JudikaturJustiz9ObA14/03d

9ObA14/03d – OGH Entscheidung

Entscheidung
07. Mai 2003

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsrekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und Dr. Hopf als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Roswitha W*****, Angestellte, *****, vertreten durch Dr. Hildegard Hartung, Rechtsanwältin in Wien, gegen die beklagte Partei Vereinigte Staaten von Amerika, (im Verfahren über die Kuratorbestellung) vertreten durch den Kurator Dr. Andreas Grundei, Rechtsanwalt in Wien, wegen EUR 249.178,94 sA und Feststellung (EUR 7.267,28), infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 18. November 2002, GZ 9 Ra 185/02w-63, womit der Beschluss des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 25. April 2002, GZ 19 Cga 257/98x-51, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Revisionsrekursbeantwortung wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Das Rekursgericht hat zutreffend die begehrte Zustellung der Klage an den beklagten ausländischen Staat durch öffentliche Bekanntmachung, hilfsweise an einen nach § 116 ZPO zu bestellenden Kurator, abgelehnt, sodass auf dessen Begründung verwiesen werden kann (§ 510 Abs 3 Satz 2 ZPO iVm § 528a ZPO). Ergänzend ist den Ausführungen der Revisionsrekurswerberin Folgendes entgegenzuhalten:

Rechtliche Beurteilung

Die in einem Parallelprozess der Streitteile zu 8 ObA 201/00t (= JBl 2002, 57 [ Hintersteininger ]) ergangene Entscheidung des Obersten Gerichtshofes ist den Parteien bekannt und braucht daher nicht nochmals wiederholt werden. Aus ihr folgt zusammengefasst, dass nach Berufung der beklagten Partei auf ihre diplomatische Immunität “in jeder von der Klägerin eingebrachten Rechtssache” für die Zustellung der Klage - mangels eines diese Frage regelnden Abkommens zwischen Österreich und der beklagten Partei - nur mehr der diplomatische Weg offensteht, da die Durchführung (ebenso wie die Verweigerung) eines Rechtshilfeersuchens um Zustellung zufolge der nach der Natur des Aktes vorzunehmenden Abgrenzung jedenfalls dem Hoheitsbereich eines Staates (acta iure imperii) - und nicht dem Bereich der Privatwirtschaftsverwaltung (acta iure gestionis) - zuzurechnen ist, weil ein Privater keinen Akt gleicher Art setzen kann (so bereits SZ 36/26; vgl dazu auch RV 162 BlgNR XV. GP 10 [zu § 11 ZustG]).

Ausgehend von der Entscheidung zu 8 ObA 201/00t argumentiert die Revisionsrekurswerberin nun dahin, dass ihr wegen Verweigerung der Rechtshilfe durch die beklagte Partei der Weg der Zustellung der Klage nach § 121 Abs 2 zweiter Satz, zweiter Fall ZPO eröffnet sei. Richtig ist, dass nach § 121 Abs 2 erster Satz ZPO die betreibende Partei je nach Lage der Sache, wenn die Bestätigung über die erfolgte Zustellung an eine im Ausland befindliche Person binnen einer angemessenen Zeit nicht einlangt, die Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung (§ 25 ZustG) oder eine Kuratorbestellung nach § 116 ZPO beantragen kann. Gleiches soll nach § 121 Abs 2 zweiter Satz ZPO auch für den Fall gelten, dass eine Zustellung im Ausland vergeblich versucht worden ist oder - worauf sich die Revisionsrekurswerberin stützt - das Ersuchen wegen offenkundiger Verweigerung der Rechtshilfe durch die ausländische Behörde keinen Erfolg verspricht. Hieraus ist jedoch für den Standpunkt der Revisionsrekurswerberin nichts zu gewinnen:

§ 121 ZPO regelt zwar nach seiner Überschrift ganz allgemein die Zustellung “im Ausland” (dh im Staatsgebiet eines fremden Staates [vgl Walter/Mayer , Zustellrecht § 121 ZPO Anm 3]), kann jedoch nicht für jene besonderen Fälle der Zustellung im Ausland herangezogen werden, bei denen an Personen oder Einrichtungen zugestellt werden soll, die sich auf ihre diplomatische Immunität berufen. Die Auslegung des § 121 Abs 2 ZPO durch die Revisionsrekurswerberin geht zu weit, weil sie die von der beklagten Partei geltend gemachte diplomatische Immunität unterläuft. Für einen derartigen Fall gelten spezielle Normen:

