JudikaturJustiz9Ob33/04z

9Ob33/04z – OGH Entscheidung

Entscheidung
15. September 2004

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling, Dr. Hradil, Dr. Hopf und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Johann K*****, vertreten durch Mag. Wolfgang Ruckenbauer, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Ing. Kurt H*****, Unternehmer, *****, vertreten durch Dr. Steiner Mag. Isbetcherian Rechtsanwaltspartnerschaft in Wien, wegen Abberufung des Beklagten als Geschäftsführer (Streitwert EUR 11.000), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 16. Dezember 2003, GZ 2 R 164/03 22, womit infolge Berufung des Klägers das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 9. Mai 2003, GZ 11 Cg 176/02y 15, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 686,88 (darin EUR 114,48 USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Begründung:

Der Kläger und der Beklagte sind zu je 50 % Gesellschafter der am 2. 3. 2001 zu FN ***** des Landesgerichtes Eisenstadt eingetragenen A***** GmbH. Beide Gesellschafter sind (aufgrund eines nachträglichen Generalversammlungsbeschlusses) die zwei einzigen, jeweils allein vertretungsbefugten Geschäftsführer.

Etwa Ende März oder Anfang April 2002 teilte ein Mitarbeiter der Hausbank der Gesellschaft dem Beklagten mit, dass das Geschäftskonto einen Negativsaldo von rund EUR 338.000 aufwies. Aufgrund dieser Tatsache war der Beklagte der Meinung, dass die Gesellschaft überschuldet und zahlungsunfähig sei und gab der Bank die Anweisung, dass der Kläger als anderer Geschäftsführer alleine keine Überweisungen oder Behebungen vom Geschäftskonto mehr vornehmen dürfe. In der Folge verhinderte er auch Überweisungen vom Geschäftskonto dadurch, dass er seine Unterschrift verweigerte und daher die Bank Überweisungsaufträge nicht mehr akzeptierte. Als Einzelunternehmer standen dem Beklagten aus seiner Geschäftsbeziehung zur Gesellschaft Forderungen zu, welche seine Verbindlichkeiten gegenüber der Gesellschaft überstiegen. Aus diesem Grund wies er die bei ihm als Einzelunternehmer beschäftigten Arbeiter an, eine gemeinsam mit der Gesellschaft geführte Baustelle zu verlassen. Anfang Juni stellte der Beklagte als Geschäftsführer der Gesellschaft beim Landesgericht Eisenstadt zu 26 S 172/02z einen Konkursantrag. Die Gesellschaft war zu diesem Zeitpunkt jedoch nur rein rechnerisch überschuldet. Nach Eröffnung des Konkurses über das Vermögen der Gesellschaft am 12. 6. 2002 wurde dieser Beschluss vom Oberlandesgericht Wien als Rekursgericht aufgehoben. Mit Beschluss vom 12. 6. 2002 des Handelsgerichtes Wien, welchem die Konkurssache gemäß § 44 JN überwiesen worden war, wurde der über die Gesellschaft verhängte Konkurs gemäß § 79 KO aufgehoben, weil keine insolvenzrechtliche Überschuldung im Sinn des § 67 KO gegeben war.

Mit seiner Klage vom 10. 10. 2002 begehrte der Kläger, den Beklagten als Geschäftsführer der A***** GmbH abzuberufen und ihm die Geschäftsführungsbefugnis und Vertretungsmacht als Geschäftsführer zu entziehen. Durch seinen ungerechtfertigten Konkursantrag habe der Beklagte der Gesellschaft einen schweren wirtschaftlichen Schaden zugefügt, da deren Kreditwürdigkeit dadurch eingeschränkt worden sei. Weiters habe der Beklagte durch seine Schritte bei der Hausbank hinsichtlich der Verfügungsmacht über das Geschäftskonto und durch die Verweigerung seiner Unterschrift auf notwendige Überweisungen einen weiteren Schaden verursacht. Durch Abziehen seiner Arbeiter von einer gemeinsamen Baustelle habe er überdies die rechtzeitige Fertigstellung des Bauvorhabens zunichte gemacht. All diese Umstände stellten eine grobe Pflichtverletzung des Beklagten dar, welche seine weitere Funktion als Geschäftsführer unzumutbar machten.

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Er wendete ein, dass er zu Recht die Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft beantragt habe, weil die Voraussetzungen dafür vorgelegen seien. Der Antrag auf Konkurseröffnung sei pflichtgemäß erfolgt.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es vertrat die Rechtsauffassung, dass dem Beklagten die Einbringung des Konkursantrages nicht vorgeworfen werden könne, weil dieser subjektiv der Meinung gewesen sei, dass neben einer Überschuldung auch eine Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft vorlegen habe. Gemäß § 69 KO sei der Beklagte als Geschäftsführer daher nicht nur berechtigt, sondern verpflichtet gewesen, den Insolvenzantrag unabhängig von der Tatsache zu stellen, ob sich im Konkursverfahren eine insolvenzrechtlich relevante Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft herausstellen würde. Die Erschwerung von Überweisungen und seine Verweigerung zur Fertigung weiterer Überweisungsaufträge an die Hausbank seien im Zusammenhang mit seiner Meinung über die Insolvenz der Gesellschaft ebenfalls nicht vorwerfbar. Zu Recht habe der Beklagte seine Arbeiter von einer gemeinsamen Baustelle abgezogen, weil er im Hinblick auf die Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft befürchten musste, dass seine Leistungen nicht abgegolten werden könnten. Zusammenfassend seien daher die Voraussetzungen für eine Abberufung des Beklagten als Geschäftsführer nach § 16 Abs 2 GmbHG nicht gegeben.

