JudikaturJustiz8ObS12/12s

8ObS12/12s – OGH Entscheidung

Entscheidung
27. November 2012

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Kuras und Dr. Brenn sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Martina Rosenmayr Khoshideh und Susanna Jonak als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei N***** G*****, vertreten durch Dr. Norbert Moser, Rechtsanwalt in Klagenfurt, gegen die beklagte Partei IEF Service GmbH, *****, vertreten durch die Finanzprokuratur, 1011 Wien, Singerstraße 17 19, wegen Insolvenz Entgelt (367,05 EUR), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 29. August 2012, GZ 6 Rs 28/12b 52, mit dem das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Arbeits- und Sozialgericht vom 11. Jänner 2012, GZ 32 Cgs 104/08p 46, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 225,07 EUR (darin enthalten 37,51 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin war vom 2. 1. 2006 bis 1. 4. 2007 bei der späteren Schuldnerin als Arbeiterin beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete durch Dienstgeberkündigung.

Ab dem Jahr 2003 geriet die spätere Schuldnerin in finanzielle Schwierigkeiten. Ende des Jahres 2005 kam es zu einem Eigentümerwechsel. Der neue Eigentümer bemühte sich um die Sanierung des Unternehmens. Zu diesem Zweck wurde ein Sanierungs- und Finanzierungskonzept aufgestellt, aufgrund dessen für 2007 ein ausgeglichenes Ergebnis sowie für die Jahre 2008 und 2009 ein Gewinn prognostiziert war. Nach diesem Konzept sollte ein Unternehmensbereich geschlossen werden. Zudem sollte es zu einer Personalreduktion von 40 Arbeitnehmern kommen. Laut Prüfbericht der Wirtschaftsprüfer für das Jahr 2006 stellte sich das Vorhaben aufgrund der geplanten Maßnahmen als machbar dar. Seitens der Bank waren zwei Tranchen in Höhe von 500.000 EUR vorgesehen. Die erste Tranche wurde im Juli 2007 ausgezahlt. Die zweite Tranche, die für Ende 2007 geplant war, floss aufgrund eines Eigentümer- und Vorstandswechsels bei der Bank allerdings nicht mehr. In der Folge kam es zu Zahlungsstockungen. Mit Beschluss vom 3. 1. 2008 wurde über das Vermögen der Gesellschaft schließlich das Konkursverfahren eröffnet.

Der Betriebsrat wurde nach dem Eigentümerwechsel im Jahr 2005 gegründet. Über Initiative des Betriebsrats wurde am 16. 4. 2007 betreffend die 40 ausgeschiedenen Arbeitnehmer ein Sozialplan abgeschlossen. Dieser sah einen zur Verfügung stehenden Pauschalbetrag in Höhe von 20.000 EUR vor, der unter den betroffenen Arbeitnehmern nach sozialen Kriterien aufgeteilt werden sollte. Zum Zeitpunkt des Abschlusses der Betriebsvereinbarung über den Sozialplan hatte es der Betriebsrat nicht für möglich gehalten, dass eine Insolvenz eintreten werde. Für ihn kam die Ankündigung des Konkurses überraschend.

Die Klägerin begehrte Insolvenzentgelt für ihren Anspruch aus dem Sozialplan. Mit Bescheid vom 1. 4. 2008 lehnte die Beklagte diesen Antrag ab.

Im vorliegenden Verfahren begehrte die Klägerin die Zahlung von (eingeschränkt) 367,05 EUR sA. Der Sozialplan habe dazu gedient, den ausgeschiedenen Arbeitnehmern entstehende Nachteile auszugleichen. Zum Zeitpunkt des Abschlusses des Sozialplans sei eine allfällige Benachteiligung anderer Gläubiger nicht erkennbar gewesen. Zwischen dem Abschluss der Betriebsvereinbarung und der Konkurseröffnung seien achteinhalb Monate gelegen. Selbst im November 2007 habe noch die reelle Chance auf die Sanierung des Unternehmens bestanden. Die auf einer gültigen Betriebsvereinbarung beruhende Klagsforderung stelle einen Entgeltanspruch dar und sei daher nach dem IESG gesichert.