So ordnet § 11 ZustG, der nach seiner Überschrift “Besondere Fälle der Zustellung” regelt, in Abs 1 an, dass Zustellungen im Ausland nach den bestehenden internationalen Vereinbarungen oder allenfalls auf dem Weg, den die Gesetze oder sonstigen Rechtsvorschriften des Staates, in dem zugestellt werden soll, oder die internationale Übung zulassen, erforderlichenfalls unter Mitwirkung der österreichischen Vertretungsbehörden, vorzunehmen sind. Nach Abs 2 leg cit ist zur Vornahme von Zustellungen an Ausländer oder internationale Organisationen, denen völkerrechtliche Privilegien und Immunitäten zustehen, unabhängig von ihrem Aufenthaltsort oder Sitz die Vermittlung des Bundesministeriums für Auswärtige Angelegenheiten in Anspruch zu nehmen.

Dass auch ausländische Staaten unter “Ausländer oder internationale Organisationen” iSd § 11 Abs 2 ZustG fallen, “denen völkerrechtliche Privilegien und Immunitäten zustehen” (vgl VAB 1050 BlgNR XV. GP 2; Walter/Mayer aaO §11 ZustG Anm 12, 14; s auch Walter/Mayer aaO § 121 ZPO Anm 2 zum Begriff “Personen im Ausland” in § 121 Abs1 ZPO; JBl 2002, 57 [ Hintersteininger ]), wird von der Revisionsrekurswerberin nicht weiter in Frage gestellt; ob dies unmittelbar oder allenfalls per analogiam der Fall ist, kann aber letztlich dahingestellt bleiben, weil nicht nur § 11 Abs 2 ZustG, sondern auch § 32 Abs 3 JN anordnet, dass zur Ausführung von gerichtlichen Verfügungen, die Personen betreffen, die Immunität genießen, die Vermittlung des Bundesministeriums für Auswärtige Angelegenheiten in Anspruch zu nehmen ist. Daran, dass ausländische Staaten zu den “Personen” iSd § 32 Abs 3 JN gehören, die Immunität genießen, besteht kein Zweifel (vgl Ballon in Fasching I² §§32, 33 JN Rz 3, der auf Art IX EGJN verweist; Näheres dann bei Matscher in Fasching I² Art IX EGJN Rz 196 ff ua).

Hinsichtlich der Handhabung der Zustellung mit Rücksicht auf die Staatenimmunität existiert zwischen Österreich und der beklagten Partei kein Abkommen. Mangels eines solchen hat es bei der Anwendung der allgemein anerkannten Regeln des Völkerrechts (Art 9 B-VG), des Art IX EGJN und der von der Rechtsprechung und Lehre hiezu herausgearbeiteten Grundsätze zu bleiben. Danach genießen ausländische Staaten nach einhelliger Auffassung in Ausübung ihrer hoheitlichen Funktionen Immunität, sind daher insoweit der inländischen Gerichtsbarkeit entzogen (SZ 23/143; Herndl , JBl 1962, 15; JBl 1962, 43; Heß , JBl 1989, 285; ZfRV 1990, 300 [ Seidl-Hohenveldern ]; Schreuer , ÖJZ 1991, 41; Fischer , NZ 1991, 154; DRdA 1991/53 [ Simotta ]; Neuhold/Hummer/Schreuer , Österreichisches Handbuch des Völkerrechts Bd 1³ Rz 834, 837; Seidl-Hohenveldern , Völkerrecht 9 Rz 1462 ff; Matscher aaO Art IX EGJN Rz 2, 115 ff, 196 ff; Mayr in Rechberger , ZPO² Art IX EGJN Rz 3 ff ua).

