JudikaturJustiz8Ob105/13v

8Ob105/13v – OGH Entscheidung

Entscheidung
28. Oktober 2013

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon. Prof. Dr. Kuras, die Hofrätin Dr. Tarmann Prentner und die Hofräte Mag. Ziegelbauer und Dr. Brenn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei G***** W*****, vertreten durch die Mag. iur. Oliver Lorber Rechtsanwalts GmbH in Klagenfurt, gegen die beklagte Partei E***** GmbH, ***** (früher: M***** GmbH, *****), vertreten durch Dr. Gustav Etzl, Rechtsanwalt in Wien, wegen 8.382,92 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Berufungsgericht vom 14. Juni 2013, GZ 18 R 8/13z 15, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Neunkirchen vom 13. November 2012, GZ 3 C 1932/11t 10, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 744,43 EUR (darin enthalten 124,07 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Der Kläger erwarb am 20. 12. 2006 drei Genussscheine der A***** AG (früher A***** Beteiligungs AG) der Serie 2001 zum Kaufpreis von 8.382,92 EUR. Die Bewilligung der Veröffentlichung des Verkaufsprospekts erfolgte am 12. 9. 2001. Dem Erwerb der Genussscheine durch den Kläger ging eine Beratung durch seinen Versicherungsmakler voraus, der von einem geringen Risiko sprach. Zudem standen dem Kläger nur Werbeprospekte zur Verfügung. Dem Kläger war weder der Kapitalmarktprospekt aus dem Jahr 2001 noch eine Bilanz einer der A***** Gesellschaften bekannt. Er hatte auch keine Kenntnis von den Bestätigungsvermerken zu den Jahres und Konzernabschlüssen der A***** Gesellschaften.

Die Beklagte war Abschluss und Konzernprüferin für die Jahres und Konzernabschlüsse der A***** Gesellschaften für die Jahre 2000 bis 2008. Die Jahres und Konzernabschlüsse samt den Bestätigungsvermerken wurden im Firmenbuch veröffentlicht. Bis einschließlich des Jahres 2007 erteilte die Beklagte jeweils uneingeschränkte Bestätigungsvermerke. Zu den Jahresabschlüssen für das Jahr 2008 erteilte sie nur einen eingeschränkten Bestätigungsvermerk. Im Mai 2010 wurden über die A***** AG und die A***** I***** AG die Konkursverfahren eröffnet.

Der Kläger begehrte die Zahlung des Kaufpreises für die erworbenen Genussscheine; eventualiter stellte er ein Feststellungsbegehren. Die Beklagte habe bei Prüfung der Jahres und Konzernabschlüsse die gesetzlichen Pflichten nicht ordnungsgemäß wahrgenommen und die Unrichtigkeiten in den Bilanzen nicht aufgedeckt. Bei gesetzeskonformer Vorgangsweise wäre sie verpflichtet gewesen, die Bestätigungsvermerke zu versagen. Die Beklagte habe auch ihre Verpflichtungen als Prospektkontrollorgan verletzt. Wäre die Beklagte ihren gesetzlichen Verpflichtungen nachgekommen, so hätte der Kläger die Genussscheine nicht erworben und auch keinen Schaden erlitten. Das Vertrauen in die Richtigkeit der Jahresabschlüsse habe für ihn eine entscheidende Grundlage für den Ankauf und für das Behalten der Genussscheine dargestellt. Er habe sich auf die Prüfungsbestätigungen der Beklagten verlassen. Jedenfalls hätte er keine wertlos gewordenen Genussscheine gekauft oder behalten, wenn die Prüfvermerke versagt worden wären.

