JudikaturJustiz8ObS2080/96g

8ObS2080/96g – OGH Entscheidung

Entscheidung
29. August 1996

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Huber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Petrag und Dr.Rohrer sowie die fachkundigen Laienrichter Werner Jeitschko und Alfred Klair als weitere Richter in den verbundenen Sozialrechtssachen der klagenden Parteien 1. Gudrun F*****, 2. Ingrid F*****, 3. Ingrid H*****, 4. Anna M*****, und 5. Georg P*****, alle vertreten durch Dr.Peter Cardona, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte Partei Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen Salzburg, 5027 Salzburg, Auerspergstraße 67, vertreten durch die Finanzprokuratur, 1011 Wien, Singerstraße 17-19, wegen zu 1. S 1.662,60, zu 2. S 3.706,10, zu 3. S 20.004,62, zu 4. S 2.044,10 und zu 5. S 2.576,90 je netto sA, infolge Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 28.Februar 1996, GZ 11 Rs 129/95-10, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Arbeits- und Sozialgericht vom 7.August 1995, GZ 19 Cgs 90/95s-6, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagenden Parteien haben die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Über das Vermögen der Dienstgeberin der klagenden Parteien wurde mit Beschluß vom 21.6.1994 das Konkursverfahren eröffnet. Je mit Schreiben vom 27.6.1994 kündigte der Masseverwalter die Dienstverhältnisse gemäß § 25 Abs 1 KO auf, und zwar hinsichtlich der Erstklägerin zum 27.8.1994, hinsichtlich der Zweitklägerin zum 8.8.1994, hinsichtlich der Drittklägerin zum 27.8.1994, hinsichtlich der Viertklägerin zum 18.7.1994 und hinsichtlich des Fünftklägers zum 25.7.1994. Die klagenden Parteien begehrten von der Beklagten die Zuerkennung der hier strittigen Beträge als Insolvenz-Ausfallsgeld aus dem Titel der Kündigungsentschädigung für folgende Zeiträume: Die Erstklägerin vom 28.8. bis 31.8.1994, die Zweitklägerin vom 9.8.1994 bis 15.8.1994, die Drittklägerin vom 28.8.1994 bis 30.9.1994, die Viertklägerin vom 19.7.1994 bis 22.7.1994 und der Fünftkläger vom 26.7.1994 bis 29.7.1994. Die Drittklägerin erhielt von der Beklagten für den Zeitraum vom 28.8.1994 bis 31.8.1994, während dessen sie kein Einkommen aus einem anderen Dienstverhältnis bezog, den darauf entfallenden Teil der beantragten Kündigungsentschädigung als Insolvenzausfallgeld bezahlt. Darüber hinaus erkannte die Beklagte die Ansprüche als nicht gerechtfertigt, weil die Drittklägerin ab 1.9.1994 und die anderen klagenden Parteien unmittelbar an das Ende der Kündigungsfrist anschließend neue Dienstverhältnisse eingegangen waren, wobei der Verdienst aus diesen Beschäftigungsverhältnissen jedenfalls die Höhe der geltend gemachten Beträge erreichte.

Mit ihren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbundenen Klagen begehrten die klagenden Parteien den Zuspruch der von ihnen gegenüber der Beklagten geltend gemachten Kündigungsentschädigungen gemäß § 25 Abs 2 KO. Gemäß § 29 AngG und § 1162b ABGB sei innerhalb eines Zeitraumes von drei Monaten das Einkommen aus den neu begründeten Dienstverhältnissen nicht in Abzug zu bringen.

