JudikaturJustiz8ObA33/12d

8ObA33/12d – OGH Entscheidung

Entscheidung
29. April 2013

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Hofrat Hon. Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätin Dr. Tarmann Prentner und den Hofrat Mag. Ziegelbauer, sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Johanna Biereder und Harald Kohlruss in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei K***** I*****, vertreten durch Mag. Martin Wakolbinger, Rechtsanwalt in Enns, gegen die beklagte Partei P ***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Georg Lehner, Rechtsanwalt in Wels, wegen 6.813,84 EUR brutto sA, über die außerordentlichen Revisionen der klagenden Partei (Revisionsinteresse: 3.747,16 EUR) und der beklagten Partei (Revisionsinteresse: 3.066,68 EUR) gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 11. April 2012, GZ 12 Ra 9/12y 54, womit infolge Berufungen der klagenden und der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichts Linz als Arbeits- und Sozialgericht vom 21. Oktober 2011, GZ 10 Cgs 71/08f-48, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung

I. zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision der klagenden Partei wird im Umfang der Abweisung des Anspruchs auf Urlaubsersatzleistung in Höhe von 428,12 EUR brutto sA nicht Folge gegeben. Der Revision der beklagten Partei wird im Umfang des Zuspruchs der Kündigungsentschädigung in Höhe von 450,32 EUR brutto samt 11,19 % Zinsen seit 1. 11. 2007 sowie den BMVG Beiträgen in Höhe von 387,93 EUR brutto samt 11,19 % Zinsen seit 1. 11. 2007 nicht Folge gegeben. Das Urteil des Berufungsgerichts wird in diesem Umfang als Teilurteil bestätigt.

Die Kostenentscheidung bleibt der Endentscheidung vorbehalten.

II. den

B e s c h l u s s

gefasst:

Den Revisionen der klagenden Partei und der beklagten Partei wird im Übrigen Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird im Umfang des weiteren Zuspruchs von 2.228,43 EUR brutto samt 11,19 % Zinsen aus 653,24 EUR brutto vom 1. bis 31. 10. 2007 und aus 2.228,43 EUR brutto ab 1. 11. 2007 sowie der Abweisung des restlichen Mehrbegehrens von 3.319,04 EUR brutto sA sowie in der Kostenentscheidung aufgehoben und die Rechtssache in diesem Umfang zur neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens bilden weitere Kosten des Berufungsverfahrens.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin war bei der Beklagten, die sich in erster Linie mit der Direktzustellung von Speisen und Getränken an Kunden beschäftigt, vom 1. 10. 2003 bis zum 31. 10. 2007 hauptsächlich als Zustellerin beschäftigt. Das Vertragsverhältnis der Streitteile ist nach den Ergebnissen des bisherigen Verfahrens als echter Arbeitsvertrag anzusehen (8 ObA 49/10d), auf den der Kollektivvertrag für Arbeiter im Hotel und Gastgewerbe (in weiterer Folge: KV) anzuwenden ist. Gegenstand des Rechtsmittelverfahrens sind die von der Klägerin aus diesem Arbeitsverhältnis im Einzelnen geltend gemachten Ansprüche aus dem Titel von Urlaubsentgelten, Jahresremunerationen, Feiertagsentgelten für die Jahre 2005 bis 2007 sowie aus dem Titel einer Kündigungsentschädigung und einer Urlaubsersatzleistung sowie BMVG Beiträgen.

Die Klägerin war im Zeitraum vom 1. 10. 2003 bis zum 15. 2. 2006 auf Basis eines „freien Dienstvertrags“ bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten beschäftigt. Darin war die Zahlung eines Entgelts pro Zustellfahrt sowie die Vergütung eines Aufwandersatzes (Kilometergeld) vereinbart, sofern dieser vom Arbeitnehmer in Rechnung gestellt wird.