Die Beklagte entgegnete, dem Kläger sei zu keinem Zeitpunkt, insbesondere nicht zu jenem seines Anlageentschlusses, der Verkaufsprospekt, ein Jahres oder Konzernabschluss einer der A***** Gesellschaften oder ein dazu erteilter Bestätigungsvermerk vorgelegen. Der Kläger habe sich bei seiner Anlageentscheidung ausschließlich von Werbeaussagen sowie von den Erklärungen seines Anlageberaters leiten lassen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren einschließlich des Feststellungsbegehrens ab. Der aus der Haftung der Beklagten als Prospektkontrollorin abgeleitete Anspruch sei gemäß § 11 Abs 7 KMG verjährt. Davon abgesehen sei ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Anlageentscheidung des Klägers und einem allenfalls fehlerhaften Prospekt nicht zu erkennen. Letzteres gelte auch für die geltend gemachte Haftung der Beklagten als Abschlussprüferin. Ursächlichkeit sei nur dann gegeben, wenn sich der Anleger im Vertrauen auf den ihm bekannten Bestätigungsvermerk zur Zeichnung der Wertpapiere entschlossen habe. Der Kläger habe aber weder eine Bilanz noch einen Bestätigungsvermerk der Beklagten zu Gesicht bekommen.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Ein Abschlussprüfer werde bei pflichtwidrigem Verhalten einem Dritten gegenüber nur dann ersatzpflichtig, wenn dieser im Vertrauen auf die Verlässlichkeit des Bestätigungsvermerks disponiert habe und dadurch einen Schaden erleide. Von den Schutzwirkungen des Prüfungsvertrags sollten nur diejenigen Dritten erfasst werden, die im Vertrauen auf dem ihnen bekannten Bestätigungsvermerk eine Anlageentscheidung getroffen hätten. Demgegenüber seien dem Kläger weder die Jahresabschlüsse noch die Bestätigungsvermerke der Beklagten bekannt gewesen. Diese Überlegungen würden auch für die geltend gemachte Prospekthaftung gelten. Die ordentliche Revision sei zulässig, weil es zur Frage, ob für die Kausalität die Kenntnis des konkreten haftungsbegründenden Bestätigungsvermerks vorausgesetzt sei oder eine „Anlagestimmung“ genüge, an einer eindeutigen höchstgerichtlichen Rechtsprechung fehle.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision des Klägers, die auf eine Stattgebung des Klagebegehrens abzielt.

Mit ihrer Revisionsbeantwortung beantragt die Beklagte, die Revision des Klägers zurückzuweisen, in eventu, dieser den Erfolg zu versagen.

Rechtliche Beurteilung

Entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts ist die Revision mangels Vorliegens einer entscheidungsrelevanten erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig.

1. Auf die geltend gemachte Haftung der Beklagten als Prospektkontrollorin, die bereits vom Erstgericht wegen Verjährung nach § 11 Abs 7 KMG verneint wurde, kommt die Beklagte in der Revision nicht mehr zurück. Die Frage der Verjährung hat sie schon in der Berufung unbehandelt gelassen. Die Anspruchsgrundlage nach § 11 KMG ist damit nicht mehr Gegenstand des Verfahrens (vgl 10 Ob 69/11m).

2. Strittig ist noch die Haftung der Beklagten als Abschlussprüferin.

Den Abschlussprüfer trifft aufgrund des Prüfungsvertrags nur gegenüber dem geprüften Unternehmen eine vertragliche Haftung. In der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist allerdings geklärt, dass der Vertrag zwischen Abschlussprüfer und der geprüften Gesellschaft einen Vertrag mit Schutzwirkungen zugunsten Dritter darstellt. Erfasst sind alle potentiellen Gläubiger der Gesellschaft, die durch die Veröffentlichung des Bestätigungsvermerks angesprochen werden sollen (RIS Justiz RS0116076; RS0116077). Daran hat der Oberste Gerichtshof trotz teilweiser Kritik in der Lehre festgehalten. Der Oberste Gerichtshof anerkennt damit die Haftung des Abschlussprüfers auch gegenüber geschädigten Anlegern (3 Ob 230/12b; 3 Ob 231/12k).

3.1 Die Vorinstanzen verneinten die Kausalität der vom Kläger behaupteten Pflichtwidrigkeit der Beklagten (unrichtige Bestätigungsvermerke) und dem geltend gemachten Schaden. Ursächlichkeit sei nur gegeben, wenn der Anleger im Vertrauen auf den ihm bekannten Bestätigungsvermerk die Veranlagung erworben und den Bestätigungsvermerk daher zur Grundlage seines Anlageentschlusses gemacht habe.