Die Beklagte wendete dagegen ein, daß in der Bestimmung des § 25 Abs 2 KO ebenso wie im gleichlautenden § 20d AO eine Pauschalierung des Schadenersatzes nicht vorgesehen sei, sodaß ein anderweitig erzielter Verdienst ohne zeitliche Beschränkung sofort anzurechnen sei.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren, abgesehen von der in Rechtskraft erwachsenen Abweisung eines Zinsenbegehrens, statt. Es führte zur rechtlichen Beurteilung aus, daß der gemäß § 25 Abs 2 KO gebührende Schadenersatz als Kündigungsentschädigung im Sinne des § 1162b ABGB und § 29 AngG zu verstehen sei. Danach könne der Arbeitnehmer das ganze Entgelt für den Zeitraum, der bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Ablauf der Vertragszeit oder Kündigung durch den Arbeitgeber bei Einhaltung der ordnungsgemäßen Kündigungsmodalitäten hätte verstreichen müssen, sofort und ohne Anrechnung fordern, soweit dieser Zeitraum drei Monate nicht übersteige. Es sei nicht einzusehen, warum der Arbeitnehmer im Rahmen der Eingriffshaftung nicht in den Genuß dieser Schadenspauschalierung für die ersten drei Monate des Entschädigungszeitraumes kommen solle. Diese Pauschalierung trage nur dem Umstand Rechnung, daß der exakte, durch den Arbeitsplatzverlust verursachte Vermögensschaden des Arbeitnehmers schwer zu beziffern sei.

Das Gericht zweiter Instanz wies mit dem angefochtenen Urteil die Klagebegehren zur Gänze ab. Es sprach aus, daß die Revision gemäß § 46 Abs 1 ASGG jeweils zulässig sei. Ausgehend von den vom Erstgericht getroffenen Feststellungen verwies es im Rahmen der rechtlichen Beurteilung darauf, daß § 25 Abs 2 KO dem § 20d AO wörtlich nachgebildet sei. Im Hinblick auf diese gleichartige Regelung könne die zum Schadenersatzanspruch nach § 20d AO ergangene oberstgerichtliche Rechtsprechung auch hier angewendet werden. Danach komme aber eine Schadenspauschalierung, wie sie im § 29 AngG und § 1162b ABGB für den Zeitraum der ersten drei Monate vorgesehen sei, nicht in Betracht. Nach Darstellung der in der Literatur vertretenen divergierenden Meinungen schloß es sich jener Grießers in ZAS 1994, 188, an, wonach § 20d AO eine gesetzliche Regelung darstelle, die unter Beachtung der Verpflichtung zur Schadensminderung geschaffen worden sei. Sie gleiche § 1155 ABGB, der ebenfalls kein Verschulden voraussetze und die Anrechnung anderweitigen Verdienstes ab dem Zeitpunkt der Dienstverhinderung vorsehe. Dieses durch Auslegung gewonnene Ergebnis bedürfe keiner Schließung einer Gesetzeslücke durch Rechtsanalogie und sei daher zu bevorzugen. Weil alle klagenden Parteien sich die in den strittigen Zeiträumen in anderen Beschäftigungsverhältnissen erzielten Verdienste anrechnen lassen müßten, seien die Klagebegehren abzuweisen gewesen.

Rechtliche Beurteilung

Der Revision der klagenden Parteien kommt keine Berechtigung zu.

Dem Berufungsgericht ist vorerst darin beizustimmen, daß für die Beurteilung des sich aus § 25 Abs 2 KO ergebenden Schadenersatzanspruches des Dienstnehmers die zum gleichlautenden § 20d AO ergangene Rechtsprechung nutzbar gemacht werden kann. Durch das IRÄG 1994 BGBl 1994/153 wurde nämlich § 25 Abs 2 KO dem Vorbild des § 20d AO nachgebildet (1384 BlgNR 18.GP 8 f) und dadurch im Gegensatz zu der durch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes VGHSlg 13.498 aufgehobenen, bisher in Geltung gestandenen Fassung des § 25 KO nunmehr dem durch den Masseverwalter begünstigt gekündigten Arbeitnehmer ein Schadenersatzanspruch als Konkursforderung zuerkannt. Dieser ist unter Berücksichtigung der gesetzlichen Kündigungstermine aufgrund der Bestimmung des § 3 Abs 3 IESG gesichert (8 ObS 4/94 = SZ 67/85 = DRdA 1995, 158).