Die Klägerin verwendete für die Fahrten ihren eigenen Wagen. Die Streitteile vereinbarten weder eine wöchentliche Normalarbeitszeit noch einen Stundenlohn. Tatsächlich wurde der Klägerin jedoch bis einschließlich Februar 2006 ein Stundenlohn von 7,59 EUR brutto bezahlt und die Klägerin während der eingeteilten Dienste auch zu anderen Arbeiten als den Zustellungen mit dem Argument herangezogen, dass die Klägerin nach Stunden bezahlt werde. Die Klägerin erhielt bis einschließlich Oktober 2005 0,36 EUR an Kilometergeld und bis einschließlich Februar 2006 0,38 EUR an Kilometergeld bezahlt. Ungeachtet des Abschlusses eines schriftlichen „Werkvertrags“ am 1. 3. 2006 und eines schriftlichen „Werbevertrags“ am 1. 5. 2006 änderte sich während der gesamten Dauer des Arbeitsverhältnisses weder die Tätigkeit noch das Entlohnungssystem der Klägerin, die wirtschaftlich für ihre Tätigkeit immer dasselbe erhalten sollte.

Die Klägerin leistete im Jahr 2005 gesamt 1.064,50 (ihrer Lage nach einzeln festgestellte) Arbeitsstunden und erhielt dafür ein Gesamthonorar von 8.079,59 EUR brutto sowie Kilometergelder in Höhe von über 6.000 EUR von der Beklagten bezahlt. Die Klägerin arbeitete nicht vom 27. 1. bis 31. 1.; vom 25. 3. bis 1. 4.; vom 25. 5. bis 1. 6.; vom 4. 6. bis 8. 6.; vom 9. 7. bis 13. 7.; vom 30. 7. bis 3. 8.; vom 15. 8. bis 21. 8.; vom 29. 8. bis 12. 9.; vom 26. 10. bis 30. 10. und vom 5. 11. bis zum 9. 11. 2005.

Die Klägerin leistete im Jahr 2006 gesamt 1.708,5 (ihrer Lage nach einzeln festgestellte) Arbeitsstunden. Sie erhielt von der Beklagten in diesem Jahr Zahlungen von 16.130,05 EUR brutto. Bis einschließlich Februar 2006 wurden der Klägerin nicht näher festgestellte Kilometergelder bezahlt. Ab März 2006 erfolgte keine gesonderte Auszahlung von Kilometergeldern mehr. Die Klägerin arbeitete nicht vom 1. 1. bis 19. 1.; vom 1. 2. bis 19. 3. und vom 8. 9. bis 24. 9. 2006.

Die Klägerin leistete im Jahr 2007 gesamt 1.748,50 (ihrer Lage nach einzeln festgestellte) Arbeitsstunden. Sie erhielt von der Beklagten in diesem Jahr Zahlungen von 14.873,11 EUR brutto. Eine gesonderte Auszahlung von Kilometergeldern erfolgte im Jahr 2007 nicht. Die Klägerin arbeitete nicht vom 23. 2. bis 28. 2.; vom 21. 6. bis 1. 7. und vom 1. 9. bis 30. 9. 2007.

Das Arbeitsverhältnis der Klägerin endete durch Kündigung der Beklagten zum 31. 10. 2007.

Die Klägerin begehrt nach in Rechtskraft erwachsener Abweisung eines Teilbegehrens von 719,71 EUR brutto noch die Zahlung restlicher 6.813,84 EUR brutto sA. Sie brachte dazu, soweit für das Rechtsmittelverfahren von Bedeutung, vor, dass sie nach dem internen Verrechnungsmodell der Beklagten mit einem Stundenlohn von 7,59 EUR brutto entlohnt werden sollte. Auch auf eine Zustellpauschale nahm sie Bezug. Die Senkung des Zustellpauschales mit Abschluss des Werkvertrags sei durch den Abschluss des Werbevertrags ausgeglichen worden. Allerdings habe die Klägerin Aufwandersatz in Form von Kilometergeld bezogen. Ohne Berücksichtigung dieses Aufwandersatzes ergebe sich allenfalls noch für das Jahr 2005 eine überkollektivvertragliche Entlohnung. Für die Jahre 2006 und 2007 ergebe sich eine unterkollektivvertragliche Entlohnung. Die Ansprüche der Klägerin seien unter Berücksichtigung des kollektivvertraglichen Mindeststandards angemessen, hilfsweise sei auf ein ortsübliches Entgelt abzustellen.

