JudikaturJustiz9ObA116/06h

9ObA116/06h – OGH Entscheidung

Entscheidung
20. Dezember 2006

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling und Dr. Hradil sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Walter Holzer und Mag. Gabriele Jarosch als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Peter G*****, Angestellter, ***** vertreten durch Dr. Georg Grießer und andere, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei W***** Versicherungs AG, ***** vertreten durch Raits Ebner Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, wegen Feststellung (Streitwert EUR 35.000), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 27. Juli 2006, GZ 8 Ra 66/06v-17, womit das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichts Wien vom 27. Jänner 2006, GZ 14 Cga 177/05h-11, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, dass die Entscheidungen der Vorinstanzen zu lauten haben:

„Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers zur beklagten Partei auch über den 31. 5. 2005 hinaus aufrecht fortbesteht.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 5.863,40 (darin EUR 8 Barauslagen und EUR 975,90 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz sowie die mit EUR 2.438,40 (darin EUR 406,40 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen."

Die beklagte Partei ist weiters schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 1.754,82 (darin EUR 292,47 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger wurde am 1. Februar 1994 als hauptberuflicher Außendienstmitarbeiter bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten eingestellt. Auf das Dienstverhältnis fanden unter anderem die Regelungen des Angestelltengesetzes und des Kollektivvertrages für Angestellte der Versicherungsunternehmen im Außendienst Anwendung. Mit 1. Dezember 2003 wurde das Dienstverhältnis einvernehmlich auf eine Teilzeitbeschäftigung im Ausmaß von 50 % einer Vollbeschäftigung umgestellt.

Wegen der auch für eine Teilzeitbeschäftigung nicht zufriedenstellenden Abschlussergebnisse des Klägers fand am 2. Dezember 2004 ein Gespräch zwischen diesem und zwei vorgesetzten Mitarbeitern der Beklagten statt. Dabei äußerte der Kläger den ausdrücklichen Wunsch, das Dienstverhältnis wieder auf ein solches mit Vollbeschäftigung umzustellen, da sich sein Gesundheitszustand deutlich gebessert habe und er sich daher imstande sehe, die vorgegebenen Produktionsleistungen zu erbringen. Der Kläger schlug selbst vor, dass er in der Zeit vom 1. Jänner bis 30. April 2005 „Produktionswerte" von EUR 1,5 Mio netto erbringen solle. Ihm war bewusst, dass die Erreichung von Mindestzielen Voraussetzung zur Aufrechterhaltung des Dienstverhältnisses war und sein Dienstverhältnis, sollte er das geforderte Produktionsziel im Beobachtungszeitraum nicht erreicht haben, mit 31. 5. 2005 enden würde. Es kam daher zum Abschluss folgender Vereinbarung: „1. Herr G***** hat als persönliches Mindestziel für die Produktionsmonate Jänner bis April 2005 einen Netto-PW von EUR 1,5 Mio definiert. 2. In Anbetracht dieses Produktionsversprechens wird das Dienstverhältnis mit Wirkung vom 1. 1. 2005 auf Vollzeit umgestellt. 3. Gleichzeitig wird vereinbart, dass das Dienstverhältnis - sollte in den Produktionsmonaten 1 bis 4/2005 ein Mindestziel von EUR 1,5 Mio netto-PW nicht erreicht werden, mit 31. Mai 2005 einvernehmlich aufgelöst wird. Mit diesem Tag erfolgt auch die Abmeldung beim Sozialversicherer.... 4. Sollte das Dienstverhältnis aufgrund der Zielerreichung über den 31. Mai 2005 hinaus fortgesetzt werden, ist jedenfalls für die Aufrechterhaltung der Vollzeitbeschäftigung eine durchschnittliche Nettoproduktion von EUR 350.000/Monat Voraussetzung. Sollte der durchschnittliche Produktionswert unter diesem Betrag liegen, wird das Dienstverhältnis jedenfalls wieder auf Teilzeit umgestellt...."

