1Ob74/25a – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Mag. Dr. Wurdinger als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Mag. Wessely Kristöfel, Dr. Parzmayr, Dr. Vollmaier und Dr. Pfurtscheller als weitere Richterinnen und Richter in der Rechtssache der klagenden Partei C*, vertreten durch die Poduschka Partner Anwaltsgesellschaft mbH in Linz, gegen die beklagte Partei V* AG, *, vertreten durch die Pressl Endl Heinrich Bamberger Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, wegen 27.400 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 13. Februar 2025, GZ 5 R 166/24d-95, mit das Urteil des Landesgerichts Eisenstadt vom 30. August 2024, GZ 34 Cg 29/20i-89, bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.961,42 EUR (darin 313,17 EUR an 19 % USt) bestimmten Kosten ihrer Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung:
[1] Der Kläger kaufte im März 2010 von einem Händler um 27.400 EUR einen mit einem Dieselmotor EA189 ausgestatteten Neuwagen mit einer zu erwartenden Gesamtlaufleistung von 250.000 km. Die Beklagte ist Herstellerin des Fahrzeugs und des Motors. Im Fahrzeug war ursprünglich eine unzulässige Abschalteinrichtung („Umschaltlogik“) verbaut. Nach einem Software Update im Jahr 2016 liegt ein „Thermofenster“ vor, das bewirkt, dass im Temperaturbereich außerhalb von + 10 bis + 33 Grad Celsius eine Reduktion der Abgasrückführungsrate bis hin zur Abschaltung stattfindet. Der Kläger nutzte das Fahrzeug bis zuletzt uneingeschränkt. Ende Mai 2024 wies es einen Kilometerstand von 435.500 km auf.
[2] Der Kläger begehrt die Rückzahlung des Kaufpreises von 27.400 EUR sA Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs.
[3] Die Beklagte wandte insbesondere ein, dass der Kläger im Wege des Vorteilsausgleichs ein angemessenes Benützungsentgelt von 47.730,80 EUR zu entrichten habe.
[4] Das Erstgericht verpflichtete die Beklagte zur Zahlung von 2.000 EUR sA Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs. Das Mehrbegehren wies es ab.
[5]Angesichts der (zum Zeitpunkt 15. 11. 2023) festgestellten Fahrzeugwerte (Händlerverkaufswert von ca 4.300 EUR, Marktwert von ca 3.200 EUR und Händlereinkaufswert von ca 1.000 EUR) und der (wegen des hohen Kilometerstands eingeschränkten) Verkaufsmöglichkeiten sei nach § 273 ZPO der Betrag von 2.000 EUR „für die Rückstellung“ des Fahrzeugs angemessen und sachgerecht.
[6] Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Es ließ nachträglich die Revision zu, weil sich aus der bisherigen höchstgerichtlichen Rechtsprechung nicht mit hinreichender Deutlichkeit ergebe, ob bei der Ermittlung des dem Käufer eines Fahrzeugs mit unzulässiger Abschalteinrichtung entstandenen Gebrauchsnutzens, der im Wege der schadenersatzrechtlichen Vorteilsanrechnung zu berücksichtigen sei, der Zeitwert des Fahrzeugs die absolute Untergrenze bilde, die der Käufer jedenfalls zu erhalten habe.
Rechtliche Beurteilung
[7] Entgegen diesem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Ausspruch ist die (von der Beklagten beantwortete) Revision des Klägersmangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig .
