JudikaturJustiz8ObA237/00m

8ObA237/00m – OGH Entscheidung

Entscheidung
28. Mai 2001

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsrekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer und Dr. Rohrer sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Felix Joklik und o. Univ. Prof. Dr. Walter Schrammel als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Hermann S*****, ***** vertreten durch Dr. Franz Gütlbauer, Rechtsanwalt in Wels, als Verfahrenshelfer, wider die beklagte Partei Ferdinand B*****, ***** vertreten durch den Sachwalter Dr. Maximilian Ganzert, Rechtsanwalt in Wels, wegen S 280.000,--, infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Linz als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 8. August 2000, GZ 11 Ra 203/00b-14, womit infolge Rekurses der klagenden Partei der Beschluss des Landesgerichtes Wels als Arbeits- und Sozialgericht vom 11. Juli 2000, GZ 18 Cga 41/00w-11, mit einer Maßgabe bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden ersatzlos behoben.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Der Kläger begehrte mit der am 21. März 2000 beim Erstgericht eingelangten Klage S 280.000,-- als Entgelt für an den Beklagten erbrachte Dienstleistungen. Der Kläger und auch der Beklagte halten sich ständig außerhalb Österreichs auf.

Mit Beschluss vom 11. Juli 2000 hat das Erstgericht der klagenden Partei gemäß § 10 ZustG aufgetragen, binnen zwei Wochen für dieses Verfahren einen in Österreich wohnhaften Zustellungsbevollmächtigten namhaft zu machen und außerdem auf die Rechtsfolgen der Unterlassung hingewiesen, nämlich dass künftige Zustellungen ohne Zustellversuch durch Hinterlegung bei Gericht vorgenommen würden.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung mit der Maßgabe, dass Punkt 2 dieses Beschlusses zu lauten hat:

"Wird dieser Aufforderung nicht fristgerecht nachgekommen, so werden künftige Zustellungen an die Partei, sofern sie nicht mehr an den derzeit bestellten Verfahrenshilfeanwalt bewirkt werden können, ohne Zustellversuch durch Hinterlegung in der Form vorgenommen, dass die Sendung bei diesem Gericht zur Abholung bereit gehalten wird."

Es erklärte den Revisionsrekurs mangels höchstgerichtlicher Judikatur für zulässig und meinte in rechtlicher Hinsicht, dass trotz bestehender aufrechter Prozessvertretung ein Zustellungsbevollmächtigter gemäß § 10 ZustG zu bestellen sei, allerdings mit der erwähnten Maßgabe, weil Arbeits- und Sozialrechtssachen besonders dringlich seien und vorgesorgt werden müsse, falls es in Zukunft zu einer Interessenkollision zwischen dem Kläger und seinem Verfahrenshelfer kommen sollte.

Rechtliche Beurteilung

Gegen diesen Beschluss richtet sich der Revisionsrekurs des Klägers, der zulässig und berechtigt ist.

Hat eine Partei für einen Rechtsstreit Prozessvollmacht erteilt, so haben gemäß § 93 Abs 1 ZPO bis zur Aufhebung der Prozessvollmacht alle diesen Rechtsstreit betreffenden Zustellungen an den namhaft gemachten Bevollmächtigten zu geschehen. Zustellungen dürfen nur an den Prozessbevollmächtigten erfolgen, eine Zustellung an die Partei wäre wirkungslos (RdW 1985, 371). Es ist bei aufrechtem Vollmachtsverhältnis keine Ermessensfrage, ob an den Prozessbevollmächtigten oder an die Partei zugestellt werden soll. Nur bei einer Interessenkollision zwischen einer Partei und deren Bevollmächtigten bzw deren Verfahrenshelfer sind die gerichtlichen Entscheidungen an die Partei selbst zuzustellen (EvBl 1968/3).

Ein nach § 64 Abs 1 Z 3 ZPO bestellter Verfahrenshelfer steht einem bevollmächtigten Vertreter gleich (1 Ob 667/86; Fasching, LB2, Rz 485). Der Verfahrenshelfer ist im Unterschied zum frei gewählten Prozessbevollmächtigten nur dadurch eingeschränkt, dass er ohne Zustimmung der Partei keine Verfügungen über den Streitgegenstand treffen darf; andere Unterschiede liegen nicht vor.

Hieraus ist zu folgern, dass eine Interessenkollision bzw eine zukünftige Unmöglichkeit der Zustellung an den Vertreter bereits vorliegen bzw zumindest absehbar sein muss. Zwar haben sowohl Kläger als auch Beklagter ihren Wohnsitz und ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland, doch verfügen beide über Prozessvertreter für dieses Verfahren im Inland. Eine Zustellung an den Vertreter ist im vorliegenden Fall daher möglich und Schwierigkeiten oder eine Interessenkollision sind im jetzigen Stadium des Verfahrens nicht zu erkennen.

Die Rechtsansicht des Rekursgerichtes, dass die Aufforderung zur Namhaftmachung eines Zustellbevollmächtigten auch schon jetzt zulässig sei, jedoch an diesen namhaft zu machenden Zustellungsbevollmächtigten erst dann zugestellt - oder im Falle der Nichtnamhaftmachung erst dann hinterlegt - werden soll, wenn eine Zustellung an den derzeit vorhandenen Prozessvertreter nicht mehr möglich sein sollte, kann nicht geteilt werden. Die Vorgangsweise der Vorinstanzen war unnotwendig und im Sinne der Prozessökonomie und der Verfahrensbeschleunigung nicht gerechtfertigt, weil das Gericht über den Eintritt der "Bedingung" wohl einen gesonderten und anfechtbaren Beschluss fassen müsste. Die Ansicht des Rekursgerichtes führte zum wohl nicht gewollten Ergebnis, dass das Gericht in jedem Fall eines dauernden Auslandsaufenthalts einer Partei, die bereits einen inländischen Vertreter für das Verfahren hat, prophylaktisch nach freiem Ermessen zusätzlich die Bestellung eines im Inland wohnhaften Zustellungsbevollmächtigten verlangen könnte. Sie widerspricht aber auch dem Grundsatz des rechtlichen Gehörs, weil der Kläger im Falle der Nichtnamhaftmachung eines Zustellungsbevollmächigten vom Eintritt des Bedingungsfalles gar nichts mehr erführe, sich nicht dagegen zur Wehr setzen könnte und für das restliche Verfahren unvertreten wäre.

Dem Revisionsrekurs des Klägers war daher Folge zu geben und die beiden Beschlüsse der Vorinstanzen waren als nicht gesetzgemäß ersatzlos aufzuheben.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 Abs 1 ZPO.