JudikaturJustiz8Ob528/91

8Ob528/91 – OGH Entscheidung

Entscheidung
25. April 1991

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes

Hon.-Prof. Dr. Griehsler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Warta, Dr. Huber, Dr. Jelinek und Dr. Schinko als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Josef H*****, vertreten durch Dr. Manfred König, Rechtsanwalt in Saalfelden, wider die beklagte Partei Martin H*****, vertreten durch Dr. Hubert Heugenhauser, Rechtsanwalt in Saalfelden, wegen Vornahme einer Handlung (Streitwert S 400.000,--), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Berufungsgerichtes vom 3. Dezember 1990, GZ 21 R 349/90-17, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Saalfelden vom 9. Juli 1990, GZ 2 C 296/90-11, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 15.658,20 (einschließlich S 2.609,70 USt.) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Liegenschaft EZ 77 KG B*****, Gerichtsbezirk S*****, stand im Eigentum der Schwester des Klägers Maria H*****. In der öffentlichen Versteigerung vom 6. Juli 1983 wurde die Liegenschaft dem Vater des Beklagten zugeschlagen; aufgrund des Schenkungsvertrages vom 24. Oktober 1985 wurde das Eigentum für den Beklagten einverleibt.

Unter COZ 26 wurde am 25. September 1967 ob der genannten Liegenschaft aufgrund der Einantwortungsurkunde des Bezirksgerichtes S***** vom 16. November 1966, A 23/66-7, und des im Abhandlungsprotokoll vom 1. Oktober 1966 abgeschlossenen Übereinkommens die Dienstbarkeit der Wohnung im Umfange des Punktes I des Übereinkommens für den damals minderjährigen Kläger (geboren 1953) einverleibt. Punkt I dieses Übereinkommens lautet:

"Maria H***** räumt als Anerbin dem mj. Josef H***** und im Sinne des § 529 ABGB auch seinen gesetzlichen Erben das lebenslängliche und unentgeltliche Wohnungsrecht an der im Erdgeschoß des F*****hauses, ***** gelegenen Wohnung ein, bestehend aus einer Küche, zwei Zimmern, Speis, Bad und Nebenräumen und an einem Kellerabteil. Die Kosten für die Instandhaltung der Wohnung, für Licht und Beheizung trägt Josef H***** selbst. Maria H***** verpflichtet sich, die Wohnung binnen längstens fünf Jahren von heute an fertigzustellen (der Neubau befindet sich derzeit noch im Stadium des Rohbaues) und dem minderjährigen Legatar schlüsselfertig zu übergeben.

......"

Im Punkt II des Übereinkommens "bestellte" Maria H***** "das dem Kläger eingeräumte Wohnungsrecht als Dienstbarkeit auf die Liegenschaft EZ 77 des Grundbuches B***** (F*****gut)" und erteilte gleichzeitig ihre Einwilligung, daß auf dieser Liegenschaft die Dienstbarkeit der Wohnung im Umfange dieses Übereinkommens für den Kläger einverleibt werde.

Mit der am 13. MÄrz 1990 beim Erstgericht eingelangten Klage begehrte der Kläger, den Beklagten zu verpflichten, in Erfüllung der in COZ 26 ob der Liegenschaft EZ 77 der KG B***** Gerichtsbezirk S***** einverleibten Dienstbarkeit der Wohnung gemäß Punkt I des Übereinkommens vom 1. Oktober 1966 diese Wohnung im Erdgeschoß des F*****hauses, ***** binnen 6 Monaten baulich zum nachfolgenden Bezug und zur Bewohnung auf eigene Kosten schlüsselfertig herzustellen und dem Kläger zu übergeben.

