JudikaturJustiz7Ob82/05t

7Ob82/05t – OGH Entscheidung

Entscheidung
11. Mai 2005

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj Kinder Philipp I*****, und Angelika I*****, vertreten durch die Mutter Manuela I*****, vertreten durch Dr. Josef Wegrostek, Rechtsanwalt in Wien, über den Revisionsrekurs des Vaters Gerardo I*****, vertreten durch Dr. Günter Tews, Rechtsanwalt in Linz, gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 28. Jänner 2005, GZ 43 R 15/05g 123a, womit der Beschluss des Bezirksgerichtes Meidling vom 3. Dezember 2004, GZ 23 P 73/03w 115, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Anlässlich der Scheidung der Eltern der pflegebefohlenen Kinder Philipp und Angelika verpflichtete sich der Vater mit pflegschaftsgerichtlich genehmigtem Vergleich vom 19. 8. 2004 unter anderem, den Kindern ab 1. 9. 2004 monatlichen Unterhalt von je EUR 740, - zu bezahlen. Ausdrücklich wurde im Vergleich als Bemessungsgrundlage ein durchschnittliches monatliches Nettoeinkommen des Vaters von EUR 7.038,02 festgehalten.

Nur einige Tage später beantragte der Vater, der beim Vergleichsabschluss (ebenso wie die Mutter) anwaltlich vertreten gewesen war, mit Schriftsatz vom 28. 8. 2004, den monatlichen Unterhaltsbetrag ab 1. 9. 2004 auf EUR 625, - je Kind herabzusetzen. Er wolle nun, dass die Familienbeihilfe und die Kinderabsetzbeträge berücksichtigt würden. Nach gefestigter höchstgerichtlicher Judikatur sei der Unterhaltspflichtige auch dann steuerlich zu entlasten, wenn die Luxusgrenze greife.

Die Mutter sprach sich namens der Kinder gegen eine Unterhaltsherabsetzung aus. Der Antrag des Vaters sei nicht berechtigt, da sich die Verhältnisse seit dem Vergleichsabschluss nicht geändert hätten.

Das Erstgericht schloss sich dieser Ansicht an und wies den Unterhaltsherabsetzungsantrag daher ab. Die Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes, wonach die Transferleistungen über Antrag berücksichtigt werden könnten, seien zum Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses durchaus bekannt gewesen. Eine Anleitungspflicht des Gerichtes entfalle, wenn die Parteien - wie hier - anwaltlich vertreten seien.

Das vom Vater angerufene Rekursgericht bestätigte die Entscheidung der ersten Instanz. Unstrittig sei, dass bereits zum Zeitpunkt des Abschlusses des Unterhaltsvergleiches, mit dem sich der Vater zur Zahlung von Unterhaltsbeträgen in Höhe des Zweieinhalbfachen des Regelbedarfes verpflichtet habe, vom Höchstgericht judiziert worden sei, die verfassungsgemäß gebotene Anrechnung der Transferleistungen habe auch jenen Unterhaltspflichtigen zugutezukommen, deren Leistungsfähigkeit zufolge der Luxusgrenze nicht ganz ausgeschöpft werde. Auch im außerstreitigen Verfahren ergangene Unterhaltsfestsetzungen unterlägen der materiellen Rechtskraft und könnten nur bei geänderten Verhältnissen abgeändert werden. Zwar könne der Irrtum einer Partei oder der darauf beruhende Willensmangel im Sinne der weiten Auslegung der Umstandsklausel gegen die materielle Rechtskraft ins Treffen geführt und zum Gegenstand eines Unterhaltserhöhungsantrages gemacht werden. Irrtum oder Willensmangel sei im vorliegenden Fall aber nicht geltend gemacht worden. Der Vater hätte bereits bei Vergleichsabschluss auf die Berücksichtigung der Transferleistungen hinweisen müssen. Bei Kenntnis der betreffenden Judikatur sei es demnach schon aus Gründen der Rechtssicherheit nicht gerechtfertigt, den vom Vater erst nach Vergleichsabschluss erhobenen Einwand gelten zu lassen. Ein Vergleich habe die Aufgabe, die Rechtslage für die Zukunft klarzustellen bzw mit Deutlichkeit und Sicherheit zu gestalten. Die Auffassung des Vaters, er könne eine steuerliche Entlastung im Nachhinein durch Stellung eines Herabsetzungsantrages geltend machen, widerspreche diesem Grundsatz.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs gemäß § 14 Abs 1 AußStrG aF zulässig sei, da sich das Höchstgericht bisher mit der Beurteilung der hier vorliegenden Fallkonstellation - Geltendmachung der steuerlichen Berücksichtigung erst nach Vergleichsabschluss - nicht auseinanderzusetzen und darüber zu entscheiden gehabt habe. Der Lösung dieser Frage komme über den Einzelfall hinaus Bedeutung zu.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht angeführten Grund zulässig; er ist jedoch nicht berechtigt.