3.2 In den Entscheidungen 10 Ob 88/11f und 1 Ob 35/12x hat der Oberste Gerichtshof zu den Grundlagen der Dritthaftung des Abschlussprüfers Stellung genommen. Darin gelangte er zum Ergebnis, dass die Haftung des Abschlussprüfers Folge der vorgeschriebenen Offenlegung des Jahresabschlusses einschließlich des Bestätigungsvermerks sei und sich daher auf potentiell geschädigte Dritte erstrecke, die im Vertrauen auf die Richtigkeit des Jahresabschlusses mit der geprüften Gesellschaft kontrahierten und im Insolvenzfall mit dem (teilweisen) Ausfall ihrer Forderungen konfrontiert seien. Der Abschlussprüfer, der den Jahresabschluss mit einem Bestätigungsvermerk versehen habe, hafte daher gegenüber jedem Anleger für den Schaden, der diesem im Vertrauen auf den Bestätigungsvermerk und die Richtigkeit des Jahresabschlusses entstanden sei.

3.3 Nach diesen Grundsätzen besteht die Haftungsgrundlage des Abschlussprüfers gegenüber dem geschädigten Dritten in der durch den veröffentlichten Bestätigungsvermerk geschaffenen Vertrauensbasis zwischen der geprüften Gesellschaft und den (potentiellen) Anlegern. Diese Vertrauensbasis kann nur enttäuscht werden, wenn der Anleger auf die Richtigkeit des konkreten (uneingeschränkten) Bestätigungsvermerks vertraut hat. Dementsprechend ist in der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs anerkannt, dass dann, wenn der Abschlussprüfer die gebotene Sorgfalt vernachlässigt und deshalb einen unrichtigen Bestätigungsvermerk ausstellt, er einem Dritten, der im Vertrauen auf die Verlässlichkeit des Bestätigungsvermerks disponiert und dadurch einen Schaden erleidet, ersatzpflichtig wird (RIS Justiz RS0116077).

3.4 Nach der gesicherten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs kommt es für die Kausalität somit darauf an, ob der Kläger auf einen (nach den Behauptungen unrichtigen) Bestätigungsvermerk vertraut hat und seine Anlageentscheidung davon beeinflusst war.

Ein solches Vertrauen kann zunächst durch die Kenntnis des konkreten Bestätigungsvermerks geschaffen werden. Im Anlassfall steht fest, dass der Kläger weder den Kapitalmarktprospekt aus dem Jahr 2001 noch die Bilanzen der Gesellschaften noch die Bestätigungsvermerke kannte. Für seine Anlageentscheidung waren nur Werbeprospekte und die Angaben seines Versicherungsmaklers maßgebend.

Ein auf die Bestätigungsvermerke der Beklagten gegründetes Vertrauen des Klägers wäre hier dann denkbar, wenn die auf die Anlageentscheidung positiv einwirkende Beratung des Versicherungsmaklers von den erteilten Bestätigungsvermerken beeinflusst gewesen wäre. Dies würde aber voraussetzen, dass der Versicherungsmakler die Bestätigungsvermerke gekannt oder sonst von deren Erteilung erfahren hat. Ein sich darauf beziehendes Vorbringen hat der Kläger allerdings nicht erstattet. Gemäß § 226 Abs 1 ZPO sind aber Tatsachen, auf die sich der Anspruch des Klägers gründet, im Einzelnen kurz und vollständig anzugeben.

3.5 Das Vorbringen des Klägers, dass er sich auf die Bestätigungsvermerke der Beklagten verlassen und das Vertrauen in die Richtigkeit der bestätigten Jahresabschlüsse für ihn eine entscheidende Grundlage für den Ankauf und das Behalten der Genussscheine gebildet habe, hat sich nicht bewahrheitet. Sonst hat der Kläger (trotz Erörterung) nur allgemein behauptet, dass er bei korrektem Verhalten der Beklagten die Genussscheine nicht erworben bzw diese unverzüglich verkauft hätte und der Schaden nicht eingetreten wäre, hätte die Beklagte ihre Verpflichtungen ordnungsgemäß erfüllt und die Bestätigungsvermerke versagt. Dieses Vorbringen ist für die Darlegung eines Kausalzusammenhangs nicht ausreichend.

