JudikaturOGH

11Os39/25g – OGH Entscheidung

Entscheidung
Strafrecht
03. Juni 2025

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 3. Juni 2025 durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek als Vorsitzende sowie die Hofrätinnen und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Mag. Fürnkranz, Dr. Oberressl, Dr. Brenner und Mag. Riffel in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Eißler als Schriftführerin in der Strafsache gegen * S* wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 5. Februar 2025, GZ 13 Hv 161/24z58.2, weiters über die Beschwerde des Angeklagten gegen den zugleich ergangenen Beschluss gemäß § 494a StPO nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

[1]Mit dem angefochtenen Urteil wurde * S* des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB (I/A/), des Vergehens der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB (I/B/), „des Vergehens“ des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 achter Fall SMG (II/A/1/), des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 achter Fall, Abs 3 SMG (II/A/2/) und des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 (zu ergänzen: erster und) zweiter Fall, Abs 2 SMG (II/B/) schuldig erkannt.

[2] Danach hat er in W*

I / am 30. Oktober 2024 * Su*

A / mit Gewalt zur Duldung und Vornahme des Beischlafs und dem Beischlaf gleichzusetzender geschlechtlicher Handlungen genötigt, indem er sie von hinten an den Haaren packte und zu sich zog, sie aufforderte, sich auszuziehen, während sie ihn anflehte, dies nicht zu tun, und zu weinen begann, er ihr die Hose auszog und sie von hinten digital anal und vaginal penetrierte, anschließend vaginal mit seinem Penis in sie eindrang und sie, als s ie immer wieder zurückzuweichen versuchte, wiederholt festhielt und zu sich zog sowie ihr mit der flachen Hand auf den Kopf schlug und sie letztlich aufforderte, ihn oral zu befriedigen, wobei sie ihn anflehte, sie gehen zu lassen, woraufhin er, als sie ihn kurz mit der Hand befriedigte, ihren Kopf mit Kraft zu seinem Penis drückte;

B / nach der zu I/ beschriebenen Tathandlung mit Gewalt zu einer Unterlassung, nämlich der Abstandsnahme davon, die Wohnung zu verlassen, genötigt, indem er sie an der Hüfte packte, zu Boden zerrte und in den Schwitzkasten nahm;

II/ vorschriftswidrig Suchtgift

A/ nämlich Heroin (beinhaltend zumindest 12,15 % Diacetylmorphin) anderen überlassen, und zwar

1/ seit Oktober 2023 bis 30. Oktober 2024 * Su* jeweils 1 bis 2 Gramm zumindest fünf Mal unentgeltlich;

2/ seit einem nicht mehr festzustellenden Zeitpunkt von Oktober 2023 bis 30. Oktober 2024 gewerbsmäßig weiteren nicht mehr auszuforschenden Abnehmern in zumindest vier Angriffen durch gewinnbringenden Verkauf, nämlich jeweils zumindest 2 bis 3 Gramm für jeweils ca 50 Euro;

B/ seit einem nicht mehr konkret festzustellenden Zeitpunkt bis 30. Oktober 2024 zum ausschließlich persönlichen Gebrauch erworben und besessen, und zwar 28,9 Gramm brutto Methamphetamin, neun Tabletten Compensan 100 mg (Wir ks toff Morphin) und drei Tabletten Substitol (Wirkstoff Morphinsulfatpentahydrat).

Rechtliche Beurteilung

[3] Gegen den Schuldspruch zu I/A/ richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

[4] Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) vertritt unter Hinweis auf allgemeine Ausführungen zum Gewaltbegriff im Schrifttum ( Philippin WK² StGB § 201 Rz 13; Schwaighoferin WK² StGB § 105 Rz 35 f) die Ansicht, dass bei „jeder einzelnen“ der zu I/A/ festgestellten Tathandlungen das „Mindestmaß einer 'gewissen Schwere' […] g erade noch nicht erreicht scheint“.

[5] Sie l ässt allerdings offen , weshalb nach Lage des Falles das von einem einheitlichen Vorsatz (Brechung des Widerstands des Opfers zur Erzwingung der Duldung und Vornahme von Beischlaf und dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlungen – US 6) getragene Verhalten des Angeklagten (festes Packen und Zurückziehen an den Haaren, Festhalten und Zusichziehen des Körpers der Su*, Schlagen auf ihren Kopf sowie kräftiges Drücken ihres Kopfes zu seinem Penis – US 5 f, 9) einerseits kein einheitliches Tatgeschehen (vgl RISJustiz RS0120233) betreffen und andererseits eine gänzlich unerhebliche und nicht zur Überwindung eines wirklichen oder erwarteten Widerstands des (US 9: dem Angeklagten körperlich unterlegenen) Opfers geeignete Anwendung von Kraft darstellen sollte (vgl RISJustiz RS0095776 [insb T1 und T4], RS0092984).

[6] S olcherart bringt sie den angesprochenen Nichtigkeitsgrund nicht zu prozessförmiger Darstellung (vgl RISJustiz RS0116565, RS0116569).

[7] Soweit die Beschwerde die Kausalität des Verhaltens des Angeklagten für die Durchführung des Oralverkehrs in Zweifel zieht, übergeht sie überdies die Feststellungen des Schöffengerichts, wonach Su* erst durch das Umfassen des Kopfes und das kräftige Drücken zum Penis des Angeklagten gezwungen war, gegen ihren Willen den Oralverkehr am Angeklagten zu vollziehen (US 5 – vgl RISJustiz RS0099810).

[8] Im Übrigen beträfe der thematisierte Teilaspekt des Geschehens (vgl abermals RISJustiz RS0120233) mit Blick auf die weiteren Feststellungen zur Erzwingung der Duldung von digitaler Vaginal und Analpentration sowie von Beischlaf auch keine für den Schuldspruch oder die Subsumtion als einVerbrechen nach § 201 Abs 1 StGB entscheidende Tatsache.

[9] Die Nichtigkeitsbeschwerde w ar daher – im Einklang mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung und die als erhoben zu betrachtendeBeschwerde des Angeklagten folgt (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).

[10]In Bezug auf von der Generalprokuratur aufgezeigte Unschärfen des Urteils zu den Voraussetzungen der Qualifikation nach § 27 Abs 3 SMG (II/A/2/; US 2, 4, 7, 11) sei angemerkt, dass aus Sicht des Obersten Gerichtshofs eine Gesamtbetrachtung des Urteils einen aus den Angaben des Angeklagten und der Zeugin Su* (US 11 iVm ON 58.1 S 9, ON 5.5 S 5; ON 5.6 S 4) abgeleiteten, hinreichend erkennbaren Feststellungswillen der Tatrichter in Richtung (zumindest) zweier innerhalb Jahresfristbegangener Vortaten (§ 70 Abs 1 Z 3 erster Fall und Abs 3 StGB) ergibt (vgl RISJustiz RS0117228; Ratz , WKStPO § 281 Rz 19).

[11]Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.