JudikaturJustizBsw56422/09

Bsw56422/09 – AUSL EGMR Entscheidung

Entscheidung
18. Juli 2013

Kopf

Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, Kammer V, Beschwerdesache Schädler-Eberle gg. Liechtenstein, Urteil vom 18.7.2013, Bsw. 56422/09.

Spruch

Art. 6 Abs. 1, 57 EMRK - Keine mündliche Verhandlung im Verwaltungsverfahren wegen zur EMRK erklärten Vorbehaltes.

Zulässigkeit der Beschwerde nach Art. 6 EMRK hinsichtlich des Fehlens einer öffentlichen mündlichen Verhandlung (einstimmig).

Unzulässigkeit der Beschwerde im Übrigen (einstimmig).

Keine Verletzung von Art. 6 EMRK (einstimmig).

Text

Begründung:

Sachverhalt:

Im Februar 2000 wurde durch ein Referendum im Wohnort der Bf. ein Zonenplan angenommen. Nach diesem Plan fielen zwei der Bf. gehörende Grundstücke in ein Gebiet, in dem eine Bebauung nicht erlaubt war.

Die von der Bf. gegen den Zonenplan am 28.3.2000 erhobene Beschwerde wies die Gemeinde am 15.11.2000 ab, da die Grundstücke der Bf. nicht vollständig erschlossen und aus Gründen des Umweltschutzes nicht als Bauland gewidmet seien. Die liechtensteinische Regierung wies die von der Bf. dagegen am 7.2.2001 erhobene Beschwerde am 28.4.2004 aufgrund der Rechtmäßigkeit des Zonenplans ab. Sie hielt weder eine Verhandlung noch einen Ortsaugenschein für notwendig, da sich die relevanten Fakten aus den Vorbringen der Parteien und dem Zonenplan ergeben würden.

Am 14.5.2004 erhob die Bf. gegen die Entscheidung der Regierung Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof. Sie beantragte unter anderem eine öffentliche mündliche Verhandlung, die Widmung ihrer Grundstücke als Bauland oder eine entsprechende Entschädigung sowie die Nichtigerklärung des Referendums. Darüber hinaus beantragte sie die Befragung mehrerer Zeugen, um eine Manipulation des Referendums zu beweisen. Schriftliche Stellungnahmen der Parteien erfolgten am 2. und 12.6.2004. Am 14.6.2004 legte die Gemeinde weitere Dokumente und Fotos vor, worüber die Bf. informiert wurde. Zudem erhielt das Gericht die Akte der Regierung sowie die die Grundstücke betreffenden  Grundbuchauszüge. Am 30.6.2004 wies es, ohne eine Verhandlung durchgeführt zu haben, die Beschwerde ab, da der Zonenplan keine berechtigten Erwartungen der Bf. auf eine Widmung ihrer Grundstücke als Bauland enttäuscht habe. Die Tatsache, dass Gemeindebeamte entsprechende Erwartungen geweckt hätten, ändere nichts an der tatsächlichen späteren Widmung. Eine weitere Beweiserhebung oder eine öffentliche mündliche Verhandlung hielt das Gericht daher nicht für notwendig. Auch bestünden keine Beweise für eine Manipulation des Referendums.

Die Bf. erhob am 26.8.2004 Verfassungsbeschwerde und rügte unter anderem einen Verstoß gegen Art. 6 EMRK, da der Verwaltungsgerichtshof weder eine Verhandlung durchgeführt noch Zeugen befragt habe. Am 15.5.2006 fand eine öffentliche Verhandlung vor dem Staatsgerichtshof statt. Am 4.11.2008 wurde der Antrag der Bf. auf Nichtigerklärung des Referendums als unzulässig zurückgewiesen, da sie diesbezüglich keine gesonderte Beschwerde erhoben habe. Im Übrigen wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Der Staatsgerichtshof verwies insbesondere darauf, dass Liechtenstein bei der Ratifizierung der Konvention einen Vorbehalt zu Art. 6 Abs. 1 EMRK angebracht habe, der unter anderem die Öffentlichkeit von Verhandlungen betreffe und nicht zurückgenommen wurde. Dieser sei grundsätzlich gültig und erfasse auch das Landesverwaltungspflegegesetz, das für die Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof gelte, weshalb keine öffentliche und somit keine mündliche Verhandlung iSd. Art. 6 EMRK erforderlich gewesen sei.