Diese Überlegungen gelten für sämtliche von der Beklagten erteilten Bestätigungsvermerke. Zudem ist anzumerken, dass der Kläger den Eintritt seines primären Schadens bereits auf den Erwerb der Genussscheine bezieht. Den späteren Bestätigungsvermerken würde daher keine Bedeutung mehr zukommen (vgl 3 Ob 230/12p).

3.5 Auf die vom Berufungsgericht als erheblich qualifizierte Frage, ob für die Kausalität allenfalls eine durch einen Bestätigungsvermerk herbeigeführte „Anlagestimmung“ ausreichend sei, kommt es im Anlassfall nicht an.

In der Rechtsprechung ist geklärt, dass bei Sorgfaltspflichtverletzungen der Geschädigte den Schaden, die Sorgfaltswidrigkeit und den kausalen Zusammenhang zwischen Sorgfaltsverletzung und Schaden zu behaupten und zu beweisen hat. Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs besteht auch bei Anlegerschäden (anders als bei der Arzthaftung) kein Anlass für Beweiserleichterungen in Bezug auf die Kausalität (3 Ob 225/11a mwN; vgl auch RIS Justiz RS0108627). In der Entscheidung 10 Ob 69/11m hat der Oberste Gerichtshof zur Prospekthaftung des Emittenten bzw des Prospektkontrollors darauf hingewiesen, dass von einem Teil der Lehre vertreten werde, dass bereits ein am Markt vorhandener fehlerhafter Prospekt zu einer „Anlagestimmung“ führen und derart einen prima facie Beweis zu Gunsten des Anlegers im Sinn einer anzunehmenden Beeinflussung bewirken könne, wobei die österreichische Rechtsprechung einen solchen Anscheinsbeweis jedoch ablehne (vgl auch 7 Ob 77/10i).

Zum Nachweis der Kausalität hat der Kläger also darzulegen, dass er seine Anlageentscheidung tatsächlich im Vertrauen auf den erteilten Bestätigungsvermerk getroffen und diesen zur Grundlage seiner schadensauslösenden Disposition gemacht hat. Auch etwa zu einer durch die inkriminierten Bestätigungsvermerke herbeigeführten „Anlagestimmung“ hat der Kläger kein Vorbringen erstattet.

3.6 Insgesamt hat der Kläger damit nicht nachgewiesen, dass er im Vertrauen auf die von der Beklagten erteilten Bestätigungsvermerke seine Anlageentscheidung in Bezug auf die hier in Rede stehenden Genussscheine getroffen hat. Die vom Kläger geltend gemachten sekundären Feststellungsmängel liegen nicht vor.

4.1 Zusammenfassend ergibt sich:

Der Vertrag zwischen Abschlussprüfer und der geprüften Gesellschaft stellt einen Vertrag mit Schutzwirkungen zugunsten Dritter dar, der alle potentiellen Gläubiger der Gesellschaft erfasst. Stellt der Abschlussprüfer schuldhaft einen unrichtigen Bestätigungsvermerk aus, so wird er einem Dritten, der im Vertrauen auf die Verlässlichkeit des Bestätigungsvermerks disponiert und dadurch einen Schaden erleidet, ersatzpflichtig. Der geschädigte Anleger hat zu behaupten und zu beweisen, dass er seine Anlageentscheidung im Vertrauen auf den erteilten Bestätigungsvermerk getroffen und diesen zur Grundlage seiner schadensauslösenden Disposition gemacht hat.

4.2 Die Entscheidungen der Vorinstanzen stehen mit diesen Grundsätzen im Einklang. Da es dem Kläger nicht gelungen ist, mit seinen Ausführungen eine erhebliche Rechtsfrage aufzuzeigen, war die Revision zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision in ihrer Revisionsbeantwortung hingewiesen.

Rechtssätze
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