Zustellungen im Ausland bewirken als Hoheitsakte - mangels eines Abkommens der beteiligten Staaten, das diesen Vorgang regelt, - einen Eingriff in die Hoheitsrechte des betroffenen ausländischen Staates. Deshalb ist in derartigen Fällen die Vermittlung des Bundesministeriums für Auswärtige Angelegenheiten gefordert, das mit dem in Frage kommenden Personenkreis enge Verbindung unterhält und auch die einfließenden völkerrechtlichen Gesichtspunkte wahrzunehmen berufen ist (RV 162 BlgNR XV. GP 10), worauf auch die Revisionsrekurswerberin zutreffend hinweist. Die Beschränkung auf die Vermittlung des Bundesministeriums für Auswärtige Angelegenheiten hat jedoch entgegen ihrer Auffassung nicht bloß Empfehlungscharakter, sondern ist im Gesetz zwingend vorgesehen (arg “ist” in § 32 Abs 3 JN bzw § 11 Abs 2 ZustG); eine Zustellung in anderer Weise wäre gesetzwidrig ( Walter/Mayer aaO § 11 ZustG Anm 15).

Hintersteininger billigt der “restriktiven Zustellungstheorie” in ihrer Entscheidungsbesprechung zu 8 ObA 201/00t (JBl 2002, 57) zwar zu, zur Hintanhaltung von “internationalen Verstimmungen” zweckmäßig zu sein, sie fordert jedoch eine gesetzgeberische Korrektur des § 11 ZustG, in dem sie (zumindest in der Anwendung dieser Bestimmung) eine “Selbstfesselung” erblickt. Bisher blieb eine Reaktion des Gesetzgebers aus. Im Übrigen ist anzumerken, dass die strikte Handhabung der diplomatischen Immunität bereits auf die Jurisdiktionsnorm zurückgeht, nach deren Konzept die Verletzung der Immunität Nichtigkeit des betroffenen Prozessvorganges bewirkt, die (abgesehen von einem Verzicht auf die Immunität) auch nicht durch Parteienverhalten heilbar ist (§ 42 JN; Ballon aaO § 42 JN Rz3, 14 ff; Mayr aaO §42 JN Rz 2, 7).

Die von der Klägerin begehrte Zustellung der Klage an die beklagte Partei im Wege der öffentlichen Bekanntmachung oder durch Kuratorbestellung trifft im vorliegenden Fall entgegen der Auffassung der Revisionsrekurswerberin nicht auf den “klassischen Anwendungsfall” des § 121 Abs 2 ZPO, sondern auf die Ausnahme und unterläuft die Berufung der beklagten Partei auf die diplomatische Immunität. Ein Vorgehen nach dieser gesetzlichen Bestimmung kommt daher gerade hier nicht in Betracht. Es hat vielmehr - soweit es die gegenständliche Klageführung gegen die beklagte Partei im Inland betrifft - bei der vom Obersten Gerichtshof schon zu 8 ObA 201/00t begründeten Beschränkung auf den diplomatischen Weg zu bleiben.

Selbst wenn man der beklagten Partei in konventionskonformer Auslegung der ZPO zwecks Wahrung des Grundsatzes der Waffengleichheit auch beim Streit um die Bestellung eines Kurators die Erhebung einer Revisionsrekursbeantwortung einräumt (vgl ÖJZ 2001, 516 [EGMR]; Rkv 1/01 [Oberste Rückstellungskommission beim OGH]; 6 Ob 281/01v; 4 Ob 133/02s ua), so hätte diese -ebenfalls unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Waffengleichheit - innerhalb der Frist von 14 Tagen eingebracht werden müssen (§§ 521, 521a ZPO); dem Gegner kann nämlich für die Rechtsmittelbeantwortung keine längere Frist offenstehen als dem Rechtsmittelwerber für die Erhebung des Rechtsmittels (hier: 14 Tage nach § 521 Abs 1 ZPO). Die nach der Zustellung des Rekurses am 7. 1. 2003 erst am 4. 2. 2003 zur Post gegebene, sohin nach Ablauf von 14 Tagen erhobene Revisionsrekursbeantwortung des Kurators ist daher als verspätet zurückzuweisen.

Rechtssätze
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