Der erkennende Senat teilt die Rechtsansicht des Rekursgerichtes, sodass es genügt, zu den Argumenten des Revisionsrekurswerbers nur kurz Stellung zu nehmen (§ 71 Abs 3 zweiter Satz AußStrG nF):

Unterhaltsvergleiche stehen grundsätzlich - bis zu einer nicht bloß unbedeutenden Änderung der beiderseitigen Verhältnisse - einer neuerlichen Unterhaltsfestsetzung im Sinne eines materiell rechtlichen Hindernisses entgegen (Gitschthaler, Unterhaltsrecht Rz 410 mit zahlreichen Judikaturnachweisen). Da auch Unterhaltsvergleichen als eine im redlichen Verkehr geltende Gewohnheit die Umstandsklausel innewohnt, kann eine Unterhaltsvereinbarung bei Vorliegen geänderter Verhältnisse abgeändert werden (RIS Justiz RS0018984 mit zahlreichen Entscheidungsnachweisen; Gitschthaler aaO mit zahlreichen Judikaturnachweisen).

Der vom Vater im Revisionsrekurs vertretenen Auffassung, dass er nun - anders als bei Vergleichsabschluss - auf der Anrechnung der Familienbeihilfe bestehen wolle, stelle einen geänderten Umstand dar, der eine Abänderung der Unterhaltsvereinbarung möglich mache, kann nicht beigetreten werden. Zwar kommt nach stRsp eine Neubemessung auch dann in Betracht, wenn bei Abschluss des Unterhaltsvergleiches für die Bemessung des Unterhaltsanspruches wesentliche Umstände unbekannt gewesen waren oder irrtümlich von falschen Bemessungsvoraussetzungen ausgegangen wurde (1 Ob 621/89; 1 Ob 524/90 = RZ 1990/117 = ÖA 1991, 136 = EFSlg 62.592; 5 Ob 233/96k = EFSlg 80.778; 6 Ob 81/00s = ÖA 2000, 170/U 317 ua); weiters kann eine Neubemessung auch begehrt werden, wenn neue Umstände hervorgekommen sind, die eine andere Sachlage ergeben, als jene, die der Unterhaltsvereinbarung zugrundelagen, wenn sich also nur die Umstände geändert haben, die vom Willens und Vorstellungsbereich der Vertragspartner erfasst waren (vgl 1 Ob 544/53; 7 Ob 337/55; 6 Ob 580/88 = ÖA 1990, 15; 1 Ob 524/90 = RZ 1990/117 = ÖA 1991, 136; 10 Ob 77/97i = ÖA 1998, 59/U 204; 3 Ob 535/92 = SZ 65/54 = ÖA 1993, 17/U 65 = EFSlg 68.431; 9 Ob 302/97w). Eine solche Situation ist aber im vorliegenden Fall nicht gegeben. Hat sich doch seit dem Vergleichsabschluss an den Bemessungsvoraussetzungen oder den Umständen, die vom Willens und Vorstellungsbereich der Vertragspartner erfasst waren, gar nichts geändert. Der Vater will vielmehr, wie er bereits in seinem Herabsetzungsantrag und nun auch im Revisionsrekurs erklärt, nun die Anrechnung der Transferleistungen begehren.

Dass er die betreffende Rechtslage - die Möglichkeit einer steuerlichen Entlastung durch Anrechnung der Transferleistungen geltend zu machen - zum Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses verkannt hätte, hat er in erster Instanz gar nicht behauptet. Dies und ob ein diesbezüglicher Rechtsirrtum (seines Anwaltes) überhaupt einen tauglichen Grund für eine Unterhaltsherabsetzung bilden könnte, kann aber dahingestellt bleiben, weil zufolge des Neuerungsverbotes des § 66 Abs 2 AußStrG nF (§ 10 AußStrG aF) das erstmals im Revisionsrekurs erhobene, von der Rekursgegnerin im Übrigen bestrittene Vorbringen, man habe bei Vergleichsabschluss die betreffende Rechtslage verkannt, jedenfalls unbeachtlich ist. Davon ist zu unterscheiden, dass ein Unterhaltsschuldner auch noch im Rekursverfahren mit zulässiger Neuerung die steuerliche Entlastung im Sinne der neuen Rechtslage nach § 12a FLAG geltend machen kann (RIS Justiz RS0117800). Geht es doch hier nicht darum, neue Tatsachen oder Beweismittel zur Unterstützung der Revisionsrekursgründe vorzubringen, sondern einen Irrtum als „geänderten Umstand" (also das Vorliegen geänderter Verhältnisse) zu behaupten.

Der Revisionsrekurs muss daher erfolglos bleiben.