Der Kläger erreichte im Zeitraum Jänner bis April 2005 dieses Mindestziel nicht. Am 18. 5. 2005 fand deshalb ein neuerliches Gespräch zwischen dem Kläger und seinen Vorgesetzten statt, in welchem ihm mitgeteilt wurde, dass aufgrund der nicht vollständig erbrachten Produktionsleistung sein Dienstverhältnis mit 31. Mai 2005 aufgelöst sein werde. Im Zuge dieser Besprechung wurden die Produktionswerte des Klägers diskutiert. Wenngleich in der zu diesem Zeitpunkt vorhandenen Aufstellung nur die polizzierten Produktionswerte erfasst waren, so hatte der Kläger auch bei Berücksichtigung sämtlicher anderer durch ihn im maßgeblichen Zeitpunkt abgeschlossener Verträge jedenfalls das in der Vereinbarung vom 2. 12. 2005 geforderte Mindestziel nicht erreicht.

Mit Schreiben vom 18. 5. 2005 wurde dem Kläger mitgeteilt: „Die Überprüfung Ihrer Produktionsleistung der Monate 1 bis 4/2005 hat leider ergeben, dass das in der Gesprächsnotiz vom 3. 12. 2004 für diesen Zeitraum festgestellte Mindestziel von EUR 1,5 Mio Netto-PW nicht erreicht wurde. Daher wird Ihr Dienstverhältnis vereinbarungsgemäß mit 31. 5. 2005 einvernehmlich aufgelöst..."

Der Kläger litt schon längere Zeit an Diabetes Mellitus Typ II, was im Unternehmen der Beklagten seit 1997 bekannt war. Der Beklagten war jedoch nicht erkennbar, dass diese Erkrankung die Ursache für einen Leistungsabfall des Klägers gewesen wäre bzw dass er aufgrund dieser Krankheit nicht in der Lage sein werde, die vorgegebenen und in der Vereinbarung vom 2. 12. 2004 festgehaltenen Produktionsziele zu erreichen.

