JudikaturJustiz7Ob712/88

7Ob712/88 – OGH Entscheidung

Entscheidung
15. Dezember 1988

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Wurz, Dr.Warta, Dr.Egermann und Dr.Niederreiter als Richter in der Pflegschaftssache der mj.Kinder Daniela D***, geboren am 3.Juni 1976, und Reinhard D***, geboren am 10.Juni 1980, infolge Revisionsrekurses der Mutter Susanne D***, im Haushalt, Ternitz, Franz Dinhobl-Straße 4, gegen den Beschluß des Kreisgerichtes Wiener Neustadt als Rekursgerichtes vom 24.Oktober 1988, GZ R 375/88-85, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Neunkirchen vom 12.September 1988, GZ P 161/82-82, teilweise abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Text

Begründung:

Die Ehe der Eltern der mj.Kinder Daniela D***, geboren am 3.6.1976, und Reinhard D***, geboren am 10.6.1980, wurde mit Beschluß des Kreisgerichtes Wiener Neustadt vom 11.1.1983 gemäß § 55 a EheG geschieden. Die elterlichen Rechte und Pflichten hinsichtlich dieser Kinder stehen ihrer Mutter Susanne D*** zu. Der Vater der Kinder, Walter D***, hat eine weitere Ehe mit Anna, geb.R***, geschlossen und den ae.Sohn seiner zweiten Ehefrau, den am 11.1.1976 geborenen Andreas, an Kindes Statt angenommen. Die Bewilligung der Annahme wurde mit Beschluß des Bezirksgerichtes Favoriten vom 27.8.1987, 1 P 77/85-39 erteilt.

Mit Beschluß des Erstgerichtes vom 3.10.1986 wurden die vom Vater zu leistenden monatlichen Unterhaltsbeträge ab 1.9.1986 mit S 1.900,-- für den mj.Reinhard und mit S 2.100,-- für die mj.Daniela festgesetzt.

Am 29.8.1988 beantragte der Vater eine Herabsetzung seiner Unterhaltsverpflichtung gegenüber dem mj.Reinhard auf S 1.400,-- und gegenüber der mj.Daniela auf S 1.800,--, weil seine Ehefrau derzeit nicht berufstätig sei und er auch für den mj.Andreas, den er adoptiert habe, zu sorgen habe.

Die Mutter sprach sich gegen eine Herabsetzung des Unterhaltes aus. Die Sorgepflicht für den mj.Andreas sei nicht zu berücksichtigen, weil hier eine durch Adoption begründete vertragliche und keine gesetzliche Sorgepflicht vorliege. Das Erstgericht wies den Antrag des Vaters ab. Hinsichtlich des mj.Andreas bestehe nur eine vertragliche Unterhaltspflicht des Vaters.

Die zweite Instanz gab dem Antrag teilweise Folge und verpflichtete den Vater, zum Unterhalt der mj.Daniela monatlich einen Betrag von S 1.900,--, zum Unterhalt des mj.Reinhard monatlich einen Betrag von S 1.500,-- zu leisten; das Mehrbegehren wies sie ab. Gemäß § 182 Abs 1 ABGB habe die Annahme an Kindes Statt die Wirkung, daß zwischen Wahleltern und Wahlkind mit dem Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Kindesannahme die gleichen Rechte entstehen, wie sie durch die eheliche Abstammung begründet werden. Zu den aus dieser Abstammung hervorgehenden Rechten zähle insbesondere gemäß § 140 ABGB der Anspruch des Kindes gegenüber seinen Eltern auf Unterhalt. Dem Wahlkind stehe daher gegenüber den Wahleltern ein gesetzlicher, vertragsmäßig nicht abdingbarer Unterhaltsanspruch zu. Die Sorgepflicht des Vaters für seinen Adoptivsohn sei daher bei der Bemessung des Unterhalts der beiden ehelichen Kinder zu berücksichtigen.

