JudikaturJustiz9ObA27/15h

9ObA27/15h – OGH Entscheidung

Entscheidung
29. April 2015

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Ziegelbauer, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Dehn sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Josef Schleinzer und Mag. Regina Albrecht als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Stadtgemeinde L*****, vertreten durch Dr. Manfred Harrer, Rechtsanwalt in Linz, gegen die beklagte Partei M***** M*****, vertreten durch Mag. Ariane Jazosch, Mag. Thomas Moser, Rechtsanwälte in Traun, wegen Feststellung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen vom 15. Jänner 2015, GZ 11 Ra 88/14m 12, in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 29. Jänner 2015 (ON 14) in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung:

Die Klägerin begehrt gegenüber dem begünstigt behinderten Beklagten im Wesentlichen die Feststellung, dass eine Kündigung seines Dienstverhältnisses wegen bestimmter Vorfälle nicht dem Kündigungsschutz des § 8 BEinstG unterliege, eine Kündigung daher auch ohne Zustimmung des Behindertenausschusses wirksam sei. Von einer Entlassung des vom Dienst suspendierten Beklagten habe sie aus sozialen Gründen abgesehen. Ihr Antrag auf Zustimmung zur Kündigung des Klägers sei von der Berufungskommission beim Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz abgewiesen worden. Ihr Antrag auf Gesetzesprüfung hinsichtlich der inzwischen aufgelösten Berufungskommission und eine Eventualbeschwerde seien beim Verfassungsgerichtshof anhängig.

Rechtliche Beurteilung

In ihrer gegen die klagsabweisenden Urteile der Vorinstanzen gerichteten außerordentlichen Revision zeigt die Klägerin keine Rechtsfrage von der Bedeutung des § 502 Abs 1 ZPO auf.

1. Die Feststellungsklage bedarf eines konkreten aktuellen Anlasses, der zur Hintanhaltung einer nicht bloß vermeintlichen, sondern tatsächlichen und ernstlichen Gefährdung der Rechtslage des Klägers eine ehebaldige gerichtliche Entscheidung notwendig macht (RIS Justiz RS0039215). Die Feststellung von bloßen „Rechtslagen“ genügt nicht (RIS Justiz RS0037422 [T3, T8]; RS0039215 [T3, T4]). Eben darauf liefe aber die von der Klägerin begehrte Feststellung, zur Kündigung des Dienstverhältnisses des Beklagten auch ohne Einhaltung der Bestimmungen des § 8 BEinstG berechtigt zu sein, hinaus.

2. Ungeachtet dessen kann der Revision aber auch inhaltlich nicht gefolgt werden:

Dass die Berechtigung der Entlassung eines begünstigten Behinderten nach den allgemeinen Bestimmungen des Entlassungsrechts zu beurteilen ist (RIS Justiz RS0108889), ist nicht weiter strittig. Entlassungsgründe sind grundsätzlich unverzüglich geltend zu machen (RIS Justiz RS0028965, RS0031799 ua). Der Grundsatz, dass die Entlassung unverzüglich auszusprechen ist, beruht auf dem Gedanken, dass ein Arbeitgeber, der eine Verfehlung seines Arbeitnehmers nicht sofort mit der Entlassung beantwortet, dessen Weiterbeschäftigung nicht als unzumutbar ansieht und auf die Ausübung des Entlassungsrechts im konkreten Fall verzichtet (vgl RIS Justiz RS0029249).

3. Vorläufige Maßnahmen, etwa die bis zur Klärung der tatsächlichen oder rechtlichen Lage vorgenommene Suspendierung eines Arbeitnehmers, können die Annahme eines Verzichts des Arbeitgebers auf die Ausübung des Entlassungsrechts verhindern (RIS Justiz RS0028987). Richtig ist daher, dass die Suspendierung des Beklagten die Verfristung des Entlassungsrechts grundsätzlich verhinderte, weil dadurch noch nicht hinreichend zum Ausdruck kam, dass die Klägerin die Entlassungsgründe nicht mehr zum Anlass dienstrechtlicher Konsequenzen nehmen werde. Allerdings ermittelte sie den Sachverhalt nicht weiter, sondern leitete iSd § 8 Abs 2 BEinstG ein Verfahren auf Zustimmung zur Kündigung ein, wodurch dem Beklagten signalisiert wurde, dass sie seine zunächst zum Anlass der Suspendierung genommenen Verhaltensweisen nicht mehr als Grund für eine Entlassung nehmen werde. Nach dem Klagsvorbringen entspricht eine Entlassung des Beklagten nach wie vor auch nicht der Intention der Klägerin.

4. Kann sich die Klägerin aber aufgrund der Verfristung des Entlassungsrechts nicht mehr auf einen vermeintlichen Entlassungsgrund stützen, besteht kein Grund, eine auf diesen Sachverhalt gestützte Kündigung nicht dem Kündigungsschutz des § 8 BEinstG zu unterstellen. Der Fall unterscheidet sich nicht von jedem anderen, in dem die vom Dienstgeber herangezogenen Gründe eine Entlassung nicht (mehr) rechtfertigen. Die von der Klägerin als erheblich bezeichnete Rechtsfrage, ob eine Kündigung ohne Rücksicht auf eine Zustimmung iSd § 8 BEinstG ausgesprochen werden könne, wenn die zur Kündigung herangezogenen Gründe einen Entlassungsgrund bildeten, stellt sich in Ermangelung von Entlassungsgründen, die die Klägerin noch geltend machen könnte, daher nicht.

5. Ein der Bestimmung des § 8 Abs 2 Satz 4 BEinstG vergleichbarer Ausnahmefall liegt nicht vor.

6. Mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision der Klägerin zurückzuweisen.

Rechtssätze
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