Die Beklagte wandte dagegen im Wesentlichen ein, dass die der Klägerin tatsächlich gezahlten Gesamthonorare ihre sich aus dem Kollektivvertrag ergebenden Ansprüche jedenfalls überschritten hätten. Das Verrechnungsmodell habe nicht an Arbeitszeiten, sondern an Zustellungen angeknüpft. Ein Anspruch der Klägerin auf Kilometergeld ergebe sich nicht aus dem Kollektivvertrag.

Das Erstgericht sprach der Klägerin im zweiten Rechtsgang den Betrag von 6.314,06 EUR brutto sA zu und wies das Mehrbegehren von 499,78 EUR brutto ab. Es traf die bereits zusammengefasst wiedergegebenen detaillierten Feststellungen über den Inhalt der zwischen den Parteien geschlossenen Verträge sowie über die von der Klägerin während des gesamten Arbeitsverhältnisses geleisteten Arbeitsstunden (nach Zahl und Lage), die von ihr gefahrenen Kilometer und die an sie bezahlten Honorare. Es führte, soweit für das Revisionsverfahren von Belang, rechtlich aus, dass mit der Klägerin zwar nicht die Bezahlung eines Stundenlohns vereinbart war, dass jedoch zur Berechnung ihrer Entlohnung von der Beklagten faktisch ein Stundenlohn von 7,59 EUR herangezogen und auch bezahlt worden sei. Daran habe sich nach der „Umstellung“ des Vertragsverhältnisses von „freiem Dienstvertrag“ auf „Werkvertrag“ nichts geändert, sodass für das gesamte Arbeitsverhältnis von der konkludenten Vereinbarung des genannten Stundenlohns auszugehen sei. Dass die Parteien für den Fall der Anwendbarkeit von Arbeitsrecht eine andere Entgeltvereinbarung geschlossen hätten, sei nicht behauptet worden. Von den der Klägerin tatsächlich bezahlten Beträgen sei das ihr zustehende amtliche Kilometergeld abzuziehen, weil es sich dabei um Aufwandersatz für die von ihr durchgeführten Zustellfahrten handle. Wäre die Klägerin von Anfang an als Arbeitnehmerin behandelt worden, hätte ihr die Beklagte entweder Kilometergeld bezahlen oder ein Fahrzeug bereitstellen müssen.

Zur Berechnung der Ansprüche der Klägerin sei ausgehend vom Parteiwillen und dem tatsächlich gelebten Vertrag von der insgesamt im Jahresdurchschnitt erbrachten Arbeitsleistung auszugehen. Danach habe die Klägerin unter Berücksichtigung eines Urlaubsanspruchs von fünf Wochen jährlich im Jahr 2005 durchschnittlich 22,65 Stunden pro Woche gearbeitet, im Jahr 2006 durchschnittlich 36,35 Stunden pro Woche und im Jahr 2007 durchschnittlich 45,6 Stunden pro Woche, weshalb für das Jahr 2007 von einer Vollzeitbeschäftigung auszugehen sei. Der sich daraus errechnende durchschnittliche Monatslohn sei der Berechnung der Ansprüche der Klägerin zugrundezulegen. Da die Klägerin mehr als fünf Wochen pro Jahr nicht gearbeitet habe, sei davon auszugehen, dass sie ihren Urlaubsanspruch für jedes Jahr zur Gänze konsumiert habe, weshalb ihr zwar die begehrten Ansprüche auf Urlaubsentgelte, nicht aber ein Anspruch aus dem Titel der Urlaubsersatzleistung zustehe. Im Übrigen bestünden die Ansprüche der Klägerin abgesehen von im Ersturteil im Einzelnen dargestellten Berechnungsdifferenzen zu Recht.

Das Berufungsgericht gab der von der Klägerin gegen dieses Urteil erhobenen Berufung nicht Folge. Hingegen gab es der Berufung der Beklagten teilweise Folge und änderte das Urteil des Erstgerichts dahin ab, dass es dem Klagebegehren im Ausmaß von 3.066,68 EUR brutto sA stattgab und das Mehrbegehren von 3.747,16 EUR brutto samt dem Zinsenmehrbegehren abwies.