Darüber hinaus wertete der Staatsgerichtshof das Vorbringen der Bf. als behauptete Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren iSd. Art. 6 Abs. 1 EMRK, das nicht vom Vorbehalt Liechtensteins gedeckt ist. Er kam jedoch zu dem Ergebnis, dass der Verwaltungsgerichtshof bei der Entscheidung, keine mündliche Verhandlung anzusetzen, das ihm gemäß Art. 100 Abs. 4 des Landesverwaltungspflegegesetzes eingeräumte Ermessen in Übereinstimmung mit den fundamentalen prozessrechtlichen Garantien ausgeübt habe.

Rechtliche Beurteilung

Rechtsausführungen:

Die Bf. rügt eine Verletzung von Art. 6 Abs. 1 EMRK  (Recht auf ein faires Verfahren), da der Verwaltungsgerichtshof keine öffentliche mündliche Verhandlung zur Beweiserhebung durchgeführt habe.

Zur behaupteten Verletzung von Art. 6 EMRK

Die Regierung bringt vor, dass der GH die Beschwerde nicht behandeln könne, da die Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof vom Vorbehalt Liechtensteins zu Art. 6 EMRK umfasst seien. Der GH prüft diese Einrede aufgrund des engen Zusammenhangs mit den Ausführungen in der Sache. Da die Beschwerde weder offensichtlich unbegründet noch aus einem anderen Grund unzulässig ist, muss sie für zulässig erklärt werden (einstimmig).

Zur Vereinbarkeit des Vorbehalts zu Art. 6 EMRK mit Art. 57 EMRK

Der GH muss zunächst prüfen, ob der betreffende Vorbehalt Liechtensteins mit Art. 57 EMRK vereinbar ist.

Das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof wurde vom Landesverwaltungspflegegesetz vom 21.4.1922 geregelt, das in Art. 100 Abs. 4 das Gericht dazu berechtigt, unter gewissen Umständen von einer mündlichen Verhandlung abzusehen. Dieses Gesetz wird vom Vorbehalt Liechtensteins zu Art. 6 EMRK erfasst, weshalb er auf den vorliegenden Fall anwendbar ist.

Der GH überprüfte und bejahte bereits in seiner Entscheidung Steck-Risch u.a./FL die Vereinbarkeit dieses Vorbehalts mit Art. 57 EMRK im Hinblick auf eine öffentliche Verhandlung. Insbesondere stellte er fest, dass sich der Vorbehalt auf eine bestimmte Bestimmung der Konvention bezieht, nämlich Art. 6 Abs. 1 EMRK, und auf ein darin enthaltenes bestimmtes Erfordernis, nämlich dass Verhandlungen und Urteilsverkündungen öffentlich stattfinden müssen. Es handelt sich somit nicht um einen nicht zulässigen Vorbehalt allgemeiner Art iSd. Art. 57 Abs. 1 EMRK. Auch stellte der GH in Steck-Risch u.a./FL fest, dass der Vorbehalt eine »kurze Darstellung des betreffenden Gesetzes« enthält, wie von Art. 57 Abs. 2 EMRK gefordert. Es wird deutlich, dass der Vorbehalt Verfahren, die von den angeführten Gesetzen betroffen sind, aus dem Anwendungsbereich des Art. 6 EMRK ausschließt, soweit die Öffentlichkeit von Verhandlungen und die öffentliche Verkündung von Urteilen betroffen sind. Der Titel jedes Gesetzes gibt Aufschluss über die geregelte Materie und verweist auf die Fundstelle im Amtsblatt, was es jedem ermöglicht  zu erfahren, welche Gesetze erfasst werden.

