JudikaturJustiz7Ob72/22x

7Ob72/22x – OGH Entscheidung

Entscheidung
29. Juni 2022

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Hofrätin Dr. Solé als Vorsitzende und die Hofrätin und die Hofräte Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich, Mag. Pertmayr, und Dr. Weber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M* J*, vertreten durch die Rechtsanwalt Dr. Gahleithner Partner OG in Wien, gegen die beklagte Partei U* AG, *, vertreten durch die Chyba Engelmayer Rechtsanwälte OG in St. Pölten, wegen Herausgabe (Streitwert 7.000 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Handelsgerichts Wien als Berufungsgericht vom 22. Dezember 2021, GZ 1 R 256/21z 11, womit das Urteil des Bezirksgerichts für Handelssachen Wien vom 28. September 2021, GZ 10 C 178/21f 5, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 626,52 EUR (darin enthalten 104,42 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1] Da der Kläger in seiner Revision das Vorliegen der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht zu begründen vermag, ist die Revision entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig. Die Zurückweisung eines ordentlichen Rechtsmittels wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO):

[2] 1. Gemäß § 11c Abs 2 VersVG hat der Versicherer auf Verlangen des Versicherungsnehmers oder jedes Versicherten Auskunft über und Einsicht in Gutachten zu geben, die auf Grund einer ärztlichen Untersuchung eines Versicherten erstattet worden sind, wenn die untersuchte Person in die Auskunftserteilung oder Einsichtgewährung einwilligt. Auf Verlangen sind den auskunftsberechtigten Personen gegen Aufwandersatz auch Abschriften dieser Gutachten zur Verfügung zu stellen.

[3] 2. Der Gesetzgeber verfolgte mit diesem im Rahmen des BGBl 1994/509 eingeführten Auskunfts- und Einsichtsrechts (ursprünglich § 11a VersVG idF BGBl 1994/509) als Reaktion auf die Entscheidung 7 Ob 7/92, in der der Oberste Gerichtshof ein (außerprozessuales) Recht des Versicherungsnehmers auf Einsicht in ein vom Versicherer eingeholtes ärztliches Gutachten verneint hatte, die Absicht, ein derartiges Recht für solche Gutachten zu schaffen, „an denen der Versicherungsnehmer oder ein Versicherter dadurch mitgewirkt hat, dass er sich für Zwecke der Gutachtenserstellung ärztlich untersuchen hat lassen“ (ErläutRV 1553 BlgNR 18. GP 17; vgl auch 7 Ob 133/01m).

[4] 3. Der Kläger vertritt in seiner Revision unter Hinweis auf die Materialien die Ansicht, § 11c Abs 2 VersVG sei analog auch auf nicht ärztliche Gutachten anzuwenden.

[5] 4. Jede Analogie setzt eine planwidrige Unvollständigkeit des Gesetzes voraus (vgl RS0106092; RS0008866 [insb T2, T4, T11]), die nur dann angenommen werden kann, wenn Wertungen und Zweck der gesetzlichen Regelung die Annahme rechtfertigen, der Gesetzgeber hätte einen nach denselben Maßstäben regelungsbedürftigen Sachverhalt übersehen (RS0008866 [T27]). Das bloß rechtspolitisch Erwünschte vermag dagegen der ergänzenden Rechtsfindung durch Analogiebildung nicht als ausreichende Grundlage zu dienen (RS0008866 [T12]). Ordnet daher der Gesetzgeber für einen bestimmten Sachverhalt eine bestimmte Rechtsfolge bewusst nicht an, besteht keine Gesetzeslücke (vgl RS0008870 [T3, T4]; RS0008866 [T8, T13]).

[6] 5. Die Rechtsansicht der Vorinstanzen, § 11c Abs 2 VersVG sei mangels Vorliegens einer Rechtslücke ausschließlich auf Gutachten anzuwenden, die aufgrund einer ärztlichen Untersuchung erstattet wurden und daher nicht auf das hier vom Versicherer eingeholte kriminaltechnologische Gutachten, ist nicht korrekturbedürftig, beruht doch die Beschränkung auf Gutachten, an deren Befundaufnahme der Versicherte im Rahmen einer ärztlichen Untersuchung mitgewirkt hat, auf einer im Wortlaut der Normen und den Materialien eindeutig zum Ausdruck kommenden bewussten Entscheidung des Gesetzgebers. Warum aus den weiteren Ausführungen in den Materialien, wonach von einer weitgehenden Offenlegung der Entscheidungsbasis des Versicherers nicht zuletzt eine streitabschneidende Wirkung zu erwarten sei (vgl ErläutRV 1553 BlgNR 18. GP 17), abzuleiten sei, dass ein Auskunfts und Einsichtsrecht für sämtliche Gutachten eingeräumt werden sollte, kann der Revisionswerber nicht schlüssig darlegen.

[7] 5. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 50, 41 ZPO.