JudikaturJustiz7Ob774/79

7Ob774/79 – OGH Entscheidung

Entscheidung
22. November 1979

Kopf

SZ 52/175

Spruch

Im Fall des § 399 ZPO bleibt der Säumige von allem Vorbringen auch zur Ergänzung bereits aufgestellter Behauptungen ausgeschlossen. Auf nicht schon angenommene unzulässige Schriftsätze ist nicht Bedacht zu nehmen. Eine Verletzung der Anleitungspflicht des Säumigen kommt nicht in Betracht

OGH 22. November 1979, 7 Ob 774/79 (OLG Wien, 12 R 95/79; LGZ Wien, 39 b Cg 135/77)

Text

Das auf Zahlung von restlichem Werklohn gerichtete Klagebegehren wurde in der Klagebeantwortung mit der Behauptung bestritten, es sei ein Großteil der durchgeführten Arbeiten ohne Einvernehmen des Beklagten von dessen Schwiegersohn in Auftrag gegeben und ein großer Teil der Arbeiten nicht vollendet worden, obwohl namhafte Akontozahlungen geleistet worden seien; ferner sei "ein Teil der Arbeit unsachgemäß ausgeführt" worden. Zum Beweis hiefür berief sich der Beklagte auf Ortsaugenschein, Vernehmung einer Zeugin und Parteienvernehmung. In der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung am 21. Oktober 1977 trug der Erstrichter dem Beklagten auf, seine Einwendungen binnen vier Wochen zu spezifizieren, worauf die Klägerin binnen gleicher Frist Stellung nehmen könne. Der Beklagte erstattete den aufgetragenen Schriftsatz in der gesetzten Frist nicht. In der folgenden Tagsatzung vom 10. Jänner 1978 beantragte die Klägerin infolge Nichterscheinens des Beklagten die Durchführung des Verfahrens nach § 399 ZPO. Ein inzwischen am 9. Jänner 1978 eingelangter vorbereitender Schriftsatz des Beklagten findet in dem Protokoll vom 10. Jänner 1978 keine Erwähnung und wurde erst als Folgestück in die Akten eingeordnet.

Das Erstgericht gab mit Urteil gemäß § 399 ZPO ohne Bedachtnahme auf das Vorbringen des vorbereitenden Schriftsatzes des Beklagten, dessen Inhalt erst in einer folgenden Tagsatzung gegen den Widerspruch der Klägerin vorgetragen worden war, dem Klagebegehren bis auf ein Zinsenteilbegehren statt. Nach seinen Feststellungen erteilte der Beklagte sämtliche Aufträge für die nun verrechneten Arbeiten; er leistete auch in der Zeit vom 24. Oktober 1975 bis 11. Mai 1976 Teilzahlungen von insgesamt 750 000 S, erbrachte dann aber trotz einer Zusage der Zahlung bis Ende September 1976 und des Andrängens der Klägerin keine weiteren Zahlungen, so daß diese die restliche Arbeit, die noch einen Aufwand von rund 30 000 S erfordert hätte, nicht mehr durchführte. Der Beklagte habe weder behauptet noch unter Beweis gestellt, daß er mit der Einstellung der Arbeiten nicht einverstanden gewesen sei und die Vollendung des Werks verlangt habe. Das Entgelt sei daher fällig. Eine rechtzeitige Mängelrüge sei nicht erhoben worden.

Das Berufungsgericht gab der vom Beklagten erhobenen Berufung Folge und hob das sonst unbekämpft gebliebene Ersturteil im stattgebenden Teil mit Rechtskraftvorbehalt auf. Es trat zwar der Meinung des Beklagten entgegen, daß auch bei Anwendung des § 399 ZPO später beantragte Beweise durchgeführt werden müßten, und erachtete das Vorbringen in der Klagebeantwortung als eine nicht ausreichende Mängelrüge. Nach § 399 Abs. 1 letzter Satz ZPO hätte aber das Erstgericht das Vorbringen im Schriftsatz ON 9 berücksichtigen und im Sinne des § 182 ZPO ergänzen lassen müssen, weil die Überreichung dieses Schriftsatzes vor der versäumten Tagsatzung zur Abwehr der Säumnisfolgen genüge.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs der Klägerin Folge, hob den angefochtenen Beschluß auf und trug dem Berufungsgericht eine neue Entscheidung über die Berufung auf.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Unzutreffend ist allerdings der Hinweis der Rekurswerberin auf die Meinung von Fasching III, 663, daß nach § 399 ZPO der Schriftsatz dem Gegner noch vor der Tagsatzung zugekommen sein müsse. Diese Stelle im Kommentar betrifft nämlich ein neues Vorbringen des Erschienenen, also des Gegners des Säumigen; hinsichtlich der vorbereitenden Schriftsätze des Ausgebliebenen genügt nach Fasching (a. a. O.) das Vorbringen in einem vorbereitenden Schriftsatz, auch wenn dieser dann nicht mehr in der mündlichen Verhandlung vorgetragen wurde. Nicht gefolgt werden kann weiters der Ansicht des Rekurswerbers, daß der Zeitpunkt der Einordnung des Schriftsatzes in die Akten (erst nach der Tagsatzung vom 10. Jänner 1978) einer Berücksichtigung dieses Vorbringens im Wege stunde. Eine verspätete Aufnahme in die Akten müßte der Beklagte nicht vertreten.