Der Schadenersatzanspruch des § 20d AO und nunmehr auch jener des § 25 Abs 2 KO hat als Grundlage des Ersatzes nicht rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten des Ersatzpflichtigen, sondern dessen von der Rechtsordnung gestatteten Eingriff in fremde Rechte für eigene Zwecke (9 Ob 901/90; SZ 67/85). Der Masseverwalter handelt bei Ausübung seines Kündigungsrechtes nach § 25 Abs 1 KO rechtmäßig (SZ 53/34). Schon zu § 25 Abs 2 KO idF bis zur Novelle 1959, der, vergleichbar der nunmehrigen Gesetzeslage, dem vom Masseverwalter vorzeitig gekündigten Arbeitnehmer das Recht einräumte, den Ersatz des ihm dadurch verursachten Schadens als Konkursgläubiger zu verlangen, wurde judiziert, daß die privilegierte Kündigung durch den Masseverwalter insoweit nicht der grundlosen Entlassung oder dem berechtigten vorzeitigen Austritt gleichgesetzt werden könne. Es stehe daher nicht die sogenannte "Kündigungsentschädigung" im Sinne des § 1162b ABGB, § 29 AngG zu. Der Schadenersatzanspruch des gekündigten Dienstnehmers umfasse vielmehr nur den tatsächlich erlittenen Schaden, also den durch die vorzeitige Kündigung verursachten Entgang an Verdienst abzüglich des während des fraglichen Zeitraumes durch anderwärtige Verwendung der Arbeitskraft erzielten Einkommens (SZ 53/34 mwH). Nicht anders ist die geltende Gesetzeslage zu beurteilen. Das dagegen vorgebrachte Argument, im gesamten Arbeitsvertragsrecht verstreut (§ 1162b ABGB, § 29 AngG, § 29 GAngG, § 40 Abs 2 SchSpG, § 84 GewO 1859, § 35 LAG) werde für den gegebenen Zusammenhang eine spezifische Schadensberechnungsmethode verwirklicht, bei der unter anderem Vorteilsausgleichung nur ab dem vierten Monat der Zahlung möglich sei (Holzer/Reissner, Neuerungen im Insolvenzrecht aus arbeitsrechtlicher Sicht, DRdA 1994, 461; Reissner in seiner Glosse zu 8 ObS 4/94, DRdA 1995, 158) kann schon wegen der dargestellten unterschiedlichen Haftungsgrundlage nicht gefolgt werden. Daß, entgegen der von Reissner/Holzer aaO 471 geäußerten Ansicht, das Gesetz den Vorgang nur seiner Rechtswidrigkeit entkleiden, nicht jedoch die Grundsätze der Schadensermittlung verändern wollte, ist - worauf Grießer, Beendigung des Arbeitsverhältnisses bei Insolvenz sowie Entgeltanspruch und dessen Sicherung nach dem IRÄG 1994 im Lichte der neueren Judikatur, ZAS 1994, 188, 192 zutreffend hinweist - durch den Wortlaut des § 20d AO zu widerlegen. Dort wird nämlich zwischen dem zu leistenden Schadenersatz bei Rücktritt vom Vertrag gemäß § 20b AO, Lösung eines Bestandverhältnisses und Lösung eines Arbeitsverhältnisses nicht differenziert. Der Gesetzgeber hat somit erkennbar die Besonderheiten arbeitsvertraglichen Schadenersatzrechtes in diesen Fall der Schadensberechnung nicht einfließen lassen wollen, da anderenfalls die Gleichsetzung von allgemeinem Vertrags-, Bestand- und Arbeitsverhältnis unverständlich wäre. Auch das Argument des Erstgerichtes, es sei nicht einzusehen, warum der Arbeitnehmer im Rahmen der Eingriffshaftung nicht in den Genuß der Schadenspauschalierung kommen solle, vermag nicht zu überzeugen, da nicht unbeachtet bleiben darf, daß im Konkursverfahren die Gleichbehandlung aller Gläubiger ein vorrangiges Ziel ist, welchem die gesetzliche Privilegierung einzelner Gläubiger durch Schadenspauschalierung zuwiderlaufen würde. Auf den Schadenersatzanspruch des § 25 Abs 2 KO ist daher - wie zuletzt auch Liebegg, Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz, 42 f, ausführte - im Unterschied zur Kündigungsentschädigung das Verdiente oder Ersparte von Anfang an voll anzurechnen.

Der Revision ist daher ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf § 77 Abs 1 ASGG, weil die klagenden Parteien keinerlei Gründe für einen ausnahmsweisen Kostenzuspruch nach Billigkeit darlegten.

Rechtssätze
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