JudikaturJustiz8ObS4/94

8ObS4/94 – OGH Entscheidung

Entscheidung
06. Mai 1994

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Huber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Petrag und Dr.Jelinek sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Sylvia Krieger und Johann Gramm als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Udo B*****, Angestellter, ***** vertreten durch Dr.Georg Grießer und Dr.Roland Gerlach, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Arbeitsamt Versicherungsdienste, Schwindgasse 5, 1040 Wien, vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, wegen 32.751,91 S netto Insolvenzausfallgeld, infolge Revision des Klägers gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 27.Oktober 1993, GZ 31 Rs 92/93-11, womit infolge Berufung des Klägers das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 6.April 1993, GZ 16 Cgs 34/93v-6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß die Entscheidung zu lauten hat:

"Die beklagte Partei ist schuldig, dem Kläger 32.751,91 S an weiterem Insolvenzausfallgeld binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Die beklagte Partei ist schuldig, dem Kläger die mit 10.911,04 S bestimmten Kosten des Verfahrens erster und zweiter Instanz (darin 1.811,84 S Umsatzsteuer und 40 S Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen."

Die beklagte Partei ist weiters schuldig, dem Kläger die mit 3.623 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 603,80 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war bei Eduard M***** vom 4.November 1978 bis 15.Februar 1992 als Angestellter beschäftigt. Am 9.Oktober 1991 wurde über das Vermögen seines Dienstgebers das Ausgleichsverfahren eröffnet. Mit Beschluß vom 5.November 1991 ermächtigte das Ausgleichsgericht den Ausgleichsschuldner unter Bezugnahme auf die §§ 20 b und 20 c AO, das Arbeitsverhältnis des Klägers unter Einhaltung der gesetzlichen oder kollektivvertraglichen Kündigungsfrist zu kündigen. Daraufhin richtete der Ausgleichsschuldner an den Kläger folgendes, mit 14. November 1991 datiertes Schreiben:

"Im Hinblick auf den Ermächtigungsbeschluß des Handelsgerichtes Wien vom 5.November 1991 kündige ich Sie per 15.November 1991 zu den gesetzlich/kollektivvertraglichen Kündigungsfristen ohne Einhaltung von Kündigungsterminen."

Der Kläger bezog im Zeitraum vom 22.März bis 31.März 1993 (richtig wohl: 1992) Arbeitslosengeld von 3.904 S.

Mit Bescheid vom 9.Juli 1992 erkannte die beklagte Partei dem Kläger Insolvenzausfallgeld in der Höhe von 268.441,02 S zu; mit weiterem Bescheid vom 15.Jänner 1993 wies die beklagte Partei den darüber hinausgehenden, auf den Titel des Schadenersatzes gemäß § 20d AO gestützten Anspruch auf Insolvenzausfallgeld für den Zeitraum vom 16. Februar 1992 bis 31.März 1992 im Betrage von 32.751,91 S ab.

Der Kläger begehrt die Zuerkennung von Insolvenzausfallgeld in dieser Höhe. Der Anspruch auf Kündigungsentschädigung und Abfertigung sei im § 3 Abs 2 Z 1 IESG geregelt. Diese Ansprüche gebührten aufgrund dieser Ausnahmsbestimmung auch dann, wenn sie nach innerhalb der Frist des § 3 Abs 1 IESG erfolgter Auflösung nach Ablauf dieser Frist entstanden seien. § 3 Abs 3 IESG enthalte eine weitere Ausnahme von § 3 Abs 1 IESG für das laufende Entgelt.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Von der Begrenzung des § 3 Abs 3 IESG werde auch der Schadenersatzanspruch nach § 20d AO erfaßt. Darüber hinaus stelle der Schadenersatzanspruch nach § 20d AO keine Kündigungsentschädigung im Sinne des § 29 AngG dar, weil es sich auch bei der Kündigung gemäß §§ 20b und 20c AO um eine ordnungsgemäße Kündigung handle. Daher müsse sich der Kläger - auch wenn man der Auffassung sei, der Ersatzanspruch nach § 20d AO werde durch § 3 Abs 3 IESG nicht ausgeschlossen - auf seinen Schadenersatzanspruch alles anrechnen lassen, was er in diesem Zeitraum erworben habe; beim Kläger handle es sich hiebei um den Bezug von Arbeitslosengeld vom 22.März 1992 bis 31. März 1992 in der Höhe von 3.904 S.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren mit der Begründung ab, von der Regelung des § 3 Abs 3 IESG würden alle gesicherten Ansprüche einschließlich der Schadenersatzansprüche erfaßt.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil. Es vertrat die Ansicht, mit § 3 Abs 3 IESG sei vom Gesetzgeber der Zeitraum limitiert worden, für welchen ein öffentlich-rechtlicher Anspruch auf Insolvenzausfallgeld gebühre; eine derartige Beschränkung öffentlicher Leistungen sei zulässig und nicht verfassungswidrig. Im Gegensatz zu der vom Verfassungsgerichtshof aufgehobenen Regelung des § 25 KO werde dem Arbeitnehmer durch § 20d AO ein Schadenersatzanspruch für den Fall der begünstigten Kündigung nach den §§ 20 b und 20 c AO zugebilligt und der Arbeitnehmer damit ebenso behandelt wie jeder andere Gläubiger.

