JudikaturJustiz8ObA195/98d

8ObA195/98d – OGH Entscheidung

Entscheidung
11. Februar 1999

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsrekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer und Dr. Rohrer und die fachkundigen Laienrichter MR Mag. Dr. Martha Seböck und Mag. Christa Marischka als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Betriebsrat der Angestellten der A***** Aktiengesellschaft, *****, und des Nebenintervenienten auf Seiten der klagenden Partei Roland P*****, beide vertreten durch Dr. Helga Hofbauer, Rechtsanwältin in Wien, wider die beklagte Partei A***** Aktiengesellschaft, *****, vertreten durch Dr. Bernhard Hainz, Rechtsanwalt in Wien, wegen Entlassungsanfechtung, infolge des gemeinsamen Revisionsrekurses der klagenden Partei und des Nebenintervenienten und des Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 20. März 1998, GZ 9 Ra 357/97d-34, mit dem das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 27. November 1996, GZ 17 Cga 310/95x-26, aufgehoben wurde, den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Den Revisionsrekursen wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Der 1943 geborene Nebenintervenient, der den Beruf eines Großhandelskaufmannes erlernt hatte, war seit 1. 7. 1981 bis zu seiner am 4. 7. 1995 ausgesprochenen Entlassung, also durch 14 Jahre, bei der beklagten Partei angestellt und im Außendienst eingesetzt; sein Dienstverhältnis unterlag dem Kollektivvertrag für Angestellte der Banken und Bankiers. Zuletzt verdiente er S 41.500,-- brutto 14 mal jährlich. Er war mit der Akquisition von Kredit- und Leasingaufträgen im Großkundenbereich, und zwar speziell im Bereich der Nutzfahrzeuge, beschäftigt. Seine Kunden waren Spediteure, Transportunternehmer, Baumeister usw. Diese betreute er von der Kontaktaufnahme weg und nahm bis zu einem gewissen Pouvoir auch die Bonitätsprüfungen vor; darüberhinaus mußte er die Bewilligung eines Vorgesetzten einholen. Bei Ablehnungen verständigte er die Kunden davon, bei Bewilligungen erstellte er Kredit- und Leasingverträge, fertigte sie firmenmäßig, nahm Sicherheiten herein und zahlte letztlich auch die Gelder aus. In den ersten sieben Jahren seiner Tätigkeit war er zu rund 70 bis 75 % im Außendienst eingesetzt; im Hinblick auf Erweiterungen der Administrationsaufgaben arbeitete er zuletzt nur noch mit rund 50 % im Außendienst. Sein Arbeitsplatz bei der beklagten Partei befand sich an einem Schreibtisch im Hintergrund des Kassenraums. Dabei war er im Blickfeld der Kunden, hatte jedoch mit den im Kassenraum abgewickelten Bankgeschäften nichts zu tun.

Der Nebenintervenient ist eher emotional und vertritt seinen Standpunkt mit Temperament, und zwar auch gegenüber Vorgesetzten im Zusammenhang mit dienstlichen Weisungen, mit denen er nicht einverstanden war. Daß er diese aber mißachtet oder sonstige Pflichtwidrigkeiten begangen hätte und deshalb verwarnt worden wäre, konnte nicht festgestellt werden. Er war ein guter Berater und Verkäufer und trug zur positiven Umsatzentwicklung bei.

Nachdem sein ihm nahestehender Bruder im Frühjahr 1994 verstorben war, erhielt er von dessen Kindern als Andenken eine quasi als Krawattenersatz gefertigte massive Goldkette - eine sogenannte "Königskette" -, die 65 cm lang war und einen Durchmesser von 1 cm hatte. Diese trug er über dem Hemd, aber unter dem Hemdkragen, wobei der oberste Hemdknopf geöffnet war und sie ihm bis zur Brust reichte.

