JudikaturJustiz8Ob210/66

8Ob210/66 – OGH Entscheidung

Entscheidung
20. September 1966

Kopf

SZ 39/150

Spruch

Das Schiedsgericht nach dem Steiermärkischen JagdG. ist eine Verwaltungsbehörde - Ansprüchen gegen einen Schiedsrichter auf Pflichterfüllung und Schadenersatz ist der Rechtsweg verschlossen

Entscheidung vom 20. September 1966, 8 Ob 210/66

I. Instanz: Kreisgericht Leoben; II. Instanz: Oberlandesgericht Graz

Text

Am 3. Juni 1965 fand vor dem Schiedsgericht zur Entscheidung über Wildschadenersatzansprüche für die Gemeinde R. eine Verhandlung statt, die auf Grund des gegen den Jagdberechtigten Leo Th. gerichteten Begehrens des Antragstellers Rudolf L. auf Feststellung des Wildschadens anberaumt worden war. Der Beklagte wurde zu dieser Verhandlung vom Jagdberechtigten als Schiedsrichter entsandt. Während der vom Kläger namhaft gemachte Schiedsrichter die Höhe des Schadens mit 80.663 S bezifferte, welchem Standpunkt sich auch der Obmann des Schiedsgerichtes anschloß, erklärte der Beklagte, daß lediglich ein Schaden von zirka 8900 S eingetreten sei. Der Obmann, der Beklagte und der andere Schiedsrichter unterfertigten das Verhandlungsprotokoll. Anschließend wurde der Schiedsspruch gefällt, daß der Jagdberechtigte dem Rudolf L. als Schadenersatz 80.663 S zu bezahlen habe. Dieser Schiedsspruch wurde nicht nur vom Obmann des Schiedsgerichtes und dem Schiedsrichter des Geschädigten, sondern auch vom Schiedsrichter des Jagdberechtigten unterfertigt. Das Protokoll enthält einen vom 24. Juni 1965 datierten Zusatz, der wie folgt lautet: "In der angeführten Schiedsgerichtsverhandlung nach vorstehendem Protokoll wurde die Urschrift des Schiedsspruches vom Obmann und beiden Schiedsrichtern unterzeichnet. Die Unterschrift unter den Ausfertigungen des Schiedsspruches, die für die Parteien bestimmt sind, ist jedoch vom Schiedsrichter des Jagdberechtigten Herrn Oberförster Fritz N. mit der Begründung verweigert worden, daß er mit dem Entschädigungsbetrag, den der Jagdberechtigte zu zahlen hätte, nicht einverstanden ist, nachdem dieser Betrag seiner Ansicht nach zu hoch sei. Es war daher die Zustellung der Ausfertigungen des Schiedsspruches an die Parteien nicht möglich ...". Der hierauf vom Obmann bestellte Schiedsrichter Karl F. erklärte am 24. Juni 1965 mit der errechneten Schadenssumme von 80.663 S einverstanden zu sein. Nunmehr fällte mit Karl F. als dem an Stelle des Beklagten beigezogenen Schiedsrichter des Jagdberechtigten am 24. Juni 1965 das Schiedsgericht neuerlich einen Schiedsspruch, mit dem der Jagdberechtigte zum Ersatz von 80.663 S verpflichtet wurde. Über Klage des Jagdberechtigten Leo Th. gegen Rudolf L. hob das Kreisgericht Leoben zu 8 Cg .../65 mit Versäumungsurteil vom 30. Juli 1965 den Schiedsspruch vom 24. Juni 1965 auf und verurteilte den Beklagten Rudolf L. zur Zahlung der mit 2565.88 S bestimmten Prozeßkosten an den Kläger Leo Th.

Das Erstgericht erkannte den Beklagten schuldig, dem Kläger den Betrag von 2565.88 S, d. s. die dem Kläger in dem Rechtsstreit zu 8 Cg .../65 des Kreisgerichtes Leoben auferlegten Prozeßkosten, aus dem Titel des Schadenersatzes zu ersetzen. Das Mehrbegehren, den Beklagten schuldig zu erkennen, die für Rudolf L. und Leo Th. bestimmten Ausfertigungen des Schiedsspruches vom 3. Juni 1965 und nach Rechtskraft dieses Schiedsspruches auch die Rechtskraft- und Vollstreckbarkeitsklausel mit seinem Vor- und Zunamen zu unterfertigen, wies es ab.