Die Bf. bringt als Argument für die Ungültigkeit des Vorbehalts vor, dass es der Zweck von Vorbehalten sei, dem verantwortlichen Staat die Anpassung der eigenen Rechtslage an die Standards der Konvention in einer Übergangsphase zu ermöglichen, welche im vorliegenden Fall verstrichen sei. Die Parlamentarische Versammlung hat in ihrer Empfehlung 1671 vom 7.9.2004 zur »Ratifikation von Protokollen und Rücknahme von Vorbehalten betreffend die Europäische Menschenrechtskonvention« darauf hingewiesen, dass Vorbehalte nicht permanent bestehen, sondern auf einen Zeitraum begrenzt sein sollen, der erforderlich ist, um die Konformität der Rechtslage mit der Konvention herzustellen. Danach sind sie zurückzunehmen. Ein Vorbehalt, der mit Art. 57 EMRK vereinbar ist, bleibt jedoch gültig, solange er nicht vom verantwortlichen Staat zurückgenommen wurde.

Die Bf. bringt weiters vor, dass es nicht mit der Konvention zu vereinbaren sei, dass der Vorbehalt den nationalen Gerichten ein uneingeschränktes Ermessen einräume, ob eine mündliche Verhandlung durchgeführt werde oder nicht. Diese Ansicht teilt der GH nicht. Er sieht es als ausreichend an, dass er einen ähnlichen Vorbehalt einer anderen Vertragspartei (Finnland) bereits als gültig anerkannt hat.

Darüber hinaus behauptet die Bf., dass sich der Vorbehalt noch auf ein Gesetz bezieht, das zum Zeitpunkt der Ratifikation der Konvention durch Liechtenstein im Jahre 1982 galt. Die neue Fassung des Landesverwaltungspflegegesetzes werde nicht mehr von dem Vorbehalt gedeckt, da die Änderung des Wortlauts von »Verwaltungsbeschwerdeinstanz« in »Verwaltungsgerichtshof« eine erhebliche Änderung dieses Gesetzes darstelle. Der GH nimmt zur Kenntnis, dass sich der Vorbehalt auf das Landesverwaltungspflegegesetz vom 21.4.1922 bezieht, das noch in Kraft ist. Die genannte Änderung des Wortlauts, insbesondere in Art. 100, erweitert die Kompetenz des nationalen Gerichts, eine mündliche Verhandlung abzulehnen, im Vergleich zu der im Zeitpunkt der Ratifikation der Konvention durch Liechtenstein geltenden Bestimmung nicht.

Im Hinblick auf die Modifizierung des Vorbehalts durch Liechtenstein im Jahre 1991 (Anm: Am 23.5.1991 erfolgte eine Modifizierung des ursprünglichen Vorbehalts durch eine Erklärung der Regierung, die die Verweise auf die Strafprozessordnung und die gesetzlichen Bestimmungen des Strafverfahrens bezüglich Jugendkriminalität betraf.) wiederholt der GH schließlich, dass das Schweigen der Vertragsparteien die Konventionsorgane nicht davon abhält, die Gültigkeit eines Vorbehalts selbst zu prüfen. Er nimmt aber zur Kenntnis, dass diese Modifizierungen des Vorbehalts, der im Rahmen der Ratifikation der Konvention am 8.9.1982 angebracht wurde, jedenfalls nicht das Landesverwaltungspflegegesetz erfassten, durch das die hier betroffenen nationalen Verfahren geregelt werden.

Im Ergebnis ist der Vorbehalt Liechtensteins zu Art. 6 Abs. 1 EMRK mit den Erfordernissen von Art. 57 EMRK vereinbar und daher gültig.