Bei der beklagten Partei gibt es keine ausdrücklichen Bekleidungsvorschriften, jedoch ist es grundsätzlich üblich, daß männliche Mitarbeiter eine Krawatte tragen. Der Nebenintervenient trug während seiner gesamten Tätigkeit niemals eine Krawatte, da das bei dem von ihm betreuten Kundenkreis nicht üblich war. Er hatte stets einen von der beklagten Partei tolerierten Ausnahmestatus und arbeitete in Hemd und Hose, wobei am Hemd ein Knopf offenblieb.

Nachdem er begonnen hatte, die Goldkette zu tragen, wurde er von mehreren Kollegen und auch von seinem unmittelbaren Vorgesetzten darauf angesprochen. Er erklärte, daß es sich um ein Erbstück nach seinem verstorbenen Bruder handle. Daraufhin sprachen ihm sowohl seine Kollegen als auch der Vorgesetzte Beileid aus. Auch der Regionalleiter erfuhr davon, daß die Kette ein Erbstück des kürzlich verstorbenen Bruders ist. Dem Nebenintervenienten wurde weder verboten, die Kette zu tragen, noch wurde er darauf hingewiesen, daß er sie nur eine bestimmte Zeit tragen dürfe, oder daß das Tragen der Goldkette nicht den Vorstellungen der beklagten Partei entspreche. Dies wirkte sich weder negativ auf die erzielten Umsätze aus, noch erstand der beklagten Partei sonst ein Schaden daraus. Es kam auch keineswegs zu zahlreichen Kundenbeschwerden oder den Verlust von Kunden. Nur ein Kunde sprach den Regionalleiter ausdrücklich auf die ihm unangenehm aufgefallene Goldkette an; dieser war allerdings kein Kunde des Nebenintervenienten.

Aus Anlaß von Schwierigkeiten des Nebenintervenienten mit einer neuer Anweisung betreffend die Verwertung von Lastkraftwagen führten seine Vorgesetzten mit ihm am 30. 5. 1995 ein Mitarbeitergespräch. Gegen dessen Ende wurde auch die Goldkette angesprochen und er unvermittelt aufgefordert, diese abzunehmen und seine Kleidung dem "Bankstandard" anzupassen. Der Nebenintervenient verwies darauf, daß es sich um ein Erbstück handle, er diese Kette bereits seit einem Jahr trage und dies von der Geschäftsleitung stets toleriert worden sei. Er ersuchte, ihm das nunmehrige Verbot schriftlich zu erteilen, und kündigte an, sich diesbezüglich bei der Arbeiterkammer zu erkundigen.

Am 27. 6. 1995 verfaßte der Personalchef der beklagten Partei ein an ihn gerichtetes Schreiben mit folgendem Wortlaut: "In mehrmaligen Gesprächen mit Ihren Vorgesetzten wurden Sie darauf hingewiesen, daß Ihre Art von Kleidung nicht unseren Vorstellungen vom Auftreten eines Bankangestellten entspricht. Ihr Verhalten hat auch bereits Kundenbeschwerden ausgelöst. Nachdem diese Gespräche zu keiner Änderung geführt haben, insbesondere das Tragen einer Goldkette als Krawattenersatz, sehen wir uns leider gezwungen, Sie auf diesem Wege aufzufordern, Ihre Kleidung dem üblichen Bankstandard im Kundenverkehr anzupassen. Sollten Sie sich auch dieser Aufforderung widersetzen, so wären wir zu unserem Bedauern gezwungen, dienstrechtliche Maßnahmen zu setzen."