Das Berufungsgericht hat aber übersehen, daß der nach § 258 ZPO überhaupt unzulässige, aber vom Erstgericht aufgetragene Schriftsatz vom Beklagten nicht innerhalb der ihm in der Tagsatzung vom 21. Oktober 1977 gesetzten Frist von vier Wochen überreicht wurde, sondern erst am Tag vor der nächsten Tagsatzung vom 10. Jänner 1978. Diese Verspätung fällt dem Beklagten bei Beurteilung der Rechtsfolgen des § 399 ZPO zur Last. Auf unzulässige Schriftsätze ist nämlich in keiner Weise Bedacht zu nehmen; auch eine Verletzung des rechtlichen Gehörs durch Ausschluß eines nach § 399 Abs. 1 ZPO erheblichen Vorbringens kann für solche Schriftsätze, die nach Beginn der mündlichen Verhandlung eingebracht wurden, nicht in Betracht kommen (Fasching III, 200). Nur die Annahme des Schriftsatzes durch das Erstgericht hätte die Verspätung unbekämpfbar (§ 258 Abs. 1 in Verbindung mit § 257 Abs. 2 ZPO) geheilt. Davon kann aber keine Rede sein, wenn der Schriftsatz im vorliegenden Fall dem Verhandlungsrichter bei der vom Beklagten versäumten Tagsatzung noch gar nicht vorlag und überdies schon deshalb zurückzuweisen gewesen wäre, weil er so knapp vor der Tagsatzung eingebracht wurde, daß eine vorherige Zustellung an den Gegner nicht mehr möglich war (JB 248; Fasching III, 201).

Der Meinung des Berufungsgerichtes, daß der Inhalt des Schriftsatzes ON 9 bei Anwendung des § 399 ZPO zu berücksichtigen sei, kann demnach nicht gefolgt werden. Selbst dieses Vorbringen wäre übrigens, wie die zweite Instanz richtig erkannt hat, noch unzureichend und ergänzungsbedürftig. In einem Verfahren nach § 399 ZPO kommt aber entgegen der Meinung des Berufungsgerichtes ein Mangel im Sinn des § 182 ZPO durch Nichtanleitung des Säumigen schon deshalb nicht in Betracht, weil dieser auf seine früheren Erklärungen und tatsächlichen Angaben beschränkt (§ 399 Satz 3) und auch in späteren Tagsatzungen von jedem weiteren Vorbringen ausgeschlossen ist (Fasching III, 632 f.; RZ 1954, 31; JBl. 1955, 173 u. a.). Diese Regelung ist strenger als die gegenüber der erschienenen Partei, der nur jedes weitere Vorbringen verwehrt ist, das mit dem bisherigen in Widerspruch steht (§ 399 Satz 2), und sie schließt strenger als die Eventualmaxime der §§ 552 und 562 ZPO auch das Vorbringen neuer Tatsachen und Beweise im Rahmen der bisher erhobenen Einwendungen aus. Der einmal Säumige kann nichts mehr nachholen oder ergänzen und unschlüssiges Vorbringen nicht mehr verbessern (vgl. Fasching III, 632 f.).

Das Vorbringen in der Klagebeantwortung, daß "ein Teil der Arbeit unsachgemäß ausgeführt" worden sei, enthielt nach der zutreffenden Ansicht des Berufungsgerichtes keine ordnungsgemäße Mängelrüge. Einerseits war auch der Beklagte verpflichtet, bei Bestreitung des Klagsanspruches die Tatsachen, auf welche sich die Einwendungen grunden, im einzelnen kurz und vollständig anzugeben; das dargestellte unsubstantiierte Vorbringen war als leere Einwendung unbeachtlich. Andererseits fehlte es, wie die zweite Instanz richtig erkannt hat (sogar noch im Schriftsatz ON 9), an der Erklärung des Beklagten, in welcher Richtung er sein Wahlrecht im Rahmen allfälliger Gewährleistungsansprüche ausübe.

Ist somit eine Verletzung der Vorschrift des § 399 ZPO zu verneinen, so ist die Rechtssache im Sinne der Bestätigung des Ersturteils spruchreif, weil sich die Berufung auf die Geltendmachung dieses Mangels beschränkt hat und ihre Rechtsrüge in keiner Weise gesetzmäßig, nämlich auf der Grundlage der erstrichterlichen Tatsachenfeststellungen ausgeführt war.

Rechtssätze
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