Der Kläger brachte dazu vor, daß er die ihm eingeräumte Dienstbarkeit nie ausüben konnte. Der Beklagte sei als jetziger Eigentümer der Liegenschaft verpflichtet, ihm die Ausübung der Dienstbarkeit zu ermöglichen und den Rohbau fertigzustellen. Die Leistungspflicht auf Fertigstellung des Wohnhauses sei durch die Einverleibung der Dienstbarkeit gemäß Punkt I des Übereinkommens mit zum Inhalt des verdinglichten Rechtes geworden. Die im Erbübereinkommen vom 1. Oktober 1966 festgelegte Verbindlichkeit zur Vornahme einer positiven Leistung (Herstellung der Wohnung) sollte nur der Grunddienstbarkeit dienen und nicht den Hauptinhalt des Rechtes bilden. Die Herstellungspflicht stelle nicht eine vom Gegenstand der Dienstbarkeit zu trennende Leistung dar, sondern sei eine reallastartige Nebenverpflichtung und diese sei durch die Grundbuchseintragung verdinglicht worden. Der Vater des Beklagten sei als Erwerber der Liegenschaft nicht in dem guten Glauben gewesen, daß das Wohnungsrecht des Klägers nicht mehr ausgeübt werde. Der vom Beklagten behauptete Anspruchsverzicht wurde bestritten.

Der Beklagte wendete ein, es sei ausschließlich das Wohnungsrecht zugunsten des Klägers verdinglicht worden, nicht aber auch die Verpflichtung der Anerbin, die Wohnung fertigzustellen. Der Kläger habe von der Anerbin die Erfüllung dieser obligatorischen Verpflichtung nie verlangt, sondern habe sich das Wohnungsrecht und seine sonstigen Ansprüche als weichender Sohn in Geld ablösen lassen. Der Kläger habe auch verzichtet, da er seinen vermeintlichen Anspruch weder gegen die Anerbin noch gegen den Vater des Beklagten geltend gemacht habe. Auch im Versteigerungsverfahren habe der Kläger nie zu erkennen gegeben, daß die Fertigstellungsverpflichtung der Anerbin noch existent sei bzw. ein dingliches Recht darstelle. Der Vater des Beklagten habe die Liegenschaft in dem guten Glauben erworben, daß die verbücherte Dienstbarkeit des Wohnungsrechts nicht mehr existiere und nicht mehr ausgeübt werde. Eine allfällige Verpflichtung zur Fertigstellung des Hauses sei verjährt, da der Kläger durch drei aufeinanderfolgende Jahre sein Recht nicht geltend gemacht habe.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

Über den eingangs wiedergegebenen unbestrittenen Sachverhalt hinausgehend traf es folgende wesentliche Feststellungen:

Der am 19. Dezember 1965 verstorbene Vater des Klägers hat 1963 das frühere "F*****gut" nach Abbruch des Altbaus in Form eines Rohbaus neu aufgeführt. Seit 1963 wurde an dem Gebäude nicht mehr gearbeitet; es befindet sich im Rohbauzustand aus Ziegelmauerwerk, ohne Fenster und Installationen. Der Kläger hat das zu seinen Gunsten einverleibte Wohnrecht nie ausgeübt. Nach Volljährigkeitserklärung (1972) verlangte der Kläger erfolglos von Maria H***** die Fertigstellung der Wohnung. Wegen der Schulden des Klägers, für die Maria H***** gebürgt oder die Belastung ihrer Liegenschaften zugelassen hatte, kam es zur Einleitung des Versteigerungsverfahrens hinsichtlich der ihr gehörigen Liegenschaften. Der Kläger wurde als Buchberechtigter von den wesentlichen Verfahrensschritten des die Liegenschaft EZ 77 KG B***** betreffenden Versteigerungsverfahrens verständigt. Im Schätzungsgutachten wurde darauf hingewiesen, daß die unter COZ 25 eingetragene Dienstbarkeit nicht ausgeübt werden könne, solange der Rohbau nicht fertiggestellt ist. Die Last wurde mit S 48.000,- bewertet. Nach den genehmigten Versteigerungsbedingungen war die Dienstbarkeit der Wohnung zugunsten des Klägers ohne Anrechnung auf das Meistbot zu übernehmen. Dem Ersteher (Vater des Beklagten) und dem Beklagten war zum Zeitpunkt des Zuschlages und der Einverleibung des Eigentums des Beklagten bekannt, daß das "F*****haus" nicht ausgebaut und daher nicht bewohnbar ist.