[8] 1. Der Ansicht des Klägers, dass er überhaupt kein Benützungsentgelt schulde, weil bei Arglist des Motorenherstellers kein Vorteilsausgleich stattzufinden habe, hat der Oberste Gerichtshof bereits mehrfach eine Absage erteilt:
[9] Seit der Entscheidung 10 Ob 2/23a vom 25. 4. 2023 entspricht es der ständigen Rechtsprechung, dass ein geschädigter Fahrzeugkäufer auch dem Hersteller im Rahmen eines schadenersatzrechtlichen Vorteilsausgleichs Benützungsentgelt schuldet ( 4 Ob 66/24w[Rz 36]). Das gilt auch dann, wenn die beklagte Motorenherstellerin dem Kläger aus Schadenersatz wegen arglistiger Irreführung deliktisch nach § 874, § 1295 Abs 2 ABGB haftet ( 5 Ob 178/24y [Rz 8] mwN; 6 Ob 179/24b [Rz 12] ). Die Argumentation des Berufungsgerichts, mit der sich der Revisionswerber gar nicht weiter auseinandersetzt, steht im Einklang mit der höchstgerichtlichen Rechtsprechung ( 5 Ob 178/24y [Rz 10 f]).
[10]2. Im Einzelfall kann zur Bemessung des angemessenen Benützungsentgelts auch § 273 ZPO herangezogen werden ( RS0018534 [T17]). Gravierende, an die Grenzen des Missbrauchs gehende Fehler der Ermessensentscheidung, die noch an den Obersten Gerichtshof herangetragen werden könnten (vgl RS 0007104), zeigt die Revision nicht auf.
[11] 2.1. Die Behauptung des Klägers, die Vorinstanzen hätten ihm den sich aus der linearen Berechnung ergebenden Wert (vgl RS0134263 ) zugesprochen, trifft nicht zu. Vielmehr gingen sie übereinstimmend davon aus, dass diese Berechnungsmethode hier nicht sachgerecht wäre, weil die tatsächlich gefahrenen Kilometer die zu erwartende Gesamtlaufleistung des Fahrzeugs um ein Vielfaches übersteigen, und nahmen im Sinn der Rechtsprechung (vgl etwa 4 Ob 163/23h[Rz 57] mwN) eine Angemessenheitskorrektur nach § 273 ZPO vor.
[12] 2.2. In der Entscheidung 4 Ob 66/24w (Rz 40) vom 25. 2. 2025 führte der Oberste Gerichtshof unter Bezugnahme auf die Vorentscheidungen 3 Ob 121/23z und 4 Ob 163/23h aus, dass eine Verpflichtung des Klägers, zusätzlich zur Herausgabe des Fahrzeugs Benützungsentgelt zu leisten, im Einzelfall den unionsrechtlichen Vorgaben und dem Effektivitätsgrundsatz widersprechen könne, nämlich wenn der Geschädigte im Ergebnis nur einen Betrag erhielte, der den aktuellen Zeitwert des zurückzugebenden Fahrzeugs deutlich unterschreite.
[13] Davon kann in diesem Fall allerdings keine Rede sein:
[14] Soweit der Kläger einen „Marktwert“ von ca 3.200 EUR ins Treffen führt, blendet er aus, dass dieser Fahrzeugwert zum 15. 11. 2023 bei einem Kilometerstand von etwa 395.000 km festgestellt wurde. Bis zum Schluss der mündlichen Streitverhandlung erster Instanz im Mai 2024 erhöhte sich der Kilometerstand nach den Feststellungen allerdings auf 435.500 km. Außerdem steht fest, dass die Werte „nur bedingt praktisch vorliegend [sind], da es kaum einen Händler geben wird, der es riskiert ein Fahrzeug mit einem so hohen Kilometerstand mit gesetzlicher Gewährleistung zu verkaufen. Es wird daher auch kaum einen Händler geben, der ein Fahrzeug mit dem hohen Kilometerstand, wie tatsächlich vorliegend, ankauft, maximal für den Export“.
[15] Unter diesen besonderen Umständen begegnet es keinen Bedenken, dass die Vorinstanzen das Benützungsentgelt so bemessen haben, dass der Kläger noch 2.000 EUR für sein Fahrzeug, das seine erwartete Gesamtlaufleistung bereits um über 185.000 km überschritten hat, erhält.
[16]3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 und § 50 ZPO. Die Beklagte hat auf die fehlende Zulässigkeit der Revision hingewiesen.