Der Nebenintervenient erhielt dieses Schreiben am 28. 6. 1995, informierte die stellvertretende Betriebsratsvorsitzende und suchte am 30. 6. 1995 die Arbeiterkammer auf. Dort wurde ihm empfohlen, die Kette "um des lieben Friedens willen" abzunehmen, da er sonst wahrscheinlich mit der Kündigung zu rechnen habe. Bei dem an diesem Tag stattfindenden "jour fix" in der Personalabteilung, bei dem die Stellvertreterin des Betriebsratsvorsitzenden das Schreiben vom 27. 6. 1995 zur Sprache brachte, wurde ihr vom Personalchef mitgeteilt, daß es sich um keine Verwarnung, sondern eine reine Ermahnung handle. Am gleichen Tag verfaßte dieser ein weiteres Schreiben an den Nebenintervenienten mit nachstehendem Inhalt: "Wir bedauern, daß Sie auch unserer schriftlichen Weisung vom 27. 6. 1995 nicht Folge geleistet haben. Sollte Ihnen der Inhalt nicht verständlich genug sein, fordern wir Sie hiermit letztmalig und ultimativ auf, dafür Sorge zu tragen, daß ihre dicke goldene Halskette im Bank- und Kundenbereich nicht sichtbar ist. Sollten Sie dieser Weisung nicht unverzüglich nachkommen, haben Sie mit dienstrechtlichen Maßnahmen zu rechnen."

Dieses zweite Schreiben erhielt der Nebenintervenient am 3. 7. 1995. Selbst im Zeitpunkt der Abfassung dieses Schreibens war sich der Personalchef noch nicht im klaren, welcher Art die dem Nebenintervenienten angedrohten "dienstrechtlichen Maßnahmen" seien sollten. Weder das Schreiben vom 27. 6. noch das vom 30. 6. 1995 wurden vor der Abfassung in irgendeiner Form mit dem Betriebsrat erörtert. Nach Erhalt des zweiten Schreibens kontaktierte der Nebenintervenient neuerlich den Betriebsrat und führte ein Gespräch mit der Stellvertreterin des Betriebsratsvorsitzenden und dem mittlerweile zurückgekehrten Betriebsratvorsitzenden. Es wurde beschlossen, die Angelegenheit in einem gemeinsamen Gespräch mit der Personalabteilung endgültig zu klären, wobei der Nebenintervenient grundsätzlich Bereitschaft zeigte, die Kette abzulegen. Zu diesem Zweck vereinbarte die Stellvertreterin des Betriebsratsvorsitzenden am Abend des 3. 7. mit dem Personalchef für den nächsten Tag um 10.00 Uhr einen Termin. Am 4. 7. 1995 wurde der Nebenintervenient jedoch bereits um 8.45 Uhr zum Personalchef gerufen. Über Wunsch des Nebenintervenienten wurden dem Gespräch auch der Betriebsratsvorsitzende und seine Stellvertreterin zugezogen. Zur völligen Überraschung der anwesenden Betriebsratsmitglieder, die für 10.00 Uhr mit dem Personalchef einen Termin "in Sachen P*****" vereinbart hatten, wurde dem Nebenintervenienten ohne weitere Erörterung ein Schreiben überreicht, mit dem er gemäß § 27 Abs 1 AngG mit sofortiger Wirkung entlassen wurde. Ein Gespräch mit den Betriebsratsmitgliedern oder dem Nebenintervenienten fand nicht mehr statt. Der Nebenintervenient trug seine Goldkette auch noch im Zeitpunkt der Entlassung. Der Betriebsrat widersprach der Entlassung und brachte am 6. 7. 1995 die gegenständliche Anfechtungsklage bei Gericht ein.

Für die berufliche Nutzung seines privaten PKWs bezog der Nebenintervenient Kilometergeld. Er führte ein Fahrtenbuch, in dem er die einzelnen Strecken genau verzeichnete und deren berufliche bzw private Veranlassung gesondert festhielt. Die Auszahlung des Kilometergeldes erfolgte nach Abzeichnung durch den Vorgesetzten. Die Frage, ob der Nebenintervenient unberechtigt zu viele Kilometer verzeichnete oder sich Unregelmäßigkeiten im Zusammenhang mit der Führung seines Fahrtenbuches zu schulden kommen ließ, ist nach Ansicht des Berufungsgerichts noch nicht hinreichend geklärt.

