS0008539 [T18]; 1 Ob 187/23s Rz 8).

[5] 2. Nach ständiger Rechtsprechung sind i m Hinblick auf § 120 Abs 3 AußStrG die Regeln der §§ 273 ff ABGB für die Auswahl des Erwachsenenvertreters auch auf die Auswahl eines Rechtsbeistands im Verfahren (§ 119 AußStrG) und eines einstweiligen Erwachsenenvertreters (§ 120 AußStrG) anzuwenden (RS0110987 [T2, T4]; RS0048291). Die Voraussetzungen der Bestellung eines einstweiligen Erwachsenenvertreters sind daher nach de n Vorgaben der §§ 273 ff ABGB zu prüfen (5 Ob 190/23m Rz 6; 6 Ob 125/23k Rz 1).

[6] 3. Gemäß § 273 Abs 1 ABGB ist bei der Auswahl des gerichtlichen Erwachsenenvertreters zwar unter anderem auf die Wünsche der volljährigen Person Bedacht zu nehmen. Der Betroffene hat aber kein Recht auf freie Auswahl des gerichtlichen Erwachsenenvertreters. Maßgebend ist allein das Wohl des Betroffenen (RS0132245; RS0048982 [T5]; RS0123297 [T6]). Die Auswahl des Erwachsenenvertreters ist daher zwangsläufig einzelfallbezogen und wirft in der Regel keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung auf (7 Ob 228/09v; 6 Ob 4/06s).

[7] 4. Woraus die Betroffene ihre Ansicht ableitet, die erfolgte Bevollmächtigung eines selbstgewählten Vertreters bewirke die Vermutung dafür, dass sie diesen auch als einstweiligen Erwachsenenvertreter wünsche, legt sie nicht dar. Ebenso wenig macht der Revisionsrekurs deutlich, warum das Erstgericht die Betroffene nach Bevollmächtigung des nunmehr für sie einschreitenden Rechtsanwalts zur Bekanntgabe hätte auffordern müssen, ob sie diesen als einstweiligen Erwachsenenvertreter wünsche, obwohl die auch damals anwaltlich vertretene Betroffene unmittelbar zuvor einen anderweitigen Wunsch geäußert hatte.

[8] Auf diese Fragen muss hier aber auch deshalb nicht näher eingegangen werden, weil das entscheidende Kriterium für die Auswahl des einstweiligen Erwachsenenvertreters nicht der vermeintlic h zu vermutende Wunsch, sondern das Wohl der betroffenen Person ist. D ass es eher ihrem Wohl entsprochen hätte, wenn nicht die vom Erstgerich t ausgewählte Rechtsanwältin, sondern der von ihr zuletzt bevollmächtige Rechtsanwalt zum einstweiligen Erwachsenenvertreter bestellt worden wäre, behauptet die Betroffene aber gar nicht. Eine Überschreitung des dem Erstgericht bei der Auswahl des einstweiligen Erwachsenenvertreters zukommenden Ermessensspielraums (RS0087131; S tefula in KBB 7 § 273 Rz 1), die aus Gründen der Rechtssicherheit oder der Einzelfallgerechtigkeit korrigiert werden müsste (vgl RS0007104; RS0044088), wird nicht aufgezeigt.

[9] 5. Soweit die Betroffene noch Art 12 Abs 4 der UN-Behindertenrechtskonvention ins Treffen führt , genügt der Hinweis, dass diese nicht unmittelbar anwendbar ist und keine subjektiven Rechte begründet und daher auch nicht zwingender Maßstab für die Rechtmäßigkeit eines anderen Rechtsakts sein kann (RS0131279 [T1]; 3 Ob 242/19p Pkt 5.; ausführlich: 10 ObS 16/18b Pkt 2.2.).