Die Beklagte entgegnete, dass der Sozialplan eine Beeinträchtigung der Befriedigung der Gläubiger darstelle. Außerdem dienten die vorgesehenen Leistungen ähnlich wie eine freiwillige Abfertigung oder eine außerordentliche Abstandszahlung nicht dem Gesetzeszweck des IESG, der in der Existenzsicherung bestehe.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren (im zweiten Rechtsgang neuerlich) statt. Ein durch Betriebsvereinbarung zwischen Betriebsinhaber und Betriebsrat abgeschlossener Sozialplan sei nach den Vorschriften der KO anfechtbar. Ausgehend von den Feststellungen habe bei der Schuldnerin keine Gläubigerbenachteiligungsabsicht bestanden. Eine solche sei dem Betriebsrat auch nicht bekannt gewesen, zumal selbst die Wirtschaftsprüfer die Sanierung des Unternehmens für machbar gehalten hätten.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Freiwillig gewährte Abfertigungen und Abgangsentschädigungen seien nicht gesichert. Es sei daher zu prüfen, ob es sich bei dem im Sozialplan vorgesehenen Anspruch um einen abfertigungsgleichen Anspruch handle. Dies sei zu verneinen, weil mit dem zur Verfügung gestellten Pauschalbetrag entsprechend dem Fürsorgeprinzip beabsichtigt gewesen sei, die sozialen Nachteile aus der Personalreduktion abzufedern. Die Personalreduktion habe dem Sanierungszweck gedient. Aus diesem Grund bleibe die Prüfung, ob es sich beim Abschluss des Sozialplans um eine anfechtbare Rechtshandlung iSd § 28 Z 2 KO (IO) handle. Eine Anfechtung scheide aus, wenn der Anfechtungsgegner weder Kenntnis noch vorwerfbare Unkenntnis von einer (unterstellten) Benachteiligungsabsicht gehabt habe. Dem Betriebsrat sei kein Vorwurf zu machen, wenn er von der mehr als ein halbes Jahr nach Abschluss des Sozialplans eingetretenen Insolvenz überrascht worden sei. Eine Kenntnis oder ein Kennenmüssen einer vermuteten Benachteiligungsabsicht beim Betriebsrat lasse sich daher nicht erweisen. Weitere Anfechtungsgründe seien von der Beklagten nicht aufgezeigt worden. Die ordentliche Revision sei zulässig, weil zur Frage, ob Ansprüche auf Auszahlungen im Rahmen von Sozialplänen gesicherte Ansprüche iSd § 1 Abs 2 IESG sein können, höchstgerichtliche Rechtsprechung fehle.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der Beklagten, die auf eine Abweisung des Klagebegehrens abzielt.

Mit ihrer Revisionsbeantwortung beantragt die Klägerin, das Rechtsmittel der Gegenseite zurückzuweisen, in eventu, diesem den Erfolg zu versagen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil zur Sicherungsfähigkeit von Ansprüchen, die in einem Sozialplan vorgesehen sind, eine Klarstellung durch das Höchstgericht geboten erscheint. Die Revision der Beklagten ist aber nicht berechtigt.

1.1 Dem Berufungsgericht ist darin zuzustimmen, dass einer freiwilligen Abfertigung in Bezug auf die Sicherungsfähigkeit nach dem IESG eine Sonderstellung zukommt. Der Grund dafür besteht in einer ausdrücklichen gesetzlichen Anordnung. Gemäß § 1 Abs 4a IESG ist nur eine gesetzliche Abfertigung in dem in dieser Bestimmung genannten Ausmaß gesichert (8 ObS 113/98w). Folgerichtig sind auch Ansprüche auf eine zusätzliche Abfertigung, die den Arbeitnehmern in einem Sozialplan zuerkannt werden, nicht gesichert (vgl 9 ObS 6/90 = RIS Justiz RS0051207; 8 ObS 7/08z). Daraus kann aber gerade nicht der allgemeine Schluss gezogen werden, dass für Ansprüche aus einem Sozialplan generell kein Insolvenzentgelt zustehe.

1.2 Eine in einem Sozialplan als (hier erzwingbare) Betriebsvereinbarung festgelegte Leistung gewinnt freilich nicht den Charakter einer gesetzlichen Leistung (zB einer gesicherten gesetzlichen Abfertigung), sie kann aber auch keineswegs als freiwillig angesehen werden (vgl 8 ObS 293/01y). Damit schlägt die Überlegung fehl, dass jede in einem Sozialplan vorgesehene Leistung von vornherein ungesichert sei, weil es sich dabei um eine „freiwillige Leistung“ handle. Es erweisen sich daher die Überlegungen des Berufungsgerichts als zutreffend, wonach aufgrund der gesetzlichen Sonderregelung für gesetzliche Abfertigungsansprüche zu klären ist, ob der in einem Sozialplan vorgesehene Anspruch inhaltlich einen abfertigungsgleichen Anspruch darstellt.