Der Nebenintervenient ist verheiratet und hat keine Sorgepflichten. Seine Ehegattin verdient als Simultandolmetscherin und Chefsekretärin monatlich etwa S 25.000,-- brutto. Nach der Entlassung durch die beklagte Partei war er vom 15. 9. 1995 bis 15. 2. 1996 über Entgegenkommen eines Bekannten als Vertriebsleiter mit einem monatlichen Bruttogehalt von S 30.000,-- in einem befristeten Arbeitsverhältnis beschäftigt. Trotz zahlreicher Initiativen konnte er jedoch seither keine neue Beschäftigung finden. An monatlich fixen Belastungen hat er S 3.000,-- Miete, S 3.300,-- für Lebens- und Unfallversicherung, S 2.200,-- für Haftpflichtversicherung für Fahrzeuge, S 1.500,-- für Strom, Telefon etc, so wie weitere S 8.100,-- an Kreditraten für den Erwerb eines Reisemobils und eines Schiffes und S 3.800,-- für ein Leasingfahrzeug zu zahlen.

Es kann auch bei lang andauernder Arbeitsplatzsuche nicht damit gerechnet werden, daß er, ausgehend von den Gehalts- und Arbeitsbedingungen bei der beklagten Partei, jemals auch nur eine noch annähernd adäquate Beschäftigung mit einem Gehalt über S 25.000,-- bis S 30.000,-- erlangen kann. In der zunehmend schwieriger werdenden Arbeits- und Kundenmaterie werden jüngere und zu einem geringeren Gehalt zur Verfügung stehende Wirtschaftsakademiker herangezogen. Auch unter Außerachtlassung seines sich negativ auswirkenden Alters bieten sich auf dem allgemeinen Arbeitsplatz nur Chancen für Beschäftigungen mit einem Gehalt von rund S 15.000,-- bis S 20.000,-- im Bereich von Kfz-Handelsunternehmen oder im Speditionsbereich bzw solche mit einem Grundgehalt von S 10.000,-- und S 15.000,-- als Außendienstmitarbeiter im Bankbereich und allenfalls weiteren Provisionseinkünften. Nach einem Zeitraum von zwei bis drei Jahren wäre mit einem Grundgehalt der beklagten Partei vergleichbaren monatlichen Einkommen zu rechnen.

Der klagende Betriebsrat begehrt die von der beklagten Partei ausgesprochene Entlassung für rechtsunwirksam zu erklären. Einen Entlassungsgrund gebe es nicht; ein allfälliges Entlassungsrecht habe die beklagte Partei dadurch verwirkt, daß sie das Tragen der Goldkette mehr als ein Jahr gestattet habe. Der Nebenintervenient sei in seinen Interessen durch die Entlassung wesentlich beeinträchtigt, da er aufgrund seines Alters und der Situation am Arbeitsmarkt nicht damit rechnen könne, in absehbarer Zeit einen gleichwertigen oder gleichentlohnten neuen Arbeitsplatz zu finden. Weiters sei zu berücksichtigen, daß er fixe Aufwendungen von mehr als S 20.000,-- monatlich habe.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wandte zusammengefaßt ein, daß die Entlassung deshalb ausgesprochen worden sei, da sich der Nebenintervenient trotz wiederholter mündlicher und zuletzt auch schriftlicher Ermahnungen geweigert habe, seine vom üblichen Bankstandard kraß abweichende Art von Bekleidung den Gepflogenheiten anzupassen. Die offen zur Schau getragene Goldkette sei von üblichen Bankkunden im Kassenraum als unpassend und störend empfunden worden. Es sei dem Entlassenen keineswegs verboten worden, die Goldkette zu tragen, nur sollte dies nicht sichtbar erfolgen. Sozialwidrigkeit liege nicht vor, weil der Entlassene aufgrund seiner bisherigen Ausbildung und Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt kurzfristig vermittelbar sei. Erst in der letzten mündlichen Streitverhandlung vom 27. 11. 1996 brachte die beklagte Partei erstmals vor, es habe auch noch andere Pflichtwidrigkeiten des Entlassenen gegeben. So seien bei einer stichprobenartigen Überprüfung seiner Kilometergeldabrechnung betreffend die erste Junihälfte 1995 Unregelmäßigkeiten zum Vorschein gekommen; er habe zuviele Kilometer geschrieben.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren des Betriebsrats auf Unwirksamerklärung der Entlassung statt. Die beklagte Partei habe einen Entlassungstatbestand nicht nachweisen können. Der Nebenintervenient habe sich weder der Untreue, der Vertrauensunwürdigkeit noch eines beharrlichen weisungswidrigen Verhaltens schuldig gemacht. Die beklagte Partei habe das Tragen der Goldkette etwa ein Jahr lang geduldet; es liege daher keine Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung vor. Da der Nebenintervenient durch die Entlassung wesentlich in seinen Interessen beeinträchtigt sei, weil er mit einer zumindest 60 %igen Gehaltseinbuße rechnen müsse, und die beklagte Partei keine konkreten, ihre innerbetrieblichen Interessen nachteilig berührenden Umstände habe nachweisen können, sei die Interessenabwägung zugunsten des Entlassenen vorzunehmen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei im Sinne der Aufhebung und Rückverweisung an das Erstgericht zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung statt und erklärte den Revisionsrekurs an den Obersten Gerichtshof für zulässig.

