36R39/25i – LG für ZRS Wien Entscheidung
Kopf
Das Landesgericht für ZRS Wien als Berufungsgericht hat durch den Richter VPräs. Mag. Peter Weiß als Vorsitzenden sowie die Richterin Mag. Ruth Schimik und den Richter Mag. Martin Weiländer in der Rechtssache der klagenden Partei A* GmbH , **, **straße **, vertreten durch Pflaum Wiener Rindler Opetnik, Rechtsanwälte in 1010 Wien, wider die beklagte Partei B* AG C* , **, **, vertreten durch Pilz Burghofer Rechtsanwalts GmbH in 1060 Wien, wegen € 213,60 s.A. , infolge Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 3.1.2025, 33 C 543/24k-11, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Berufung wird nicht Folge gegeben .
Das angefochtene Urteil wird mit der Maßgabe bestätigt, dass es in seinem Punkt 1. richtig zu lauten hat:
„1. Das Klagebegehren des Inhalts, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei € 213,60 samt 4 % Zinsen ab 4.7.2024 binnen 14 Tagen zu bezahlen, wird abgewiesen.“
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 211,63 (darin enthalten EUR 35,27 USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Die Revision ist jedenfalls unzulässig (§ 502 Abs 2 ZPO).
Text
Entscheidungsgründe:
Am 17.5.2024 ereignete sich ein Verkehrsunfall, bei dem das ordnungsgemäß geparkte Motorrad von D* der Marke ** mit dem Kennzeichen ** durch ein von Mag. E* gelenktes, bei der beklagten Partei haftpflichtversichertes KFZ angefahren und dabei beschädigt wurde. Das Alleinverschulden an diesem Verkehrsunfall trifft den Lenker des Beklagtenfahrzeugs.
Die klagende Partei ist gewerblich konzessionierte Versicherungsmaklerin und wurde von D* gegen gesondertes Entgelt mit der Schadensabwicklung gegenüber der gegnerischen Haftpflichtversicherung betraut. Am 21.5.2024 erstattete die Klägerin auf elektronischem Weg eine Schadensmeldung an die beklagte Partei und wickelte in der Folge die gesamte Korrespondenz und Telefonate mit dieser für D* ab. Nach Feststellung der Schadenshöhe durch einen von der Haftpflichtversicherung beauftragten Gutachter überwies die beklagte Partei D* am 3.7.2024 den Betrag von € 1.584,- als Totalschadensablöse. Für ihre Tätigkeiten, die sie mit einem Zeitaufwand von 1 Stunde 29 Minuten ansetzte, stellte die Klägerin D* einen Honorarbetrag von insgesamt € 213,60 in Rechnung.
Mit Mahnklage vom 28.8.2024 begehrte die Klägerin den Honorarbetrag von € 213,60 von der beklagten Haftpflichtversicherung mit dem wesentlichen Vorbringen, dass der Geschädigten D* dieser Betrag als weiterer Schaden aus dem Verkehrsunfall zustehe und sie diesen Schadenersatzanspruch an die klagende Partei abgetreten habe. D* habe keinerlei Erfahrung mit der Abwicklung derartiger Schadensfälle gehabt und daher die Klägerin mit der Durchsetzung ihrer Ansprüche beauftragt. Dafür habe sie dieser vereinbarungsgemäß ein Honorar in Höhe des Klagsbetrags zu bezahlen.
Die beklagte Partei bestritt und wendete zusammengefasst ein, dass eine Unterstützung der Geschädigten durch die Klägerin im konkreten Fall nicht erforderlich gewesen sei. Besonderer Kenntnisse habe es zur Durchsetzung der Ansprüche nicht bedurft. Dem Schadensfall sei ein einfacher Sachverhalt zugrunde gelegen, wobei die anspruchsbegründenden Tatsachen von Anfang an unstrittig gewesen seien. Ein schuldhafter Verzug der beklagten Partei mit der Auszahlung der Versicherungsleistung habe nie vorgelegen. Die beklagte Partei habe nach erfolgter Schadensmeldung vielmehr unverzüglich von sich aus alle erforderlichen Sachverhaltserhebungen eingeleitet und nach Abschluss derselben den zustehenden Ersatzbetrag angeboten und geleistet. Das geltend gemachte Honorar sei auch der Höhe nach unangemessen.