Gegen das berufungsgerichtliche Urteil richtet sich die Revision des Klägers aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, es im Sinne der Stattgebung des Klagebegehrens abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist berechtigt.

Wie Holler in "Neuerungen im Bereich der Entgeltsicherung bei Insolvenz", ZAS 1987, 147 ff (151 f) sowie Schwarz-Reissner-Holzer-Holler in "Die Rechte des Arbeitnehmers bei Insolvenz"3 179 zutreffend darlegen, würde bei wortgemäßer Anwendung des mit der IESG-Novelle 1986 eingeführten § 3 Abs 3 IESG auf alle gesicherten Ansprüche schlechthin der Anwendungsbereich des mit der IESG-Novelle 1980, BGBl 580/1980, geschaffenen § 3 Abs 2 Z 1 IESG erheblich eingeschränkt. Eine Analyse der zu der nunmehrigen Fassung führenden Novellengesetzgebung zeigt, daß dieses Ergebnis vom Gesetzgeber nicht gewollt war.

Nach § 3 Abs 1 IESG in der Stammfassung war der Zeitraum, in dem gesicherte Ansprüche entstehen konnten, mit dem Ende des dritten, auf die Eröffnung des Insolvenzverfahrens folgenden Monats begrenzt. Mit der IESG-Novelle 1980 BGBl 580/1980 wurde nach § 3 Abs 1 ein neuer Absatz 2 eingeführt, wonach unbeschadet des Abs 1 Insolvenzausfallgeld für gesicherte Ansprüche - mit Ausnahme der Ansprüche auf laufendes Entgelt - , die nach Ablauf der Frist nach Abs 1 entstanden sind, gebührt, sofern das Arbeitsverhältnis innerhalb der Frist nach Abs 1 gekündigt oder einvernehmlich gelöst wurde. Nach den EBzRV 446 BlgNR 15.GP, 5 f führe die Einhaltung der Kündigungsfrist mitunter dazu, daß Ansprüche - etwa auf Abfertigung - erst nach der Dreimonatsfrist des § 3 Abs 1 IESG entstehen; die Einhaltung der als Schutzbestimmung anzusehenden Kündigungsfrist könne dem Arbeitnehmer nicht zum Nachteil gereichen. Spielbüchler, Insolvenz und Arbeitsrecht, DRdA 1982, 274 (278 f) weist allerdings darauf hin, daß damit vom Grundsatz abgegangen werde, daß nur die bis zum drittfolgenden Monatsende entstandenen Ansprüche gesichert werden; innerhalb der Frist des § 3 Abs 1 IESG könnten nicht nur außerordentliche Kündigungen ausgesprochen worden sein, die an die gesetzlichen Kündigungsmodalitäten gebunden seien; es könne sich auch um ordentliche Kündigungen handeln, die sich an das Vereinbarte halten müßten; mit einvernehmlichen Lösungen könnten beliebige Lösungstermine festgelegt werden - wie befristete Arbeitsverhältnisse. Die gesetzliche Einschränkung, daß die Lösungserklärung oder Lösungsvereinbarung innerhalb der Frist des § 3 Abs 1 IESG erfolgen müsse, setze dem Entstehen von Ansprüchen daher keinerlei zeitliche Grenze. Der Autor habe den Verdacht, daß die Novelle hier ein Loch geöffnet habe, das sich nicht ohne Willkür schließen lasse.