In rechtlicher Hinsicht führte es in seiner ausführlich begründeten Entscheidung zusammenfassend aus, das Verfahren sei mangelhaft geblieben, weil das Erstgericht den Zeugen P***** nicht einvernommen habe, der zum Nachweis des Vorbringens, daß der Entlassene überhöhte Kilometergeldabrechnungen vorlegte, geführt worden sei. Grundsätzlich könnte dem Erstgericht nicht entgegengetreten werden, wenn dieses gerade in Verfahren wie dem gegenständlichen eine allfällige Verschleppungsabsicht bei späterem Vorbringen prüfe und dieses gemäß § 197 Abs 1 ZPO zurückweise; eine solche Prüfung sei jedoch nicht vorgenommen worden, sondern das Erstgericht habe hierüber teilweise Beweise aufgenommen, aus denen sich Abweichungen von den Aufzeichnungen des Klägers ergeben hätten (näheres S 12 f des Berufungsurteils).

Im Ergebnis sei die Rechtsrüge der beklagten Partei berechtigt. Diese habe zusammengefaßt geltend gemacht, daß ihr ein Weisungsrecht dahingehend zustehe, daß der bankübliche Bekleidungsstandard eingehalten werde, daß durch die Unterlassung des Weisungsrechts keine Genehmigung pro futura erfolgte und der Entlassene beharrlich die Befolgung der berechtigten Weisung verweigert habe. Als maßgeblicher Entlassungstatbestand käme § 27 Z 4 zweiter Fall AngG in Betracht. Die Weisung der beklagten Partei, die Goldkette nicht sichtbar zu tragen, sei als eine "durch den Gegenstand der Dienstleistung gerechtfertigte" Weisung zu beurteilen. Das Berufungsgericht teile die Ansicht der Literatur, wonach die Bekleidung zwar ein Teil der Privatsphäre jedes Arbeitnehmers sei, der durch § 16 ABGB und Art 8 MRK geschützt sei, ein Weisungsrecht des Arbeitgebers allerdings dort anzunehmen sei, wo sich aus dem Gegenstand des Betriebes, in den der Arbeitnehmer integriert sei, ergebe, daß auch ein gewisser Standard der Bekleidung zur Erzielung des Arbeitsergebnisses erforderlich sei. Der Arbeitnehmer, der in seinem Dienstvertrag eine bestimmte Tätigkeit in einem solchen Betrieb vereinbare, stelle sich damit auch insoweit in die Verfügungsmacht des Arbeitgebers. Eine Bank sei zur Erzielung ihres Betriebsergebnisses sehr wesentlich auf das ihr entgegengebrachte Vertrauen der Kunden angewiesen. Dieses werde unter anderem auch dadurch erworben und erhalten, daß im Betrieb der Bank im Kundenbereich von den Bankangestellten eine dem Verständnis der Bevölkerung von den "Bankbeamten" entsprechende Kleidung getragen werde. Massiv davon abweichende Bekleidungsusancen könnten durch individuelle Arbeitgeberweisungen untersagt werden. Dazu gehöre das Tragen dicker goldener Halsketten über dem Hemd durch männliche Bankangestellte. Daß der entlassene Arbeitnehmer nicht unmittelbar im typischen Bankbereich beschäftigt gewesen sei, ändere daran nichts, da er im Kassenraum arbeitete und damit auch das Erscheinungsbild der beklagten Partei gegenüber ihren Kunden prägte. Ebenso führe der Umstand, daß die beklagte Partei das Tragen der goldenen Halskette über einen Zeitraum von über einem Jahr nach dem Tod seines Bruders duldete, noch nicht dazu, daß dieser Umstand "Arbeitsvertragsbestandteil" geworden sei. Die beklagte Partei habe sich dadurch nicht ihrer Möglichkeit begeben, derartige Weisungen später auszusprechen. Sei die Weisung wie hier gerechtfertigt, so sehe § 27 Z 4 AngG die beharrliche Verweigerung der Befolgung der Weisung als Entlassungstatbestand an, ohne daß es weiter darauf ankommen würde, ob es dem Arbeitgeber noch zumutbar wäre, für die Dauer der Kündigungsfrist die Weigerung des Angestellten, die Weisung zu befolgen, hinzunehmen. Daß sich der Nebenintervenient beharrlich geweigert habe, ergebe sich daraus, daß er nicht nur mündlich von seinem Vorgesetzten aufgefordert wurde, die Goldkette nicht mehr sichtbar zu tragen, sondern daß diese Aufforderung auch zweimal schriftlich unter Hinweis auf (allerdings nicht näher bezeichnete) dienstvertragliche Konsequenzen, wiederholt worden sei.

