JudikaturJustiz9ObA97/08t

9ObA97/08t – OGH Entscheidung

Entscheidung
04. August 2009

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Tarmann Prentner sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Ingeborg Bauer Manhart und Peter Schönhofer als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Drazenko S*****, vertreten durch Dr. Walter Reichholf, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Ing. U***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Peter Paul Wolf, Rechtsanwalt in Wien, wegen 252,16 EUR brutto sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 27. Februar 2008, GZ 10 Ra 144/07f 54, womit das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichts Wien vom 11. Juni 2007, GZ 4 Cga 31/05i 49, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichts wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 139,01 EUR (darin 23,17 EUR USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit 185,86 EUR (darin 30,98 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Begründung:

Der Kläger war vom 9. Februar 2004 bis 8. November 2004 bei der Beklagten als Kraftfahrer beschäftigt. Das dem Kollektivvertrag für das Güterbeförderungsgewerbe (Arbeiter) unterliegende Dienstverhältnis endete durch berechtigte Entlassung. Im Juni 2004 wurde dem Kläger ein Urlaubszuschuss in Höhe von 1.124,88 EUR ausbezahlt.

Gegenstand des Rechtsmittelverfahrens ist im zweiten Rechtsgang nur mehr ein der Höhe nach unstrittiger Anspruch des Klägers auf Urlaubsersatzleistung im Betrag von 252,16 EUR. Die Beklagte wandte ein, dieser Anspruch sei durch Aufrechnung mit dem bereits ausbezahlten, gemäß Art XII Z 3 des anzuwendenden Kollektivvertrags wegen berechtigter Entlassung während des laufenden Jahres rückforderbaren Urlaubszuschuss getilgt worden. Der Kläger gestand zwar die Aufrechnungserklärung zu, berief sich aber auf einen der Rückforderung entgegenstehenden gutgläubigen Verbrauch der Sonderzahlung.

Das Erstgericht wies das restliche Klagebegehren auch im zweiten Rechtsgang ab.

Das Berufungsgericht gab der vom Kläger erhobenen Berufung Folge und änderte das Ersturteil im dem restlichen Klagebegehren zur Gänze stattgebenden Sinn ab. Die ordentliche Revision sei zulässig, weil eine höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage, ob aus den Bestimmungen des Art XII des Kollektivvertrags für das Güterbeförderungsgewerbe (Arbeiter) auch ein Rückforderungsanspruch abgeleitet werden kann, soweit überblickbar noch nicht bestehe.

Eine Rückforderung von irrtümlich erbrachten Mehrleistungen des Arbeitgebers werde nach den Grundsätzen des Judikats 33 neu (SZ 11/86 = Arb 3893) bei gutgläubigem Verbrauch durch den Arbeitnehmer im Allgemeinen nicht für zulässig erachtet. Das Gleiche gelte, wenn der Rechtsgrund für eine zunächst gesetzmäßige Auszahlung von Arbeitsentgelt nachträglich wegfällt.

Aus dem Kollektivvertrag für das Güterbeförderungsgewerbe (Arbeiter) lasse sich der von der Beklagten behauptete Rückforderungsanspruch nicht ableiten. Art XII Abs 3 des Kollektivvertrags sehe zwar das Erlöschen des Anspruchs auf Urlaubszuschuss bei berechtigter Entlassung des Dienstnehmers, aber keine Rückforderung eines zum Zeitpunkt seiner Zahlung noch gebührenden Urlaubszuschusses vor. Auf solche Forderungen sei vielmehr ebenfalls Judikat 33 neu anzuwenden. Der gute Glaube des Klägers beim Verbrauch des Urlaubszuschusses sei mangels gegenteiligen Vorbringens der dafür behauptungs- und beweispflichtigen Beklagten zu vermuten gewesen.

Rechtliche Beurteilung

Die von der beklagten Partei erhobene Revision ist zulässig, weil das Berufungsgericht von der (wenn auch erst nach der Entscheidung zweiter Instanz veröffentlichten) Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abgewichen ist; sie ist auch berechtigt.

Die Kollektivvertragsparteien können das Entstehen des Anspruchs auf Sonderzahlungen, auf die kein gesetzlicher Anspruch besteht, an bestimmte Bedingungen knüpfen. Entfällt nach den Bestimmungen eines Kollektivvertrags der Anspruch auf eine aliquote Sonderzahlung, wenn das Dienstverhältnis seitens des Dienstnehmers durch vorzeitigen Austritt ohne wichtigen Grund gelöst wird oder wenn er entlassen wird, bedeutet dies, dass dieser Anspruch bei einer gerechtfertigten Entlassung des Arbeitnehmers gar nicht erworben wird und ein bereits erhaltener Urlaubszuschuss auch ohne ausdrückliche Rückzahlungsverpflichtung zurückzuzahlen ist (vgl 9 ObA 40/95; RIS Justiz RS0048332).