Mit dem Insolvenzrechtsänderungsgesetz (IRÄG) 1982, BGBl 370/1982, wurde § 23 AO neu gefaßt. Im Hinblick auf die Sicherung der Entgeltansprüche für die Zeit nach Eröffnung des Ausgleichsverfahrens bis zum Ende des dritten darauf folgenden Kalendermonates und die Sicherung auf später entstehende Ansprüche bei Kündigung oder einvernehmlicher Lösung in diesem Zeitraum wurden die bisher zur Gänze unter die vom Ausgleichsverfahren nicht berührten Geschäftsführungsforderungen nach § 10 Abs 4 AO fallenden Entgeltansprüche der Arbeitnehmer durch die Einbeziehung nur eines Teiles der Forderungen der Arbeitnehmer für die Zeit nach der Eröffnung des Ausgleichsverfahrens in die bevorrechteten Forderungen nach § 23 Abs 1 Z 3 AO idF des IRÄG zum Teil bloße Ausgleichsforderungen, und zwar, wenn das Beschäftigungsverhältnis nach der Eröffnung des Ausgleichsverfahrens wegen dieser (nach § 20 b oder 20 c AO) durch den Schuldner oder bereits vor Eröffnung des Ausgleichsverfahrens gelöst worden war (siehe AB 1147 BlgNR 15.GP, 6 ff). Schwarz-Holzer-Holler (Die Rechte des Arbeitnehmers bei Insolvenz2 513) wiesen darauf hin, daß im Hinblick auf die zeitliche Limitierung der Sicherung gemäß § 3 Abs 1 IESG der Arbeitnehmer in den von der Bevorrechtung nach § 23 Abs 1 Z 3 AO ausgenommenen Fällen nach Überschreiten der zeitlichen Grenze seine Arbeitsleistung zwar bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses erbringen müsse, dafür jedoch nur Entgelt in Höhe der Ausgleichsquote erwarten dürfe.

Mit der IESG-Novelle 1986 BGBl 395/1986 wurde daraufhin als weitere Ausnahme von der generellen Begrenzung der nach Ende des dritten Monats nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstehenden Ansprüche in einem neuen, nach § 3 Abs 2 IESG eingefügten Abs 3 für den Fall der Kündigung des Arbeitnehmers vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder der außerordentlichen Kündigung gemäß § 25 KO bzw §§ 20 b und 20 c AO bestimmt, daß Insolvenzausfallgeld für gesicherte Ansprüche bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses, längstens jedoch bis zum Ablauf der gesetzlichen oder kollektivvertraglichen Kündigungsfrist unter Bedachtnahme auf die Kündigungstermine und die gesetzlichen Kündigungsbeschränkungen gebührt. Nach den EBzRV 993 BlgNR 16.GP 7 f sollte damit vor allem der durch das IRÄG geschaffenen Rechtslage Rechnung getragen und vermieden werden, daß der gekündigte Arbeitnehmer nach dem Ende des dritten auf die Ausgleichseröffnung folgenden Monates bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses als laufendes Entgelt nur die Ausgleichsquote erhält. Ganz bewußt - um allfällige Mißbräuche zu vermeiden - beschränkte der Gesetzgeber jedoch die Zahlung von Insolvenzausfallgeld nicht nur für laufendes Entgelt, sondern auch für andere Ansprüche wie Sonderzahlungen und Kündigungsentschädigung mit dem Ablauf der nach Gesetz oder Kollektivvertrag zustehenden Kündigungsfrist unter Bedachtnahme auf die Kündigungstermine und die gesetzlichen Kündigungsbeschränkungen.

Bei Auslegung des § 3 Abs 3 IESG stellt sich in erster Linie die Frage, inwieweit damit im Hinblick auf die Nichtaufnahme einer der Einleitung des § 3 Abs 2 IESG entsprechenden Klausel ("unbeschadet Abs 1") eine Einschränkung auch der nach § 3 Abs 1 und 2 IESG gebührenden Ansprüche vorgenommen wurde. Wie Holler, Neuerungen aaO 151 zutreffend darlegt, würde eine konsequente, am Wortlaut orientierte Anwendung des § 3 Abs 3 IESG dazu führen, dem gekündigten Arbeitnehmer auch schon bei Auslaufen der gesetzlichen Kündigungsfrist unter Beachtung des Kündigungstermins vor dem Ende der Dreimonatsfrist des § 3 Abs 1 IESG - anders als den in ungekündigter Stellung weiter arbeitenden Arbeitnehmern - den Entgeltschutz zu versagen. Dieses Ergebnis widerspricht nicht nur den dargestellten Intentionen des Gesetzgebers, sondern würde auch zu einer sachlich nicht gerechtfertigten Schlechterstellung der gekündigten Arbeitnehmer führen, die anders als die nicht gekündigten Arbeitnehmer - bei Kündigung vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens und längerer als der gesetzlichen oder kollektivvertraglichen Kündigungsfrist - ohne Sicherung nur gegen Entgelt in Höhe der Ausgleichsquote bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses zur Weiterarbeit verpflichtet wären. Die in § 3 Abs 3 letzter Halbsatz IESG vorgesehene Begrenzung der Sicherung ist daher nur auf Zeiträume anzuwenden, die nach dem Ende der Dreimonatsfrist des § 3 Abs 1 IESG liegen.