Es sei jedoch zu prüfen, ob die Weigerung schuldhaft erfolgt sei, oder ob der Nebenintervenient trotz pflichtgemäßer Sorgfalt in der irrigen Meinung befangen sein konnte, zur Befolgung der Weisung nicht verpflichtet zu sein. Hier komme dem Erklärungsverhalten des Personalchefs der beklagten Partei und des hier klagenden Betriebsrats im Zusammenhang mit der Entlassung wesentliche Bedeutung zu. Dem Betriebsrat stehe ein allgemeines Interventionsrecht in Angelegenheiten, die die Interessen der Arbeitnehmer berühren, zu. Bei der hier maßgeblichen Weisung im Einzelfall handle es sich um keine allgemeine Ordnungsvorschrift iSd § 97 Abs 1 Z 1 ArbVG. Trotzdem könne für den entlassenen Arbeitnehmer dann, wenn in "seiner Sache" dazu eine Termin vereinbart werde, im Hinblick auf diese Mitwirkungsrechte des Betriebsrates der Eindruck entstehen, daß auch aus der Sicht des Arbeitgebers diese Weisung noch überdacht werden solle. Dann wäre aber sein gegen diese Weisung verstoßendes Verhalten nicht als schuldhaft zu beurteilen. Ob nun und in welcher Form der entlassene Arbeitnehmer, der am 4. 7. 1997 erneut mit der Goldkette am Arbeitsplatz erschienen sei, von dem Besprechungstermin verständigt worden sei, sei nicht festgestellt worden. Insoweit erweise sich das Verfahren als ergänzungsbedürftig. Allerdings sei für den Fall, daß das Revisionsgericht die Rechtsansicht des Berufungsgerichts nicht teile, daß das weisungswidrige Verhalten dann nicht schuldhaft sei, wenn der Arbeitgeber in einem den Mitwirkungsbereich des Betriebsrates grundsätzlich unterliegenden Bereich dazu einen Gesprächstermin vereinbare und der Arbeitnehmer davon informiert worden sei, eine Verfahrensergänzung nicht erforderlich; zu dieser Frage sei der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zuzulassen (im Detail S 15 bis 22 des Berufungsurteils mwN).