Zur Reichweite des Vorbehalts zu Art. 6 EMRK

Der GH muss die Reichweite des Vorbehalts prüfen, das bedeutet, inwiefern dieser eine Überprüfung der Beschwerde der Bf. nach Art. 6 EMRK verhindert. Art. 6 EMRK beinhaltet verschiedene Aspekte wie das Recht auf eine öffentliche Verhandlung, das Recht auf eine mündliche Verhandlung (auch unter Ausschluss der Öffentlichkeit) sowie das Recht auf ein kontradiktorisches, faires Verfahren. Lediglich der erste Aspekt, der das Fehlen der Öffentlichkeit einer Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof betrifft, ist ausdrücklich von dem Vorbehalt Liechtensteins erfasst.

Liechtenstein erklärte in dem Vorbehalt, »dass der Grundsatz, dass Verhandlungen und Urteilsverkündungen öffentlich stattfinden müssen, wie es in Art. 6 Abs.1 EMRK geregelt ist, nur innerhalb der Grenzen Anwendung finden soll, die sich aus den Prinzipien der geltenden liechtensteinischen Gesetze ergeben (...)«, unter anderem aus dem Landesverwaltungspflegegesetz.

Der GH stellt fest, dass die von der Bf. gerügte fehlende öffentliche mündliche Verhandlung zwei Aspekte beinhaltet. Eine »öffentliche« Verhandlung meint einerseits die Zulassung der Öffentlichkeit und der Presse. Dies dient der Transparenz und öffentlichen Überprüfbarkeit der Justizverwaltung. Die »Mündlichkeit« andererseits bezieht sich auf die Anhörung der Parteien oder deren rechtliche Vertreter durch das Gericht, möglicherweise auch ohne die Anwesenheit der Öffentlichkeit. Dies erfüllt den Zweck, es beiden Parteien zu ermöglichen, ihre Argumente vorzubringen, Fragen im mündlichen Austausch zu klären, Beweise zu prüfen und deren Glaubwürdigkeit zu beurteilen. Die Mündlichkeit der Verhandlung kann daher wesentlich sein, um ein kontradiktorisches Verfahren und damit dessen Fairness im Ganzen zu garantieren.

Im Fall Steck-Risch u.a./FL war der GH der Ansicht, dass das Fehlen der Öffentlichkeit und das der Mündlichkeit zwei unterschiedliche Aspekte darstellte. In diesem Fall konnte er jedoch die Frage offen lassen, ob der Vorbehalt Liechtensteins zu Art. 6 Abs. 1 EMRK beide Aspekte abdeckte, da die Bf., anders als die Bf. im vorliegenden Fall, jedenfalls nicht den innerstaatlichen Instanzenzug im Bezug auf die Mündlichkeit erschöpft hatte.

Der Wortlaut des liechtensteinischen Vorbehalts ist nach Ansicht des GH nicht eindeutig bezüglich seiner Reichweite. Im Vergleich dazu beinhaltet der Vorbehalt Finnlands beispielsweise die ausdrückliche Erklärung, dass es »insofern kein Recht auf eine mündliche Verhandlung garantieren kann, als geltende finnische Gesetze ein solches Recht nicht vorsehen«. Der Vorbehalt Liechtensteins bezeichnet nicht genau, ob er das Recht auf eine mündliche Verhandlung betrifft oder nicht. Nur die Auslegung, dass sich der Begriff »öffentlich« lediglich auf die »Urteilsverkündung« und nicht auf die »Verhandlungen« bezieht, würde für die Erfassung  der »Mündlichkeit« durch den Vorbehalt sprechen. (Anm: Englischer Originalwortlaut: »(...) that the principle that hearings must be held and judgments pronounced in public (...)«.)

Es steht fest, dass sich der Vorbehalt auf das Landesverwaltungspflegegesetz bezieht. Art. 100 Abs. 4 dieses Gesetzes bestimmt, dass der Verwaltungsgerichtshof »die angefochtene Entscheidung anhand der Akten überprüfen kann, wenn er eine Verhandlung der Parteien nicht für notwendig hält«. Das Gesetz bezieht sich somit auf eine mündliche Verhandlung der Parteien, was jedoch aus dem Wortlaut des Vorbehalts nicht eindeutig hervorgeht.