Das Berufungsgericht änderte über Berufung beider Parteien das Ersturteil dahin ab, daß es dem Begehren auf Unterfertigung der Ausfertigungen des Schiedsspruches vom 3. Juni 1965 und der Rechtskraft- und Vollstreckbarkeitsklausel durch den Beklagten stattgab, hingegen das gegen den Beklagten gerichtete Schadenersatzbegehren des Klägers abwies. Das Berufungsgericht vertrat unter Heranziehung der Entscheidungen GlUNF. 2751 und SZ. VI 212 den Standpunkt, daß der Beklagte als Schiedsrichter verpflichtet sei, alle seine ihm durch das freiwillig übernommene Amt auferlegten Pflichten zu erfüllen, wozu nicht nur die Unterfertigung des Protokolls und des gefällten Schiedsspruches, sondern selbstverständlich die Unterfertigung der Ausfertigungen des Schiedsspruches mit nachfolgender Rechtskraftbestätigung gehöre (§§ 592 (2) und 594 (2) ZPO.), Diese Verbindlichkeit ergebe sich aus den im 26. Hauptstück des ABGB. geregelten Verfügungen über Dienstleistungen. Dieser Auffassung stehe auch der Plenissimarbeschluß JB. Nr. 238 nicht entgegen. Das Begehren auf Unterfertigung des Schiedsspruches und der Rechtskraft- und Vollstreckbarkeitsklausel sei daher berechtigt. Hingegen sei das Schadenersatzbegehren nicht begrundet. Der Schiedsrichter hafte wohl gemäß § 584 (2) ZPO. und § 90 (3) des Steiermärkischen Jagdgesetzes für alle Schäden, die durch seine schuldhafte Weigerung oder Verzögerung entstanden seien. Die Prozeßkosten zu 8 Cg .../65 des Kreisgerichtes Leoben seien aber nur dadurch entstanden, daß der Obmann des Schiedsgerichtes einen anderen Schiedsrichter bestellt und versucht habe, mit diesem einen weiteren Schiedsspruch herauszubringen. Der Kläger habe in keiner Weise behauptet, daß der Beklagte dabei irgendwie schuldhaft mitgewirkt habe. Es fehle auch jeder Kausalzusammenhang zwischen der Weigerung des Beklagten und der Entstehung der Kosten in dem Verfahren zu 8 Cg .../65 des Erstgerichtes, deren Ursache einzig und allein in dem durch das Gesetz nicht gedeckten Verhalten des Obmannes des Schiedsgerichtes zu finden sei.

Der Oberste Gerichtshof hat über Revision beider Teile folgende Entscheidung gefällt: Aus Anlaß der Revision werden das angefochtene Urteil sowie das Urteil der ersten Instanz samt dem vorangegangenen Verfahren als nichtig aufgehoben und wird die Klage zurückgewiesen.

Die Kosten des als nichtig erklärten Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Im Vordergrund steht die von Amts wegen wahrzunehmende Frage, ob für die beiden vom Kläger geltend gemachten Ansprüche der Rechtsweg offen ist. Die Beantwortung dieser Frage hängt davon ab, ob das nach den Bestimmungen des Steiermärkischen Jagdgesetzes errichtete Schiedsgericht als ein auf Grund eines Schiedsvertrages nach den Bestimmungen der §§ 577 ff. ZPO. errichtetes Schiedsgericht oder als ein behördliches Organ anzusehen ist. Ist nämlich das nach den Bestimmungen des Steiermärkischen Jagdgesetzes errichtete Schiedsgericht eine Behörde, der von diesem Schiedsgericht gefällte Schiedsspruch sonach ein Verwaltungsbescheid, dann kann weder der Anspruch auf Unterfertigung der Ausfertigung des Schiedsspruches noch der Anspruch auf Leistung von Schadenersatz gegen den Beklagten auf dem Rechtswege verfolgt werden. Der Ausschluß des Rechtsweges hinsichtlich des Begehrens auf Unterfertigung der Ausfertigungen des Schiedsspruches ergäbe sich in diesem Falle aus dem Grundsatz der Gewaltentrennung, weil ein behördliches Organ bzw. ein Mitglied eines kollegialen Behördenorgans nicht durch Klage vor dem ordentlichen Gericht zur Vornahme einer zum Wirkungskreis der Behörde gehörenden Tätigkeit verhalten werden kann. Der Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen gegen den Beklagten wegen des behaupteten schuldhaften und rechtswidrigen Verhaltens (der Verweigerung der Unterfertigung der Ausfertigung des Schiedsspruches) stunde in diesem Falle die Bestimmung des § 9 (5) AHG. entgegen, wonach der Geschädigte den Ersatz des Schadens, den ihm ein Organ eines im § 1 AHG. genannten Rechtsträgers in Vollziehung des Gesetzes zugefügt hat, gegen das Organ im ordentlichen Rechtsweg nicht geltend machen kann, was besagt, daß der Rechtsweg hiefür verschlossen ist (vgl. SZ. XXXVI 115).