Gegen diesen Aufhebungs- und Rückverweisungsbeschluß richten sich der gemeinsame Revisionsrekurs der klagenden Partei und des Nebenintervenienten und der Revisionsrekurs der beklagten Partei wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung. Beide Seiten meinen, das Verfahren sei nicht ergänzungsbedürftig; die klagende Partei und der Nebenintervenient beantragen, den angefochtenen Beschluß dahin abzuändern, daß das erstinstanzliche Urteil (Klagsstattgebung) wiederhergestellt werde; die beklagte Partei strebt die Änderung der Entscheidung im Sinn der Abweisung des Klagebegehrens an.

Beide Seiten beantragen in ihren Revisionsrekursbeantwortungen, dem Revisionsrekurs der Gegenseite nicht Folge zu geben.

Beide Revisionsrekurse sind nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Die Rechtsansicht des Berufungsgeriches ist zutreffend, so daß es an sich genügen würde, auf dessen Begründung zu verweisen (§ 510 Abs 3 ZPO). Im Hinblick darauf, daß oberstgerichtliche Judikatur zu individuellen Weisungen hinsichtlich der Bekleidung fehlt, sind nähere Ausführungen jedoch geboten.

Die Rechtsmittel der Streitteile werden zweckmäßigerweise gemeinsam behandelt, soweit es um die Kernfrage geht, ob die Nichtbefolgung der Weisung, die Goldkette nicht mehr sichtbar zu tragen, einen Entlassungsgrund darstellt.

Zutreffend gehen das Berufungsgericht und die beklagte Partei davon aus, daß es sich hier nicht um eine allgemeine Ordnungs(bekleidungs)vorschrift der beklagten Partei, die iSd § 97 Abs 1 Z 1 ArbVG einen erzwingbaren Fall der Betriebsmitbestimmung darstellt, sondern um eine individuelle Weisung an den Nebenintervenienten handelt, die jedenfalls insoweit gerechtfertigt war, als ihm verboten wurde, im allgemeinen Bankbereich die auffallende Goldkette sichtbar über den Hemd zu tragen, weil dies massiv dem Verständnis der Bevölkerung vom Erscheinungsbild eines männlichen Bankbeamten widerspricht (vgl zB Peschek, Sind Miniröcke und kurze Hosen ein arbeitsrechtliches Problem?, RdW 1992, 343; Tinhofer, Darf der Arbeitgeber das Tragen von "Personalausweisen" anordnen" ?, RdW 1994, 16; Firlei, Kontrollmaßnahme Firmenausweis, DRdA 1997, 510). Insoweit genügt es auf die zutreffenden ausführlichen Ausführungen des Berufungsgerichtes zu verweisen (§ 510 Abs 3 ZPO), denen auch die klagende Partei und der Nebenintervenient nicht Stichhaltiges entgegenzusetzen haben.

Die vorerst - allerdings erstmals nach mehr als einem Jahr - mündlich erteilte Weisung wurde kurz vor der Entlassung zweimal schriftlich wiederholt, jedoch vom Nebenintervenienten nicht befolgt; dieser strebte vielmehr mit aller Energie (Vorsprache bei der Arbeiterkammer und zweimal beim Betriebsrat, zuletzt mit der Bitte um Vermittlung eines Gesprächstermin beim Personalchef) an, die ihm als Erinnerungsstück wertvolle Goldkette weiterhin sichtbar tragen zu dürfen. Darin muß mit dem Berufungsgericht und der beklagten Partei grundsätzlich eine beharrliche Weigerung erblickt werden, die an sich gerechtfertigte Anordnung der beklagten Partei zu befolgen, auch wenn er nach Befragung der Arbeiterkammer ohnedies bereits gegenüber den Betriebsrat grundsätzlich Bereitschaft gezeigt hatte, die Kette abzulegen (Ersturteil S 10 Mitte).

