JudikaturJustiz8ObA76/22t

8ObA76/22t – OGH Entscheidung

Entscheidung
25. Januar 2023

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Tarmann Prentner und Mag. Korn als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Johannes Püller (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Veronika Bogojevic (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei B* P*, vertreten durch Dr. Walter Schuhmeister und Mag. Franz Haydn, Rechtsanwälte in Schwechat , gegen die beklagte Partei Dr. U* H*, vertreten durch Engelbrecht Rechtsanwalts GmbH in Wien, wegen 4.502,13 EUR brutto sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen vom 29. August 2022, GZ 9 Ra 76/22w 25, mit dem das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Arbeits und Sozialgericht vom 5. April 2022, GZ 2 Cga 58/21k 19, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass die Entscheidung lautet:

„Das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei 4.502,13 EUR brutto samt Anhang zu bezahlen, wird abgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 2.880,96 EUR (darin 480,16 EUR USt) bestimmten Kosten des Verfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.“

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit zusammen 2.603,88 EUR bestimmten Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens (darin 205,48 EUR USt und 1.371 EUR Pauschalgebühren) zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

[1] Die Klägerin war bei der Beklagten, einer Ärztin, vom 8. 6. 2020 bis 15. 5. 2021 als Angestellte beschäftigt.

[2] Bereits am 23. 3. 2020 war aufgrund eines Antrags der Klägerin durch Bescheid des Sozialministeriumservice nach § 40 BBG festgestellt worden, dass bei ihr ein Grad der Behinderung von 50 % vorliege. Es wurde ihr ein unbefristeter Behindertenpass im Scheckkartenformat mit Datum 26. 3. 2020 und Gültigkeitsbeginn ab 14. 1. 2020 ausgestellt.

[3] E inen weitere n Bescheid über ihre Eigenschaft als begünstigte Behinderte erhielt die Klägerin nicht, weshalb sie nicht davon ausging, zu diese m Kreis zu gehören.

[4] In ihrer Bewerbung bei der Beklagten wies die Klägerin auf ihre gesundheitlichen Einschränkungen, die ihr bestimmte Tätigkeiten nicht mehr möglich machten, und auf den Behinderungsgrad von 50 % hin. Beim Vorstellungsgespräch sprachen die Streitteile auch darüber, wie sehr die Beschwerden der Klägerin sie einschränken. Ob dabei auch über die Frage der Begünstigung nach dem BEinstG und über Kündigungsmöglichkeiten gesprochen wurde, steht nicht fest. Jedenfalls brachte die Klägerin der Beklagten den Behindertenpass zur Kenntnis. Für die Beklagte war klar, dass die Klägerin mit ihrem Behinderungsgrad von 50 % zum Kreis der begünstigten Behinderten gehörte.

[5] Nach dem Beginn des Dienstverhältnisses am 8. 6. 2020 forderte der Steuerberater der Beklagten die Vorlage eines Bescheids hinsichtlich der Begünstigung der Klägerin. Diese erkundigte sich daraufhin beim Sozialministeriumservice und erfuhr, dass sie für die Anerkennung der Begünstigteneigenschaft einen eigenen Antrag stellen müsse. Dies tat die Klägerin am 15. 6. 2020, worauf ihr mit Bescheid vom Folgetag bestätigt wurde, dass sie ab 15. 6. 2020 dem Kreis der begünstigten Behinderten angehöre und der Grad der Behinderung 50 % betrage. In der Begründung wird ausgeführt, dass die Einschätzung des Behinderungsgrades aufgrund des bereits vorliegenden rechtskräftigen Verfahrensergebnisses erfolgt sei.

[6] Am 11. 4. 2021 kündigte die Beklagte das Dienstverhältnis der Klägerin zum 15. 5. 2021 ohne vorherige Befassung des Behindertenausschusses, weil sie davon ausging, dass d er Ausnahmetatbestand nach § 8 Abs 6 lit b BEinstG erfüllt wäre .

[7] Die Klägerin befand sich nach der Kündigung vom 12. 4.  bis 15. 9. 2021 im Krankenstand und war bis Mitte August 2021 krankheitsbedingt an der Arbeitssuche ver hindert.

[8] Mit ihr er Klage begehrt sie Kündigungsentschädigung samt Sonderzahlungen und Urlaubsersatzleistung in Höhe des Entgeltfortzahlungsanspruchs abzüglich Krankengeld bis 31. 8. 2021.