Zur Berufung der Beklagten führte das Berufungsgericht aus, dass entgegen der Rechtsansicht des Erstgerichts aufgrund der von den Parteien tatsächlich gelebten Vertragspraxis nicht von einem Anspruch auf einen Stundenlohn von 7,59 EUR zuzüglich Kilometergeld ausgegangen werden könne. Weder sei eine Arbeitszeit noch ein Stundenlohn vereinbart worden. Kilometergeld habe die Klägerin nach Februar 2006 nicht mehr bezahlt erhalten. Die Abrechnung sei nach diesem Zeitpunkt nur mehr aufgrund der von der Klägerin gelegten Honorarnoten nach Zustellungen ohne Kilometergeld erfolgt. Von der Vereinbarung einer überkollektivvertraglichen Entlohnung könne hier daher nicht ausgegangen werden. Ausgehend davon seien die Ansprüche der Klägerin auf Basis des kollektivvertraglichen Mindeststundenlohns zu ermitteln und den tatsächlich bezahlten Honoraren gegenüberzustellen.

Für das Jahr 2005 ergebe sich, dass durch die der Klägerin bezahlten Honorare ihre kollektivvertraglichen Ansprüche einschließlich des für dieses Jahr in der Klage geltend gemachten schon durch die Bezahlung des als „Stundenlohn“ ausgewiesenen Teils des Honorars nahezu abgegolten worden seien. Die Klägerin habe darüber hinaus Kilometergeld erhalten, das als Teil des vereinbarten Entgelts bezahlt worden sei und mit dem unter Anwendung des § 273 ZPO der der Klägerin tatsächlich zustehende Aufwandersatz jedenfalls abgegolten sei. Für das Jahr 2005 stünden der Klägerin daher keine weiteren Ansprüche (Urlaubsentgelt, Jahresremuneration, Feiertagsentgelt) zu, dies gelte infolge der analogen Vertragshandhabung bis Februar 2006.

Für das restliche Jahr 2006 ergebe sich nach dem Kollektivvertrag und unter Berücksichtigung der von der Klägerin für dieses Jahr geltend gemachten Ansprüche ein fiktiver Entgeltanspruch von 11.114,02 EUR brutto, dem tatsächliche Honorarzahlungen von 14.908,06 EUR brutto gegenüberstünden. Die Klägerin habe für diesen Zeitraum kein Kilometergeld erhalten. Allerdings sei der Arbeitgeber unabhängig von einer Vereinbarung gemäß § 1014 ABGB verpflichtet, dem Arbeitnehmer den mit einer aufgetragenen Tätigkeit verbundenen Aufwand zu ersetzen, wozu auch die Kosten der Verwendung des eigenen Fahrzeugs des Arbeitnehmers gehöre. Dieser Aufwand sei jedoch mit der Überzahlung von 3.794,04 EUR unter Anwendung des § 273 ZPO ausreichend abgedeckt, sodass der Klägerin auch die für das restliche Jahr 2006 geltend gemachten Ansprüche (Urlaubsentgelt, Jahresremuneration, Feiertagsentgelt) nicht zustünden.

Anders verhalte sich dies für das Jahr 2007, in dem bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses auf Grundlage des Kollektivvertrags ein fiktiver Entgeltanspruch von 14.595,98 EUR brutto von den der Klägerin gezahlten Honoraren in Höhe von 14.873,11 EUR brutto zwar gerade abgedeckt seien. Allerdings sei durch diese Honorare kein nennenswerter Aufwandersatz für die von der Klägerin in diesem Zeitraum mit dem eigenen Fahrzeug gefahrenen 21.137 Kilometer geleistet worden. Dafür sei ein Betrag zumindest in Höhe der geltend gemachten Ansprüche auf Jahresremuneration, Feiertagsentgelt und Urlaubsentgelt abzuziehen. Die für das Jahr 2007 geltend gemachten Ansprüche der Klägerin an Urlaubsentgelt, Jahresremuneration und Feiertagsentgelt seien daher zuzuerkennen, dies gelte auch für die begehrte Kündigungsentschädigung. Diese Ansprüche seien auch unter Zugrundelegung des kollektivvertraglichen Mindestlohns der Höhe nach berechtigt. Gegen die Zuerkennung der begehrten BMSVG Beiträge habe die Beklagte in der Berufung substantiell nichts eingewendet, sodass auch dieser Anspruch berechtigt sei.