Mit seiner am 6. September 2005 eingebrachten Klage begehrte der Kläger die aus dem Spruch hervorgehende Feststellung. Er brachte dazu im Wesentlichen vor, dass der Hauptgrund für die Nichterreichung des vorgegebenen Mindestziels seine Erkrankung gewesen sei. Er habe, um das Produktionsziel zu erreichen, keinen Krankenstand in Anspruch genommen, sei jedoch sehr oft müde und daher weniger leistungsfähig gewesen. Die Vereinbarung vom 2. 12. 2004 sei genauso sittenwidrig wie das Bestehen der Beklagten auf der Auflösung des Arbeitsverhältnisses. Im Übrigen sei die in der Vereinbarung vom 3. 12. 2004 enthaltene Resolutivbedingung unwirksam. Bei Abschluss der Vereinbarung sei nicht klar gewesen, ob es dem Kläger gelingen könne, das vorgegebene Umsatzziel zu erreichen. Darin liege eine mit der Auflösungssanktion pönalisierte Haftung des Arbeitnehmers für einen bestimmten Arbeitserfolg, was auch eine Umgehung des Kündigungsschutzes darstelle. Die gesetzte Bedingung, nämlich die vereinbarte Beendigung des Arbeitsverhältnisses, sei nichtig und als nicht beigesetzt anzusehen. Der Kläger habe der Vereinbarung vom 2. 12. 2004 nur zugestimmt, um die im Raum gestandene Auflösung des Dienstverhältnisses hintanzuhalten.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Schon die Einschränkung der Dienstverpflichtung des Klägers auf die halbe Arbeitszeit habe zur Ursache gehabt, dass der Kläger im Jahr 2003 bei weitem die Umsätze eines durchschnittlichen Außendienstmitarbeiters nicht erzielt habe. Wegen der weiteren Verringerung der Umsätze des Klägers, die auch einer halben Dienstverpflichtung nicht entsprochen hätten, sei es am 2. 12. 2004 zu einem Gespräch mit Vertretern der Beklagten und dem Kläger gekommen. Dabei habe der Kläger den ausdrücklichen Wunsch geäußert, wieder auf Vollzeit umgestellt zu werden und zugesagt, dass er in diesem Fall einen Netto-Produktionswert von EUR 1,5 Mio für die Monate Jänner bis April 2005 als Mindestziel erbringen könne. Für den Fall der Nichterreichung dieses Mindestwertes sei die einvernehmliche Auflösung des Dienstverhältnisses per 31. 5. 2005 vereinbart worden. Der Beklagten sei nicht bewusst gewesen, dass der Kläger krank bzw aufgrund einer Krankheit nicht in der Lage gewesen sei, die vorgegebenen Produktionsziele zu erreichen. Das Motiv der einvernehmlichen Auflösung des Dienstverhältnisses sei auch nicht sittenwidrig gewesen, da die erhebliche und andauernde Minderleistung des Klägers dazu geführt habe. Die Vereinbarung sei weder sittenwidrig noch sonst unwirksam.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es verneinte die Sittenwidrigkeit der vorliegenden Vereinbarung. Grundsätzlich bestehe kein Verschlechterungsverbot für die Abänderung bestehender Arbeitsverträge. Der Kläger sei auch nicht gezwungen worden, eine neue Vereinbarung zu schließen, dies habe vielmehr seinem Wunsch entsprochen, auch die Produktionsvorgaben habe er selbst genannt. Da der Kläger selbst auf seinen gebesserten Gesundheitszustand verwiesen habe, sei auch eine Pönalisierung krankheitsbedingter Minderleistungen nicht erkennbar. Die Resolutivbedingung sei in Übereinstimmung mit der Judikatur zulässig, weil zwar der Eintritt der Bedingung unsicher gewesen sei, aber ein fixer Stichtag, nämlich der 31. 5. 2005, vereinbart worden sei. Der Kläger habe sich daher von vornherein auf eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses einstellen und entsprechende Dispositionen treffen können. Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Es schloss sich im Wesentlichen der Rechtsauffassung des Erstgerichtes an und kam zum Ergebnis, dass die Vereinbarung vom 2. Dezember 2004 weder unter ungerechtfertigtem Druck zustande gekommen sei, noch per se sittenwidrig oder sonst unwirksam sei. Die vereinbarte Resolutivbedingung sei zulässig gewesen und tatsächlich eingetreten. Das Berufungsgericht sprach aus, dass die Revision nicht zulässig sei.

Dagegen richtet sich die außerordentliche Revision des Klägers aus dem Grunde der Mangelhaftigkeit des Verfahrens sowie der unrichtigen rechtlichen Beurteilung.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig und berechtigt.

Der behauptete Mangel des Berufungsverfahrens wurde geprüft, er liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO). Lediglich ergänzend ist hiezu auszuführen: Soweit das Berufungsgericht (Seite 13 in ON 17) darauf verweist, dass der Kläger kein Vorbringen zur Nichterreichbarkeit des Produktionsziels erstattet habe, ist damit eindeutig ein objektiver Maßstab gemeint, nicht jedoch die - aufgrund einer ex post-Betrachtung behauptete - subjektive Unfähigkeit des Klägers.

Hingegen kommt der Rechtsrüge Berechtigung zu:

