JudikaturJustiz8Ob59/12b

8Ob59/12b – OGH Entscheidung

Entscheidung
28. Juni 2012

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon. Prof. Dr. Kuras, die Hofrätin Dr. Tarmann Prentner und die Hofräte Mag. Ziegelbauer und Dr. Brenn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei I***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Horst Brunner, Dr. Emilio Stock und Mag. Gerhard Endstrasser, Rechtsanwälte in Kitzbühel, gegen die beklagte Partei D***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Maximilian Ellinger und Dr. Günter Ellmerer, Rechtsanwälte in Kufstein, wegen 12.750,13 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 30. März 2012, GZ 4 R 28/12t 33, mit dem das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 20. Dezember 2011, GZ 17 Cg 137/10d 29, abgeändert wurde (Revisionsinteresse 10.667,11 EUR sA), in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 768,24 EUR (darin enthalten 128,04 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Die Beklagte wurde im Jahr 2001 von der Klägerin mit Dachdecker und Spenglerarbeiten beauftragt. Für die Dacheindeckung wurden von der Klägerin ausgeschriebene Tondachziegel verwendet. Der Architekt hat auf der Verwendung dieser Dachziegel bestanden. Die Beklagte hegte Bedenken in Bezug auf die Frostsicherheit dieses Ziegeltyps, weshalb Gespräche mit der Klägerin und auch mit der Herstellerfirma geführt wurden. Im Frühjahr 2004 waren an einigen Dachziegeln Schäden bemerkbar, weshalb 30 bis 40 Dachziegel von der Beklagten ausgetauscht wurden. Die Streitteile haben dabei nicht daran gedacht, dass das gesamte Dach von den Schäden betroffen sein könnte. Für eine Fachfirma wären Probleme mit der Frostsicherheit für das gesamte Dach erkennbar gewesen. Ende Juni 2008 traten erneut Schäden an den Dachziegeln auf. Die Wohnungseigentümer bestanden auf eine Neueindeckung des Daches, was von der Beklagten abgelehnt wurde. Daraufhin wurden diese Arbeiten von einem dritten Unternehmen ausgeführt.

Die Klägerin begehrte die Sanierungskosten. Die Frostsicherheit der Ziegel sei von der Beklagten zugesichert worden. Für diese sei anlässlich der Teilsanierung im Jahr 2004 erkennbar gewesen, dass eine gesamte Neueindeckung des Daches erforderlich sei. Dennoch habe die Beklagte wiederum ein frostunbeständiges Material verwendet. Im Jahr 2008 habe die Beklagte eine weitere Sanierung abgelehnt. Aufgrund des schuldhaften Verbesserungsverzugs der Beklagten stünden der Klägerin die Verbesserungskosten zu. Die Gewährleistungsansprüche seien nicht verfristet.

Die Beklagte entgegnete, dass die Klägerin auf der Verwendung des in der Ausschreibung vorgegebenen Dachziegeltyps bestanden habe. Die Frostsicherheit dieses Ziegeltyps sei von den Mitarbeitern der Klägerin bestätigt worden. Sie selbst habe die Frostsicherheit nicht zugesagt. Zu weiteren Nachforschungen, die nur in einem Labor möglich gewesen wären, sei sie nicht verpflichtet gewesen. Ein rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten sei ihr daher nicht anzulasten. Überdies seien sowohl die Schadenersatz- als auch die Gewährleistungsansprüche verjährt bzw verfristet. Die mangelnde Frostsicherheit sei für die Klägerin bereits im Jahr 2004 erkennbar gewesen.

