JudikaturJustiz8ObS7/19s

8ObS7/19s – OGH Entscheidung

Entscheidung
27. Juni 2019

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Tarmann Prentner und Mag. Wessely Kristöfel als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Ingomar Stuper (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Günter Hintersteiner (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei K*****, gegen die beklagte Partei IEF Service GmbH, Geschäftsstelle Linz, Gruberstraße 63, vertreten durch die Finanzprokuratur, 1011 Wien, Singerstraße 17–19, wegen 501 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 13. Mai 2019, GZ 11 Rs 40/19k 12, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Der Kläger und die spätere Schuldnerin, bei der der Kläger vom 1. 2. 2002 bis zu seinem vorzeitigen Austritt gemäß § 25 IO am 17. 11. 2017 (Teilschließung des Unternehmens) als Lagerarbeiter beschäftigt war, schlossen am 19. 12. 2016 eine Altersteilzeitvereinbarung, mit der sie die wöchentliche Normalarbeitszeit ab 1. 2. 2017 von 40 auf 20 Stunden herabsetzten. Weiters wurde vereinbart, dass die Kündigungsentschädigung auf Basis der Arbeitszeit vor der Herabsetzung zu berechnen ist, wenn das Arbeitsverhältnis durch unberechtigte Entlassung oder durch vorzeitigen berechtigten Austritt beendet wird, und dass die Vereinbarung durch den Entfall des Anspruchs auf Altersteilzeitgeld nicht berührt wird.

Das Berufungsgericht gelangte – so wie das Erstgericht – zu dem Ergebnis, dass die vereinbarte, gegenüber dem gesetzlichen Anspruch erhöhte, Kündigungsentschädigung nach dem IESG gesichert ist.

Rechtliche Beurteilung

In ihrer dagegen gerichteten außerordentlichen Revision zeigt die Beklagte keine Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO auf:

1.1 Gemäß § 1 Abs 3 Z 2 lit b IESG gebührt kein Insolvenz-Entgelt für Ansprüche, die auf einer Einzelvereinbarung beruhen, die in den letzten sechs Monaten vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens geschlossen wurde, soweit die Ansprüche über den durch Gesetz, Kollektivvertrag oder Betriebsvereinbarung zustehenden Anspruch oder die betriebsübliche Entlohnung hinausgehen oder auf sonstigen Besserstellungen beruhen, wenn die höhere Entlohnung sachlich nicht gerechtfertigt ist.

Die Beklagte wendet sich im Rechtsmittel offenbar nicht mehr gegen die Auffassung der Vorinstanzen, dass die vom Kläger geltend gemachte Kündigungsentschädigung schon deshalb kein nach dieser Gesetzesstelle ausgeschlossener Anspruch ist, weil die zugrundeliegende Vereinbarung rund elf Monate vor der Insolvenzeröffnung (am 9. 11. 2017) und damit außerhalb des verpönten Zeitraums geschlossen wurde. Vielmehr meint sie, dass sich der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 8 ObS 26/05i nicht ausschließlich mit dieser Bestimmung, sondern auch mit der Höhe der Bemessungsgrundlage der Kündigungsentschädigung auseinandergesetzt habe und dafür das während der Altersteilzeit gebührende Entgelt samt Lohnausgleich herangezogen habe.

1.2 Aus der genannten Entscheidung ergibt sich allerdings nicht, dass nach dem IESG jedenfalls nur eine auf dieser Grundlage berechnete Kündigungsentschädigung gesichert wäre, betont der Oberste Gerichtshof darin doch, dass der dortige Kläger eine sachliche Rechtfertigung für die – innerhalb des Zeitraums des § 1 Abs 3 Z 2 lit b IESG getroffene – vertragliche Vereinbarung einer höheren als der gesetzlich zustehenden Kündigungsentschädigung nicht aufgezeigt habe.

2. § 3 Abs 3 IESG bestimmt, dass der Berechnung des Insolvenz-Entgelts für gesicherte Ansprüche nur die gesetzlichen oder kollektivvertraglichen Kündigungsfristen unter Bedachtnahme auf die Kündigungstermine und die gesetzlichen Kündigungsbeschränkungen zugrunde zu legen sind.