Auch der Verweis auf Art. 6 Abs. 1 EMRK gibt keinen klaren Hinweis auf die Reichweite des Vorbehalts. Satz 2 dieser Bestimmung, der den Ausschluss der Presse und der Öffentlichkeit, jedoch nicht der Parteien, erlaubt, ist ein Argument für die Annahme, dass nur die »Öffentlichkeit« von dem Vorbehalt erfasst ist. Nach der Rechtsprechung des GH ist das Recht auf eine »mündliche« Verhandlung als ein Aspekt des Rechts auf eine »öffentliche« Verhandlung zu betrachten, welches ausdrücklich vom Vorbehalt gedeckt ist. Der GH hat jedoch gleichermaßen die immanente Verbindung, die zwischen dem Recht auf eine »öffentliche« und auf eine »faire« Verhandlung besteht, betont und festgestellt, dass das Erfordernis der Öffentlichkeit zur Erreichung der Ziele des Art. 6 Abs. 1 EMRK beiträgt, nämlich einem fairen Verfahren, bezüglich dessen Liechtenstein keinen Vorbehalt angebracht hat.

Der GH wiederholt auch, dass Vorbehalte restriktiv auszulegen sind. Weder das Recht auf eine faire noch das auf eine mündliche Verhandlung werden ausdrücklich in dem Vorbehalt Liechtensteins genannt und eine Auslegung führt nicht zu dem eindeutigen Ergebnis, dass mündliche Verhandlungen davon erfasst werden. Der Vorbehalt deckt daher das Recht auf eine öffentliche, nicht jedoch auf eine mündliche Verhandlung. Die Beschwerde über das Fehlen einer mündlichen Verhandlung ist daher nicht ratione materiae unvereinbar mit der Konvention und der GH kann sie in dieser Hinsicht prüfen.

Zur behaupteten Verletzung von Art. 6 EMRK

Der GH nimmt zunächst zur Kenntnis, dass der Verwaltungsgerichtshof die erste und einzige Instanz war, der volle Jurisdiktion zukam, um im vorliegenden Fall in der Sache zu entscheiden. Da die Bf. ausdrücklich eine Verhandlung beantragte, kommt ein diesbezüglicher Verzicht ihrerseits nicht in Betracht. Ihr stand daher ein Recht auf eine mündliche Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof zu, außer im Falle außerordentlicher Umstände, die ein Absehen von einer solchen Verhandlung rechtfertigen.

Die Bf. hielt eine mündliche Verhandlung insbesondere zur Befragung der von ihr benannten Zeugen für notwendig, um die Manipulation des Referendums zu beweisen. Der GH nimmt zur Kenntnis, dass der Verwaltungsgerichtshof die Zeugen nicht hörte, da er den Zonenplan, selbst bei der Annahme, dass das Vorbringen der Bf. zutreffe, als rechtmäßig betrachtete. Die Zeugen hätten bestätigen sollen, dass der Zonenplan manipuliert wurde, da Gemeindebeamte im Vorfeld die Erwartung geweckt hätten, dass die Grundstücke der Bf. zukünftig als Bauland gewidmet würden. Auch wenn die Zeugen gehört worden wären, wären die Grundstücke der Bf. im Zonenplan tatsächlich nicht als Bauland gewidmet gewesen und hätten Erwartungen, anders als zwingende Verpflichtungen, keinen Beweis für Manipulationen darstellen können. Der Verwaltungsgerichtshof konnte daher begründet feststellen, dass die Zeugen, auch wenn sie gehört worden wären, die Rechtmäßigkeit des Zonenplanes nicht in Zweifel gezogen hätten.

Darüber hinaus war das Gericht der Ansicht, dass die die Grundstücke betreffende Situation allgemein bekannt und aus den Fotos klar ersichtlich war, weshalb es nicht notwendig war, weitere von der Bf. angebotene Beweise zu erheben. Die Beurteilung des Gerichts kann weder als nicht nachvollziehbar angesehen werden noch bestanden irgendwelche strittigen Fakten, die für den Ausgang oder die Glaubwürdigkeit des Falles relevant waren und einer weiteren Klärung in einer Verhandlung bedurft hätten.