Am 29. September 1986 verlangte der Vertreter des Klägers vom Beklagten die Fertigstellung der Wohnung und die umgehende Erfüllung des Wohnrechtes im Sinn und Umfang der grundbücherlichen Einverleibung. Der Beklagte machte in seinem Antwortschreiben vom 24. Oktober 1986, welches spätestens am 28. Oktober 1986 beim Vertreter des Klägers einlangte, geltend, daß der Kläger zumindest konkludent auf seinen Anspruch verzichtet habe und daß die Ansprüche des Klägers nicht zu Recht bestünden.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, der Beklagte habe mit Schreiben vom 24. Oktober 1986 die Eigentumsfreiheit arrogiert. Nach diesem die Rechtsdurchsetzung provozierenden Widerstand des Beklagten habe der Kläger innerhalb der darauffolgenden drei Jahre keine Klage erhoben, sodaß gemäß § 1488 ABGB der begehrte Herstellungsanspruch verjährt sei.

Das Berufungsgericht bestätigte die angefochtene Entscheidung, verneinte aber das Vorliegen der Verjährung, da der Kläger innerhalb der Frist von drei Jahren einen Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe gestellt habe. In diesem Antrag habe er bereits den Sachverhalt und sein Begehren sowie in der späteren Klage dargelegt, der Antrag sei als verbesserungsfähige Klageschrift anzusehen (JBl. 1988, 527).

Das Berufungsgericht verneinte aber das Vorliegen eines (dinglichen) Herstellungsanspruches des Klägers gegen den Beklagten. Es vertrat die Rechtsansicht, daß sich nach dem Inhalt des Punktes II des Übereinkommens aus dem Jahre 1966 die von Maria H***** gegebene Aufsandungserklärung nur auf eine Verdinglichung des Wohnungsrechtes, nicht aber auf eine Verdinglichung der Fertigstellungsverpflichtung bezogen habe. Die Maria H***** treffende Fertigstellungspflicht stelle auch keine Nebenpflicht zu der von ihr eingeräumten Dienstbarkeit dar, sondern eine Hauptpflicht, die in Form einer Reallast hätte verdinglicht werden können. Dies sei aber nach dem Inhalt des Punktes II des zitierten Übereinkommens nicht geschehen, zumal darin nur von der Dienstbarkeit des Wohnungsrechtes die Rede sei. Die Herstellungspflicht von Maria H***** sei daher lediglich obligatorischer Natur und nicht auf den Beklagten übergegangen.

Mit der Begründung, daß zur Frage, ob die Pflicht zur Herstellung einer den Gegenstand der Dienstbarkeit des Wohnrechts bildenden Wohnung als Nebenpflicht der Dienstbarkeit oder als selbständige Hauptpflicht anzusehen sei, keine Rechtsprechung vorliege, wurde die ordentliche Revision für zulässig erklärt.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, in Abänderung der angefochtenen Entscheidung dem Klagebegehren stattzugeben; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Beklagte hat in seiner Revisionsbeantwortung beantragt, dem Rechtsmittel des Klägers nicht Folge zu geben.

Die Revision ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Der Kläger macht im Rechtsmittel geltend, die rechtskräftigen Versteigerungsbedingungen legten die Lasten und Pflichten des Erwerbers im Zwangsversteigerungsverfahren fest. Die vorliegenden Versteigerungsbedingungen bestimmten, daß "die Dienstbarkeit der Wohnung zugunsten des Josef H*****, geb. 1953, (COZ. 26)" zu übernehmen sei. Die entsprechende Grundbuchseintragung halte fest, daß die Dienstbarkeit der Wohnung im Umfange des Punktes I des Abhandlungsprotokolls eingetragen sei. Bei einer solchen Grundbuchseintragung könne sich der Erwerber nur durch Einsichtnahme in die Urkundensammlung Kenntnis vom Umfang der Grundbuchseintragung verschaffen. Der Beklagte bzw. sein Rechtsvorgänger hätten auf diese Weise feststellen können, daß diese Eintragung auch eine Herstellungs- bzw. Fertigstellungspflicht enthalte.

Nach Lehre und Rechtsprechung habe der Dienstbarkeitsberechtigte bei Zerstörung der von der Dienstbarkeit der Wohnung umfaßten Räume einen Anspruch auf Wiederherstellung. Ein sachlicher Unterschied zwischen dem Wiederaufbau nach Zerstörung und der erstmaligen Herstellung der Dienstbarkeitswohnung sei nicht zu erkennen.