Zur Berufung der Klägerin, die sich inhaltlich nur gegen die Abweisung des Begehrens auf Zuerkennung einer Urlaubsersatzleistung durch das Erstgericht wandte, führte das Berufungsgericht aus, dass Urlaubsentgelte und Urlaubsersatzleistung unterschiedliche Ansprüche seien, weshalb die von der Klägerin gewünschte „Uminterpretation“ des Klagebegehrens nicht möglich sei.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei, weil eine Rechtsfrage in der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO nicht zu beurteilen sei.

Gegen dieses Urteil richten sich die Revisionen beider Parteien.

Beide Parteien machten von der ihnen eingeräumten Möglichkeit der Erstattung einer Revisionsbeantwortung jeweils Gebrauch.

Rechtliche Beurteilung

Die Revisionen beider Parteien sind entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts zulässig und im Sinn des jeweils hilfsweise gestellten Aufhebungsantrags berechtigt.

Aus Gründen der Zweckmäßigkeit werden die Revisionen beider Parteien gemeinsam behandelt.

1.1 Nach den für den Obersten Gerichtshof nicht überprüfbaren Feststellungen wurde der Klägerin für das Jahr 2005 und bis Februar 2006 für die von ihr tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden ungeachtet der im schriftlichen Dienstvertrag getroffenen Regelung ein Stundenlohn von 7,59 EUR brutto bezahlt. Zwar wurde festgestellt, dass die Vertragsparteien keinen Stundenlohn vereinbarten. Andererseits wurde aber auch festgestellt, dass die Klägerin nicht nur für Zustellungen, sondern auch für andere Arbeiten während der eingeteilten, ebenfalls nach Stunden bemessenen „Dienste“ mit dem Argument, dass die Klägerin doch nach Stunden bezahlt werde, herangezogen wurde und dies auch akzeptierte. Weiters ist auch offensichtlich, dass die Vertragsparteien, die den Vertrag ja nicht als Arbeitsverhältnis qualifizierten, keine klare Vereinbarung zur Trennung von arbeitsrechtlichen Entgelt einerseits und Aufwandersatz andererseits getroffen haben. Insoweit ist das Erstgericht durchaus zutreffend von einer der faktischen Aufteilung entsprechenden konkludenten Entgeltvereinbarung in Höhe von 7,59 EUR pro Arbeitsstunde ausgegangen. An der Entlohnung sollte sich nach dem festgestellten Willen des Vertragspartners auch nach der „Umstellung“ auf einen „Werkvertrag“ nichts ändern. Damit ist aber entgegen der Rechtsansicht des Berufungsgerichts von einem vereinbarten Entgelt in dieser Höhe auszugehen. Für eine vom Berufungsgericht im Ergebnis angenommene Entgeltanpassung auf den kollektivvertraglichen Mindestlohn fehlt es an einer Grundlage.

1.2 Dass die Klägerin nach den unstrittigen Verfahrensergebnissen während des „freien Dienstvertrags“ zusätzlich zum vereinbarten Stundenlohn regelmäßig auch ausdrücklich in der Abrechnung als solche bezeichnete Kilometergelder in Höhe des „amtlichen“ Kilometergeldes bezogen hat, ändert daran nichts. Die Beklagte wollte offensichtlich wie dies auch im „freien Dienstvertrag“ vereinbart war der Klägerin im Rahmen der tatsächlichen Handhabung des Vertrags auch einen (echten) Aufwandersatz für die Abgeltung der Kosten, die die Klägerin durch die Verwendung des eigenen Fahrzeugs hatte, bezahlen. Dies steht auch mit der Rechtsprechung im Einklang, wonach im Regelfall unterstellt werden kann, dass vom Arbeitgeber an den Arbeitnehmer für die Benützung des eigenen Wagens anlässlich aufgetragener Dienstfahrten ausbezahlte Kilometergelder, die den amtlichen Satz wie hier nicht übersteigen, echte Aufwandsentschädigungen darstellen (9 Ob 47/09s; RIS Justiz RS0047476). Dass die Beklagte ab März 2006 kein (ausdrücklich als solches bezeichnetes) Kilometergeld mehr an die Klägerin bezahlte, ist unbeachtlich, weil sich nach den den Obersten Gerichtshof bindenden Feststellungen an der Entlohnung für die Klägerin ja wirtschaftlich nichts ändern sollte. Auch für die Zeit ab März 2006 ist daher davon auszugehen, dass die Klägerin das vereinbarte Entgelt in Höhe des genannten „Stundenlohns“ erhalten sollte.