Der Oberste Gerichtshof hat diese Grundsätze mittlerweile wiederholt, insbesondere auch konkret für Rückforderungsansprüche, die auf Art XII Z 3 des Kollektivvertrags für das Güterbeförderungsgewerbe (Arbeiter) gestützt wurden, bestätigt (8 ObA 75/07y ARD 5880/5/2008 = infas 2008, 146/A62 = DRdA 2008, 444; 8 ObA 80/07h; RIS Justiz RS0048322 insb [T4]).

Der Anspruch auf Urlaubszuschuss hängt nach der klaren Regelung des Art XII Abs 3 zweiter Satz des Kollektivvertrags davon ab, dass das Dienstverhältnis nicht durch berechtigte Entlassung oder ungerechtfertigten vorzeitigen Austritt beendet wird, wobei aus der Formulierung „dieser Anspruch erlischt" zweifelsfrei abzuleiten ist, dass der gesamte Urlaubszuschuss für das laufende Jahr nicht gebührt, wenn der Arbeitnehmer zum maßgeblichen Stichtag am 1. Juni noch nicht ein Jahr im Betrieb beschäftigt war und berechtigt entlassen wurde (8 ObA 75/07y).

Das Judikat 33 neu kommt nicht zur Anwendung, wenn eine KollV Bestimmung für den Fall, dass der Arbeitnehmer, aus welchen Gründen immer, noch vor Ablauf des Kalenderjahres aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet, die anteilige Rückzahlung des schon erhaltenen Urlaubszuschusses vorsieht ( Dittrich/Tades , Arbeitsrecht § 1152 ABGB E 353; ZAS 1982, 23 [ Runggaldier ] = DRdA 1982, 112 [ Wachter ] = JBl 1983, 164 = Arb 10.030). Es geht hier nämlich nicht um die Rückforderung irrtümlich ausgezahlter Dienstbezüge, sondern um die Erfüllung einer im Kollektivvertrag normierten bedingten Erstattungspflicht des Arbeitnehmers (ähnlich Zahlungen, die vereinbarungsgemäß unter dem Vorbehalt späterer Verrechnung geleistet worden sind - Arb 9070 = SozM III E 468; 4 Ob 11/74; 4 Ob 43/81 ZAS 1982/2).

Auch bei Fehlen einer Rückverrechnungsregel muss dem Arbeitnehmer jedoch klar sein, dass ihm die für das ganze Jahr ausgezahlte Sonderzahlung nur dann voll zusteht, wenn das Arbeitsverhältnis das ganze Jahr dauert. Vor Ablauf des Kalenderjahres erfolgt die Zahlung vielmehr ähnlich einem Vorschuss, der erst im Laufe der Folgemonate endgültig ins Verdienen gebracht wird. Auf eine anteilige Rückverrechnung sind die Grundsätze über den gutgläubigen Verbrauch daher nicht anwendbar (8 ObA 221/99d, ZAS 2000/18, 176 [ Spitzl ], Dittrich/Tades aaO § 1152 ABGB E 353a; RIS Justiz RS0112349).

Schon um einen Wertungswiderspruch zu vermeiden, muss diese Konsequenz auch für die Rückzahlung der gesamten erhaltenen Sonderzahlung bei Entfall des Anspruchs aufgrund berechtigter vorzeitiger Entlassung oder ungerechtfertigtem Austritt gelten. Dem Arbeitnehmer muss wegen der im Kollektivvertrag normierten auflösenden Bedingung genauso klar sein, dass ein solcher Beendigungsgrund den Wegfall des Sonderzahlungsanspruchs und ebenfalls eine Rückzahlungspflicht bewirken kann. Im Gegensatz zur bloßen Kündigung liegt diesen Endigungsgründen ein grob pflichtwidriges Verhalten des Arbeitnehmers zu Grunde. Würde in diesen Fällen der Einwand des gutgläubigen Verbrauchs zugelassen (obiter dictum in 9 ObA 40/95), würde der pflichtwidrig handelnde und damit weniger schutzwürdige Arbeitnehmer gegenüber dem Vertragstreuen privilegiert.

Jedenfalls kommt der Einwand des gutgläubigen Verbrauchs aber dann nicht zum Tragen, wenn der Arbeitgeber seinen auf § 1435 ABGB gegründeten Rückerstattungsanspruch nicht klageweise, sondern nur im Wege der Rückverrechnung durch Aufrechnung unter den Voraussetzungen des § 1438 ABGB geltend macht (9 ObA 104/02p RdA 2004/5; RIS Justiz RS0031192, RS0048332).

Im vorliegenden Fall führt dies zu dem Ergebnis, dass der von der Beklagten im Wege der außergerichtlichen Aufrechnung (RIS Justiz RS0033835) vorgenommene Abzug des Urlaubszuschusses in Höhe von 1.124,88 EUR brutto bis zur Höhe der gleichzeitig mit dem Rückersatzanspruch fällig gewordenen Urlaubsersatzleistung (restlicher Klagsbetrag) zu Recht erfolgte.

Im Ergebnis war daher das Urteil des Erstgerichts wiederherzustellen.

Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens gründet sich auf § 2 ASGG iVm §§ 41, 50 ZPO.

Rechtssätze
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