Schließlich könne eine einmalige Verpflichtung, ein Gebäude herzustellen, nicht als Reallast eingetragen werden. Da die §§ 482 f ABGB abdingbar seien, spreche auch nichts dagegen, die vertraglich festgelegten Rechtsfolgen im Rahmen der eingetragenen Dienstbarkeit als verdinglicht anzusehen. Eine Beeinträchtigung des Rechtsverkehrs sei damit nicht verbunden, da durch Einsichtnahme in die Urkundensammlung der Umfang der Eintragung jederzeit festgestellt werden könne.

Dazu wurde erwogen:

Richtig ist, daß ausschließlich die Versteigerungsbedingungen dafür maßgebend sind, unter welchen Bedingungen der Ersteher eine Liegenschaft zu übernehmen hat. Der Ersteher übernimmt nicht das belastete Eigentum des Verpflichteten, sondern nur die ihm in den Versteigerungsbedingungen auferlegten Lasten (MietSlg 33.742). Nach der Absicht des Gesetzgebers, soll der Ersteher die Liegenschaft frei von allen Lasten übernehmen; ausgenommen sollen nur jene Sachen sein, die er nach den Versteigerungsbedingungen zu übernehmen hat (SZ 50/61 mwN). Im vorliegenden Fall bestimmt Punkt 4 d der Versteigerungsbedingungen, daß die "Dienstbarkeit der Wohnung zugunsten des Josef H*****, geb. 1953 (COZl 26)" ohne Anrechnung auf das Meistbot zu übernehmen ist. Es ist aber darin nicht vorgesehen, daß der Ersteher auch die (obligatorische) Verpflichtung der (Vor ) Eigentümerin übernimmt, die Wohnung des Klägers fertig zu stellen. Der Verweis auf die Eintragung in COZ 26 des Grundbuches kann nur als Darlegung der Grundlage und des Umfanges der zu übernehmenden Dienstbarkeit verstanden werden. Auch die Eintragung in COZ 26 enthält keine Verpflichtung der Eigentümerin, die der Dienstbarkeit der Wohnung des Klägers dienende Wohnung fertigzustellen. Gegenstand der grundbücherlichen Eintragung ist die "Dienstbarkeit der Wohnung im Umfang des Punktes I des Übereinkommens vom 1. Oktober 1966". Durch den Verweis auf den Punkt I des Übereinkommens vom 1. Oktober 1966 wird klargelegt, in welchem Umfang, d.h. an welchen Räumen, dem Kläger die Dienstbarkeit eingeräumt wird. In diesem Zusammenhang ist auch die im Punkt II des Erbübereinkommens enthaltene Aufsandungserklärung der Maria H***** zu sehen, welche sich ausschließlich auf die Dienstbarkeit der Wohnung im Umfange des Übereinkommens bezieht.

Daraus folgt, daß die rein obligatorische Verpflichtung der Anerbin, die für den Kläger bestimmte Wohnung fertigzustellen, keine Verdinglichung durch Verbücherung einer entsprechenden Reallast erfuhr; auch die für die Rechtsstellung des Erwerbers maßgeblichen Versteigerungsbedingungen sehen keine Fertigstellungspflicht für den Ersteher vor. Dies bedeutet, daß weder der Vater des Beklagten noch der Beklagte selbst verpflichtet sind, (auf eigene Kosten) die für die Ausübung der Dienstbarkeit des Klägers nötige Wohnung fertigzustellen. Anhaltspunkte dafür, daß der Beklagte oder sein Vater vertraglich (etwa durch Schuldbeitritt) die Verpflichtung der Maria H***** übernommen hätten, haben sich nicht ergeben.

Die Verpflichtung zur Herstellung der Wohnung zählt auch nicht zu den den Eigentümer der Liegenschaft nach § 508 ABGB treffenden Instandhaltungspflichten (SZ 56/147).

Zutreffend hat daher das Berufungsgericht das Vorliegen einer den Beklagten treffenden Herstellungs- bzw. Fertigstellungspflicht bezüglich des Hauses, in dem das Wohnungsrecht ausgeübt werden soll, verneint.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.