Das Gericht verschaffte sich außerdem Dokumente und Fotos, die den Zonenplan betrafen, und gab der Bf. die Möglichkeit zur schriftlichen Stellungnahme bezüglich der Vorbringen der Gemeinde. Die Bf. hatte somit Kenntnis von sämtlichen Beweisen und Vorbringen und die Möglichkeit, sich dazu zu äußern, um Einfluss auf die Entscheidung des Gerichts zu nehmen, wie es in kontradiktorischen Verfahren erforderlich ist. Schließlich weist nichts darauf hin, dass die Bf. durch die schriftliche Verfahrensführung des Gerichts den Sachverhalt, die Beweise eingeschlossen, nicht in der Art vorbringen konnte, wie es der Grundsatz der Waffengleichheit fordert. Sie befand sich dabei nicht in einer erheblich schlechteren Position als die Gemeinde.

Unter diesen Umständen ist der GH der Ansicht, dass der Verwaltungsgerichtshof anhand der schriftlichen Vorbringen der Parteien und des anderen Aktenmaterials fair und angemessen über die Beschwerde der Bf. entscheiden konnte. Diese Feststellungen sind ausreichend, um den GH zu dem Ergebnis kommen zu lassen, dass das Absehen von einer mündlichen Verhandlung gerechtfertigt war. Die Berücksichtigung des Grundsatzes eines fairen Verfahrens führt zu keinem anderen Ergebnis. Für diesen Teil der Beschwerde, soweit er ratione materiae in die Jurisdiktion des GH fällt, liegt keine Verletzung von Art. 6 Abs. 1 EMRK vor (einstimmig; im Ergebnis übereinstimmendes Sondervotum der Richterinnen und Richter Nußberger, Lemmens und Jäderblom).

Zu anderen behaupteten Verletzungen

Bezüglich Art. 6 EMRK beschwert sich die Bf. weiters, dass der Zonenplan durch eine geheime Wahl der Bürger im Rahmen eines manipulierten Referendums angenommen wurde, da die Wähler falsch informiert und ihnen unzutreffende Versprechungen gemacht worden seien. Darüber hinaus sei die Rechtmäßigkeit des Zonenplans von den nationalen Gerichten und Behörden nicht vollständig, sondern nur im Hinblick auf Willkür überprüft worden.

Außerdem stelle der Zonenplan einen unverhältnismäßigen Eingriff in das Eigentumsrecht der Bf. gemäß Art. 1 1. Prot. EMRK dar, indem er ihre für eine Bebauung geeigneten Grundstücke als nicht zu bebauendes Land widmete, ohne eine entsprechende Entschädigung zu leisten.

Im Hinblick auf das im Besitz des GH befindliche Material erkennt dieser keinen Anschein irgendeiner Verletzung der Rechte und Freiheiten der Konvention in diesen Beschwerdepunkten. Sie sind daher wegen offensichtlicher Unbegründetheit als unzulässig zurückzuweisen (einstimmig).

Vom GH zitierte Judikatur:

Steck-Risch u.a./FL v. 14.2.2004 (ZE)

Jussila/FIN v. 23.11.2006 (GK) = NL 2006, 303

Kugler/A v. 14.10.2010 = ÖJZ 2011, 378

Hinweis:

Das vorliegende Dokument über das Urteil des EGMR vom 18.7.2013, Bsw. 56422/09 entstammt der Zeitschrift "Newsletter Menschenrechte" (NL 2013, 274) bzw. der entsprechenden Datenbank des Österreichischen Institutes für Menschenrechte, Salzburg, und wurde von diesem dem OGH zur Aufnahme in die Entscheidungsdokumentation Justiz im RIS zur Verfügung gestellt.

Das Urteil im englischen Originalwortlaut (pdf-Format):

www.menschenrechte.ac.at/orig/13_4/Schaedler-Eberle.pdf

Das Original des Urteils ist auch auf der Website des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (www.echr.coe.int/hudoc) abrufbar.

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