Soweit allerdings Holler Neuerungen aaO 151 f die Auffassung vertritt, diese Begrenzung sei - entgegen dem Wortlaut des Gesetzes und entgegen den diesem entsprechenden Materialien - nur auf laufendes Entgelt anzuwenden, kann ihr nicht gefolgt werden. Es darf nicht übersehen werden, daß mit der Kündigungsentschädigung nach den §§ 1162b ABGB und 29 AngG ebenso wie mit dem Schadenersatzanspruch des Arbeitnehmers nach § 20d AO nur der infolge Verkürzung des bis zur ordnungsgemäßen Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch ordentliche Arbeitgeberkündigung oder durch Ablauf der bestimmten Vertragszeit erforderlichen Zeitraumes entstehende Nachteil des Arbeitnehmers abgegolten werden soll. Es wäre sachlich nicht gerechtfertigt und würde auch den in den §§ 1162b ABGB und 29 AngG zum Ausdruck kommenden Grundsätzen widersprechen, würde der vom Arbeitgeber gekündigte, zu Unrecht entlassene oder zu Recht ausgetretene Arbeitnehmer bezüglich des auf den Zeitraum bis zur fiktiven Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch ordentliche dem Arbeitsvertrag entsprechende Kündigung oder Ablauf der bestimmten Vertragszeit entfallenden Entgeltes weitergehend gesichert als ein Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis vom Arbeitgeber durch ordentliche Kündigung beendet oder bis zum Ende der vertraglich bedungenen Befristung aufrechterhalten wurde und der daher seine Gegenleistung bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses tatsächlich erbringen muß. Soweit daher für nach der tatsächlichen oder fiktiven Dauer des Arbeitsverhältnisses zu bemessende Ansprüche ein nach Ablauf der in § 3 Abs 1 IESG gelegener Zeitraum maßgeblich ist, wird die Sicherung nicht nur mit dem tatsächlichen oder fiktiven Ende des Arbeitsverhältnisses, sondern darüber hinaus auch noch mit dem Ablauf der gesetzlichen oder kollektivvertraglichen Kündigungsfristen unter Bedachtnahme auf die Kündigungstermine und die gesetzlichen Kündigungsbeschränkungen begrenzt. Mit dieser Auslegung wird den oben erwähnten berechtigten Bedenken Spielbüchlers gegen die unzureichende Begrenzung der nach § 3 Abs 2 Z 1 IESG idF BGBl 580/1980 in die Sicherung einbezogenen, nach Ende der Dreimonatsfrist des § 3 Abs 1 IESG entstehenden Ansprüche Rechnung getragen. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, daß der Gesetzgeber mit der IESG-Novelle 1986 die vorzeitige Auflösung in die Ausnahmsbestimmung des § 3 Abs 2 Z 1 IESG einbezog und der Auffassung sein konnte, daß damit der Spielraum für die von Spielbüchler ins Treffen geführten Gestaltungsmöglichkeiten zum Nachteil des Insolvenzausfallgeldfonds erweitert werde, so daß die Begrenzung in § 3 Abs 3 IESG aus dieser Sicht ein notwendiges und sachlich gerechtfertigtes Korrektiv bildet. Soweit Holler in Neuerungen aaO 150 f darauf hinweist, daß die entlassungs- oder austrittsabhängigen Ansprüche nach herrschender Lehre bereits im Zeitpunkt der rechtlichen Lösung des Arbeitsverhältnisses entstünden und lediglich die für die Zuerkennung von Insolvenzausfallgeld nach § 3 Abs 1 IESG irrelevante Fälligkeit hinausgeschoben werde, ist ihr zu erwidern, daß auch der gegenteilige Standpunkt nicht völlig unvertretbar ist und es dem Gesetzgeber nicht verwehrt werden kann, allfällige Zweifel durch eine klare gesetzliche Regelung hintanzuhalten.