Das Erstgericht gab (im zweiten Rechtsgang) dem Klagebegehren (nach Abzug geringfügiger Sowieso-Kosten) im Wesentlichen statt. Die Beklagte sei (aus dem Titel der Gewährleistung) im Jahr 2004 zur Verbesserung verpflichtet gewesen, weil für beide Parteien bei Vertragsabschluss klar gewesen sei, dass nur frostsichere Ziegel für die Dacheindeckung in Frage kämen. Darin, dass die Beklagte im Jahr 2004 nur eine Teilsanierung vorgenommen habe, obwohl für eine Fachfirma erkennbar gewesen wäre, dass die Probleme mit der Frostsicherheit das gesamte Dach betroffen hätten, sei eine mangelhafte Erfüllung der Verbesserungspflicht gelegen. Dies begründe eine schuldhafte Vertragsverletzung. Eine Verletzung der Warn- bzw Prüfpflicht könne der Beklagten jedoch auch im Jahr 2004 nicht angelastet werden, weil sie zu einer labormäßigen Überprüfung nicht verpflichtet gewesen sei.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten Folge und wies das Klagebegehren zur Gänze ab. Gewährleistungsansprüche seien verfristet, weil (auch) eine konkludente Zusicherung der Frostsicherheit des verwendeten Ziegeltyps durch die Beklagte nicht angenommen werden könne. Die Verletzung einer Warnpflicht nach § 1168a ABGB werde von der Klägerin nicht mehr geltend gemacht. In dieser Hinsicht sei die Beklagte auch der ihr nach § 1298 ABGB obliegenden Nachweispflicht des mangelnden Verschuldens an der fehlenden Frostsicherheit der Dachziegel nachgekommen. Eine Verletzung der nachvertraglichen Warnpflicht der Beklagten im Jahr 2004 in dem Sinn, dass sie die Klägerin im Rahmen der Teilsanierung darauf hätte hinweisen müssen, dass dieser aus gewährleistungsrechtlichen Gründen der Austausch der gesamten Dachziegel zustehe, könne ebenfalls nicht angenommen werden. Die Fürsorgepflicht des Unternehmers habe dort ihre Grenze, wo der Besteller oder dessen Hilfskräfte aufgrund eigener Sachkunde die mit der Werkherstellung verbundenen Gefahren selbst erkennen könnten.

Über Antrag der Klägerin nach § 508 ZPO sprach das Berufungsgericht nachträglich aus, dass die ordentliche Revision doch zulässig sei, weil zur Problematik einer nachvertraglichen Warnpflicht höchstgerichtliche Rechtsprechung fehle.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der Klägerin, mit der sie die gänzliche Stattgebung des Klagebegehrens anstrebt.

Mit ihrer Revisionsbeantwortung beantragt die Beklagte, das Rechtsmittel der Gegenseite zurückzuweisen, in eventu, diesem den Erfolg zu versagen.

Rechtliche Beurteilung

Entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts ist die Revision mangels Aufzeigens einer entscheidungsrelevanten erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig.

1. Trotz Zulässigerklärung der Revision durch das Berufungsgericht muss der Rechtsmittelwerber die Revision ausführen und eine Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO aufzeigen. Macht er hingegen nur solche Gründe geltend, deren Erledigung nicht von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage abhängt, so ist das Rechtsmittel ungeachtet des Zulässigkeitsausspruchs zurückzuweisen (8 Ob 19/12w). Eine erhebliche Rechtsfrage liegt auch dann nicht vor, wenn die zur Entscheidung der Rechtssache maßgebenden rechtlichen Grundsätze in der Rechtsprechung des Höchstgerichts geklärt sind (RIS Justiz RS0102181).

2. Die Klägerin führt in der Revision aus, dass es nicht um eine nachvertragliche Warnpflicht, sondern darum gehe, dass die Beklagte im Jahr 2004 ihrer Verbesserungspflicht nicht nachgekommen sei. Die Beklagte habe eine Schlechterfüllung der Verbesserungspflicht zu vertreten. Darin sei ein eigener Mangelschaden im Sinn eines Nichterfüllungsschadens gelegen. Davon abgesehen sei das Klagebegehren auch aus gewährleistungsrechtlichen Überlegungen berechtigt, weil die Gewährleistungsfrist gewahrt worden sei.

Auf die vom Berufungsgericht als erheblich bezeichnete Rechtsfrage bezieht sich die Revision der Klägerin nicht. Nach ihrer Argumentation wäre ungeachtet der Fristenproblematik für eine Klagsstattgebung vorausgesetzt, dass die Beklagte im Jahr 2004 eine (gewährleistungsrechtliche) Verbesserungspflicht getroffen hat.