[9] Das Erstgericht gab dem (eingeschränkten) Klagebegehren statt. Die Feststellung der Zugehörigkeit der Klägerin zum Kreis der begünstigten Behinderten sei erst durch den Bescheid vom 16. 6. 2020 und damit nach Beginn des Dienstverhältnisses erfolgt. Ein em Behindertenpass komme diese Wirkung nicht zu. Nach dem Ablauf von sechs Monaten ab Beginn des Dienstverhältnisses hätte die Klägerin deshalb nur mit Zustimmung des Behindertenausschusses wirksam gekündigt werden können. Da sie vom Wahlrecht Gebrauch gemacht habe, die Beendigung dennoch gegen sich wirken zu lassen, be stehe der Anspruch auf Kündigungsentschädigung zu Recht.

[10] Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Die Ausstellung eines Behindertenpasses nach § 40 BBG erfülle keinen der in § 14 Abs 1 BEinstG aufgezählten Tatbestände und könne daher nicht die dar an geknüpften Rechtsfolgen nach sich ziehen. D azu habe es des weiteren Bescheides vom 16. 6. 2020 bedurft.

[11] Die gemäß § 508a Abs 2 ZPO zugelassene, auf Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und unrichtige rechtliche Beurteilung gestützte Revision der Beklagten strebt die Änderung der Entscheidungen der Vorinstanzen im klagsabweisenden Sinn an, hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Die Klägerin beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, das Rechtsmittel zurückzuweisen, hilfsweise ihm nicht Folge zu geben.

[12] Die Revision ist zulässig, weil die über den Einzelfall hinaus erhebliche Rechtsfrage, ob ein Bescheid über die Ausstellung eines Behindertenpasses nach § 40 BBG mit der Feststellung eines Grades der Behinderung von mindestens 50 % als Nachweis gemäß § 14 Abs 1 BEinstG gil t, in der höchstgerichtlichen Rechtsprechung noch nicht entschieden wurde.

Rechtliche Beurteilung

[13] Die Revision ist auch berechtigt.

[14] 1. Die Beklagte macht in ihrer Rechtsrüge geltend, das Berufungsgericht habe es verabsäumt, sich mit den Tatbeständen des § 14 Abs 1 BEinstG näher auseinanderzusetzen, sondern sei ohne inhaltliche Begründung zum Ergebnis gelangt, dass die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht darunter falle. Diese Auffassung widerspreche dem eindeutigen Gesetzeswortlaut. Nach richtiger Auslegung sei der Status der Klägerin als begünstigte Behinderte bereits vor Beginn des Dienstverhältnisses begründet worden, sodass ihre innerhalb der ersten vier Jahre des Dienstverhältnisses ausgesprochene Kündigung gemäß § 8 Abs 6 BEinstG keiner Zustimmung des Behindertenausschusses bedurft habe.

[15] 2. Die Kündigung eines begünstigten Behinderten darf nach § 8 Abs 2 bis 4 BEinstG bei sonstiger Rechtsunwirksamkeit nur nach Zustimmung des Behindertenausschusses ausgesprochen werden. Hat das Dienstverhältnis zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung noch nicht länger als vier Jahre bestanden, ist dieser Kündigungsschutz nicht anzuwenden, es sei denn die Feststellung der Begünstigteneigenschaft erfolgt innerhalb dieses Zeitraums, wobei während der ersten sechs Monate nur die Feststellung der Begünstigteneigenschaft infolge eines Arbeitsunfalls diese Rechtsfolge auslöst, oder es erfolgt ein Arbeitsplatzwechsel innerhalb eines Konzerns (§ 8 Abs 6 BEinstG).

[16] 3. Als begünstigte Behinderte gelten die in § 2 Abs 1 und 2 BEinstG definierten Personen mit einem Grad der Behinderung von mindestens 50 %.

[17] Die Begünstigungen nach dem BEinstG werden mit dem Zutreffen der Voraussetzungen wirksam (§ 14 Abs 2 BEinstG). Diese erfordern neben den tatsächlichen Voraussetzungen auch einen Nachweis oder Bescheid iSd § 14 Abs 1 und 2 BEinstG. Es genügt nicht, dass bei einer Person eine schwere Behinderung tatsächlich vorliegt und die sonstigen persönlichen Voraussetzungen des § 2 BEinstG erfüllt sind (RIS Justiz RS0125135; 9 ObA 86/06x; 9 ObA 48/08m; K. Mayr in ZellKomm³, § 8 BEinstG Rz 5; VwGH 2000/11/0266; 2013/11/0034; Ro 2014/11/0054). Das Antragsprinzip trägt dem Umstand Rechnung, dass mit der Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderung Rechtsfolgen verbunden sind. Es steht den grundsätzlich berechtigten Personen frei, ob sie davon Gebrauch machen wollen. Auch ein Verzicht auf eine bereits rechtskräftig festgestellte Zugehörigkeit ist möglich (VwGH 2009/11/0009 RdW 2012, 37; K. Mayr aaO § 14 BEinstG Rz 10/1).