Mit dem angefochtenen Urteil wies das Erstgericht das Klagebegehren (erkennbar) zur Gänze ab und verpflichtete die Klägerin gemäß § 41 ZPO zum Kostenersatz. Es ging dabei zusammengefasst vom eingangs festgehaltenen Sachverhalt aus, wobei im Detail auf die auf den Seiten 2-4 der Urteilsausfertigung enthaltenen Feststellungen verwiesen wird. Rechtlich folgerte das Erstgericht, dass der Klage auf Geltendmachung der durch außergerichtliche Schadensliquidierung aufgelaufenen Kosten eines Versicherungsmaklers die Bestimmung des § 42 Abs. 2 ZPO entgegenstehe, die auch auf außerprozessuale Vertretungskosten anzuwenden sei. Die Frage der Zweckmäßigkeit des Einschreitens der Klägerin könne ebenso wie die Frage der behaupteten Zession daher dahingestellt bleiben.
Dagegen richtet sich die Berufung der Klägerin aus dem Berufungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung (eventualiter einschließlich sekundärer Feststellungsmängel bzw. Verfahrensmängel) mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinn einer vollständigen Klagsstattgebung abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die beklagte Partei beantragt, der Berufung nicht Folge zu geben.
Die Berufung ist nicht berechtigt.
Die Berufungswerberin argumentiert in erster Linie, dass § 42 Abs. 2 ZPO entgegen der Rechtsansicht des Erstgerichts generell nicht auf außerprozessuale Vertretungskosten und speziell nicht auf die Kosten von außergerichtlich tätigen Beratern in Versicherungsangelegenheiten anwendbar sei. Die vom OGH in der Entscheidung 2 Ob 197/77 vertretene Rechtsansicht sei verfehlt und durch die mittlerweile ergangene erst- und zweitinstanzliche Judikatur überholt.
Die Ersatzpflicht für Kosten der Schadensabwicklung außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens bestimme sich nicht nach den Verfahrensvorschriften, sondern nach materiellem Recht. Konkret kämen die schadenersatzrechtlichen Kriterien der §§ 1324f ABGB unter Berücksichtigung der Schadensminderungspflicht des Geschädigten (§ 1304 ABGB) zur Anwendung. Die zur Rechtsdurchsetzung erforderlichen und notwendigen Kosten durch die Einschaltung des Beraters in Versicherungsangelegenheiten seien daher zu ersetzen.
Im Übrigen sei auch zu beachten, dass es die Berufsgruppe der Berater in Versicherungsangelegenheiten zum Zeitpunkt der Erlassung der ZPO noch gar nicht gegeben habe, weshalb die Bestimmung des § 42 Abs 2 ZPO über den Ersatz der Vertretungskosten zumindest dahingehend auszulegen sei, dass nicht nur für Vertretungshandlungen von Anwälten und Notaren, sondern auch für außergerichtliche Vertretungsleistungen jener Personen Ersatz zu leisten sei, die dazu von der Rechtsordnung als befugt angesehen würden. Dazu zählten eben auch die Versicherungsberater, deren Einschreiten im Regelfall sogar billiger komme als jenes der Anwälte.
Bei richtiger rechtlicher Beurteilung hätte das Erstgericht die prinzipielle Ersatzfähigkeit der klagsgegenständlichen Kosten bejahen und eindeutige Feststellungen zum Zustandekommen der Zession und zur Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit der von der Klägerin erbrachten Leistungen treffen müssen, auf deren Basis dem Klagebegehren stattzugeben gewesen wäre.