1.3 Diese Frage ist im Anlassfall mit dem Berufungsgericht zu verneinen. Die im Sozialplan vorgesehenen Maßnahmen dienten zur Verhinderung, Beseitigung bzw Milderung der Folgen der intendierten Betriebsänderung. Mit dem zu diesem Zweck zur Verfügung gestellten Pauschalbetrag sollten aufgrund der sozial orientierten Auszahlungskriterien in Verfolgung des Fürsorgeprinzips die sozialen Nachteile der durch den Arbeitsplatzverlust besonders betroffenen Arbeitnehmer entschärft werden. Der Sozialplan diente dazu, die Personalreduktion sowie die Schließung eines Unternehmensbereichs durchzusetzen, um die beabsichtigte Sanierung des Unternehmens zu ermöglichen (8 ObS 3/95). Da somit der Fürsorgecharakter im Vordergrund stand, sind die im Sozialplan festgelegen Ansprüche nicht als mit einer freiwilligen Abfertigung vergleichbare Abgangsentschädigung anzusehen. Sie unterscheiden sich von den den Beschränkungen des § 1 Abs 4 lit a IESG unterliegenden Abfertigungen nicht nur in der Funktion, sondern auch in den Berechnungskriterien und kommen auch in der absoluten Höhe nicht an diese heran.

1.4 Die Konsequenz, dass Ansprüche aus einem Sozialplan als freiwillige Leistungen generell nicht gesichert seien, wird auch von Liebeg (IESG³ § 1 Rz 479 und 482) nicht vertreten. Vielmehr weist er (nur) darauf hin, dass eine Betriebsvereinbarung (Sozialplan) ein Vertrag sei, auf den - neben den besonderen Vorschriften des ArbVG über den Abschluss und den zulässigen Inhalt die Bestimmungen des ABGB und der KO (IO) anzuwenden seien. Werde sie in statu cridae abgeschlossen, liege ein gegen die Interessen der übrigen Gläubiger verstoßendes nachteiliges Rechtsgeschäft vor, das nach § 31 Abs 1 Z 2 zweiter Fall KO (IO) anfechtbar sei. Sozialpläne, die den Arbeitnehmern lediglich deshalb ungebührliche Leistungen zubilligen würden, weil diese ohnehin der Fonds zahle und damit lediglich der Chance wegen abgeschlossen würden, einen Dritten zu belasten, seien nichtig iSd § 879 ABGB.

2.1 Es entspricht der Rechtsprechung, dass durch einen Sozialplan neu geschaffene Arbeitnehmeransprüche keine insolvenzrechtliche Sonderstellung genießen, weder bei der Geltendmachung gegenüber dem IE Fonds noch bei der Geltendmachung im Insolvenzverfahren. Dies bedeutet aber nur, dass der Abschluss eines Sozialplans ein Rechtsgeschäft darstellt, das bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen einer Gläubigeranfechtung ausgesetzt sein kann. Kommen also die Betriebspartner angesichts einer sich bereits abzeichnenden Insolvenz des Betriebsinhabers noch vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens überein, zu Gunsten der Arbeitnehmer einen großzügigen Sozialplan zu vereinbaren, um ihnen im erwarteten Insolvenzverfahren eine möglichst gute Position zu verschaffen, so kann der Insolvenzverwalter in diesem Vorgehen eine gezielte Benachteiligung der Interessen aller Gläubiger sehen und den Sozialplan nach allgemeinen Grundsätzen anfechten. Bei der Beurteilung der Frage, ob dem Vertragspartner des Schuldners die Zahlungsunfähigkeit bzw die Benachteiligungsabsicht bekannt war oder bekannt sein musste, ist auf die Kenntnis bzw das Kennenmüssen der Mitglieder des Betriebsrats abzustellen (9 ObS 6/90 = RIS Justiz RS0051207; Reissner in ZellKomm² §§ 75 78a Rz 5; vgl auch RIS Justiz RS0050972).

