JudikaturJustiz9Ob711/91

9Ob711/91 – OGH Entscheidung

Entscheidung
11. September 1991

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes

Hon.-Prof. Dr. Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Gamerith, Dr. Maier, Dr. Petrag und Dr. Jelinek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. H***** O*****, Angestellter, ***** vertreten durch ***** Rechtsanwalt *****, wider die beklagte Partei R***** H*****, Heizungsbau, ***** wegen S 74.400,-- sA, infolge ao. Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgericht vom 15. Mai 1991, GZ 17 R 72/91-5, womit der Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 1.März 1991, GZ 23 Cg 60/91-2, bestätigt wurde, den Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem ao. Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten des Revisionsrekursverfahrens selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger die Zahlung von S 74.400,-- sA. Er brachte vor, daß der Beklagte ihm eine Solaranlage geliefert und installiert habe, die schwere Mängel aufweise. Der Beklagte habe nicht fach- und sachgerecht gearbeitet. Es sei erforderlich, die Anlage abzumontieren und nach Einbau verschiedener Verbesserungen wieder neu zu installieren. Der Aufwand zur Sanierung der vom Beklagten zu vertretenden Mängel erfordere Kosten in Höhe des Klagebetrages. Die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts gründe sich auf § 92 a JN, da der Beklagte durch Außerachtlassung so gut wie aller technischen Regeln den Schaden, dessen Behebungskosten begehrt würden, verschuldet habe.

Das Erstgericht erklärte sich für örtlich unzuständig und wies die Klage a limine zurück. Die Zuständigkeit nach § 92 a JN beschränke sich auf deliktische Schadenersatzansprüche; eine eigene Zuständigkeit für die Geltendmachung von Gewährleistungs- und Schadenersatzansprüchen aus der Verletzung vertraglich übernommener Pflichten bestehe nach dieser Vorschrift nicht.

Gegen diesen Beschluß erhob der Kläger Rekurs und stellte zugleich den Antrag, daß "für den Fall, daß dem Rekurs kein Erfolg beschieden sei, die Überweisung der Rechtssache gemäß § 230 a ZPO an das nicht offenbar unzuständige Landesgericht St. Pölten beantragt werde".

Das Rekursgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichts und sprach aus, daß der Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Es vertrat die Rechtsauffassung, daß nach dem Wortlaut des § 92 a JN und nach den Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage dieser Gerichtsstand zur Klärung von Streitigkeiten aus einer Schadenszufügung bzw. Sachbeschädigung eingeführt wurde. Die üblichen Vertragsklagen, mit denen nur reine Vermögensschäden geltend gemacht werden, sollten davon ausgeschlossen bleiben. Im vorliegenden Fall behaupte der Kläger gar keine Beschädigung einer Sache durch den Beklagten, sondern fordere Behebungskosten für eine mangelhaft erbrachte Werkleistung. Dieser reine Vermögensschaden falle nicht unter die Zuständigkeit des § 92 a

JN.

Gegen diesen Beschluß richtet sich der ao. Revisionsrekurs des Klägers mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens über die Klage aufgetragen werde.

Rechtliche Beurteilung

Der ao. Revisionsrekurs ist gemäß § 528 Abs 1 und Abs 2 Z 2 ZPO zulässig, da die Entscheidung von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage des Verfahrensrechts abhängt, zu der eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs in concreto noch fehlt (§ 526 Abs 2 ZPO). Der Zulässigkeit des ao. Rechtsmittels steht auch nicht entgegen, daß der Kläger in seinem Rekurs für den Fall, daß dem Rekurs nicht Folge gegeben werde, einen Überweisungsantrag gestellt hat. Er hat damit hinreichend deutlich zu erkennen gegeben, daß es ihm vorerst auf eine abschließende Klärung der Zuständigkeitsfrage ankommt (vgl. Fasching, ZPR2 Rz 218; RZ 1985/39). Soweit in dem Eventualantrag auf Überweisung ein Rechtsmittelverzicht enthalten sein sollte, wäre dieser als verfrüht unwirksam (vgl. Fasching aaO Rz 1702; SZ 38/74 ua).

Der Revisionsrekurs ist jedoch nicht berechtigt.

Wie das Berufungsgericht richtig erkannte, soll der durch die Zivilverfahrens-Novelle 1983 geschaffene Gerichtsstand des Ortes der Schadenszufügung gemäß § 92 a JN keine Vertragsklagen erfassen, mit denen nur reine Vermögensschäden geltend gemacht werden. Die Schwierigkeit der Abgrenzung im Hinblick auf die als Vorbild dienende Zuständigkeitsvorschrift des § 32 dZPO zu anderen Schadensfällen ergibt sich nach den EB zur Regierungsvorlage daraus, daß die Bestimmung des § 1295 ABGB keine Unterscheidung zwischen Schadenersatzansprüchen aus Delikt und Vertragsverletzung trifft (vgl. 669 BlgNR 15.GP). Die Bestimmung des § 32 dZPO stellt hingegen auf Klagen aus unerlaubten Handlungen ab und ist nicht anwendbar, wenn vertragliche Klagegründe geltend gemacht werden (vgl. Baumbach, Zivilprozeßordnung49 § 32 Erl 2).

Der Meinungsstand ist nicht einheitlich. Es wird sowohl die Ansicht vertreten, daß § 92 a JN nur auf deliktische Schadenersatzansprüche Anwendung finde (vgl. etwa Fasching aaO Rz 308; Rechberger-Simotta, Zivilprozeßrecht3 Rz 97; OLG Wien in EvBl 1990/65) als auch die Ansicht, der Gerichtsstand sei auch bei Ersatzansprüchen aus Vertragsverletzungen gegeben (Ballon in FS Fasching (1988), 62). Die im Revisionsrekurs zitierte Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vom 17.Juni 1990, 7 Ob 564/90 (auszugsweise RdW 1991, 147), betraf den Fall einer Beschädigung eines Hauses (Brand) zufolge fahrlässigen Verhaltens des Erfüllungsgehilfen des Werkunternehmers, sohin keinen reinen Vermögensschaden wegen Vertragsverletzung (ebenso OLG Wien in WR 222). Diese Entscheidung steht somit entgegen der Ansicht des Rekurswerbers nicht im Widerspruch zur Rechtsansicht der Vorinstanzen.

Unabhängig davon, ob der Gerichtsstand des Ortes der Schadenszufügung auch auf Schadenersatzansprüche aus Vertragsverletzungen Anwendung findet, bleibt es demnach jedenfalls bei der Voraussetzung, daß der Schaden aus der "Beschädigung" einer körperlichen Sache entstanden sein muß. Dies könnte allenfalls bei positiver Vertragsverletzung (Begleitschaden, Mängelfolgeschaden) der Fall sein, nicht aber dann, wenn eine körperliche Sache ohne Beschädigung an sich mangelhaft ist (vgl. Koziol-Welser, Grundriß8 I 255 ff, 374 ff). Da der vom Kläger begehrte Verbesserungsaufwand nach den Behauptungen in der Klage sohin nicht auf eine Beschädigung der Solaranlage zurückzuführen ist, kann er für seine Klage nicht den Gerichtsstand nach § 92 a JN in Anspruch nehmen.

Die Kostenentscheidung ist in den §§ 40 und 50 ZPO begründet.