Das in den Bestimmungen des Steiermärkischen Jagdgesetzes zur Entscheidung über Ansprüche auf Ersatz von Jagd- und Wildschäden vorgesehene Schiedsgericht, dessen Obmann ohne Zutun der Beteiligten von einer Verwaltungsbehörde bestellt wird, kann keinesfalls als ein auf Grund eines privaten Schiedsvertrages errichtetes Schiedsgericht angesehen werden, woran auch nichts zu ändern vermag, daß die beiden Beisitzer vom Geschädigten und Jagdberechtigten bestellt wurden.

Daß die in verschiedenen Landesgesetzen vorgesehenen Schiedsgerichte zur Entscheidung über Ansprüche auf Ersatz von Jagd- und Wildschäden als ausführende Organe des betreffenden Bundeslandes anzusehen sind, wurde bereits in der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes 1 Ob 634/65, SZ. XXX 25, dargelegt, wenn auch in dieser Entscheidung nichts darüber gesagt ist, ob es sich bei diesen ausführenden Organen um unabhängige Organe, also um Gerichte im Sinne des B-VG., oder um Verwaltungsbehörden handelt. Die Beantwortung der Frage, ob ein Vollzugsorgan als Gericht oder als Verwaltungsbehörde anzusehen ist, hängt u. a. davon ab, ob das Organ mit den verfassungsrechtlichen Garantien der Unabhängigkeit und Unabsetzbarkeit ausgestattet ist (vgl. Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes Slg. Nr. 2902/55 und G 19/62 vom 23. März 1963). Nun ist durch keine Bestimmung des Steiermärkischen Jagdgesetzes mit der nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes geforderten Eindeutigkeit normiert, daß es sich bei diesen Schiedsgerichten um unabhängige Organe, somit um Gerichte im Sinne des B-VG. handelt (vgl. das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 15. Oktober 1964, G 17/64, dem - soweit es sich um die Frage nach dem Behördencharakter derartiger Schiedsgerichte handelt - ein im wesentlichen gleichartiger, nach den Bestimmungen des Burgenländischen Jagdgesetzes zu beurteilender Fall zugrunde lag).

Der Oberste Gerichtshof ist daher der Ansicht, daß es sich bei dem gegenständlichen, auf Grund des Steiermärkischen Jagdgesetzes errichteten Schiedsgericht um eine Verwaltungsbehörde, bei dem von diesem Schiedsgericht gefällten Schiedsspruch sonach um einen Verwaltungsbescheid handelt. Für den Beklagten, der als Mitglied dieser als kollegiales Organ eingerichteten Behörde tätig geworden ist, gilt das gleiche, was für die Behörde als solche gilt. Da die Wirksamkeit des Schiedsspruches gemäß § 90 (2) des Steiermärkischen Jagdgesetzes von der Unterfertigung der Ausfertigungen durch alle Schiedsrichter abhängig ist, die Tätigkeit der Schiedsrichter daher nicht vor Unterfertigung der Ausfertigung als beendet angesehen werden kann, gehört die Unterfertigung der Ausfertigungen des gefällten Schiedsspruches noch zu den Tätigkeiten, die der Schiedsrichter in Erfüllung seines Schiedsrichteramtes vorzunehmen hat.

Daraus folgt im Sinne der obigen Ausführungen, daß für beide Klagsansprüche der ordentliche Rechtsweg verschlossen ist.

Auf die Frage, ob nicht der Bestimmung des § 90 (3) des Steiermärkischen Jagdgesetzes über die Haftung der Schiedsrichter den Parteien gegenüber für den durch schuldhafte Weigerung oder Verzögerung verursachten Schaden insoweit, als die Schiedsrichter in Vollziehung der Gesetze tätig geworden sind, die (materiellrechtliche) Bestimmung des § 1 (1) erster Satz zweiter Halbsatz des AHG. (dem Geschädigten haftet das Organ nicht) entgegensteht, brauchte bei dieser Sachlage nicht eingegangen zu werden. Desgleichen erübrigte sich ein Eingehen auf den als Anregung zu beurteilenden Antrag des Beklagten, den Akt zur Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit von Bestimmungen des Steiermärkischen Jagdgesetzes dem Verfassungsgerichtshof vorzulegen.

Es waren sonach aus Anlaß der erhobenen Revisionen die Urteile der beiden Vorinstanzen samt dem vorangegangenen Verfahren als nichtig aufzuheben und war die Klage zurückzuweisen.

Rechtssätze
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