Der Oberste Gerichtshof vertritt in nunmehr ständiger Rechtsprechung die Rechtsauffassung, dass eine Resolutivbedingung in privaten Dienstverhältnissen unzulässig ist, wenn nicht nur der Eintritt des als auflösende Bedingung vereinbarten Ereignisses ungewiss ist, sondern darüber hinaus auch ein für die Beurteilung des Eintritts oder Nichteintritts der Beendigung maßgeblicher Stichtag nicht auch nur annähernd feststeht, weil eine solche Resolutivbedingung dem Bestimmtheitsgebot des § 1158 ABGB bzw § 19 Abs 1 AngG widerspricht (RIS-Justiz RS0028917). Nun ist den Vorinstanzen dahin beizupflichten, dass im vorliegenden Fall ein konkreter Stichtag für den Eintritt der Resolutivbedingung genannt ist und in einem solchen Fall eine Resolutivbedingung selbst dann zulässig sein kann, wenn diese nicht ausschließlich vom Willen des Arbeitnehmers abhängig ist (9 ObA 158/91 mwN). Dieser Schluss findet jedoch seine Begründung darin, dass eine derartige Resolutivbedingung ohne größere Schwierigkeiten durch eine Befristungsabrede substituiert werden kann und durch die Vereinbarung der Resolutivbedingung lediglich das Motiv der Vertragsbeendigung zum Vertragsinhalt erhoben wird, sodass noch von einer zulässigen Zeitbestimmung im Sinn des § 1158 Abs 1 und 4 ABGB gesprochen werden kann (9 ObA 158/91; 9 ObA 156/98a). Diese Judikatur bezieht sich auf Sachverhalte, wo bei der Begründung eines Dienstverhältnisses Resolutivbedingungen vereinbart worden waren. Davon unterscheidet sich jedoch der vorliegende Sachverhalt wesentlich. Der Kläger stand in einem Dienstverhältnis von unbestimmter Dauer, welches demnach einseitig durch den Arbeitgeber nur mittels Kündigung (bzw Entlassung) auflösbar war. Vorliegend stand die Erweiterung des vom Kläger zu leistenden Arbeitsvolumens zunächst in keinem notwendigen Zusammenhang mit einer einvernehmlichen Auflösung des Arbeitsverhältnisses als Sanktion für das Nichterreichen des Leistungsziels. Denkbar wäre auch gewesen, dass die Parteien die Ausdehnung des Arbeitsvolumens befristet vereinbart hätten (wie im Übrigen auch im Punkt 5 der Vereinbarung vorgesehen), ohne eine Auflösung des Dienstverhältnisses ins Auge zu fassen. Letztere lag daher ganz offensichtlich im Interesse der Beklagten, die dadurch eine Kündigung vermeiden konnte. Dem kann auch nicht entgegengehalten werden, dass eine einvernehmliche Lösung jedenfalls möglich gewesen wäre, weil in keiner Weise feststeht, dass der Kläger einer solchen ohne die Chance einer vorhergehenden weiteren Bewährung zugestimmt hätte. Bei näherer Betrachtung der Resolutivvereinbarung ergibt sich, dass deren Eintritt nicht nur vom Willen des Klägers abhing und überdies eine Risikoverschiebung zu dessen Lasten bewirkte: Das Nichterreichen des Produktionsziels konnte nämlich auch vorausschauend nicht nur in der Sphäre des Klägers (Krankheit, sonstige Dienstverhinderung), sondern auch in nicht abschätzbaren äußeren Umständen seine Ursache haben, wie zB einer zeitweisen Sättigung des Markts, Auftreten von Konkurrenten etc. Ist daher die vorliegende Vereinbarung nicht primär als Neubegründung eines Dienstverhältnisses unter Resolutivbedingung, sondern als Auflösungsvereinbarung zu sehen, liegt es nahe, auf jene Rechtsprechung zurückzugreifen, welche zur Bedingungsfeindlichkeit einseitiger Willenserklärungen zwecks Auflösung des Dienstverhältnisses ergangen ist (RIS-Justiz RS0028418). Danach soll für den betroffenen Arbeitnehmer Gewissheit über die Beendigung bestehen, was im Falle einer Bedingung insbesondere nur dann der Fall ist, wenn die Verhinderung einer Auflösung ausschließlich von seinem Willen abhängt. Da dies, wie schon erwähnt, mit der vorliegenden Bedingung nicht erreicht werden kann, ist diese rechtlich unbeachtlich (vgl 9 ObA 2167/96h).

Die Folge ist, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers nach wie vor aufrecht ist.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 41 bzw § 50 Abs 1 ZPO.