3.1 Eine Mangelhaftigkeit besteht in einer qualitativen oder quantitativen Abweichung der Leistung vom vertraglich Geschuldeten. Beim Werkvertrag liegt ein Mangel bei Abweichung von einem vorgegebenen bzw im Vertrag spezifizierten Leistungsmerkmal oder einer Minderleistung aus einem anderen Grund in der Sphäre des Unternehmers vor. Der geschuldete Vertragsgegenstand wird durch die gewöhnlich vorausgesetzten oder die ausdrücklich oder stillschweigend zugesicherten (konkret vereinbarten) Eigenschaften bestimmt. Ob eine Eigenschaft als zugesichert anzusehen ist, hängt nicht davon ab, was der Erklärende wollte, sondern was der Erklärungsempfänger nach Treu und Glauben aus der Erklärung des Vertragspartners erschließen durfte.

3.2 Der verwendete Dachziegeltyp hat der Ausschreibung der Klägerin entsprochen. Der Architekt hat auf der Verwendung dieser Dachziegel sogar bestanden. Die Beklagte ist damit von den ihr vorgegebenen Leistungsmerkmalen bzw vom vereinbarten Vertragsgegenstand nicht abgewichen. In Bezug auf den verwendeten Dachziegeltyp hat ein Mangel in der Leistungsausführung und damit eine nicht sach- und fachgerechte Werkleistung der Beklagten nicht bestanden.

Dadurch, dass beide Parteien bei Vertragsabschluss davon ausgegangen sind, dass nur frostsichere Ziegel für die Dacheindeckung in Frage kommen und die von der Klägerin vorgegebenen Dachziegel dieser Anforderung entsprechen, wurde die Frostsicherheit nicht zur geschuldeten Eigenschaft. Vielmehr ist dem Berufungsgericht darin zuzustimmen, dass sich in dieser Hinsicht die Frage nach einer Verletzung der Aufklärungspflicht (vgl 9 Ob 50/10h) bzw der Warnpflicht (vgl RIS Justiz RS0102085; RS0021934) stellt. Darauf stützt sich die Klägerin in der Revision aber nicht. In diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass die Beklagte ohnedies Bedenken gegen die Frostsicherheit der von der Klägerin vorgegebenen Dachziegel äußerte und aus diesem Grund Gespräche mit der Klägerin führte.

3.3 Die Frage, ob die Beklagte anlässlich der „Teilsanierung“ im Jahr 2004 zufolge Erkennbarkeit des Problems mit der Frostsicherheit für das gesamte Dach auf diesen Umstand hätte hinweisen müssen, betrifft wie das Berufungsgericht zutreffend dargelegt hat die (nachvertragliche) Warnpflicht. Auch eine derartige Pflichtverletzung macht die Klägerin in der Revision ausdrücklich nicht geltend.

3.4 Die Klägerin beruft sich nur mehr auf Gewährleistungsansprüche. Nach allgemeinen Grundsätzen werden dem Besteller solche Ansprüche dann nicht zuerkannt, wenn der von ihm beigestellte Stoff ungeeignet oder seine Anweisungen unrichtig waren, sowie wenn der Unternehmer seiner Aufklärungs- bzw Warnpflicht nachgekommen ist oder für ihn keine derartige Verpflichtung bestanden hat (RIS Justiz RS0022167; RS0021932; RS0021963).

Insgesamt hat die Beklagte im Jahr 2004 keine Gewährleistungspflicht zum Austausch bzw zur Sanierung der Dachziegel getroffen. Mit der Behauptung einer schuldhaften Verletzung der Verbesserungspflicht durch die Beklagte zeigt die Klägerin damit keine erhebliche Rechtsfrage auf.

4. Der von der Klägerin angesprochenen Fristenproblematik kommt keine Bedeutung mehr zu. Es muss daher nicht geprüft werden, ob die von der Klägerin referierte Rechtsprechung, wonach bei nicht sofort feststellbaren Eigenschaften im Fall ausdrücklicher oder konkludenter Zusicherung einer Eigenschaft die Gewährleistungsfrist erst mit dem Zeitpunkt zu laufen beginne, der das Erkennen des Mangels mit Sicherheit gestatte (vgl RIS Justiz RS0018909), überhaupt (noch) Gültigkeit hat. Allgemein muss der Beginn der Gewährleistungsfrist leicht und vorhersehbar festgestellt werden können, weshalb dieser Zeitpunkt nicht dadurch hinausgeschoben werden darf, dass bei Übergabe die Entdeckung des Mangels noch nicht möglich war (RIS Justiz RS0018982; RS0018937).

5. Mit ihren Ausführungen in der Revision vermag die Klägerin keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung aufzuzeigen. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Rechtssätze
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