2.2 Bei Beurteilung des von der Beklagten geltend gemachten Anfechtungstatbestands der Benachteiligungsabsicht nach § 28 Z 2 KO (IO) sind die Vorinstanzen von den zutreffenden Rechtsgrundsätzen ausgegangen. Ob dem Anfechtungsgegner eine Benachteiligungsabsicht des Schuldners hätte auffallen müssen, hängt im Allgemeinen von den Umständen des Einzelfalls ab (RIS Justiz RS0101976). Eine Benachteiligungsabsicht musste dann bekannt gewesen sein, wenn die Unkenntnis des Anfechtungsgegners auf einer Außerachtlassung der gehörigen Sorgfalt im Zeitpunkt der angefochtenen Rechtshandlung beruhte (RIS Justiz RS0050580 [T4]).

Das Vorliegen dieser Voraussetzungen haben die Vorinstanzen zutreffend verneint. Nach dem Wissensstand (der Mitglieder) des Betriebsrats sollte das Unternehmen saniert und diesem vom neuen Eigentümer Geld zugeführt werden. Das Sanierungs- und Finanzierungskonzept sollte aufgrund der starken Marktposition des Unternehmens im Jahr 2007 zu einem ausgeglichenen Ergebnis führen, wobei die Wirtschaftsprüfer im Jahr 2006 davon ausgingen, dass dieses Vorhaben machbar ist. Für die Jahre 2008 und 2009 war sogar ein Gewinn prognostiziert. Ende 2007 sollte die zweite Tranche der geplanten „Finanzspritze“ der Bank von 500.000 EUR erfolgen, die aufgrund eines Eigentümer- und Vorstandswechsels bei der Bank jedoch nicht mehr ausbezahlt wurde. Erst im November 2007 bestanden die Zahlungsstockungen. Der Konkurs kam für den Betriebsrat überraschend. Zum maßgebenden Zeitpunkt des Abschlusses des Sozialplans hatte der Betriebsrat eine Insolvenz nicht für möglich gehalten. Die Beklagte kann dem Betriebsrat nicht berechtigt vorwerfen, er habe fahrlässig die Augen verschlossen. Sie übersieht zudem, dass der Betriebsrat erst nach dem Eigentümerwechsel Ende des Jahres 2005 gegründet wurde.

3.1 Auch dann, wenn eine anfechtbare Rechtshandlung nicht vorliegt, werden Sozialpläne in der Rechtsprechung mitunter als nichtig iSd § 879 Abs 1 ABGB beurteilt, wenn sie angesichts der sich abzeichnenden Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers den ausscheidenden Arbeitnehmern ungebührliche Zusatzleistungen lediglich deshalb zubilligen, weil diese ohnedies der Fonds bezahlt (8 ObS 14/06a; 8 ObS 14/07b).

In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass der in Form einer erzwingbaren Betriebsvereinbarung abgeschlossene Sozialplan gerade jenes Instrument darstellt, das der Gesetzgeber den Betriebspartnern zur Verhinderung, Beseitigung oder Milderung der Folgen von Betriebsänderungen iSd § 109 Abs 1 ArbVG, die den Arbeitnehmern wesentliche Nachteile bringen, bewusst in die Hand gegeben hat. Es ist daher im Einzelfall genau zu prüfen, ob die Betriebspartner missbräuchlich agiert haben (vgl Holzer/Reissner/Schwarz, Die Rechte des Arbeitnehmers bei Insolvenz 172 und 197; Reissner in ZellKomm² §§ 75 78a IO Rz 5).

3.2 Davon dass die Betriebspartner im Anlassfall missbräuchlich agiert und den vom Arbeitsplatzverlust betroffenen Arbeitnehmern ungebührliche Leistungen lediglich deshalb zugebilligt hätten, weil ein Dritter (der Fonds) damit belastet werden sollte, kann keine Rede sein. Nach den Feststellungen bestand die Intention des Sozialplans im Gesundschrumpfen des Unternehmens, um dessen Weiterbestand zu garantieren. Die Personalreduktion und die Schließung eines Unternehmensbereichs waren Bestandteil des erfolgversprechenden Sanierungskonzepts.