Rechtliche Beurteilung
Dazu hat der Senat erwogen:
§ 42 Abs. 1 ZPO bestimmt, dass eine Partei für ihre persönlichen Bemühungen keinen Prozesskostenersatz ansprechen kann. Wird eine Partei durch Bevollmächtigte vertreten, welche nicht dem Rechtsanwalts- oder dem Notariatsstande angehören, so ist der unterliegende Gegner nur zum Ersatz der Gerichtsgebühren und anderen Staatsgebühren und der durch die Prozessführung verursachten notwendigen Barauslagen zu verhalten (§ 42 Abs. 2 ZPO).
Der Berufungswerberin ist insofern beizupflichten, als die Bestimmungen des § 42 ZPO sowohl ihrem Wortlaut nach, als auch der Intention des Gesetzgebers entsprechend, lediglich den Kostenersatz im Rahmen eines zivilgerichtlichen Verfahrens regeln. In diesem Kontext sind sie gemäß herrschender Lehre und Rechtsprechung aber nicht nur auf während des Prozesses selbst angefallene Kosten anzuwenden, sondern gleichermaßen auf vorprozessuale Kosten, die mit der Prozessführung im Zusammenhang stehen.
Kommt eine gerichtliche Geltendmachung des Hauptanspruchs aber nicht (mehr) in Betracht, etwa weil dieser außergerichtlich befriedigt wurde, so können mit der vorprozessualen Rechtsdurchsetzung verbundene Kosten selbstständig mit Klage geltend gemacht werden (RIS-Justiz RS0111906). In diesem Fall stellt sich dann allerdings die Frage, ob die materiell-rechtliche Berechtigung und der Umfang dieses Kostenersatzanspruchs rein nach schadenersatzrechtlichen Bestimmungen (§§ 1293ff ABGB) zu beurteilen ist oder ob diesbezüglich die inhaltlichen Vorgaben der ZPO über den Prozesskostenersatz analog heranzuziehen sind. Der OGH hat diese Frage in der Entscheidung 2 Ob 197/77 zumindest in Ansehung der Bestimmung des § 42 Abs. 2 ZPO klar dahingehend beantwortet, dass es der Sinn und Zweck dieser Bestimmung erfordere, sie auch auf selbstständig geltend gemachte außerprozessuale Vertretungskosten anzuwenden. Begründet wurde dies unter anderem damit, dass der Kläger im Fall der außergerichtlichen Befriedigung seines Anspruchs hinsichtlich des Kostenersatzes nicht besser oder schlechter gestellt werden dürfe als bei Durchsetzung im Wege eines gerichtlichen Verfahrens.
Die zitierte OGH-Entscheidung liegt zwar schon einige Jahrzehnte zurück, führte aber zu einem Rechtssatz, der - soweit überblickbar - seither von den erstgerichtlichen und zweitinstanzlichen Gerichten mehrheitlich angewendet wird (RS0035796). Eine davon abweichende Entscheidung des OGH ist bislang nicht ergangen. Die zweitinstanzliche Entscheidung des LG Feldkirch zu 1a R 552/92, die eine analoge Heranziehung des § 42 ZPO auf Schadenregulierungskosten eines Versicherungsberaters ablehnt und stattdessen ausschließlich die schadenersatzrechtlichen Bestimmungen des ABGB anwendet, ist eine zweitinstanzliche Einzelentscheidung geblieben, der sich der erkennende Senat nicht anschließt. Tatsächlich erschiene es unsachlich, den Kostenersatz für außergerichtlich erledigte Hauptansprüche anders zu beurteilen als jenen für gerichtlich durchgesetzte Ansprüche.
Es sind auch keine Gründe ersichtlich, wieso die zitierte OGH-Entscheidung als überholt anzusehen wäre. Zum Zeitpunkt des Ergehens dieser Entscheidung, die sich ebenfalls auf das Honorar eines Versicherungsberaters für die außergerichtliche Schadensabwicklung mit der gegnerischen Haftpflichtversicherung nach einem Verkehrsunfall bezog, gab es das gebundene Gewerbe der Berater in Versicherungsangelegenheiten bereits und war aufgrund der Entscheidung 4 Ob 351/75 auch bereits klargestellt, dass diese im Rahmen ihres Gewerbes berechtigt sind, Geschädigte auch gegenüber der gegnerischen Haftpflichtversicherung zu vertreten. Dennoch sah der OGH damals keinen Grund, die in § 42 Abs. 2 ZPO normierte entgeltliche Vertretung durch Rechtsanwälte oder Notare auch auf außergerichtlich tätige Versicherungsberater auszudehnen, weshalb auch der erkennende Senat dafür keinen Anlass sieht.
