JudikaturJustiz9Ob31/09p

9Ob31/09p – OGH Entscheidung

Entscheidung
03. März 2010

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hradil, Dr. Hopf, Hon.-Prof. Dr. Kuras und Dr. Brenn als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj M***** G*****, geboren am ***** 1995, wegen Unterhalts, vertreten durch die Mutter B***** G*****, vertreten durch Dr. Walter Mardetschläger ua, Rechtsanwälte in Wien, infolge Revisionsrekurses des Vaters A***** G*****, Autoverkäufer, *****, vertreten durch Dr. Hans Böck, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts Korneuburg vom 27. November 2008, GZ 20 R 155/08x-32, womit der Rekurs des Vaters gegen den Beschluss des Bezirksgerichts Klosterneuburg vom 8. August 2008, GZ 1 P 84/03p-U-25, zurückgewiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Beschluss des Rekursgerichts wird aufgehoben. Dem Rekursgericht wird die neuerliche Entscheidung unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.

Text

Begründung:

Die minderjährige M***** G*****, geboren am *****1995, begehrt, die Unterhaltsverpflichtung ihres Vaters A***** G***** ab 1. 2. 2005 gegenüber der bisherigen Beschlusslage zu erhöhen. Der Vater sprach sich in seiner schriftlichen Äußerung gegen jegliche Erhöhung bis zum Mai 2006, danach gegen die Höhe der von seiner Tochter beantragten Unterhaltserhöhung aus (ON 7). Im erstgerichtlichen Akt findet sich aber ein Aktenvermerk der zuständigen Rechtspflegerin vom 8. 8. 2008, wonach sich Mag. ***** (Kanzlei Dr. Böck) namens des Vaters telefonisch einverstanden erklärt habe, monatliche Unterhaltszahlungen vom 1. 2. 2005 bis 30. 4. 2006 in der Höhe von 300 EUR und ab 1. 5. 2006 in der Höhe von 520 EUR zu leisten (ON 24).

Das Erstgericht verpflichtete hierauf den Vater - unter Berücksichtigung der bisherigen Unterhaltsverpflichtung gemäß Beschluss des Erstgerichts vom 28. 1. 2004 in der Höhe von monatlich 237 EUR - zur erhöhten Unterhaltsleistung im beantragten Umfang. Das Erstgericht begründete seine Entscheidung mit dem Einverständnis der Parteien, dem pflegschaftsgerichtliche Bedenken nicht entgegenstehen.

Das Rekursgericht wies den dagegen erhobenen Rekurs des Vaters mangels Beschwer zurück. Es hielt dem Einwand des Vaters, dass seine Äußerung gegen den Unterhaltserhöhungsantrag seiner Tochter nicht als Einverständnis gewertet werden könne, den vorgenannten Aktenvermerk der Rechtspflegerin vom 8. 8. 2008 entgegen. Diesem sei klar zu entnehmen, dass der Unterhaltspflichtige der Unterhaltserhöhung zugestimmt habe. Im Hinblick auf diese Zustimmung sei der Vater durch die Entscheidung des Erstgerichts nicht beschwert. Dagegen sei der Revisionsrekurs mangels Vorliegens einer Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG nicht zulässig.

Über Zulassungsvorstellung des Vaters änderte das Rekursgericht den Zulassungsausspruch dahin ab, dass der ordentliche Revisionsrekurs nach § 62 Abs 1 AußStrG doch zulässig sei. Dem Rekurswerber sei zuzustimmen, dass zur Frage, ob eine durch einen Rechtsanwaltsanwärter angeblich telefonisch abgegebene Erklärung als rechtswirksame prozessuale Erklärung qualifiziert werden könne, die die Grundlage für eine Tatsachenfeststellung und die mangelnde Beschwer eines allfälligen Rekurses bilde, keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs vorliege.

Der Vater beantragt im gegen die Rekursentscheidung erhobenen Revisionsrekurs, der sich auf Aktenwidrigkeit und unrichtige rechtliche Beurteilung stützt, das angefochtene „Urteil“ dahin abzuändern, dass das Antragsbegehren abgewiesen werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Minderjährige beantragt in ihrer Revisionsrekursbeantwortung, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs des Vaters ist gemäß § 62 Abs 1 AußStrG zulässig (RIS-Justiz RS0120565, RS0120974 ua); er ist auch im Sinn des gestellten Aufhebungsantrags berechtigt.