Die Ansicht der klagenden Partei und des Nebenintervenienten ist verfehlt, daß im wissentlichen Dulden der unüblichen Bekleidung durch längere Zeit eine stillschweigende Änderung des Dienstvertrages in dieser Richtung zu erblicken sei: Der Dienstgeber ist vielmehr berechtigt, auch noch nach einiger Zeit "stillschweigenden Zusehens" vom Dienstnehmer eine branchenübliche Bekleidung zu fordern; hiebei ist es gleichgültig, ob der Dienstgeber vorerst die Kette nur aus Pietät duldete, er meinte, der Nebenintervenient werde diese ohnedies nicht auf Dauer tragen, sodaß sich eine eindeutige Weisung erübrige, oder ob er aus geänderter Unternehmensphilosophie nunmehr auf eine bankübliche Kleidung gesteigerten Wert legte.

Zur Entlassung berechtigt allerdings auch eine vordergründig als beharrlich zu beurteilende Weigerung nur dann, wenn diese - wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat - schuldhaft ist; Fahrlässigkeit genügt. Ein entschuldbarer Irrtum darüber, die Weisung nicht (oder noch nicht) befolgen zu müssen, schließt die Berechtigung zur Entlassung aus; beweispflichtig für den entschuldbaren Irrtum infolge mangelnden Bewußtseins der Pflichtwidrigkeit ist der Arbeitnehmer (Kuderna, Entlassungsrecht**2, 114 iVm 67 u 71 f mwN; SZ 61/105).

Zweifellos mußte dem Nebenintervenienten klar sein, daß er bei einer endgültigen Weigerung der beklagten Partei, das unübliche Tragen der Goldkette weiterhin zu dulden, mit "dienstrechtlichen Konsequenzen" rechnen mußte. Auch wenn diese nicht näher angeführt wurden, mußte er grundsätzlich ins Auge fassen, daß er gekündigt oder gar entlassen werden könnte.

Der Oberste Gerichtshof kann der Ansicht des Berufungsgerichtes nicht entgegentreten, daß es zur Beurteilung der Frage, ob sich der Nebenintervenient in einem entschuldbaren Irrtum hinsichtlich der Endgültigkeit des Verbotes befand, noch weiterer Feststellungen, in welcher Form dieser von dem auf seinem Wunsch zwischen der Stellvertreterin des Betriebsratsobmannes und dem Personalchef vereinbarten Besprechungstermin "in seiner Sache" verständigt wurde, bedarf. Es ist dem Berufungsgericht zuzubilligen, erst nach solchen ergänzenden Feststellungen abschließend beurteilen zu können, ob der Nebenintervenient unter den besonderen Umständen berechtigt davon ausgehen durfte, daß das letzte Wort noch nicht gesprochen worden war. Durch die Gewährung dieses Besprechungstermins hat nämlich die beklagte Partei ein ihr zurechenbares Verhalten gesetzt, das beim Nebenintervenienten möglicherweise einen entschuldbaren Irrtum darüber verursachte, daß die an sich eindeutige und ernstliche Weisung doch noch nicht endgültig und unwiderruflich war; hätte der Personalchef eine weitere Erörterung "in dieser Sache" schlichtweg abgelehnt, hätte der Nebenintervenient keinesfalls Zweifel haben können. Es hat daher bei der Aufhebung zu verbleiben.

Gleiches gilt hinsichtlich der noch offenen Frage hinsichtlich der Kilometergeldabrechnung. Das Berufungsgericht hat bezüglich der wesentlichen Feststellung über die Kilometergeldabrechnungen das Vorliegen eines primären Verfahrensmangels bejaht. Dem kann der Oberste Gerichtshof, der nicht Tatsacheninstanz ist, nicht entgegentreten (JBl 1992, 785; SZ 67/210; 8 Ob 2320/96a; 8 Ob 2351/96k; zuletzt 9 ObA 252/98v; RIS-Justiz RS0042179; vgl auch EvBl 1958/94; 1 Ob 342/97v; RIS-Justiz RS0043414, wonach die Prüfung, ob zur Gewinnung der erforderlichen Feststellungen noch weitere Beweise notwendig sind, ein Akt der Beweiswürdigung ist).

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 58 Abs 1 ASGG iVm § 52 Abs 1 ZPO.

Rechtssätze
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