[18] 4. Die Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderten kann grundsätzlich auf zwei Wegen erworben werden, nämlich durch eine Entscheidung einer Behörde iSd § 14 Abs 1 BEinstG („ex-lege-Begünstigung“), oder nach Abs 2 leg cit durch einen über Antrag zu erlassenden Bescheid des Bundesamts für Soziales und Behindertenwesen (nunmehr gemäß Art 13 ARÄG 2013, BGBl 2013/138: Sozialministeriumservice).

[19] Nach § 14 Abs 1 BEinstG gilt als Nachweis für die Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderten die letzte rechtskräftige Entscheidung über die Einschätzung des Grades der Minderung der Erwerbsfähigkeit mit mindestens 50 % der in lit a bis d genannten Entscheidungsträger, darunter (lit a) des Sozialministeriumservice.

[20] Die Feststellung des Grades der Minderung der Erwerbsfähigkeit in diesem Nachweis gilt zugleich als Feststellung des Grades der Behinderung.

[21] Diese Zugehörigkeit zum Personenkreis der begünstigten Behinderten auf Grund der in lit a bis d genannten Nachweise erlischt mit Ablauf des dritten Monats, der dem Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung folgt, sofern nicht der Behinderte innerhalb dieser Frist gegenüber dem Sozialministeriumservice erklärt, weiterhin dem begünstigten Personenkreis angehören zu wollen.

[22] Wenn kein Nachweis im Sinne des § 14 Abs 1 BEinstG vorliegt, hat das Sozialministeriumservice auf Antrag den Grad der Behinderung im eigenen Verfahren einzuschätzen und bei Zutreffen der im § 2 Abs 1 BEinstG angeführten sonstigen Voraussetzungen einen feststellenden Bescheid zu erlassen.

[23] 5. Bei Beginn des Dienstverhältnisses der Klägerin verfügte sie unstrittig nicht über einen Bescheid iSd § 14 Abs 2 BEinstG des Sozialministeriumservice, sondern nur über einen von der selben Behörde gemäß § 40 BBG ausgestellten Behindertenpass.

[24] Ein Behindertenpass ist gemäß § 40 BBG behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50 % auf Antrag auszustellen. Voraussetzung dafür ist, dass der Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit entweder nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist (Z 1), oder Geldleistungen wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit (Z 2) oder Pflegegeld, Pflegezulage, Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung (Z 3), oder erhöhte Familienbeihilfe (Z4) bezogen werden, oder dass der Passberechtigte dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des BEinstG angehört (Z 5).

[25] Das Sozialministeriumservice hat den Grad der Behinderung im eigenen Verfahren einzuschätzen, wenn er nicht schon aufgrund eines rechtskräftigen Nachweises gemäß § 40 BBG der Höhe nach feststeht (§ 41 Abs 1 BBG).

[26] Dem Behindertenpass kommt gemäß § 45 Abs 2 BBG idF BGBl I 66/2014, in Kraft getreten am 12. 8. 2014, Bescheidcharakter zu, er kann mit Beschwerde nach dem VwGVG angefochten werden und ist der Rechtskraft fähig.

[27] 6. Der rechtskräftig zuerkannte Behindertenpass erfüllt damit alle Voraussetzungen des Wortlauts des § 14 Abs 1 lit a BEinstG. Grad der Behinderung und Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit sind sowohl im Anwendungsbereich des § 14 Abs 1 BEinstG als auch nach § 40 BBG einander gleichzuhalten.

[28] Die gegenteilige Rechtsansicht der Vorinstanzen, die von einer Nichterwähnung des Behindertenpasses in § 14 BEinstG ausgegangen sind, kann sich auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zur Vorschreibung der Ausgleichstaxe stützen (VwGH Ro 2014/11/0054; 2013/11/0034; vgl im Übrigen auch Ra 2016/11/0016). Der VwGH begründet seine Rechtsansicht darin mit der fehlenden Nennung des Behindertenpasses in § 14 Abs 1 BEinstG; dies sei konsequent, weil begünstigte Behinderte nur eine von mehreren in § 40 BBG genannten Personengruppen seien (VwGH 2013/11/0034; vgl auch die Zitate bei Widy in Widy/Auer Mayer/Schrattbauer , BEinstG § 14 Rz 2).