Soweit schließlich Holler (Neuerungen aaO 151) gegen die Neuregelung ins Treffen führt, ein Arbeitnehmer, der vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gekündigt worden sei, müsse für den Zeitraum, um den seine arbeitsvertragliche Kündigungsfrist über den gesicherten Zeitraum von drei Monaten und das Ende der gesetzlichen (kollektivvertraglichen) Kündigungsfrist hinausreiche, seine volle Arbeitskraft für lediglich quotenmäßige Entlohnung einsetzen, ist ihr zu erwidern, daß § 23 Abs 1 Z 3 AO idF des IRÄG 1982 im Hinblick darauf, daß der Gesetzgeber die Ausgleichsmasse nur soweit entlasten wollte, als die Sicherung nach dem IESG reicht, bezüglich der Ausnahmen von der Bevorrechtung teleologisch dahin zu reduzieren ist, daß sie nur so weit reichen, als der Arbeitnehmer durch Insolvenzausfallgeld die volle Gegenleistung für die weitere Erbringung seiner Arbeitsleistung erhält (siehe Holzer in der Besprechung der Entscheidung DRdA 1993/21 [220]). Da daher mit § 3 Abs 3 IESG idF BGBl 395/1986 insgesamt eine sachgerechte Regelung getroffen wurde, teilt der Oberste Gerichtshof nicht die Bedenken des Revisionswerbers gegen die Verfassungsmäßigkeit dieser Bestimmung.

Der Oberste Gerichtshof gelangt daher nach dem Wortlaut des Gesetzes und den Gesetzesmaterialien abweichend von der in der Entscheidung DRdA 1993/21 unter Berufung auf Holler (Neuerungen aaO 151) vertretenen Auffassung zum Ergebnis, daß der Hinweis auf den Kündigungstermin im Hinblick auf die vom Gesetzgeber beabsichtigte und auch sachlich gerechtfertigte Einbeziehung sämtlicher gesicherter, auf den Zeitraum nach Ablauf der Dreimonatsfrist des § 3 Abs 1 IESG entfallender Ansprüche (und nicht nur des laufenden Entgelts) nicht allein für den Fall einer Arbeitgeberkündigung vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens Bedeutung erlangen kann, sondern auch für den bei begünstigter Kündigung nach den §§ 20b und 20c AO gebührenden Schadenersatzanspruch nach § 20d AO. Dem Kläger steht daher für den lediglich aus der Verkürzung der Dauer des Arbeitsverhältnisses im Vergleich zur Kündigung unter Beachtung der Kündigungsfristen und -termine nach dem AngG abgeleiteten Schadenersatzanspruch nach § 20d AO Insolvenzausfallgeld zu (vgl ZfV 1989/908).

In diesem Zusammenhang ist darauf zu verweisen, daß auch § 20d AO ein Schadenersatzanspruch ist, bei dem Grundlage des Ersatzes allerdings nicht rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten des Ersatzpflichtigen, sondern dessen von der Rechtsordnung gestatteter Eingriff in fremde Rechte für eigene Zwecke ist (siehe Bydlinski in Klang2 IV/2 542; Fenyves, Schadenersatzansprüche bei Konkurs des Arbeitgebers in Strasser-FS [1983], 349 ff [357 f]; 9 Ob 901/90; WBl 1994, 23). Abgesehen von dieser abweichenden Haftungsgrundlage und der in den §§ 29 AngG und 1162b ABGB vorgesehenen, mit drei Monaten begrenzten Ausnahme von der Anrechnung besteht kein Unterschied zwischen dem Inhalt des Anspruches nach § 20d AO und der Kündigungsentschädigung, insbesondere bezüglich der für die Berücksichtigung im Rahmen der Arbeitslosenversicherung maßgeblichen Bemessung nach dem Zeitraum der Verkürzung des Arbeitsverhältnisses gegenüber der Beendigung durch ordentliche Arbeitgeberkündigung. Es ist daher auf den vom Kläger geltend gemachten Anspruch nach § 20d AO die Vorschrift des § 16 Abs 2 ALVG idF BGBl 412/1990 anzuwenden, nach der ungeachtet des Überganges der Kündigungsentschädigung in der Höhe des als Arbeitslosengeld gewährten Vorschusses auf den Bund das Recht auf gerichtliche Durchsetzung dieses Anspruches beim Arbeitnehmer verbleibt und das gleiche gilt, wenn für die Kündigungsentschädigung Insolvenzausfallgeld beantragt wird. Dem Kläger ist daher Insolvenzausfallgeld für den geltend gemachten Schadenersatzanspruch nach § 20d AO in der begehrten Höhe ohne Abzug des für einen Teil des Bemessungszeitraumes bezogenen Arbeitslosengeldes zuzuerkennen.

Der Revision war daher im Sinne des Abänderungsantrages Folge zu geben.

Die Entscheidung über die Kosten sämtlicher Instanzen beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit a ASGG.

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