4.1 Entgegen der Ansicht der Beklagten lässt sich auch aus dem Zweck des IESG kein Anspruchsausschluss bzw keine Anspruchsbegrenzung für die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche ableiten. Der Zweck des IESG besteht in einer sozialversicherungsrechtlichen Sicherung von Entgeltansprüchen und sonstigen aus dem Arbeitsverhältnis erwachsenden Ansprüchen von Arbeitnehmern im Fall der Insolvenz des Arbeitgebers. Versichertes Risiko ist im Kernbereich die von den Arbeitnehmern typischerweise nicht selbst abwendbare und absicherbare Gefahr des gänzlichen oder teilweisen Verlusts ihrer Entgeltansprüche, auf die sie typischerweise zur Bestreitung des eigenen Lebensunterhalts sowie des Lebensunterhalts ihrer unterhaltsberechtigten Angehörigen angewiesen sind (8 ObS 42/95; 8 ObS 133/99p).

4.2 Mit den sozial orientierten Kriterien für die Auszahlung des zur Verfügung stehenden Pauschalbetrags (Alleinverdiener bzw Alleinerzieher, Anzahl der Kinder) sollte im Anlassfall den besonderen Härtefällen unter den ausgeschiedenen Mitarbeitern Rechnung getragen werden. Es handelte sich somit durchaus um Ansprüche, auf die die begünstigten Arbeitnehmer typischerweise angewiesen waren.

5. Richtig ist, dass im Verfahren zur Geltendmachung von Ansprüchen nach dem IESG die Verjährung und der Verfall von Ansprüchen auch ohne darauf abzielende Einwendungen wahrzunehmen sind. Dies ist darauf zurückzuführen, dass gemäß § 1 Abs 2 IESG nur jene Ansprüche gesichert sind, die aufrecht, nicht verjährt und nicht ausgeschlossen sind. Dabei handelt es sich nach ständiger Rechtsprechung um von Amts wegen zu prüfende Anspruchsvoraussetzungen (RIS Justiz RS0076711; 8 ObS 9/03m; 8 ObS 14/07b).

Anderes gilt hingegen für die Wahrnehmung eines Anfechtungstatbestands. Gemäß § 1 Abs 3 Z 1 IESG gebührt Insolvenzentgelt nicht für Ansprüche, die durch eine im Sinn der AO bzw der IO (KO) anfechtbare Rechtshandlung erworben wurden. Damit haben grundsätzlich alle (verwirklichten) Anfechtungstatbestände nach der IO (KO) den Verlust des gesicherten Anspruchs nach § 1 Abs 2 IESG zur Folge. Wurde darüber, ob ein Anspruch aufgrund einer anfechtbaren Rechtshandlung erworben wurde, mangels Klage oder Einwendung durch den Insolvenzverwalter noch nicht rechtskräftig entschieden, so ist diese Frage im Verfahren nach dem IESG selbständig zu prüfen (9 ObS 6/90). Die Behauptungs- und Beweislast für den Anfechtungstatbestand trifft allgemein den Insolvenzverwalter und im IESG Verfahren die sich darauf stützende Beklagte.

Daraus folgt, dass entgegen den Ausführungen der Beklagten der erstmals in der Revision angesprochene Anfechtungstatbestand des § 29 Z 1 IO nicht mehr in das Verfahren eingeführt werden kann.

6.1 Zusammenfassend ergibt sich:

Eine in einem Sozialplan als (hier erzwingbare) Betriebsvereinbarung festgelegte Leistung gewinnt nicht den Charakter einer gesetzlichen Leistung, sie ist aber auch keine freiwillige Leistung. Der Abschluss eines Sozialplans stellt ein Rechtsgeschäft dar, das bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen einer Gläubigeranfechtung ausgesetzt sein kann. Grundsätzlich haben alle verwirklichten Anfechtungstatbestände nach der KO (IO) den Verlust des gesicherten Anspruchs nach § 1 Abs 2 IESG zur Folge. Werden in einem Sozialplan angesichts der sich abzeichnenden Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers den ausscheidenden Arbeitnehmern ungebührliche Leistungen deshalb zugebilligt, weil damit ein Dritter belastet werden soll, so ist er zudem mit Nichtigkeit bedroht.

6.2 Die Entscheidungen der Vorinstanzen stehen mit diesen Grundsätzen im Einklang. Anhaltspunkte dafür, dass die Ansprüche aus dem Sozialplan nicht gegenüber dem früheren Arbeitgeber zugestanden wären, haben sich nicht ergeben; Derartiges wurde auch nicht behauptet. Der Revision der Beklagten war daher der Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 77 Abs 1 Z 2 ASGG.

Rechtssätze
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