Der Oberste Gerichtshof hat bereits ausgesprochen, dass der Zweck dieser Bestimmung in der Begrenzung der gesicherten Ansprüche liegt. Demnach ist das Ausmaß der gesicherten Ansprüche für die Zeit bis zum Ablauf der gesetzlichen oder kollektivvertraglichen Kündigungsfristen und Kündigungstermine beschränkt. Eine einzelvertraglich vereinbarte Verlängerung der Kündigungsfrist kann keine anspruchserhöhende Wirkung haben (RIS Justiz RS0077437; 8 ObS 15/16p).

Demgegenüber nimmt diese Bestimmung nicht generell jede die Arbeitnehmerseite begünstigende Vereinbarung über die Höhe der Kündigungsentschädigung, konkret über die heranzuziehende Bemessungsgrundlage bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses, von der Sicherung nach dem IESG aus.

3. Richtig ist, dass es Absicht des Gesetzgebers des IESG war, alle Einzelvereinbarungen, die eine unkontrollierte Belastung des Insolvenz-Entgelt-Fonds bewirken könnten, der Höhe nach zu begrenzen (vgl RS0076384). Auch abgesehen von den ausdrücklich im Gesetz genannten Sicherungsausschlüssen sind Vereinbarungen oder Verhaltensweisen, durch die das Risiko im Insolvenzfall missbräuchlich auf den Insolvenz-Entgelt-Fonds überwälzt werden soll bzw durch die eine sonst nicht bestehende Verpflichtung des Insolvenz-Entgelt-Fonds begründet werden soll, diesem gegenüber gemäß § 879 Abs 1 ABGB nichtig (RS0112127; RS0018227; RS0119685; Ristic in Reissner , Arbeitsverhältnis und Insolvenz 8 § 1 IESG Rz 435; Gahleitner in ZellKomm 3 § 1 IESG Rz 5). Der Vorwurf des Rechtsmissbrauchs bestimmt sich danach, ob die Vorgangsweise dem Fremdvergleich standhält (s RS0114470).

Das Berufungsgericht hat in diesem Zusammenhang ausgeführt, dass eine sittenwidrige Inanspruchnahme der Beklagten nicht ersichtlich sei, insbesondere weil mit der Vertragsauflösung auch die Altersteilzeitvereinbarung ihre Wirkung verliere und damit weitergehende Nachteile für den Kläger verbunden seien, so vor allem der Verlust des Privilegs der Abfuhr der Sozialversicherungsbeiträge auf Basis der Arbeitszeit vor der Herabsetzung.

Mit dieser Argumentation, die schon deshalb gut vertretbar ist, weil (auch) der Zuschlag gemäß § 12 Abs 1 Z 4 IESG für den Kläger weiter nach der Beitragsgrundlage vor Herabsetzung der Normalarbeitszeit gezahlt wurde (§ 2 Abs 1 AMPFG iVm § 44 Abs 1 Z 10 ASVG), setzt sich die Revision nicht auseinander (RS0043338).

4. Auch ihre Ansicht, § 25 IO stelle keinen Fall der Altersteilzeitvereinbarung dar, begründet die Beklagte nicht weiter. In den Rechtsfolgen unterscheidet sich der begünstigte Austritt des Arbeitnehmers nach § 25 IO nicht von einem begründeten Austritt nach allgemeinem Arbeitsrecht. Der Arbeitnehmer hat daher gemäß § 25 Abs 2 IO auch Anspruch auf Schadenersatz in der Art der Kündigungsentschädigung (RS0120259 [T3]). Unter dieser Prämisse ist keine grobe Fehlbeurteilung darin zu erblicken, dass die Vorinstanzen den vorzeitigen Austritt nach § 25 IO als Fall des vorzeitigen berechtigten Austritts im Sinne der Altersteilzeitvereinbarung qualifiziert haben.

5. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Rechtssätze
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