JudikaturJustiz8ObS4/17x

8ObS4/17x – OGH Entscheidung

Entscheidung
30. Mai 2017

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Spenling als Vorsitzenden, die Hofrätin Dr. Tarmann Prentner und den Hofrat Dr. Brenn sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Klaus Hübner und Mag. Andreas Schlitzer als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Mag. R***** W*****, vertreten durch Mag. Dr. Christian Gepart, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei IEF Service GmbH, *****, vertreten durch die Finanzprokuratur, 1010 Wien, Singerstraße 17–19, wegen Insolvenzentgelt (60.683 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen vom 23. Februar 2017, GZ 9 Rs 91/16t 17, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO iVm § 2 Abs 1 ASGG).

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Das zugrundeliegende Dienstverhältnis des Klägers war bis 28. Februar 2015 befristet. Gegenstand des Verfahrens sind vom Kläger geltend gemachte Ansprüche für die Zeit von Oktober 2013 bis Februar 2015. Dieser Zeitraum ist jener, der über die (fiktive und von der Beklagten liquidierte) Kündigungsfrist von sechs Wochen hinausgeht.

Der Kläger bezeichnet die hier geltend gemachten Ansprüche als solche auf laufendes Entgelt. Er habe keine Ansprüche im Zusammenhang mit der Beendigung des Dienstverhältnisses geltend gemacht. Da ein befristetes Dienstverhältnis ohne Kündigungsvereinbarung nicht gekündigt werden könne, sei eine Bezugnahme auf gesetzliche oder kollektivvertragliche Kündigungsfristen und Kündigungstermine ausgeschlossen. Eine Einschränkung nach § 3 Abs 3 IESG liege daher nicht vor.

Mit diesen Überlegungen zeigt der Kläger kein Abweichen der Vorinstanzen von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs und damit keine erhebliche Rechtsfrage auf.

2. Vorweg ist darauf hinzuweisen, dass die Sicherung von Arbeitnehmeransprüchen durch den Insolvenzentgeltsicherungsfonds durch das IESG sondergesetzlich geregelt ist. Aus diesem Grund ist die Frage, welche Ansprüche einem Arbeitnehmer im Fall der Insolvenz des Arbeitgebers als Insolvenzforderung gegenüber der Masse zustehen, von jener nach der Sicherung nach dem IESG zu unterscheiden (8 ObS 15/16p). Überhaupt ist zwischen arbeitsrechtlicher, insolvenzrechtlicher und IESG rechtlicher Beurteilung streng zu trennen.

3. Zunächst ist vor allem aus arbeitsrechtlicher Sicht zu bemerken, dass sich der Kläger in Bezug auf sein befristetes Dienstverhältnis auf eine fehlende Kündigungsmöglichkeit beruft. Ohne Kündigungsausschluss ist bei einer rechtswidrigen Kündigung eines befristeten Dienstverhältnisses (ohne vereinbarte Kündigungsmöglichkeit) jedoch das Schadenersatzprinzip anzuwenden. Demnach wird das Dienstverhältnis durch die rechtswidrige Kündigung des Dienstgebers (ebenso durch eine unberechtigte Entlassung) aufgelöst. Das rechtliche Ende des Dienstverhältnisses bestimmt sich je nach der Auflösungserklärung mit dem Tag des Kündigungstermins oder des Entlassungstags (RIS Justiz RS0028151). Dem Dienstnehmer stehen aber die Ansprüche nach § 29 AngG zu (9 ObA 156/07t; Brenn in Reissner , AngG 2 § 19 Rz 31 f und 39).

Nach dieser Betrachtung handelt es sich bei den geltend gemachten Ansprüchen – entgegen der Ansicht des Klägers – nicht um solche auf laufendes Entgelt, sondern um Beendigungsansprüche.

4.1 Von diesen Überlegungen abgesehen ist hier ausschließlich die IESG rechtliche Beurteilung von Bedeutung. Maßgebend ist die Bestimmung des § 3 Abs 3 IESG.

Dazu hat der Oberste Gerichtshof bereits ausgesprochen, dass der Zweck dieser Bestimmung in der Begrenzung der gesicherten Ansprüche liegt. Nach dieser Begrenzung sollen die gesicherten Ansprüche in Ausmaß und Dauer der Sicherung von Einzelvereinbarungen unabhängig seien. Die Sicherung der Ansprüche soll auf das beschränkt werden, was durch gesetzliche oder kollektivvertragliche Regelungen vorgegeben ist. Das Ausmaß der gesicherten Ansprüche ist demnach für die Zeit bis zum Ablauf der gesetzlichen oder kollektivvertraglichen Kündigungsfristen und Kündigungstermine beschränkt. Eine einzelvertraglich vereinbarte Verlängerung der Kündigungsfrist kann keine anspruchserhöhende Wirkung haben (8 ObS 15/16p).