Mit ihrem Revisionsrekurs wendet sich die Mutter dagegen, daß das Rekursgericht die Unterhaltsansprüche der leiblichen Kinder des Vaters jenen seines Adoptivsohnes gleichgestellt habe. Würden auch durch die Adoption Rechtsbeziehungen wie durch die eheliche Abstammung hergestellt, handle es sich doch Dritten gegenüber um eine vertragliche Regelu.m, die der gesetzlichen nachzustehen habe. Dies komme auch in der Bestimmung des § 180 a ABGB zum Ausdruck, wonach die Adoption nicht zu bewilligen sei, wenn hiedurch Unterhaltansprüche leiblicher Kinder verkürzt würden. Der Vater habe im Bewilligungsverfahren am 16.6.1987 erklärt, er nehme die Adoption seines Stiefsohnes nicht zum Anlaß, um eine Herabsetzung des Unterhalts für seine Kinder aus erster Ehe zu erreichen. Eine Kürzung der Unterhaltsansprüche der ehelichen Kinder sei nicht vertretbar, weil sie ohnedies bereits unter dem Regelbedarf lägen. Zu prüfen war vorerst die Zulässigkeit des Rechtsmittels, weil nach § 14 Abs 2 AußStrG Rekurse gegen Entscheidungen der zweiten Instanz über die Bemessung gesetzlicher Unterhaltsansprüche unzulässig sind. Nach dem Judikat 60 neu (SZ 27/177) gehört zur Bemessung des gesetzlichen Unterhalts die Beurteilung der Bedürfnisse des Unterhaltsberechtigten, der zur Deckung dieser Bedürfnisse vorhandenen Mittel, die vor der Leistung des Unterhaltspflichtigen heranzuziehen sind, sowie die Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen. Keine dieser Fragen ist jedoch im vorliegenden Fall strittig. Der Revisionsrekurs betrifft vielmehr allein die Frage, ob die Sorgepflicht des Vaters für sein Adoptivkind bei Bemessung des Unterhalts seiner leiblichen Kinder (überhaupt) zu berücksichtigen ist, sowie ob und welche Auswirkungen die Erklärung des Vaters, er nehme die Adoption nicht zum Anlaß, eine Herabsetzung des Unterhalts für seine Kinder aus erster Ehe zu erreichen, auf das gegenständliche Verfahren hat. Bekämpft wird daher nicht die Unterhaltsbemessung, sondern deren Rechtsgrundlage (SZ 45/87).

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist aus diesem Grund zulässig. Er ist auch berechtigt.

Nicht berechtigt sind allerdings die Rekursausführungen zur Art des Unterhaltsanspruches des Adoptivkindes.

Kommt die Annahme an Kindes Statt auch durch einen schriftlichen Vertrag zwischetzctm Annehmenden und dem Wahlkind (und durch gerichtliche Bewilligung auf Antrag eines Vertragsteiles) zustande (§ 179 a Abs 1 ABGB), entstehen doch zwischen dem Annehmenden und dem Wahlkind mit dem Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Kindesannahme die gleichen Rechte, wie sie durch die eheliche Abstammung begründet werden (§ 182 Abs 1 ABGB). Zu den aus dieser Abstammung hervorgehenden Rechten zählt insbesondere (§ 140 ABGB) der Anspruch des Kindes gegenüber seinen Eltern auf Unterhalt (EFSlg 40.944). Der dem Wahlkind gegenüber seinen Wahleltern zustehende gesetzliche Unterhaltsanspruch verliert seinen Charakter nicht dann, wenn die Auswirkungen dieses Anspruches auf den Unterhaltsanspruch dritter Personen, wie der ehelichen Kinder, zu prüfen sind. Es ist richtig, daß die Bewilligung der Annahme an Kindes Statt nach § 180 a ABGB (auch) zu versagen ist, wenn ein überwiegendes Anliegen eines leiblichen Kindes des Annehmenden entgegensteht, insbesondere dessen Unterhalt oder Erziehung gefährdet wäre. Daraus ergibt sich zunächst, daß leibliche Kinder der Wahleltern am Bewilligungsverfahren beteiligt, daß sie als Beteiligte zur Wahrung ihrer Ansprüche in jenem Verfahren zu hören sind, und daß ihnen, damit sie in die Lage versetzt werden, die Verletzung ihrer Rechte zu bekämpfen, die Entscheidung über den Antrag auf Bewilligung der Adoption zuzustellen ist (SZ 42/183). Die Annahme an Kindes Statt wurde jedoch rechtskräftig bewilligt und kann deswegen, weil sich nachträglich herausstellte, daß der Unterhalt der leiblichen Kinder hiedurch doch gefährdet wird, nicht mehr rückgängig gemacht, also weder widerrufen (§ 184 ABGB), noch auch aufgehoben (§ 184 a ABGB) werden (Steininger in JBl 1963, 560).