1.3 Auf die Argumente der Klägerin zu einem allfälligen Anspruch auf Zahlung eines amtlichen Kilometergeldes muss schon deshalb nicht weiter eingegangen werden, da sie ein dahingehendes Begehren gar nicht gestellt hat. Auch kann nicht davon ausgegangen werden, dass von Zahlungen der Beklagten ein solches amtliches Kilometergeld vorweg abzuziehen wäre, da die Beklagte diese Zahlungen im Ergebnis eindeutig als Entgeltzahlungen auf den letztlich als vereinbart anzusehenden Stundenlohn von 7,59 EUR erbracht hat. Insoweit kommt aber auch dem Einwand der Beklagten, dass sie mit der Leistung des amtlichen Kilometergeldes mehr als den Aufwand der Klägerin abgegolten habe, schon im Ansatz keine Berechtigung zu, weil diese Zahlungen eben nur in dieser Höhe Entgeltleistungen, darüber hinaus aber Aufwandersatz waren.

1.4 Die Parteien haben im Ergebnis also eine Entgeltvereinbarung getroffen (7,54 EUR brutto pro Stunde), die der Höhe nach den kollektivvertraglichen Mindestentgeltanspruch übersteigt.

Entgegen der Rechtsansicht des Berufungsgerichts ist nun bei der Berechnung der Ansprüche der Klägerin etwa auf Urlaubs oder Feiertagsentgelt oder grundsätzlich vorweg von einem höheren vereinbarten Entgelt und nicht bloß dem kollektivvertraglichen Mindestlohn auszugehen (8 ObA 56/11k; 9 ObA 51/12h).

2. Schon ausgehend davon bedarf die rechtliche Beurteilung der Ansprüche der Klägerin durch das Berufungsgericht einer Korrektur, sodass sich eine Auseinandersetzung mit der in der Revision der Beklagten im Zusammenhang mit der Beurteilung des Aufwandersatzes behaupteten Nichtigkeit und Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens erübrigt.

3. Zu den einzelnen Ansprüchen der Klägerin dem Grunde nach:

3.1 Jahresremunerationen für 2005 bis 2007:

Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, dass es den Parteien des Arbeitsvertrags frei steht, durch eine über dem Mindestansatz des Kollektivvertrags liegende Entgeltvereinbarung eine Abgeltung von Sonderzahlungen vorzusehen (8 ObA 20/04f; 8 ObA 56/11k; 9 ObA 51/12h). Erhielt daher der Arbeitnehmer auf Basis eines „freien Dienstvertrags“ oder „Werkvertrags“ „Honorare“ und wird wie hier festgestellt, dass er in Wahrheit kraft der Art und Gestaltung seiner Verwendung in einem echten Arbeitsverhältnis gestanden ist, das einem bestimmten Kollektivvertrag unterliegt, dann muss bei der Prüfung der Frage, ob er aufgrund dieses Kollektivvertrags noch offene Ansprüche gegen seinen Arbeitgeber auf Sonderzahlungen hat, das gesamte von ihm bezogene „Honorareinkommen“ in Anschlag gebracht werden (RIS Justiz RS0028906). Schon im Hinblick darauf, dass sich das Ausmaß des Anspruchs auf Jahresremuneration gemäß Pkt 14 KV in mehrfacher Hinsicht auf das Kalenderjahr bezieht (vgl insb Pkt 14 lit c, e und f KV), begegnet die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass die von der Beklagten tatsächlich geleisteten Entgelte den kollektivvertraglichen Ansprüchen der Klägerin jeweils bezogen auf ein Kalenderjahr einander gegenüberzustellen sind, entgegen den Ausführungen in der Revision der Beklagten insoweit keinen Bedenken.

Um daher beurteilen zu können, ob und in welchem Ausmaß die von der Klägerin unter diesem Titel geltend gemachten Ansprüche bestehen, werden die der Klägerin bezogen auf das jeweilige Kalenderjahr tatsächlich geleisteten Entgelte nach den oben dargestellten Grundsätzen zu errechnen und den für das jeweilige Kalenderjahr gebührenden kollektivvertraglichen Entgeltansprüche einschließlich Jahresremuneration gegenüberzustellen sein. Dabei wird zu beachten sein, dass die von der Beklagten der Klägerin über die getroffene Entgeltvereinbarung hinaus geleisteten Zahlungen als echter Aufwandersatz nicht Teil der Entgelte sind.