Richtig führt das Rekursgericht aus, dass ein Rekurs des Antragsgegners mangels Beschwer zurückzuweisen ist, wenn er dem Antrag zugestimmt hat (vgl Klicka in Rechberger , AußStrG § 45 Rz 1; 6 Ob 83/01a; 9 Ob 1/03t; RIS-Justiz RS0006598 ua). Die Annahme, dass der Vater dem Unterhaltserhöhungsantrag seiner Tochter wirksam zugestimmt habe, ist jedoch verfehlt. Er ist dem Antrag in seiner schriftlichen Äußerung ausdrücklich entgegengetreten. Die Vorinstanzen gingen nun davon aus, dass der Vater nach seiner zunächst ablehnenden schriftlichen Äußerung dem Unterhaltserhöhungsantrag durch seine rechtsanwaltliche Vertretung gegenüber der zuständigen Rechtspflegerin telefonisch zugestimmt habe. Dabei wird offenbar nicht weiter bezweifelt, dass im Außerstreitverfahren telefonische Sachdispositionserklärungen wirksam abgegeben werden können. Diese Auffassung findet jedoch im Gesetz keine Stütze. § 10 AußStrG normiert, dass Anträge, Erklärungen und Mitteilungen (Anbringen) in der Form eines Schriftsatzes beim Gericht erster Instanz eingebracht oder zu Protokoll erklärt werden können (siehe auch § 61 Abs 4 Satz 2 Geo). Telefonische Anbringen sind im AußStrG nicht vorgesehen. Sowohl die Rechtsprechung als auch die Lehre verneinen demzufolge die Wirksamkeit bloß telefonischer Erklärungen der Parteien im Außerstreitverfahren (vgl Fucik/Kloiber , AußStrG § 10 Rz 1; Gitschthaler in Rechberger , ZPO³ § 74 Rz 16; Klicka/Oberhammer/Domej , Außerstreitverfahren Rz 130; Mayr/Fucik , Das neue Verfahren in Außerstreitsachen³ Rz 130; Rechberger in Rechberger , AußStrG § 10 Rz 1; EFSlg 67.220, 94.931; ähnlich zum streitigen Verfahren: Ballon , Einführung in das österreichische Zivilprozessrecht: Streitiges Verfahren 12 Rz 157; Konecny in Fasching/Konecny ² II/2 § 74 Rz 62; Mayr in Fasching/Konecny ² III Vor § 230 Rz 11 ua). Dies galt auch schon für die Vorgängerregelung § 4 Abs 1 AußStrG aF (9 Ob 506/94 ua). Dabei wird zutreffend betont, dass bei telefonischen Erklärungen Missverständnisse nicht ausgeschlossen werden können (vgl 9 ObA 217/90 ua) und auch keine Gewähr für die Identität des Anrufers besteht (vgl Danzl , Geo § 55 Anm 7a, § 61 Anm 8a; EFSlg 67.220, 94.931 ua).

Der Senat schließt sich der vorstehenden Auffassung an. Dabei wird nicht verkannt, dass für den Verkehr zwischen Gerichten, Parteien und Parteienvertretern telefonische Kontakte in der Praxis eine bedeutende Rolle spielen, insbesondere wenn eine schriftliche Erklärung zu spät käme oder es sonst um eine Vorausinformation in Bezug auf ein nachfolgendes schriftliches Anbringen geht (siehe auch § 61 Abs 4 iVm § 55 Abs 5 Geo). Die wenn auch bloß telefonische Information kann im Einzelfall für das Gericht wichtig sein. Dies darf jedoch nicht den Blick darauf verstellen, dass bloß telefonische Anbringen mit Unsicherheiten behaftet sind. Ihnen kommt daher im Außerstreitverfahren keine Wirksamkeit zu. Dies bedeutet aber nicht, dass ihnen das Gericht nicht im Einzelfall nachzugehen hat, etwa durch Abklärung, ob das zunächst bloß telefonische Anbringen in der Form eines Schriftsatzes eingebracht oder zu Protokoll erklärt werden wird (§ 10 AußStrG; siehe auch Fucik/Kloiber , AußStrG § 10 Rz 1; Klicka/Oberhammer/Domej , Außerstreitverfahren Rz 130 ua).

Zusammenfassend kann im vorliegenden Unterhaltserhöhungsverfahren nicht davon ausgegangen werden, dass der Vater dem Unterhaltserhöhungsantrag seiner Tochter rechtswirksam zugestimmt hat. Dem Revisionsrekurs ist daher Folge zu geben und der Beschluss des Rekursgerichts über die Zurückweisung des Rekurses des Vaters mangels Beschwer aufzuheben. Das Rekursgericht wird im weiteren Verfahren neuerlich über den Rekurs des Vaters gegen die erstgerichtliche Unterhaltserhöhung unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund zu entscheiden haben (vgl 2 Ob 256/97d ua).