Da aber im § 180 a Abs 2 ABGB ausdrücklich Vorsorge für den Interessenschutz leiblicher Kinder des Annehmenden getroffen und bestimmt wurde, daß der Adoption die Bewilligung zu versagen ist, wenn ein überwiegendes Anliegen eines leiblichen Kindes des Annehmenden entgegensteht, insbesondere dessen Unterhalt oder Erziehung gefährdet werde, kann die im Bewilligungsverfahren abgegebene Erklärung des Vaters, er werde die Adoption nicht zum Anlaß nehmen, um eine Herabsetzung des Unterhaltes für die Kinder aus erster Ehe zu beantragen und die dritte Sorgepflicht nur einwenden, wenn ein Erhöhungsantrag gestellt werden sollte, nicht unbeachtet bleiben. Es wurde doch (erst) durch diese Erklärung des Vaters, einen Herabsetzungsantrag nicht zu stellen, klargestellt, daß der Adoption nicht das Anliegen der leiblichen Kinder, in ihrem Unterhalt nicht gefährdet zu werden, entgegensteht. Steininger hat in JBl 1963, 560, im Fall einer Scheinadoption zum Zwecke der Benachteiligung eines leiblichen Kindes des Annehmenden - wird die Absicht der Vertragsparteien erst nach Rechtskraft des Bewilligungsbeschlusses entdeckt - erwogen, relative Nichtigkeit, nämlich Unwirksamkeit im Verhältnis zum geschädigten leiblichen Kind des Annehmenden, anzunehmen, wobei ein entsprechendes Feststellungsbegehren im streitigen Verfahren einzubringen wäre. Es ist entbehrlich, die grundsätzliche Möglichkeit eines derartigen Verfahrens vorliegendenfalls zu prüfen, zumal kein Grund vorhanden ist, dem Vater zu unterstellen, er habe nur eine Scheinadoption vornehmen wollen. Die Erklärung einen Herabsetzungsantrag aus Anlaß der Adoption nicht zu stellen, wurde im Interesse der ehelichen Kinder dem die Adoption bewilligenden Gericht gegenüber abgegeben und von jenem Gericht für die genannten Kinder entgegengenommen, als Gewähr dafür, daß die leiblichen Kinder durch die Bewilligung der Annahme in ihrem Unterhalt nicht gefährdet werden. Die Nichtbeachtung dieser Erklärung würde einen Verstoß gegen die Voraussetzungen darstellen, unter denen die Annahme bewilligt wurde. Diese Erklärung darf deshalb bei der Festsetzung des Unterhaltsanspruches der ehelichen Kinder nicht übergangen werden.

Die im Adoptionsbewilligungsverfahren abgegebene Erklärung des Vaters steht einer auch nur teilweisen Unterhaltsherabsetzung aus dem Grunde der erfolgten Adoption entgegen.

Es war deshalb dem Revisionsrekurs Folge zu geben und die Entscheidung des Erstgerichtes wiederherzustellen.