4.2 Entgegen der Ansicht des Klägers muss nach dem klaren Wortlaut der in Rede stehenden Bestimmung die Bezugnahme auf die gesetzlichen oder kollektivvertraglichen Kündigungsfristen und -termine auch für befristete Dienstverhältnisse Bedeutung haben, zumal in § 3 Abs 3 letzter Satz ausdrücklich angeordnet wird, dass der erste und zweite Satz auch auf befristete Arbeitsverhältnisse Anwendung findet. Dementsprechend wurde etwa in der Entscheidung 8 ObS 23/03w festgehalten, dass nach dem völlig unzweideutigen Wortlaut diese Gesetzesstelle der Berechnung des Insolvenzentgelts für gesicherte Ansprüche auch bei befristeten Arbeitsverhältnissen die gesetzlichen oder kollektivvertraglichen Kündigungsfristen unter Bedachtnahme auf die Kündigungstermine und die gesetzlichen Kündigungsbeschränkungen zugrunde zu legen sind.

Darüber hinaus hat der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 8 ObS 219/01s (DRdA 2002, 245 = RdW 2002/569, 620 = ZIK 2002, 108) Folgendes ausgeführt:

„Zweck der Begrenzung der Sicherung nach § 3 Abs 3 IESG war von allen Anfang an eine von den Einzelvereinbarungen unabhängige Dauer der Sicherung. Die Auslegung des Berufungsgerichts, dass die Begrenzung nur im Fall eines Arbeitsverhältnisses auf unbestimmte Zeit, nicht aber – mangels Kündigungsterminen und -fristen – auf befristete Arbeitsverhältnisse anzuwenden sei, widerspricht nicht nur dem Zweck der gesetzlichen Regelung, sondern wäre auch gleichheitswidrig. Nur daraus, dass mit der IESG Novelle 1997 ausdrücklich auch befristete Arbeitsverhältnisse einbezogen wurden, ist nicht zu folgern, dass die Begrenzung nicht auch schon vorher für solche Arbeitsverhältnisse galt.“

Mit dieser Begründung billigte der Oberste Gerichtshof den Standpunkt der Beklagten, dass die gesetzliche Anordnung, wonach die Vereinbarung einer längeren Kündigungsfrist oder eines von der gesetzlichen Lage abweichenden Kündigungstermins keine weiteren Ansprüche auf Insolvenzentgelt begründen könne, umso mehr für ein befristetes Arbeitsverhältnis gelten müsse, weshalb in einem solchen Fall das Insolvenzentgelt bloß unter Zugrundelegung der gesetzlichen Kündigungsfrist und des gesetzlichen Kündigungstermins sowie unter Vernachlässigung der Befristung zu berechnen sei.

4.3 Es ergibt sich somit, dass Beendigungsansprüche bei einem befristeten Dienstverhältnis nur für die Zeit der fiktiven gesetzlichen Kündigungsfrist und des fiktiven gesetzlichen Kündigungstermins unter Vernachlässigung der Befristung gesichert ist (siehe dazu auch RIS Justiz RS0115887 zu 8 ObS 219/01s; Gahleitner in ZellKomm 2 § 3 IESG Rz 8; Hilber , Beendigungsansprüche, in Schnetzinger , Personalverrechnung in der Insolvenz 140).

5. Auf die Entscheidung 8 ObS 9/14b kann sich der Kläger, worauf schon das Berufungsgericht hingewiesen hat, nicht berufen. Diese Entscheidung betrifft den Sonderfall der rechtswidrigen Auflösung des Arbeitsverhältnisses während der Kündigungsfrist, wobei die von der dortigen Klägerin geltend gemachten Ansprüche jene bis zum ursprünglich maßgebenden Kündigungstermin nicht überstiegen haben, weshalb für die Klägerin kein Vorteil bestand.

Auch in dieser Entscheidung hielt der Oberste Gerichtshof allgemein fest, dass für befristete Arbeitsverhältnisse § 3 Abs 3 letzter Satz IESG gelte. Zwar seien danach auch bei befristeten Arbeitsverhältnissen der Berechnung der gesicherten Ansprüche die gesetzlichen oder kollektivvertraglichen Kündigungsfristen unter Bedachtnahme auf die Kündigungstermine und die gesetzlichen Kündigungsbeschränkungen zugrunde zu legen. Die Zielrichtung der Sicherungsbeschränkung des § 3 Abs 3 IESG sei es aber, die Sicherung der Ansprüche im Wesentlichen auf das zu beschränken, was schon allgemein durch gesetzliche oder kollektivvertragliche Regelungen vorgegeben sei.

Diese Aussagen stehen mit dem hier erzielten Ergebnis nicht im Widerspruch.

6. Insgesamt gelingt es dem Kläger nicht, mit seinen Ausführungen eine erhebliche Rechtsfrage aufzuzeigen. Die außerordentliche Revision war daher zurückzuweisen.