Soweit in manchen erstgerichtlichen Entscheidungen (insbesondere 29 Cg 79/21 g des LGZ Wien) die Neufassung des § 1333 Abs. 3 (nunmehr Abs. 2) ABGB durch das ZinsRAG 2002 als Begründung für einen Zuspruch derartiger außergerichtlicher Schadensregulierungskosten herangezogen wird, ist dem entgegenzuhalten, dass von der Anwendung des § 1333 Abs. 2 ABGB nur solche Betreibungs- und Einbringungsmaßnahmen erfasst sind, denen ein (subjektiver) Verzug des Schuldners zugrunde liegt. Auf andere vorprozessuale Kosten ist diese Bestimmung, die einen materiell-rechtlichen Schadenersatzanspruch infolge Schuldner verzugs normiert, hingegen nicht anzuwenden (vgl. dazu 3 Ob 127/05f).
Da die dem klagsgegenständlichen Honoraranspruch zugrunde liegenden Leistungen der Beraterin in Versicherungsangelegenheiten aber im wesentlichen dazu dienten, den Ersatzanspruch der Geschädigten erst zu erheben und zu beziffern und die gegnerische Haftpflichtversicherung den Anspruch nach dessen Geltendmachung unverzüglich bezahlt hat, kann hier von einem Verzug der Beklagten nicht die Rede sein. Die Klagsforderung kann daher weder auf § 1333 Abs. 2 ABGB gestützt werden, noch ist die OGH-Entscheidung 2 Ob 197/77 aufgrund der Novellierung dieses Paragrafen als überholt anzusehen. Für eine analoge Heranziehung dieser Gesetzesstelle auf sämtliche durch Versicherungsberater entstandene Schadenregulierungskosten besteht nach Ansicht des erkennenden Senats ebenfalls keine Veranlassung, da der Gesetzgeber offenbar bewusst von einer Ausweitung der Regelung auf andere Fälle als jene des Schuldnerverzugs abgesehen hat. Insoweit Derartiges in der Lehre bzw. im Schrifttum vertreten wird, kann dem nicht nähergetreten werden.
Im Ergebnis bleibt es daher dabei, dass im gegenständlichen Fall aufgrund der (analog anzuwendenden) Bestimmung des § 42 Abs. 2 ZPO ein Ersatzanspruch für die aufgelaufenen Kosten der Beraterin in Versicherungsangelegenheiten, welche die Geschädigte im Rahmen der außergerichtlichen Schadensregulierung vertreten hat, ausgeschlossen ist. Die Fragen der Wirksamkeit der Zession sowie der Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit der erbrachten Leistungen müssen daher - wie bereits das Erstgericht zutreffend erkannt hat - hier nicht näher beleuchtet werden. Ein sekundärer Verfahrensmangel in diesem Zusammenhang scheidet schon mangels rechtlicher Relevanz der entsprechenden Umstände aus.
Der Berufung war daher ein Erfolg zu versagen .
Da dem Erstgericht in Bezug auf den abgewiesenen Betrag aber ein offensichtlicher Schreibfehler dahingehend unterlaufen ist, dass es statt der eingeklagten € 213,60 lediglich € 213,-- im Spruch anführte, war der Spruchpunkt 1 diesbezüglich im Weg einer Maßgabebestätigung zu berichtigen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 50 Abs. 1 i.V.m. § 41 ZPO. Dabei war jedoch zu berücksichtigen, dass gemäß § 23 Abs. 10 RATG in Berufungsverfahren, in denen § 501 Abs. 1 ZPO anzuwenden ist, § 23 Abs. 9 RATG nicht zur Anwendung kommt, weshalb lediglich der einfache Einheitssatz zu zuerkennen war.