Betreffend das Kalenderjahr 2006 hat das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt, dass ein (fiktives) Überstundenentgelt (vgl Pkt 5 KV) nicht zu berücksichtigen ist. Eine Unrichtigkeit dieser Beurteilung zeigt die Klägerin, die in diesem Jahr durchschnittlich nur 35,74 Stunden pro Woche gearbeitet hat, in ihrer Revision schon deshalb nicht auf, weil sie im Verfahren die Leistung von Überstunden im Jahr 2006 gar nicht konkret behauptet hat und aus diesem Titel auch keinen Anspruch geltend macht.

3.2 Urlaubsentgelte und Feiertagsentgelte für die Jahre 2005 bis 2007 sowie Urlaubsersatzleistung:

Die zwingenden Regelungen über das Urlaubsentgelt sollen sicherstellen, dass der Arbeitnehmer den ihm zustehenden Urlaub auch tatsächlich konsumiert. Eine Vereinbarung, wonach das Urlaubsentgelt unabhängig vom Verbrauch des Urlaubs mit einem erhöhten laufenden Entgelt abgegolten werden soll, ist unwirksam (RIS Justiz RS0077538). Der Oberste Gerichtshof hat bereits ausgesprochen, dass die Geltendmachung von Ansprüchen auf Urlaubsersatzleistung im Hinblick auf diese klare Zielsetzung des Gesetzgebers nicht einmal dann als rechtsmissbräuchlich anzusehen ist, wenn sie mit dem früheren Verhalten eines Arbeitnehmers im Widerspruch steht. Der Berechnung dieses Anspruchs ist daher die von den Parteien getroffene Entgeltabrede zugrundezulegen (8 ObA 20/04f; zuletzt 8 ObA 56/11k; 9 ObA 51/12h). Das gilt in gleicher Weise für die Berechnung von Überstundenzuschlägen und Feiertagsentgelten (8 ObA 56/11k mwN).

Der Berechnung der Ansprüche der Klägerin auf Urlaubsentgelt und Feiertagsentgelt ist daher das zwischen den Parteien vereinbarte Entgelt zugrunde zu legen; eine Anrechnung eines überkollektivvertraglichen Bezugs kommt insofern entgegen dem Vorbringen der Beklagten nicht in Betracht.

3.3 Die Klägerin hält der rechtlichen Beurteilung der Vorinstanzen, dass sie in den Jahren 2005 und 2006 ihre Urlaubsansprüche zur Gänze verbraucht hat, weshalb ihr keine Urlaubsersatzleistung gebührt, auch in der Revision lediglich die Behauptung entgegen, es könnte sich bei ihren Abwesenheiten auch um Zeiten der Arbeitsunfähigkeit, oder „sonstige Stehzeiten“ gehandelt haben. Dem liegt jedoch, worauf bereits das Erstgericht hingewiesen hat, kein entsprechendes Vorbringen der Klägerin zu Grunde, weshalb diesen Ausführungen keine Berechtigung zukommt.

Der Beurteilung der vom Berufungsgericht zugesprochenen Ansprüche der Klägerin aus dem Titel der Kündigungsentschädigung und der BMVG Beiträge tritt die Beklagte in ihrer Revision nicht konkret entgegen, sodass darauf nicht weiter einzugehen ist.

In diesem Umfang war das Urteil des Berufungsgerichts als Teilurteil zu bestätigen.

4. Im Ergebnis erweisen sich die Revisionen beider Streitteile aber im Übrigen als berechtigt. Dies hat zur Folge, dass die Ansprüche der Klägerin neu zu berechnen sind, was hier einen erheblichen rechnerischen Aufwand erfordert. Es ist daher gemäß § 510 Abs 1 letzter Satz ZPO die Entscheidung des Berufungsgerichts aufzuheben und die Rechtssache an dieses zur neuerlichen Entscheidung zurückzuverweisen (8 ObS 22/03y; RIS Justiz RS0117056).

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

Rechtssätze
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