[29] Mit der Frage der Bescheidqualität des Behindertenpasses gemäß § 45 Abs 2 BBG in der seit 12. 8. 2014 geltenden Fassung hatten sich die genannten Erkenntnisse des VwGH noch nicht auseinanderzusetzen, weil der zu beurteilende Sachverhalt (Zeitraum der strittigen Ausgleichstaxenpflicht) jeweils vor dem Inkrafttreten gelegen war. Nach der bis 12. 8. 2014 geltenden Fassung des § 45 Abs 2 BBG war „ ein Bescheid nur dann zu erteilen “, wenn einem Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses nicht stattgegeben oder der Pass eingezogen wurde.

[30] 7. Grundsätzlich kommt dem Obersten Gerichtshof bei der Auslegung von Verwaltungsrecht keine Leitfunktion zu (RS0116438; RS0113455 [T3]), weshalb keine erhebliche Rechtsfrage vorliegt, soweit das Berufungsgericht seine Entscheidung nicht im Widerspruch zur Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts gelöst hat (RS0116438 [T2]).

[31] Im vorliegenden Fall liegt eine solche Situation insofern nicht vor, als die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zur Qualität des Behindertenpasses als Nachweis gemäß § 14 Abs 1 BEinstG durch die dargestellte Rechtslage überholt wurde. Soweit es sich um – auch unter einem anderen Aspekt zu beurteilende – Vorfragen des Verwaltungsrechts handelt, die die ordentlichen Gerichte zu lösen haben, muss deren Ergebnis auch nicht mit der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs übereinstimmen (RS0123321 [T4, T8]).

[32] Unter Zugrundelegung des § 45 Abs 2 BBG idgF stellt der – hier aufgrund eines eigenen Verfahrens ausgestellte – Behindertenpass einen Bescheid iSd § 14 Abs 1 lit a BEinstG dar, der die Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderten nachweist.

[33] Dem steht auch die Überlegung nicht entgegen, dass begünstigte Behinderte nur eine von mehreren Gruppen sind, die nach § 40 BBG Anspruch auf den Pass haben, weil dies auf die übrigen Nachweisfälle der lit a bis d genauso zutrifft.

[34] 8. Die Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderten aufgrund eines Nachweises nach § 14 Abs 1 BEinstG erlischt nach dessen letzten Satz mit Ablauf des dritten Monats, der dem Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung folgt, sofern nicht der begünstigte Behinderte innerhalb dieser Frist gegenüber dem Sozialministeriumservice erklärt, weiterhin dem Personenkreis der nach diesem Bundesgesetz begünstigten Personen angehören zu wollen.

[35] Es ist daher zu prüfen, ob die Begünstigteneigenschaft der Klägerin zum Zeitpunkt der Begründung ihres Dienstverhältnisses einerseits bereits wirksam begründet und andererseits noch nicht wieder durch Zeitablauf erloschen war.

[36] Der Behindertenpass wurde der Klägerin mit Datum vom 26. 3. 2020 ausgestellt. Eine Beschwerde wurde nicht erhoben. Bei Beginn des Dienstverhältnisses am 8. 6. 2020 waren die Wirkungen des § 14 Abs 1 BEinstG begründet (vgl 9 ObA 72/14z; 9 ObA 86/06x).

[37] Durch ihren am 15. 6. 2020 – und damit jedenfalls vor Ablauf des dritten Monats – gestellten Antrag auf Ausstellung eines Bescheids nach § 14 Abs 2 BEinstG hat die Klägerin gegenüber dem Sozialministeriumservice auch erklärt, dem Kreis der begünstigten Behinderten weiter angehören zu wollen. Dies führt zu dem Ergebnis, dass die Begünstigung der Klägerin lückenlos ab Rechtskraft ihres Behindertenpasses aufrecht war und bei Begründung des Dienstverhältnisses zur Beklagten bereits bestanden hat.

[38] 9. Nach § 8 Abs 6 lit b BEinstG war die innerhalb von weniger als vier Jahren ab Beginn des Dienstverhältnisses ausgesprochene Kündigung der Klägerin daher an die Voraussetzungen der Abs 2 bis 4 leg cit, insbesondere an die vorherige Anhörung des Behindertenausschusses, nicht gebunden.

[39] Der Revision der beklagten Partei war daher Folge zu geben und die Entscheidungen der Vorinstanzen wie aus dem Spruch ersichtlich abzuändern.

[40] Die Entscheidung über die Verfahrenskosten aller Instanzen gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO iVm § 2 ASGG.

[41] Der nicht aufgetragene Schriftsatz der Beklagten vom 17. 2. 2022 war aufgrund der rechtzeitigen Einwendungen der klagenden Partei (ON 16) mangels Notwendigkeit nicht zu honorieren.