Das Berufungsgericht änderte das Ersturteil dahin ab, dass es dem Klagebegehren stattgab. Es vertrat die Rechtsauffassung, dass das Verhalten des Beklagten bei Einbringung eines Konkursantrages gegen seine Sorgfaltspflichten im Sinne des § 25 GmbHG verstoßen habe und daher ein zur Abberufung berechtigender wichtiger Grund im Sinn des § 16 Abs 2 GmbHG gegeben sei. Insbesondere hätte sich der Beklagten nicht auf eine bloße Bankauskunft, aus welcher im Übrigen noch keine Überschreitung des eingeräumten Rahmens hervorgegangen sei, verlassen dürfen. Vielmehr wäre es ihm möglich und zumutbar gewesen, noch weitere Erkundigungen einzuholen, aus denen er unschwer erschließen hätte können, dass eine insolvenzrechtliche Überschuldung der Gesellschaft noch nicht vorgelegen habe. Das Berufungsgericht sprach weiters aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil die Entscheidungen über Geschäftsführerabberufungen spärlich seien.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision des Beklagten aus dem Grunde der Nichtigkeit des Verfahrens sowie der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung, allenfalls nach Nichtigerklärung des vorangegangenen Verfahrens, aufzuheben; hilfsweise, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, dass das Ersturteil wiederhergestellt werde.

Der Kläger beantragte, die Revision als unzulässig zurückzuweisen; hilfsweise, der Revision nicht Folge zu geben.

Die Revision ist entgegen dem das Revisionsgericht nicht bindenden Zulassungsausspruch (§ 508a Abs 1 ZPO) nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

Zur behaupteten Nichtigkeit: Aufgrund einer bundesweiten Registerabfrage durch das Revisionsgericht steht fest, dass dem Kläger kein Sachwalter bestellt wurde. Eine Prozessunfähigkeit und daraus folgende Nichtigkeit des Verfahrens ist sohin nicht ersichtlich. Die Bezeichnung des Klagevertreters als "Sachwalter" in einem anderen Verfahren beruhte auf einem Irrtum, der inzwischen richtig gestellt wurde (S 214).

Eine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO ergibt sich weder aus der Zulassungsbegründung des Berufungsgerichtes noch aus dem Revisionsvorbringen des Beklagten.

Gemäß § 16 Abs 2 GmbHG kann ein Geschäftsführer einer Gesellschaft mbH aus wichtigem Grund durch gerichtliche Entscheidung abberufen werden. Wenn er zugleich Gesellschafter ist, sind die §§ 117 und 127 HGB sinngemäß anzuwenden. Mit dieser Anwendbarkeitserklärung sollte alles, was Lehre und Rechtsprechung zur Abberufung im Recht der OHG entwickelt haben, auch für die GmbH gelten (RIS Justiz RS0059422), insbesondere was als wichtiger Grund für die Rechtfertigung der Abberufung zu verstehen ist (RIS Justiz RS0059537). Das Gesetz definiert die wichtigen Gründe nicht näher und nennt allgemein nur die grobe Pflichtverletzung oder die Unfähigkeit zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung (6 Ob 63/03p). Die Frage, ob ein "wichtiger Grund" für die Abberufung von Gesellschafter Geschäftsführern gegeben ist, hängt so sehr von den Umständen des Einzelfalls ab, dass sie regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO bildet, der über den Einzelfall hinaus Bedeutung zukäme (1 Ob 109/03s in RIS Justiz RS0118175). Ein wichtiger Grund liegt jedenfalls bei grober Pflichtverletzung vor (RIS Justiz RS0059403).

Die vom Berufungsgericht und vom Revisionswerber aufgeworfene Frage, ob sich ein Geschäftsführer bei Stellung eines Konkursantrages auf seine subjektive Überzeugung verlassen dürfe, ist nicht generell beantwortbar, sondern hängt, wie vom Berufungsgericht ohnehin dargelegt, davon ab, welche Informationsmöglichkeiten dem Geschäftsführer zur Verfügung standen und inwieweit es ihm zumutbar gewesen wäre, sich vor Einbringung eines Insolvenzantrages entsprechende Informationen zu verschaffen. Soweit das Berufungsgericht im vorliegenden Fall zur Rechtsauffassung gelangte, dass es dem Beklagten sowohl möglich als auch zumutbar gewesen wäre, zu erkennen, dass nur eine rein rechnerische, jedoch nicht insolvenzrechtliche Überschuldung vorgelegen war, ist diese - insbesondere im Zusammenhang mit dem Sorgfaltsmaßstab des § 25 GmbHG und der Treuepflicht eines GmbH Gesellschafters (RIS Justiz RS0059651) - vertretbar und daher nicht revisibel.

Da der Revisionswerber keine darüber hinausgehende erhebliche Rechtsfrage aufzuzeigen vermag, erweist sich sein Rechtsmittel als unzulässig.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 Abs 1 ZPO. Die Revisionsbeantwortung des Klägers diente der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung, weil darin auf die Unzulässigkeit der Revision mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage hingewiesen wurde. Entgegen seiner Kostennote steht dem Kläger jedoch nur der einfache, nicht aber der dreifache Einheitssatz zu, weil die Spezialbestimmung des § 23 Abs 9 RATG nur für das Berufungsverfahren gilt (RIS Justiz RS0115069).

Rechtssätze
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